Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 17.09.2007

OVG Koblenz: vergleich, wiederholung, bewirtschaftung, zahl, bedürfnis, aufteilung, verfügung, erlass, stamm, rechtspflege

OVG
Koblenz
17.09.2007
2 B 10807/07.OVG
Beamtenrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
…,
- Antragsteller und Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Klinge - Hess, Rheinstraße 2 a, 56068 Koblenz,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts, Stresemannstraße 1,
56068 Koblenz,
- Antragsgegner und Beschwerdegegner -
beigeladen:
1. …,
2. …,
wegen Bewerbung um eine Beförderungsstelle
hier: einstweilige Anordnung
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
17. September 2007, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer
Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm
Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Juli
2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die dieseselbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12.973,35 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit
dem dieser seinen Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine
Bewerbung auf eine der im Justizblatt Nr. 15/2006 ausgeschriebenen Stellen für Justizoberamtsräte
sichern will, zu Recht abgelehnt. Denn für den Erlass einer Sicherungsanordnung im Sinne von § 123
Abs. 1 Satz 1 VwGO fehlt es an dem hierfür erforderlichen Anordnungsanspruch. Die vom Antragsteller
gegen dieses vorinstanzliche Ergebnis dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des
Oberverwaltungsgerichts zu beschränken hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), rechtfertigen keine
Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Weder verletzt die Aufteilung der zur Ver-
fügung stehenden Stellen zwischen den mit Rechtspflegeraufgaben betrauten Justizamtsräten und den in
der Justizverwaltung tätigen Beamten subjektive Rechte des Antragstellers (1.) noch lassen sich in Bezug
auf den Leistungs- und Eignungsvergleich zwischen dem Antragsteller und den beiden Beigeladenen
rechtlich erhebliche Mängel feststellen (2.). Selbst wenn im letztgenannten Prüfungspunkt eine
Fehlerhaftigkeit im Rahmen der vom Antragsgegner herangezogenen Hilfskriterien festzustellen wäre,
ginge dem Antragsteller bei einer fehlerfreien Wiederholung des Auswahlvorgangs jedenfalls ein anderer
Bewerber vor (3.).
1. Die noch vor der „eigentlichen“ Bewerberauswahl vom Antragsgegner vorgenommene Aufteilung der
zur Verfügung stehenden vier Beförderungsstellen zwischen den mit Rechtspflegeraufgaben betrauten
Beamten einerseits und den in der Justizverwaltung eingesetzten Amtsräten andererseits begegnet als
seit Jahrzehnten anerkanntes und mit dem Hauptpersonalrat abgestimmtes Verfahren keinen
durchgreifenden rechtlichen Bedenken (a). Die dergestalt funktionsgruppenspezifisch erfolgende
Bewirtschaftung der Beförderungsstellen bedurfte auch keiner ausdrücklichen Erwähnung in der
Stellenausschreibung (b).
a) Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, in Ausübung des ihm zustehenden Organisationsrechts zu
entscheiden, welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine ordnungsgemäße Erledigung der ihm ge-
setzlich übertragenen Aufgaben zu gewährleisten. In Ausübung dieses Organisationsermessens hat der
Dienstherr insbesondere Zahl und Art der Stellen im öffentlichen Dienst zu bestimmen und im Rahmen
seiner finanziellen Möglichkeiten die haushaltsrechtlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur
Umsetzung der getroffenen personalwirtschaftlichen und organisatorischen Entscheidungen erforderlich
sind. Dies schließt grundsätzlich die Befugnis ein, aus sachgerechten Erwägungen festzulegen, ob
Dienstposten bzw. Planstellen nur den bereits in dem entsprechenden Funktionsbereich eingesetzten
Beamten übertragen werden oder das Auswahlverfahren für jeden Bewerber offen sein soll, der die
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine Übertragung der jeweiligen Stelle erfüllt. Eine in diesem
Sinne eingeschränkte Vergabe von Planstellen innerhalb bestimmter Funktionsbereiche ist auch nicht
ungewöhnlich. So werden etwa Beförderungsstellen in dem besonders personalintensiven Bereich der
Polizei des Landes Rheinland-Pfalz in ständiger Verwaltungsübung für die in der Schutz- und Krimi-
nalpolizei sowie der Polizeiverwaltung tätigen Beamten jeweils getrennt ausgeschrieben und vergeben.
Zwar werden diese Stellen schon im Haushaltsplan entsprechend ausgebracht. Neben einer solchen,
bereits im Haushaltsplan angelegten Differenzierung ist eine spätere funktionsgruppenspezifische
Trennung von Planstellen jedoch auch dann zulässig, wenn diese in der Sache durch nachvollziehbare
Gesichtspunkte gerechtfertigt wird. Derart sachbezogene Kriterien sind hier gegeben.
So unterscheiden sich Aufgaben und Stellung des Rechtspflegers mit seiner sachlichen Unabhängigkeit
(§ 9 Rechtspflegergesetz) und der daraus folgenden überwiegend eigenverantwortlich organisierten
Arbeitsweise grundlegend vom dienstlichen Wirkungskreis des in der Justizverwaltung eingesetzten
Beamten, der bei seiner täglichen Arbeit weisungsgebunden ist, zugleich aber auch mitgestaltend einen
wesentlichen administrativen Beitrag zum wirkungsvollen Ablauf der Rechtsgewähr leisten soll. Diese,
sich von der klassischen Rechtspflegerfunktion strukturell abhebende Aufgabenwahrnehmung im
Justizverwaltungsbereich stellt besondere Anforderungen an die fachliche und persönliche Qualifikation
der dort eingesetzten Beamten. Insoweit besteht ein ständiges dienstliches Bedürfnis an der dauerhaften
Gewinnung von qualifizierten Rechtspflegern für die – häufig mit arbeitsintensiven, vielschichtigen
Personalführungs-, Leitungs- und Sachaufgaben verbundenen – Dienstposten, etwa der Geschäftsleiter
bei Gerichten und Staatsanwaltschaften, aber auch der in der Justizverwaltung eingesetzten Referenten
oder Bezirksrevisoren. Um die für diese anspruchsvollen Dienstposten gewonnenen Beamten des
gehobenen Justizdienstes dauerhaft zu motivieren, ist deren berechtigtem Interesse an einem – auch im
Vergleich zu den mit Rechtspflegeraufgaben betrauten Kollegen – angemessenen beruflichen
Fortkommen Rechnung zu tragen. Ebenso unabweisbar ist allerdings auch, den im „klassischen“ Bereich
der Rechtspflege eingesetzten Beamten die ihrer Verantwortung entsprechenden beruflichen
Entwicklungsmöglichkeiten zu gewährleisten. Diesen gewichtigen personalwirtschaftlichen Belangen
dient das vom Antragsgegner im Rahmen seines Organisationsermessens seit mehreren Jahrzehnten
erfolgreich praktizierte Verfahren, das – soweit ersichtlich – sowohl von den Personalvertretungsgremien
als auch der Beamtenschaft des gehobenen Justizdienstes weitgehend akzeptiert wird. Wie die in der
Bewerberaufstellung enthaltenen Daten früherer Beförderungen der Justizamtsräte deutlich machen,
führte die in Rede stehende Praxis auch in der Vergangenheit stets zu angemessenen Ergebnissen im
Hinblick auf das berufliche Fortkommen der in dem einen wie dem anderen Arbeitsbereich eingesetzten
Beamten. Das gilt auch für den seit mehreren Jahren mit Verwaltungsaufgaben betrauten Antragsteller.
b) Zwar wäre vorstellbar, die Abschichtung der Beförderungsstellen nach Möglichkeit auch aus dem
Ausschreibungstext ersichtlich werden zu lassen. Diese grundsätzliche Annahme kann aber zurücktreten,
wenn im Zusammenhang mit dem Ausschreibungsmodus schützenswerte Rechte der betroffenen
Beamten nicht berührt werden. Das ist vorliegend in zweifacher Hinsicht der Fall: Zum einen wird durch
die im Ausschreibungstext nicht festgelegte Anzahl und Zuordnung der Beförderungsstellen dem
Bedürfnis Rechnung getragen, die in der Zeit zwischen der Ausschreibung und dem jeweiligen
Beförderungstermin zusätzlich freiwerdenden Stellen zugunsten der Bewerber in das laufende
Auswahlverfahren einbeziehen zu können. Zum anderen verletzt die im Ausschreibungstext nicht deutlich
gemachte Zuordnung der zur Verfügung stehenden Beförderungsstellen den Antragsteller nicht in
subjektiven Rechten. Denn Maßstab der im Rahmen der Stellenbewirtschaftung erfolgenden
Abschichtung ist – wie dargelegt – allein das öffentliche Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der
öffentlichen Aufgaben. Durch die – spätestens vor der Auswahlentscheidung festzulegende – „Organisati-
onsgrundentscheidung“ werden schützenswerte Rechte des jeweiligen Beamten, insbesondere dessen
Bewerbungsverfahrensanspruch, zunächst noch nicht berührt. Erst wenn eine frei gewordene oder neu
geschaffene Stelle auf der Grundlage der zuvor getroffenen organisatorischen Entscheidung besetzt wird,
hat der Dienstherr die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz - GG - und § 10 Abs. 1 Satz 1 Landes-
beamtengesetz - LBG - im Rahmen der sich gegenständlich und zeitlich anschließenden Auswahl-
entscheidung zu beachten (vgl. BVerwGE 101, 112; Senatsbeschluss vom 8. Februar 2007 - 2 B
11472/06.OVG -, veröffentlicht in ESOVGRP).
2. Diese Vorgaben hat der Antragsgegner bei seiner Auswahlentscheidung – insbesondere beim
Vergleich zwischen dem Antragsteller und den Beigeladenen – beachtet. Soweit der Beigeladene zu 2)
betroffen ist, rechtfertigt sich dessen Auswahl bereits wegen seiner besser ausgefallenen Beurteilung.
Zwar haben sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene zu 2) in ihren letzten dienstlichen
Beurteilungen die Gesamtnote „Übertrifft erheblich die Anforderungen“ erzielt. Der letztgenannte Beamte
lag mit seinem Ergebnis jedoch im oberen Bereich dieser Notenstufe (2.1), während dem Antragsteller
lediglich eine Leistung und Eignung im mittleren Bereich (2.2) zuerkannt wurde. Diese, im zulässigen
Vorgriff auf die zum Zeitpunkt der Beurteilungserstellung im Entwurf bereits vorliegende Verwal-
tungsvorschrift des Ministeriums der Justiz vom 4. Juni 2007 (Justizblatt 2007, S. 279) vorgenommene
„Binnendifferenzierung“ ist entgegen der Auffassung des Antragstellers rechtlich unbedenklich (vgl. auch:
OVG RP, Beschluss vom 5. Juni 2000 – 10 B 10767/00.OVG –, veröffentlicht in ESOVGRP).
Im Hinblick auf den Leistungs- und Eignungsvergleich mit dem Beigeladenen zu 1) liegen nach deren
Gesamtergebnis im Wesentlichen gleiche dienstliche Beurteilungen vor (jeweils die Note „2.2“). Zwar hat
der Dienstherr bei einem solchen Leistungsgleichstand nach der Rechtsprechung des Senats
grundsätzlich den gesamten in den jeweiligen Beurteilungen zum Ausdruck kommenden leistungsbe-
zogenen Informationsgehalt, namentlich die getroffenen Einzelaussagen, auszuwerten, bevor er auf sog.
Hilfskriterien zurückgreifen darf (vgl. Beschluss vom 10. März 1997 – 2 B 10401/97.OVG –, veröffentlicht in
ESOVGRP). Entgegen der Auffassung der Beschwerde gilt dies aber dann nicht, wenn sich der Dienstherr
dazu entschließt, unter dem Gesichtspunkt der Leistungskontinuität die früheren Beurteilungen für einen
weiteren Leistungsvergleich heranzuziehen. Denn auch bei diesen dienstlichen Beurteilungen handelt es
sich um Erkenntnisse, die – bei gleichwertigen aktuellen Beurteilungen – im Rahmen einer
Gesamtwürdigung der Leistung und Eignung positive oder negative Entwicklungstendenzen der Bewer-
ber aufzeigen und so noch vor leistungsfernen Hilfskriterien den Ausschlag bei einer
Beförderungsentscheidung geben können (vgl. BVerwG, IÖD 2003, 13). Da frühere dienstliche
Beurteilungen keine Hilfskriterien sind, bleibt es insofern dem Dienstherrn überlassen, ob er – soweit
möglich – die vorliegenden Einzelaussagen der letzten Beurteilungen der Bewerber auswertet oder – wie
hier – aus sachlichen Erwägungen frühere Beurteilungen heranzieht. Derart sachliche Gründe bestehen
hier wegen des nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand möglichen Vergleichs der unterschiedlich
abgefassten Einzelaussagen in den von verschiedenen Beurteilern gefertigten Beurteilungen.
3. Da sich Antragsteller und Beigeladener zu 1) auch unter Einbeziehung ihrer früheren Beurteilungen auf
der Ebene des Leistungsvergleich im engeren Sinne nicht wesentlich voneinander unterscheiden, hat der
Antragsgegner schließlich in rechtlich unbedenklicher Weise als – letztlich entscheidendes – Hilfskriterium
die Dauer der Wahrnehmung des Dienstpostens eines Geschäftsleiters herangezogen. Hiernach gebühre
dem Beigeladenen zu 1) wegen seiner langen Verwendungsdauer auf dem Dienstposten des
Geschäftsleiters bei dem Amtsgericht S. (insgesamt rund 26 Jahre) der Vorzug. Dies ist als leistungsnahes
Geschäftsleiters bei dem Amtsgericht S. (insgesamt rund 26 Jahre) der Vorzug. Dies ist als leistungsnahes
Hilfskriterium rechtlich unbedenklich. Die vom Antragsteller demgegenüber in den Vordergrund gerückte
größere Mobilität, die er insbesondere bei seiner Tätigkeit in Thüringen in den Jahren 1993 bis 1996
gezeigt hat, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Welchen von mehreren sich zulässigerweise
anbietenden Hilfskriterien der Dienstherr bei seiner Beförderungsentscheidung den Ausschlag geben
lässt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Anhaltspunkte für eine ermessensfehlerhafte Auswahl
der Hilfskriterien durch den Antragsgegner bestehen jedoch nicht. Der Antragsteller setzt mit seinem
Beschwerdevortrag lediglich seine eigene Auswahlvorgabe an die Stelle derjenigen des hierzu im
Rahmen seines Ermessensspielraumes berufenen Antragsgegners.
Gleiches gilt für die Frage der Schwierigkeit der vom Antragsteller bzw. Beigeladenen zu 1)
wahrgenommenen Dienstposten, die der Antragsteller wegen der höheren Zahl der ihm unterstellten
Bediensteten bei dem Amtsgericht A. (37 Mitarbeiter) ins Feld führt. Zwar steht ihm der Beigeladene zu 1)
mit lediglich 29 unterstellten Bediensteten in dieser Hinsicht unstreitig nach. Auch dieser Gesichtspunkt
kann die begehrte einstweilige Anordnung indessen nicht rechtfertigen. Denn in diesem Fall müsste bei
einer Wiederholung des Auswahlvorgangs dem Mitbewerber F. der Vorrang eingeräumt werden, der – bei
ansonsten gleichen Beurteilungs- und Verwendungsdaten – als Geschäftsleiter der Landesjustizkasse mit
der Aufsicht über rund 80 unterstellte Bedienstete gegenüber dem Antragsteller insoweit deutlich
vorgehen würde.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde des Antragstellers mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 2, 162
Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Eine Kostentragungspflicht hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen entspricht nicht der Billigkeit, weil diese weder Anträge gestellt noch Rechtsmittel eingelegt
und sich somit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz
2 i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (1/4 des 13-fachen Betrags des
monatlichen Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 13 BBesO zzgl. der ruhegehaltfähigen Zulage
nach Nr. 27 der Vorbemerkungen zur BBesO).
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Stamm gez. Bonikowski