Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 30.07.2004

OVG Koblenz: ausbildung, aufschiebende wirkung, unterricht, entlassung, englisch, vollziehung, widerruf, befund, schüler, seminar

OVG
Koblenz
30.07.2004
2 B 11152/04.OVG
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Beamtenrechts (Entlassung)
hier: aufschiebende Wirkung
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
30. Juli 2004, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski
Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. Juni
2004 wird zurückgewiesen
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,-- € festgesetzt.
G r ü n d e
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die im
Mai 2004 angeordnete sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung vom 2. Oktober 2003
auszusetzen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Gründe im Beschluss des
Verwaltungsgerichts verwiesen werden. Im Hinblick auf die in der Beschwerde dargelegten Gründe (vgl. §
146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) führt der Senat ergänzend aus:
Der Senat teilt die Wertung des Verwaltungsgerichts, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung der Entlassungsverfügung deshalb überwiegt, weil sich die Entlassung als offensichtlich
rechtmäßig erweist und zwecks Vermeidung schwerer Nachteile für den Unterrichtsbetrieb alsbald
vollzogen werden sollte.
(1) Rechtsgrundlage für die Entlassung der Antragstellerin ist § 13 Satz 2 Nrn. 1 und 2 der
Landesverordnung über die Ausbildung und Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien vom 27.
August 1997 in der Fassung der Verordnung vom 17. Juli 2002, GVBl. S. 339, ‑ LVO - in Verbindung mit §
42 Abs. 1 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes - LBG -. Nach § 13 Satz 2 Nrn. 1 und 2 LVO können
Studienreferendare unter Widerruf des Beamtenverhältnisses insbesondere dann aus dem
Vorbereitungsdienst entlassen werden, wenn sie durch ihre Führung zu erheblichen Beanstandungen
Anlass geben oder in der Ausbildung nicht hinreichend fortschreiten. Die danach mögliche Entlassung vor
Abschluss des Vorbereitungsdienstes ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar:
Zwar ist das dem Dienstherrn in § 42 Abs. 1 Satz 1 LBG für Beamte auf Widerruf allgemein eingeräumte
weite Ermessen durch § 42 Abs. 2 Satz 1 LBG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im
Vorbereitungsdienst grundsätzlich Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst
abzuleisten und die für die Laufbahn vorgeschriebene Prüfung abzulegen. Diese Soll-Vorschrift erlaubt
jedoch Abweichungen aus besonderen Gründen des Einzelfalles. Voraussetzung hierfür ist allerdings,
dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen.
Dies ist der Fall, wenn ernsthafte Zweifel bestehen, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes,
nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Beamtenlaufbahn, nicht erreichen kann,
insbesondere deshalb, weil er unzulängliche Leistungen erbringt (so: BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1981,
ZBR 1982, 81). Für die Studienreferendare für das Lehramt an Gymnasien konkretisiert § 13 Satz 2 LVO
diejenigen Umstände, unter denen die Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst verfügt werden kann.
Studienreferendare können danach insbesondere dann aus dem Vorbereitungsdienst entlassen werden,
wenn sie in ihrer Ausbildung nicht hinreichend fortschreiten und nicht erkennbar ist, dass sie das Ziel des
Vorbereitungsdienstes, die Befähigung zu selbständiger Arbeit im Lehramt an Gymnasien, erreichen
werden.
Die Entlassung verletzt die betroffenen Studienreferendare unter diesen Voraussetzungen auch nicht in
ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Der Abbruch der Ausbildung aus Gründen ungenügender
Leistung stellt sich als subjektive Zulassungsschranke für die freie Berufswahl dar. Sie ist jedoch zum
Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt (vgl. zu dieser Anforderung allgemein: BVerfGE 7, 377
[407]; 69, 209 [218]). Denn sie dient nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Vermeidung nutzlosen
Ausbildungsaufwands, sondern auch unmittelbar der Gewährleistung eines geordneten
Unterrichtsbetriebs und damit insbesondere dem Schutz der Ausbildungsansprüche der Schüler.
(2) Im Falle der Antragstellerin hat der Antragsgegner zu Recht das Vorliegen der Entlassungstatbestände
gemäß § 13 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 LVO bejaht, wie das Verwaltungsgericht eingehend dargelegt hat. Aus
der Vielzahl der in den Verwaltungsakten enthaltenen Stellungnahmen des Leiters des staatlichen
Studienseminars, des Leiters der Ausbildungsschule, der beiden Fachleiter für Deutsch und Englisch
sowie von anderen mit der Ausbildung der Antragstellerin befassten Fachlehrern wird ersichtlich, dass
nicht nur die Dienstauffassung der Antragstellerin allgemein (insbesondere hinsichtlich Pünktlichkeit,
Teilnahme an Konferenzen etc.) Defizite aufweist, sondern sie auch in fachlicher Hinsicht nicht die
Anforderungen erfüllt, die Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung sind. Soweit
sie in der Beschwerde erneut geltend macht, ihre Leistungsmängel beruhten auf einer unzureichenden
Ausbildung an ihrer Schule und dürften ihr deshalb nicht angelastet werden, teilt der Senat auch insofern
die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts. Die einen Zeitraum von mehreren Monaten
abdeckenden Stellungnahmen und Bemerkungen ihrer Ausbilder belegen, dass nicht nur wiederholt
Schwächen bei der Antragstellerin angemerkt wurden, sondern auch immer wieder der Versuch
unternommen wurde, ihr beim Beheben dieser Mängel behilflich zu sein und Anleitungen für eine
erfolgreiche Unterrichtsgestaltung zu geben. Wenn die Antragstellerin diese Kritik und die Anregungen
ihrer Ausbilder nicht annimmt, darf sie die Verantwortung für die Folgen dieses Verhaltens nicht bei ihren
Ausbildern suchen.
Einen ersten Eindruck über das Ausbildungsverhalten der Antragstellerin vermittelt bereits der Bericht
einer Fachlehrerin über die im August/September 2002 stattgefundene Hospitation im Deutschunterricht
einer Klasse 9 b. Dort wird festgehalten, dass die Antragstellerin den Unterricht nur gelegentlich besucht
habe; der Rat, selbst Unterricht zu übernehmen, sei nicht befolgt und auch das Angebot zu
"Teamteaching" nicht angenommen worden (vgl. Bl. 40 d. VA). Dieser Befund wird bestätigt durch den
Zwischenbericht einer anderen Fachlehrerin über die Hospitation im Fach Deutsch in einer Klasse 7 b
vom 17. Dezember 2002 (Bl. 38 d. VA) sowie die Beurteilung ihrer Fachleiterin im Fach Englisch vom 24.
Januar 2003 (Bl. 29 d. VA). Der Antragstellerin ist dann im Gespräch mit dem Seminarleiter am 27. Januar
2003 der Ernst der Lage verdeutlicht worden. Auf ihren Wunsch, die Ausbildung fortzusetzen, sind ihr
daraufhin Auflagen dahingehend gemacht worden, ihr Verhalten bis Ostern grundlegend zu ändern,
insbesondere den Ausbildungsunterricht in dem von § 9 Abs. 4 Satz 1 LVO vorgeschriebenen Umfang
entweder als Hospitation oder als eigenen Unterricht vollständig abzuleisten (vgl. Bl. 24 d. VA). Der
Bericht einer weiteren Fachlehrerin über Hospitationen und Unterrichtsversuche der Antragstellerin im
Leistungskurs 12 in Englisch in der Zeit vom 31. Januar 2003 bis zum 8. April 2003 (Bl. 12 - 14 d. VA)
widerlegt zum einen eindringlich die Behauptung der Antragstellerin, es habe an Versuchen gemangelt,
ihr das Rüstzeug für eine erfolgreiche Unterrichtsgestaltung nahe zu bringen. Der Bericht zeigt des
Weiteren, dass hinsichtlich der bereits zu Beginn ihrer Ausbildung festgestellten Mängel keine Besserung
eingetreten war. Dieser Befund wird letztlich durch das Ergebnis der Lehrproben bestätigt, die in beiden
Fächern mit 0 Punkten bewertet wurden (Deutsch am 28. Mai 2003, Englisch am 11. Juli 2003).
Vor diesem Hintergrund ist auch die Einschätzung ihrer Fachleiterin, des Leiters der Ausbildungsschule
sowie des Leiters des Studienseminars nachvollziehbar, dass ein eigenverantwortlicher Unterricht der
Antragstellerin den Schülern gegenüber nicht zu verantworten sei (vgl. die Stellungnahmen vom April
2003, Bl. 15, 7 und 3 d. VA). Daraus folgt aber zugleich, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist,
wesentliche Teile des von ihr geforderten Ausbildungsunterrichts (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 LVO) abzuleisten
und das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich die Befähigung zu selbständiger Arbeit im Lehramt an
Gymnasien (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LVO), zu erreichen.
Erweist sich die Entlassungsverfügung damit als offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das öffentliche
Interesse an deren sofortiger Vollziehung das Interesse der Antragstellerin, den Vorbereitungsdienst
vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache fortsetzen zu können. Hieran vermag auch ihr Angebot,
für die im Falle der Aussetzung der Vollziehung fortzuzahlenden Bezüge Sicherheit zu leisten, nichts zu
ändern. Denn das öffentliche Interesse besteht wesentlich darin, nicht nur die Ausbildungskapazität der
Fachlehrer sinnvoll einzusetzen, sondern vor allem einen qualifizierten und störungsfreien Unterricht zu
gewährleisten und damit den berechtigten Ausbildungsansprüchen der Schüler zu genügen. Diesen
gegenüber ist es nicht zu verantworten, auf Dauer einem Unterricht ausgesetzt zu sein, der in keiner
Hinsicht den Anforderungen genügt, vielmehr - wie hier geschehen - in erheblichem Umfang noch
Richtigstellungen durch den jeweiligen Fachlehrer notwendig macht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG a.F. in Verbindung mit §
72 Nr. 1 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. S. 718).
gez. Dr. Held gez. Bonikowski gez. Stengelhofen