Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 03.04.2008

OVG Koblenz: verfassungskonforme auslegung, rechtsschutz, erstinstanzliches gericht, abstrakte normenkontrolle, sicherstellung, feststellungsklage, konkretisierung, pflege, zahl, verordnung

OVG
Koblenz
03.04.2008
7 C 11220/07.OVG
Verwaltungsprozessrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Normenkontrollverfahren
des Johanniter-Unfallhilfe e.V., vertreten durch den Landesverband Hessen/ Rheinland-Pfalz/Saar, dieser
vertreten durch die Landesvorstände …,
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Martini Mogg Vogt, Ferdinand-Sauerbruch-Straße 26,
56073 Koblenz,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und
Frauen, Bauhofstraße 9, 55116 Mainz,
- Antragsgegner -
wegen Landesverordnung zur Durchführung des Landesgesetzes zur Sicherstellung und
Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur (Normenkontrolle)
hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 3. April 2008, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl
Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff
für Recht erkannt:
Der Normenkontrollantrag wird als unzulässig abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Gültigkeit von Bestimmungen der
Landesverordnung zur Durchführung des Landesgesetzes zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der
pflegerischen Angebotsstruktur ‑ LPflegeASGDVO ‑ vom 7. Dezember 2005, und zwar im Hinblick auf die
dort geregelte Auswahl eines Trägers einer Beratungs- und Koordinierungsstelle. Er ist selbst als Träger
von Einrichtungen und Diensten der ambulanten Pflege an der Übernahme solcher Trägerschaften
interessiert, die ihrerseits Voraussetzung für die im Landesgesetz vorgesehene Personal- und
Sachkostenförderung ist. Beanstandet wird vor allem, dass bei der in der Durchführungsverordnung
vorgesehenen Wahl eines Trägers in dem zu besetzenden Betreuungsbereich eine Stimmenkumulation
entsprechend der Zahl der vorhandenen Pflegedienste im Gebiet der Kommune vorgesehen ist und somit
bestimmte Bewerber unangemessen bevorzugt würden.
Im Einzelnen stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:
Der Antragsteller unterhält in zahlreichen Landkreisen und kreisfreien Städten innerhalb von Rheinland-
Pfalz ambulante Pflegedienste. Im Bereich des Landkreises Westerwald ist er, vertreten durch den
Regionalverband Mittelrhein, seit etwa zehn Jahren in der Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen Träger
einer Beratungs- und Koordinierungsstelle innerhalb eines ambulanten Hilfezentrums. Ursprünglich war
nach der Rechtslage aufgrund des Landespflegehilfengesetzes sowie der dazu ergangenen
Durchführungsverordnung eine Investitionskostenförderung für als bedarfsnotwendig festgestellte
ambulante Hilfezentren vorgesehen. Die angestrengte Ausschließlichkeit der Förderung innerhalb eines
Bereichs nach einem Bedarfsplan wurde indessen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG,
Urteil vom 13. Mai 2004, 3 C 45.03 sowie 3 C 2.04) verworfen und eine verfassungskonforme Auslegung
des Gesetzes gefordert, die eine wettbewerbsverzerrende Förderung ausschließen würde. Auf dieser
Grundlage wurde in der Folge durch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
(vgl. Urteile vom 17. Dezember 2004, u.a. 12 A 11388/04.OVG) den seinerzeit klagenden Pflegediensten
jeweils ein Anspruch auf Investitionskostenförderung zuerkannt, soweit diese die für ein ambulantes
Hilfszentrum vorgesehenen Anforderungen erfüllten.
Angesichts der daraus resultierenden und als nicht weiter tragbar angesehenen Förderungssummen
sowohl für das Land wie auch für die Landkreise und kreisfreien Städte wurde mit dem am 1. Januar 2006
in Kraft getretenen Landesgesetz zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen
Angebotsstruktur ‑ LPflegeASG - vom 25. Juli 2005 - GVBl. 2005, S. 299 - ein Wegfall der
Investitionskostenförderung für ambulante Hilfezentren vorgesehen. Die Refinanzierung der
Investitionskosten sollte nur mehr über die Umlage nach § 82 Abs. 4 SGB XI erfolgen. Die bisher
eingesetzten Mittel sollten künftig insbesondere der Förderung niederschwelliger komplementärer
Angebote im Vor- und Umfeld der Pflege zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollten die Landesmittel
auch in den Ausbau der Beratungs- und Koordinierungsstellen (BeKo-Stellen) investiert werden. Gemäß §
5 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes können diese bei ambulanten Diensten oder in gemeinsamer Trägerschaft
mehrerer ambulanter Dienste eingerichtet werden. Die Zahl der erforderlichen BeKo-Stellen wird von der
Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion nach Anhörung der betroffenen Kommunen festgelegt (§ 4 Abs. 1
LPflegeASGDVO). Für landesdurchschnittlich 30.000 Einwohner soll eine BeKo-Stelle vorgesehen
werden.
Das Verfahren über die Entscheidung für die Trägerschaft einer BeKo-Stelle ist in §§ 5 Abs. 2 Satz 4, 9 Nr.
1b LPflegeASG i.V.m. § 4 Abs. 2 und 3 LPflegeASGDVO geregelt. Im Namen der sogenannten regionalen
Pflegekonferenz lädt die zuständige Verwaltung der betroffenen Kommune die Mitglieder einer "Arbeits-
gruppe" zur Sitzung über die Entscheidung über die Trägerschaft ein (§ 4 Abs. 2 Satz 1 LPflegeASGDVO).
Der Arbeitsgruppe gehört jeweils ein Vertreter jedes Trägers an, der in der Kommune einen ambulanten
Dienst unterhält, und zudem ein Vertreter der Kommune selbst. Bei mehreren Bewerbern um die
Trägerschaft wird zunächst die Entscheidung durch einstimmigen Beschluss angestrebt (§ 4 Abs. 2 Satz 2
LPflegeASGDVO). Gelingt dies nicht, ist für die nächste Sitzung eine qualifizierte Mehrheit von zwei
Dritteln der anwesenden Mitglieder vorgesehen (§ 4 Abs. 2 LPflegeASGDVO). Kommt auch auf diese
Weise nach drei Abstimmungen eine Entscheidung nicht zustande, entscheidet bei mehreren Bewerbern
das Los zwischen den beiden Bewerbern, die in der letzten Abstimmung die meisten Stimmen erhalten
haben. Unterhält ein Träger in einer Kommune mehrere ambulante Dienste, so steht dem
Arbeitsgruppenmitglied eine entsprechende Stimmenanzahl zu (§ 4 Abs. 2 Satz 7 LPflegeASGDVO).
Der Antragsteller macht geltend, seine Benachteiligung aufgrund dieser Rechtslage habe sich in
einzelnen Beispielsfällen bereits gezeigt: In Höhr-Grenzhausen habe er seit jeher eine Beratungs- und
Koordinierungsstelle unterhalten; im Anschluss an die Neuregelung sei eine Bewerberkonkurrenz mit der
Caritas-Sozialstation Kannebäckerland in Ransbach-Baumbach aufgetreten. Im Westerwaldkreis allein
unterhalte indessen die Caritas fünf Dienste, während die übrigen Träger jeweils nur einen Dienst
aufwiesen. Erst nachdem buchstäblich in letzter Minute in der Sitzung vom 21. Dezember 2006 der
Mitbewerber den Antrag zurückgezogen habe, sei die weitere Trägerschaft der BeKo-Stelle in Höhr-
Grenzhausen ihm zugesprochen worden.
Die Bewerbung im Bereich des Landkreises Ahrweiler (Beratungsbereich 4: Verbandsgemeinde Bad
Breisig und Brohltal) sei nicht erfolgreich verlaufen, sondern dort habe sich der DRK-Kreisverband
Ahrweiler e.V. durchgesetzt, der Träger zweier ambulanter Dienste dort gewesen sei.
Entscheidungen über BeKo-Stellen hätten für ihn, den Antragsteller, erhebliche finanzielle Auswirkungen.
Nach § 5 Abs. 3 LPflegeASG würden Personalkosten vom Land bis zu 80 v.H. der angemessenen Kosten
einer in Vollzeit beschäftigten Fachkraft gefördert (50.000,00 €), Sachkosten pauschal in Höhe 15 v.H. der
angemessenen Personalkosten. Ohne solche Fördermittel sei der Betrieb einer BeKo-Stelle faktisch nicht
möglich. Erhebliche Probleme insbesondere im Personalkostenbereich ergäben sich auch bei einem
Wechsel der Trägerschaft für eine BeKo-Stelle und der wegfallenden Förderung. Bei den an ein
ambulantes Hilfezentrum angegliederten BeKo-Stellen handele es sich um eine vom Land so geförderte
und gewachsene Struktur, deren Beeinträchtigung gleichzeitig auch zur Beeinträchtigung des
Pflegebereichs führen würde.
Der Normenkontrollantrag sei zulässig und begründet. Zwar gehe die Rechtsprechung im Allgemeinen
dahin, dass eine Normenkontrolle bei unter dem Gesetz stehenden Landesrechtsnormen durch § 4 Abs. 1
AGVwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nur für solche Verordnungen eröffnet sei, die nicht von einer
obersten Landesbehörde erlassen seien; bei einer Ministerverordnung handele es sich nämlich im Sinne
dieser Bestimmung um "Handlungen eines Verfassungsorgans" nach Art. 130 Abs. 1 Satz 1 der Landes-
verfassung, die ausdrücklich in § 4 AGVwGO von der Normenkontrolle ausgenommen würden. Diese
Bestimmung müsse aber aus Gründen der Wahrung der Eröffnung des Rechtsweges gegen Akte der
öffentlichen Gewalt (Art. 19 Abs. 4 GG) einschränkend ausgelegt werden, da sich vorliegend kein
Rechtsschutz im Wege der Inzidentkontrolle anbiete. Anders als in den bisher in der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz und des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz
entschiedenen Fällen erwachse auf der Grundlage der hier angegriffenen Normen kein der
Inzidentkontrolle zugänglicher Vollzugsakt. Denn weder gegen die Entscheidung über die Festlegung der
Anzahl der erforderlichen BeKo-Stellen nach § 4 Abs. 1 der Durchführungsverordnung noch gegen die
Wahlentscheidung bezüglich des Trägers der Stelle sei der Rechtsweg eröffnet.
Er könne auch geltend machen, durch diese Regelung in seinen Rechten i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO
verletzt zu sein. Das Vergabeverfahren für die Trägerschaft einer BeKo-Stelle greife in unzulässiger Weise
in seine grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 58 Landes-
verfassung ein. Es fehle bereits an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung für die
Regelung des Eingriffs in der Durchführungsverordnung; die Verordnungsermächtigung in § 9 Nr. 1b
LPflegeASG sei diesbezüglich nicht aussagekräftig und unbestimmt. Die umfangreiche Regelung in § 4
Abs. 1 und 2 der Durchführungsverordnung selbst verstoße auch in der Sache gegen die Berufsfreiheit.
Die Eingriffsqualität der Regelung ergebe sich daraus, dass die staatliche Maßnahme den Wettbewerb
beeinflusse und dadurch seine berufliche Betätigung behindere. Die Regelung mit dem
Stimmenübergewicht in § 4 Abs. 2 Satz 7 der Durchführungsverordnung sei nicht zu rechtfertigen, weil
nicht einzusehen sei, weshalb - wenn es lediglich um die Bewerberkonkurrenz in einem Betreuungs-
bereich gehe - die bloße Mehrzahl der Dienste in einem über diesen Bereich hinausgehenden
Gesamtlandkreis von ausschlaggebender Bedeutung sein könne. Es drohe eine Verdrängung kleinerer
Wettbewerber. Schon eine Sperrminorität verschaffe dem begünstigten Bewerber eine dominierende
Stellung im Vergabeverfahren.
Der Antragsteller beantragt,
§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Landesverordnung zur Durchführung des Landesgesetzes zur Sicherstellung
und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
den Normenkontrollantrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, die Normenkontrolle sei vorliegend nicht eröffnet. Nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sei
dies bei im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften nur der Fall, sofern das
Landesrecht dies bestimme. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO entscheide zwar das
Oberverwaltungsgericht nach Maßgabe des § 47 VwGO über die Gültigkeit einer im Range unter dem
Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift. Die vorliegende Ministerverordnung werde jedoch von der
Ausschlussbestimmung in Satz 2 der Vorschrift erfasst, wonach dies nicht für Rechtsverordnungen gelte,
die Handlungen eines Verfassungsorgans i.S.d. Art. 130 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz seien.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz und des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz schließe diese Bestimmung das Normenkontrollverfahren im
Hinblick nicht nur von Rechtsverordnungen der Landesregierung, sondern auch solcher einzelner
Minister aus (u.a. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Januar 2001, 12 C 11502/00, AS 29, 9). Der vom
Antrag herausgestellte Bedarf nach Rechtsschutz könne keine andere Auslegung rechtfertigen, da
Rechtsschutz auch anderweitig zu erlangen sei. In der Sache gehe es dem Antragsteller um eine
finanzielle Förderung seiner Einrichtungen. Es sei ihm unbenommen, einen entsprechenden
Förderungsantrag bei der zuständigen Behörde zu stellen. Die Folgen der Ablehnung könne er im
Förderungsantrag bei der zuständigen Behörde zu stellen. Die Folgen der Ablehnung könne er im
Rahmen der gegebenen Rechtsbehelfe nicht nur überprüfen lassen dahingehend, ob das entsprechende
Wahlverfahren richtig durchgeführt worden sei, sondern inzidenter auch im Hinblick auf die
Verfassungsmäßigkeit der Verfahrensvorschriften des § 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Durch-
führungsverordnung. Im Übrigen seien inzwischen alle Entscheidungsverfahren über die Trägerschaft von
BeKo-Stellen abgeschlossen, ohne dass die Entscheidung in einem einzigen weiteren Fall angefochten
worden sei.
Dagegen hat der Antragsteller geltend gemacht, eine ausreichende Möglichkeit der Erlangung
anderweitigen Rechtsschutzes sei nicht ersichtlich. Es sei zweifelhaft, ob die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zu bundesrechtlichen Verordnungen, hinsichtlich derer in § 47 VwGO von
vornherein Rechtsschutz durch Normenkontrolle nicht vorgesehen sei, auf landesrechtliche Ver-
ordnungen erstreckt werden könne. Wenn danach im Hinblick auf bundesrechtliche Verordnungen die
Feststellungsklage nicht gesperrt werde, so sei dies für landesrechtliche Verordnungen nicht von
vornherein anzunehmen. Jedenfalls sei auch durch die Feststellungsklage ausreichender Rechtsschutz
bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht zu erlangen, weil schon das feststellungsfähige Rechts-
verhältnis zwischen Verordnungsgeber und Betroffenem zweifelhaft sei. Fraglich sei insbesondere, ab
welchem Zeitpunkt ein angerufenes erstinstanzliches Gericht die Konkretisierung eines
Rechtsverhältnisses noch vor der erforderlichen Wahl in der Arbeitsgruppe bejahen werde. Eine
mangelnde Effektivität des Rechtsschutzes ergebe sich insoweit auch durch die beschränkte inter-partes-
Wirkung einer Entscheidung. Eine primäre Schutzmöglichkeit gegen die Wahl des Trägers sei nicht
ersichtlich, da kein entsprechender Vollzugsakt erfolge. Die Stellung eines (aussichtslosen) Zuschuss-
antrages sei für ihn, den Antragsteller, nicht zumutbar, insbesondere könne ihm auch die Schaffung der
sachlichen und personellen Förderungsvoraussetzungen nicht zugemutet werden. Angesichts der
Besonderheiten der vorliegenden Fallkonstellation könne sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 AGVwGO keine
absolute Sperre für ein Normenkontrollverfahren ergeben. Letztlich habe auch der Verfassungsgerichtshof
nicht abschließend entschieden, dass es keine Ausnahmemöglichkeiten im Hinblick auf Handlungen
eines Verfassungsorgans nach § 130 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz geben könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten
verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag ist als unzulässig abzulehnen, weil es ihm bereits an der Statthaftigkeit fehlt.
Eine Normenkontrolle gegen die hier vorliegende sogenannte Ministerverordnung ist nach § 47 Abs. 1 Nr.
2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 AGVwGO Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 5. Dezember 1977 (GVBl.
S. 451) nicht vorgesehen; anders als die Antragsbegründung annehmen will, nötigt auch nicht der
Gesichtspunkt der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zu einer Auslegung, die
entgegen der bisher gefestigten Rechtsprechung eine Normenkontrolle in Fällen der vorliegenden Art
zulässt. Dabei kann offen bleiben, ob vom Wortlaut der Bestimmungen her eine solche
"verfassungskonforme" Auslegung überhaupt möglich wäre.
Nach § 47 Abs. 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit über
die Gültigkeit von bestimmten Rechtsvorschriften. Soweit es das Landesrecht betrifft - im Hinblick auf das
Bundesrecht sind in Nr. 1 der Bestimmung nur Satzungen und Rechtsverordnungen nach dem Baugesetz-
buch angeführt - ist die Kontrolle von unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften eröffnet,
"soweit das Landesrecht dieses bestimmt" (Nr. 2). Nach Maßgabe dieser Ermächtigung lässt zwar § 4 Abs.
1 Satz 1 AGVwGO allgemein die Entscheidung nach § 47 VwGO über die Gültigkeit einer im Range unter
dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift zu; indessen gilt dies nach Satz 2 der Bestimmung nicht
für "Rechtsverordnungen, die Handlungen eines Verfassungsorgans im Sinne des Artikels 130 Abs. 1 der
Verfassung für Rheinland-Pfalz sind". Darunter fallen ministerielle Rechtsverordnungen wie die
vorliegend angegriffene Verordnung der Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit vom
7. Dezember 2005. Nach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz wie
auch des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz ist ein Minister ein Verfassungsorgan im Sinne dieser
Bestimmung. So wird im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Januar 2001, 12 C
11502/00.OVG, AS 29, 9 ff, zusammenfassend ausgeführt:
"… Hierzu zählen nach der ständigen Rechtsprechung des rheinland-pfälzischen
Verfassungsgerichtshofs sowie des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz auch solche
Rechtsverordnungen, die nicht von der Landesregierung, sondern von einem Minister erlassen worden
sind (VerfGH Rheinland-Pfalz, AS 19, 121,122; 26, 4, 8; Urteil vom 20. November 2000 - VGH N 2/00 -
Umdruck S. 5; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 1979 - 10 D 5/79 -; AS 19, 121, 122;
Beschlüsse vom 19. Dezember 1996 - 2 C 12690/96.OVG - und vom 20. Oktober 2000 - 11 C
11303/00.OVG -; Bier in Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Art. 130 Rdnr. 28).
Nach dieser Rechtsprechung sind als Verfassungsorgan im Sinne des Art. 130 Abs. 1 LV diejenigen
Organe zu verstehen, die unmittelbar aufgrund von Bestimmungen der Verfassung den Staatswillen
verwirklichen, ohne dass sie einem anderen Organ des Staats untergeordnet sind. Dazu gehört nicht nur
die Landesregierung in ihrer Gesamtheit, sondern auch der einzelne Minister. Diesem ist zwar in dem die
Organe des Volkswillens behandelnden II. Abschnitt der Landesverfassung - anders als dem Landtag und
der Landesregierung - kein besonderer Unterabschnitt gewidmet. Seine Stellung als Verfassungsorgan
ergibt sich jedoch aus der kollegialen Natur der Landesregierung, die nach Art. 98 LV aus dem
Ministerpräsidenten und den Ministern besteht. Insbesondere leitet jeder Minister gemäß Art. 104 Satz 2
LV innerhalb der vom Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinien der Politik seinen Geschäftsbereich
selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag, dessen Vertrauens er gemäß Art.
99 Abs. 1 LV bedarf. Darüber hinaus muss ein Minister wie der Ministerpräsident zurücktreten, wenn ihm
der Landtag gemäß § 99 Abs. 2 LV mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder das Vertrauen entzieht.
Die geschilderte ständige Rechtsprechung zur Auslegung des § 4 Satz 2 AGVwGO wird durch seine
Entstehungsgeschichte bestätigt. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung zum 3. Gesetz
zur Änderung der AGVwGO hatte nämlich eine Normenkontrolle auf dem Gebiet des Landesrechts nicht
vorgesehen, sondern wollte diese auf die bundesgesetzlich vorgeschriebenen (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO)
Fälle beschränken. Der Rechtsausschuss des Landtags machte sich jedoch in seiner Sitzung vom 1.
Februar 1977 einen Änderungsantrag der Landtagsfraktion der FDP zu Eigen, eine Vorschrift folgenden
Inhalts in das Gesetz einzufügen:
'Das Oberverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe des § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung über
die Gültigkeit einer im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift mit Ausnahme der
Rechtsverordnungen der Landesregierung und der Minister'.
Auf Vorschlag des Justizministers wurde dieser Antrag lediglich im Wortlaut in der nun vorliegenden Form
geändert und vom Rechtsausschuss sodann in der später Gesetz gewordenen Fassung angenommen,
ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden gewesen wäre (so schon OVG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 30. November 1979, a.a.O.). Auf diese Auslegung des § 4 Satz 2 AGVwGO hat der
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 24. Oktober 1984 (AS 19, 121, 122)
ausdrücklich Bezug genommen und die Begrenzung der Normenkontrollzuständigkeit des
Oberverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung bestätigt."
Entgegen der Auffassung der Antragsteller wird damit nicht der nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene (vgl.
dazu BVerfGE 60, 253, 296; 54, 39, 41; 37, 150, 153) effektive Rechtsschutz in Frage gestellt. Die
Ausgestaltung des Rechtsschutzes ‑ etwa unter rechtspolitischen Gesichtspunkten oder dem
Gesichtspunkt der Prozessökonomie - unterliegt grundsätzlich der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber;
zur Gewährleistung des Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG bedarf es der Vorkehrung durch eine abstrakte
Normenkontrolle an sich nicht (vgl. BVerwGE 31, 364, 369), weil der Betroffene sich im Wege der
Inzidentkontrolle in einem konkreten Rechtsstreit darauf berufen kann, eine rechtswidrige Norm sei
nichtig. Die Rechtsprechung hat im Einzelnen Vorkehrungen getroffen, dass das Rechtsschutzziel des in
seinen Rechten Betroffenen mit den allgemeinen in der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen
Rechtsmitteln, gegebenenfalls auch im Wege einer sogenannten atypischen Feststellungsklage,
entsprochen werden kann (vgl. BVerwGE 111, 276; BVerwG, Urteil vom 23. August 2007, 7 C 13/06,
NVwZ 2007, 1311; vgl. auch BVerfGE 115, 81, 92 ff.).
Die Antragsbegründung vermag nicht aufzuzeigen, dass effektiver Rechtsschutz in der vorliegenden
Fallkonstellation mit diesen Mitteln nicht erlangt werden könnte. Eine Veranlassung, insoweit einen
Unterschied zwischen dem Rechtschutz gegenüber Bundesrechtsverordnungen und dem gegenüber
Landesrechtsverordnungen zu machen, besteht im Hinblick auf den Normgehalt des § 47 Abs. 1 VwGO
nicht. Insbesondere ist auf dieser gesetzlichen Grundlage nicht ersichtlich, dass die Befugnis des
Landesgesetzgebers - wie der Antragsteller wohl meint - im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses
eingeschränkt sei; der Landesgesetzgeber kann nicht nur unter Berücksichtigung prozessökonomischer
Gesichtspunkte von der Eröffnung der Normenkontrolle bei unter dem Landesgesetz stehenden
Rechtsvorschriften absehen, sondern ist in seiner Entscheidung sowohl nach dem Wortlaut der
Bestimmung als auch nach deren systematischer Bedeutung frei.
Es mag einzuräumen sein, dass entgegen der Auffassung des Antragsgegners der Rechtsschutz im Wege
der Inzidentkontrolle vorliegend mit der Verpflichtungsklage nur unzureichend erreicht werden kann. Der
effektive Rechtsschutz wäre nur gewährleistet, wenn eine solche Klage für den Betroffenen zumutbar
wäre; daran könnte es hier schon deshalb fehlen, weil die Erreichung des vorgesehenen Ziels - nach der
Auffassung des Antragsgegners die Förderung mit den im Gesetz vorgesehenen Zuschüssen für
Personal- und Sachmitteln einer BeKo-Stelle - angesichts der bestehenden Regelungen nicht hinreichend
aussichtsreich erscheint. Nicht einmal mit dem Ziel einer Neubescheidung dürften die Hindernisse
vorliegend zu überwinden sein. Das endgültige Ziel könnte nämlich nur erreicht werden, wenn der
Gesetzgeber in einem bestimmten Sinne von seinem gesetzgeberischen Ermessen Gebrauch machen
müsste, ohne dass vorliegend eine Ermessensschrumpfung auf Null vorliegt. Die in §§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 1
des Landespflegegesetzes zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur -
LPflegeASG - sowie § 5 Abs. 3 der Landesverordnung zur Durchführung des Landesgesetzes zur
Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur - LPflegeASGDVO -
enthaltenen Regelungen sehen die Entscheidung über die Trägerschaft einer BeKo-Stelle vor; die
Förderung gilt nach der Ausgestaltung der Rechtslage nur einer solchen beauftragten BeKo-Stelle, wie
sich allein schon daraus ergibt, dass nach § 4 Abs. 1 der Durchführungsverordnung die Aufsichts- und
Dienstleistungsdirektion die Zahl der erforderlichen BeKo-Stellen festlegt, dass für die Bereiche nach § 5
Abs. 2 des Gesetzes jeweils eine Stelle festzulegen ist (für durchschnittlich 30.000 Einwohner) und dass in
§ 4 Abs. 2 der Durchführungsverordnung eine "Entscheidung" über die Trägerschaft vorgesehen ist. Für
das Förderungsverfahren ist in § 5 Abs. 3 der Durchführungsverordnung bestimmt, dass "der Träger" den
Antrag auf Förderung zusammen mit dem Verwendungsnachweis für das Vorjahr bei der für den Sitz der
Stelle zuständigen Kommunalverwaltung einreicht, die diesen nach Vorprüfung an die zuständige
Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion weiterleitet. Selbst bei inzidenter festgestellter Nichtigkeit der
Bestimmungen über die Entscheidung über die Trägerschaft im Hinblick auf das vorgesehene Wahl-
verfahren der Arbeitsgruppe nach § 5 Abs. 2 Satz 4 LPflegeASG i.V.m. § 4 Abs. 2 der
Durchführungsverordnung fehlte es an einer rechtlichen Lage, in der der Erfolg der Verpflichtungsklage
auf Förderung sichergestellt wäre.
Die Lage des Antragstellers gleicht daher im Hinblick auf das von ihm als zur Wahrung seines gleichen
Bewerbungsanspruchs als untauglich angesehene Wahlverfahren der Lage desjenigen, der eine
Leistung anstrebt, die ihm zunächst infolge einer gleichheitswidrigen Regelung versagt bleibt (vgl. BVerfG,
a.a.O. S. 92 ff.). In einem solchen Falle hat die Rechtsprechung zur Wahrung des effektiven
Rechtsschutzes notfalls eine atypische Feststellungsklage zugelassen und dabei die nach § 43 Abs. 1
VwGO erforderliche Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses nicht daran scheitern lassen, dass zu
einem Normgeber an sich kein Rechtsverhältnis besteht. Eine unzulässige Umgehung des
Normenkontrollverfahrens kann erst recht ausgeschlossen werden, wenn die begehrte Feststellung gegen
die zuständige Vollzugsbehörde gerichtet ist (vgl. BVerwG, NVwZ 2007, 1311, 1313). Die Frage nach der
Rechtmäßigkeit der Norm wird dann nämlich im Rahmen der gegen die Vollzugsbehörde gerichteten
Feststellungsklage in derselben Weise als zu entscheidende und inzident zu prüfende Vorfrage aufgewor-
fen wie bei einer gegen den Normgeber gerichteten atypischen Feststellungsklage. Die in diesen Fällen
auf die inter-partes-Wirkung beschränkte Rechtskraft einer Entscheidung hindert nach Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts die Effektivität des Rechtsschutzes nicht. Die erforderliche Konkretisierung
des Rechtsverhältnisses erfolgt ausreichend in der geltend gemachten Absicht einer Bewerbung um die
Trägerschaft für eine BeKo-Stelle. Es ist nicht ersichtlich, dass die entsprechenden Vorbereitungen, die
allenfalls in der Kundgabe der Absicht entsprechender Investitionen liegen dürften, für den Antragsteller
unzumutbar sein könnten. Letztlich kann damit die Antragsbegründung nicht aufzeigen, dass bei der
vorliegenden Fallkonstellation neue und andere Fragen aufgeworfen würden, die die bisherige
Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit der besagten Normenkontrolle für einen hinreichend effektiven
Rechtsschutz in Frage stellen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der
Kosten auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
gez. Wünsch gez. Dr. Holl gez. Wolff
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
gez. Wünsch gez. Dr. Holl gez. Wolff