Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 11.05.2005

OVG Koblenz: bebauungsplan, ausschluss, absicht, satzung, bier, bekanntmachung, zukunft, gewerbefreiheit, berufsfreiheit, prostitution

OVG
Koblenz
11.05.2005
8 C 10053/05.OVG
Baurecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Normenkontrollverfahren
wegen Normenkontrolle (Bebauungsplan)
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 11. Mai 2005, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier
Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß
Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch
für Recht erkannt:
Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht
die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin, der die Ansiedlung von
Bordellbetrieben in einem Gewerbegebiet verbietet.
Am 01. Juli 2002 beantragte er bei der Antragsgegnerin eine Baugenehmigung zur Umnutzung des
Wohngebäudes N.straße ... in einen „Erotik-Dienstleistungsbetrieb“. Daraufhin beschloss der Rat der
Antragsgegnerin am 16. September 2002 die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. ... „N.straße“. Das im
Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesene Plangebiet umfasst die Bebauung beidseits der
N.straße zwischen der Bahntrasse im Süden und einem Kalksandsteinwerk im Norden. Es ist im
Schwerpunkt durch gewerbliche Nutzungen, darunter drei ungenehmigte Bordelle, sowie eine Kläranlage
und betriebsfremde Wohnnutzung geprägt. Der Plan setzt neben einer Fläche für Abwasserentsorgung im
Bereich der bestehenden Kläranlage ein Gewerbegebiet fest, in dem unter anderem Prostitutionsbetriebe
und prostitutionsähnliche Nutzungen nicht zulässig sind. Außer den Festsetzungen zur Art der baulichen
Nutzung enthält der Plan lediglich solche zur Baumerhaltung, zum passiven Schallschutz sowie zu
Werbeanlagen und Kleinverkaufsständen.
Nachdem im Januar 2003 eine vom Stadtrat beschlossene Veränderungssperre in Kraft getreten war,
lehnte die Antragsgegnerin den Bauantrag ab. Hiergegen eingelegte Rechtsbehelfe des Antragstellers
blieben ohne Erfolg (s. Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 05. Juli 2004 –
3 K 3316/04.NW – sowie den Senatsbeschluss vom 12. November 2004 – 8 A 11711/04.OVG -).
Nach Durchführung des Planungsverfahrens, in dessen Verlauf der Antragsteller keinerlei Anregungen
und Bedenken gegen den Planentwurf vorbrachte, beschloss der Rat der Antragsgegnerin den
Bebauungsplan am 11. Oktober 2004 als Satzung. Ausweislich der Begründung dient der Plan dazu, die
vorhandenen Nutzungskonflikte zwischen betriebsfremdem Wohnen und Gewerbe für die Zukunft zu
entschärfen, die Ziele des Flächennutzungsplanes durchzusetzen sowie im Interesse benachbarter, durch
die N.straße erschlossener Wohngebiete und eines der gewerblichen Nutzung zuträglichen Preisniveaus
im Plangebiet eine Ansiedlung von Bordellen zu verhindern.
Nach Bekanntmachung des zuvor ausgefertigten Bebauungsplanes am 22. Oktober 2004 hat der
Antragsteller am 12. Januar 2005 Normenkontrollantrag gestellt. Er macht geltend, der Plan weise
Abwägungsfehler hinsichtlich seiner Bau- und Gewerbefreiheit auf, die seine Antragsbefugnis
begründeten. Er stelle eine städtebaulich nicht legitimierte Negativplanung zur Verhinderung von
Bordellen dar. Es sei erklärte Absicht der Antragsgegnerin, in allen Gewerbegebieten Bordelle aus-
zuschließen. Dies beweise auch der zeitliche Zusammenhang zwischen seinem Bauantrag und dem
Planaufstellungsbeschluss. Der intendierte Schutz benachbarter Wohngebiete vor „anstößigen“
Zufahrtswegen verkenne die sittliche Neutralität des Bauplanungsrechts und die rechtlich und
gesellschaftlich gewandelte Rolle der Prostitution. Diese sei von der durch Art. 12 GG geschützten
Gewerbefreiheit umfasst, was die Antragsgegnerin bei der Abwägung nicht ausreichend berücksichtigt
habe. Zudem sei in die Abwägung nicht die enteignende Wirkung des Bebauungsplanes im Hinblick auf
die vorhandenen, zwar formell illegalen, aber bisher materiell genehmigungsfähigen Bordellnutzungen
eingestellt worden. Des Weiteren habe man auch seinen eigenen Bauantrag und dessen Vereitelung
durch die Planung nicht hinreichend abgewogen. Die für den Ausschluss von Bordellbetrieben ins Feld
geführten Interessen entbehrten jeder Grundlage und genügten daher auch nicht den Anforderungen des
§ 1 Abs. 9 BauNVO. Eine Ansiedlung von Bordellen in einem Gewerbegebiet löse keine preistreibende
Wirkung aus. Die im Gewerbegebiet vorhandene betriebsfremde Wohnnutzung sei durch die umgebende
industrielle und gewerbliche Nutzung bereits derart entwertet, dass ein hinzutretendes Bordell keinen
weiteren Schaden mehr anrichten könne. Der Versuch, benachbarten Wohngebieten mittels des
angefochtenen Planes ein gehobenes Entree zu verschaffen, sei angesichts der vorhandenen Zustände
zum Scheitern verurteilt. Überdies stelle die N.straße entgegen den Annahmen in der Planbegründung
lediglich eine Möglichkeit dar, die Wohngebiete zu erreichen, sei aber keineswegs deren einzige Zufahrt.
Die Planung sei auch treuwidrig, weil die Antragsgegnerin im Plangebiet seit langer Zeit ungenehmigte
Bordelle dulde. Zudem sei die Planung auch unverhältnismäßig, da die Ordnungsvorstellungen der
Antragsgegnerin auch durch Gestaltungsvorschriften hinsichtlich von Bordellbetrieben hätten verwirklicht
werden können.
Der Antragsteller beantragt,
den am 11. Oktober 2004 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. ... „N.straße“ der
Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, der Bebauungsplan sei städtebaulich durch die Notwendigkeit der Ordnung einer
bisher vorhandenen Gemengelage hinreichend legitimiert. Auch der Ausschluss von Bordellen aus der
gewerblichen Nutzung sei zur Abwehr eines „Trading-Down-Effektes“ im Plangebiet und benachbarten
Wohngebieten erlaubt. So seien nicht nur Bordelle, sondern etwa auch Vergnügungsstätten, Imbissbuden,
Kleinverkaufsstände u.a. ausgeschlossen worden. Die Belange der Bau- und Gewerbefreiheit seien dem
Stadtrat ausweislich der Planbegründung bei der Abwägung bewusst gewesen. Auf die vorhandenen,
nicht genehmigten Bordelle, gegen die nach ihrem Bekanntwerden im Rahmen des vorliegenden
Verfahrens auch vorgegangen werde, könne sich der Antragsteller unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt berufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur
Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Planaufstellungsakten der
Antragsgegnerin lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird
ebenfalls verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Zwar ist der Antragsteller nicht Eigentümer eines im Plangebiet
gelegenen Grundstücks. Gleichwohl ist er gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Denn er
beabsichtigt mit Einverständnis des Eigentümers die Nutzungsänderung eines im Plangebiet gelegenen
Grundstücks. Es kann dahinstehen, ob die planbedingte Vereitelung dieser durch Bauantrag artikulierten
Absicht den Antragsteller in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit,
einem eigenen Recht des Bauantragsstellers (s. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1994, NVwZ 1995, 264,
265), beeinträchtigen kann. Jedenfalls steht einem Bauherrn, dessen Bauantrag Planungsanlass für einen
sein Vorhaben vereitelnden Bebauungsplan geworden ist, ein Recht auf ermessensfehlerfreie Abwägung
seiner Belange gemäß § 1 Abs. 6 BauGB zu, das möglicherweise verletzt sein kann (s.a. ThürOVG, Urteil
vom 16. Mai 2001, NVwZ-RR 2002, 415).
Der Antrag ist aber unbegründet, da die beanstandete Planung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.
Der Bebauungsplan ist erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB. Insbesondere beschränkt er sich nicht
auf eine unzulässige sogen. „Negativplanung“. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann dieser
Vorwurf nicht schon deshalb erhoben werden, weil sein Bauantrag Auslöser der Planung war und diese
die beabsichtigte Umnutzung ausschließt (s. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990, BRS 50 Nr. 9).
Denn ausweislich der Planbegründung war es die städtebaulich legitime Absicht der Antragsgegnerin,
eine planungsrechtlich problematische Gemengelage für die Zukunft zu ordnen und dabei – neben einer
Anzahl anderer Nutzungen – auch eine Ansiedlung von Bordellen auszuschließen. Dafür, dass diese
dokumentierten Planungsmotive des Stadtrates lediglich vorgeschoben sind, um die Absicht eines
generellen Ausschlusses von Bordellen im Stadtgebiet zu verschleiern, bestehen keine ausreichenden
Anhaltspunkte. Ungeachtet der Frage, ob das vom Antragsteller in diesem Zusammenhang zitierte
Schreiben des Bauaufsichtsamtes der Antragsgegnerin vom 13. Juli 2004 überhaupt Rückschlüsse auf
den Willen des Plangebers zulässt, beweist der Inhalt des angefochtenen Bebauungsplans und seiner
Begründung, dass jedenfalls bei Erlass dieser Satzung das Verhinderungsmotiv nicht allein leitend war (s.
auch den Senatsbeschluss vom 12. November 2004 – 8 A 11711/04.OVG -, S. 3 BA). Vielmehr ging es
ausweislich S. 6 der Planbegründung darum, die grundsätzliche Priorität des Gewerbes eindeutig zu
definieren und Nutzungen zu verhindern, die die Entwicklung des Gewerbegebiets besonders
beeinträchtigen. Derartige Planziele sind aber grundsätzlich geeignet, den Ausschluss von
Prostitutionsbetrieben städtebaulich zu legitimieren (s. auch Hess. VGH, Urteil vom 05. Februar 2004,
NVwZ-RR 2005, 312).
Der unter Ziff. 1 der Textfestsetzungen verfügte Ausschluss von Prostitutionsbetrieben und
prostitutionsähnlichen Nutzungen jeder Art genügt auch den Anforderungen des § 1 Abs. 9 BauNVO.
Hiernach kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass u.a.
bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder
sonstigen Anlagen unzulässig sind, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen.
Prostitutionsbetriebe stellen eine bestimmte Art von Gewerbebetrieben dar, die einer
Branchendifferenzierung grundsätzlich zugänglich sind (s. dazu eingehend VG Neustadt an der
Weinstraße, Urteil vom 05. Juli 2004 – 3 K 3316/03.NW -, S. 13 UA). Besondere städtebauliche Gründe für
ihren Ausschluss aus dem hier in Rede stehenden Gewerbegebiet liegen vor. Das "Besondere" an den
städtebaulichen Gründen besteht nicht notwendig darin, dass sie von größerem oder im Verhältnis zu
Absatz 5 zusätzlichem Gewicht sein müssen. Vielmehr muss es sich um spezielle Gründe gerade für die
gegenüber Absatz 5 noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen handeln (BVerwG,
Beschluss vom 10. November 2004, ZfBR 2005, 187). Das „Spezielle“ am vorliegend als Gewerbegebiet
festgesetzten, weitgehend bebauten Plangebiet ist darin zu sehen, dass es die Straßenrandbebauung der
Zufahrtstraße zu Wohngebieten umfasst, die ihrerseits aus vereinzelter betriebsfremder Wohnnutzung
besteht. Aufgrund dieser atypischen Situation besteht hinreichender Anlass, hinsichtlich der Vereinbarkeit
einzelner Gewerbebranchen mit der gebietsinternen und angrenzenden Wohnnutzung planerisch zu
differenzieren.
Schließlich verstößt der Plan auch nicht gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB in der gemäß
§ 244 Abs. 2 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I, 2414) noch
anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997 (BGBl. I 2141) - BauGB a.F. -.
Der von der Antragsgegnerin beabsichtigte Schutz benachbarter und plangebietsinterner Wohnbebauung
vor den Auswirkungen vermehrter Bordellansiedlung ist auch im Hinblick auf die „sittliche Neutralität“ des
Bauplanungsrechts ein zulässiges Abwägungskriterium. Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird
mit dieser Erwägung kein sittliches Unwerturteil über die Prostitution ausgesprochen, sondern Belangen
gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 2 und 3 BauGB a.F. (Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und sowie Bedürfnisse der
Familien und jungen Menschen; s. dazu bereits den Senatsbeschluss vom 12. November 2004, aaO., S. 4
BA) Rechnung getragen. Dass diese Belange durch eine Massierung von Bordellen an der
Hauptzufahrtsstraße zu Wohngebieten beeinträchtigt werden können, ist angesichts der mit dem
„Rotlichtmilieu“ immer noch typischerweise verbundenen Erscheinungen (Gewaltkriminalität,
Drogenhandel etc.; s. dazu auch den Senatsbeschluss vom 15. Januar 2004, BauR 2004, 644)
unbestreitbar.
Der Antragsgegnerin ist auch insoweit kein Abwägungsfehler unterlaufen, als sie die durch das
Plangebiet verlaufende N.straße als „einzige“ Zufahrtstraße zu der Siedlung N. und dem Wohngebiet am
W. angesehen hat (s. S. 6 der Planbegründung). Ausweislich der von der Antragsgegnerin in der
mündlichen Verhandlung vorgelegten und mit den Beteiligten erörterten Pläne ist die N.straße die Zufahrt
zur Rh.straße und zur R.straße, die die fraglichen Wohngebiete erschließen. Ob daneben auch eine
Zufahrt über die M.- und S.straße sowie daran anschließend über ringförmig durch das Wohngebiet M.
verlaufende Straßen möglich ist, kann dahinstehen. Angesichts des damit verbundenen Umweges ist
jedenfalls nicht damit zu rechnen, dass eine derartige Zufahrtsmöglichkeit praktisch in nennenswerten
Umfang genutzt wird und daher eine echte Erschließungsalternative zur N.straße darstellt.
Die Abwägung weist nicht deshalb Defizite auf, weil eine angeblich enteignende Wirkung des
Bebauungsplans im Hinblick auf im Plangebiet vorhandene, ungenehmigte Bordelle nicht berücksichtigt
wurde. Ausweislich der Planaufstellungsakte haben weder Grundstückseigentümer noch Bordellbetreiber
Anregungen und Bedenken gegen den Bebauungsplan erhoben. Über die in der Planbegründung (S. 16)
allgemein berücksichtigte Beschränkung der Baufreiheit hinausreichende, spezielle Belange dieses
Personenkreises mussten sich der Antragsgegnerin aber nicht aufdrängen und waren daher nicht
abwägungserheblich. Überdies nimmt der Bebauungsplan einer vor seinem Inkrafttreten materiell legal,
aber ungenehmigt betrieben Bordellnutzung lediglich den Genehmigungsanspruch, ermöglicht aber nicht
ihre Untersagung (s. im Einzelnen Lang in Jeromin, LBauO, § 81 Rn. 16 bis 18). War die Bordellnutzung
hingegen schon vor In-Kraft-Treten des Bebauungsplanes materiell illegal, geht vom Bebauungsplan
insoweit keine nachteilige Wirkung aus.
Der Einwand des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe das Gewicht der für einen Ausschluss von
Bordellen im Gewerbegebiet ins Feld geführten Belange überbewertet, greift nicht durch. Die im Einzelnen
zutreffend bewerteten Belange sind jedenfalls in ihrer Gesamtheit geeignet, das Abwägungsergebnis zu
tragen.
Die auf S. 6 der Planbegründung geäußerte Befürchtung, eine vermehrte Ansiedlung von Bordellen im
Gewerbegebiet könne zu einer Erhöhung der Grundstückspreise und damit zu Erschwernissen für die
Ansiedlung sonstiger Gewerbebetriebe führen, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Behauptung des
Antragstellers, für derartige Wirkungen fehle es an jeglichen Erfahrungswerten, trifft nicht zu. Vielmehr ist
in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass der planungsrechtliche Ausschluss oder die
Beschränkung von Bordellbetrieben, sonstigen Einrichtungen des Sex-Gewerbes und auch
Vergnügungsstätten im Hinblick auf einen von ihnen ausgelösten sogen. „Trading-Down-Effekt“ zulässig
sein kann (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1992, BRS 55 Nr. 42; OVG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 11. Oktober 2001, - 10 A 2288/00 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03. März
2005, - 3 S 1524/00 -, juris). Ein solcher Effekt, kann die Entstehung und Erhaltung einer hochwertigen
Gebietsstruktur mit vorwiegend produzierendem und verarbeitendem („normalem“; s. S. 6 der
Planbegründung) Gewerbe gefährden (s. Hess VGH, Urteil vom 05. Februar 2004, a.a.O.). Er wird unter
anderem durch eine Konkurrenzsituation zwischen den auszuschließenden Betrieben mit typischerweise
geringem Investitionsbedarf und vergleichsweise hoher Ertragsstärke sowie „normalen“ Gewerbe-
betrieben mit deutlich höherem Investitionsbedarf und geringerer Ertragsstärke ausgelöst. Denn der
Wettbewerb um Grundstücke und Immobilien zwischen Konkurrenten mit unterschiedlicher wirtschaftlicher
Potenz führt tendenziell zu einer Erhöhung der Grundstücks- und Mietpreise und damit zu einer
Verdrängung von Gewerbebranchen mit schwächerer Finanzkraft. Dass im hier überplanten Gebiet eine
derartige Konkurrenzsituation nicht auszuschließen ist, folgt schon daraus, dass nach den
unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung derzeit in dem relativ
kleinen Plangebiet bereits drei Bordelle betrieben werden.
Des Weiteren hat die Antragsgegnerin die Bedeutung einer Bordellkonzentration im Plangebiet für die
angrenzenden Wohngebiete nicht überbewertet. Zwar mag die Bezeichnung der N.straße als
„Aushängeschild“ dieser Gebiete (s. S. 6 der Planbegründung) angesichts der vorhandenen
Straßenrandbebauung sprachlich missglückt sein. Dies ändert indessen nichts daran, dass die in der
Folge erläuterte Gefährdungsprognose hinsichtlich der Wohngebiete für den Fall einer Entwicklung der
N.straße zu einer „Bordellmeile“ als hinreichend fundiert anzusehen ist. Denn es erscheint keineswegs
wirklichkeitsfremd, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Bevölkerung (insbesondere Familien mit
Kindern) Bedenken gegen die Ansiedlung in einem Wohngebiet hegt, dessen unmittelbarer Zugang (s.
oben) durch eine derartige „Bordellmeile“ vermittelt wird.
Schließlich durfte die Antragsgegnerin auch die mit einer Bordellkonzentration verbundene Entwertung
der gebietsinternen Wohnnutzung bei der Abwägung ergänzend berücksichtigen. Es kann dahinstehen,
ob dieser Belang angesichts der bereits vorhandenen Vorbelastung dieser Wohnnutzung allein
hinreichend gewichtig gewesen wäre, um die fragliche Festsetzung zu rechtfertigen. Denn aus der
Planbegründung ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass er weder ausschließlich noch
vorwiegend für das Abwägungsergebnis leitend war. Gegen seine lediglich zusätzliche Berücksichtigung
ist nichts zu erinnern, weil mit der Massierung von Bordellen im Plangebiet und den damit verbundenen
Begleiterscheinungen unbeschadet der vorhandenen starken Immissionsbelastung eine zusätzliche,
qualitativ andersartige Entwertung der gebietsinternen Wohnnutzung einhergeht.
Der vom Antragsteller gerügte Abwägungsausfall hinsichtlich seiner Grundrechte als Bordellbetreiber liegt
nicht vor. Ausweislich S. 6 und 16 der Planbegründung war sich der Rat der Antragsgegnerin bei der
Beschlussfassung über den Bebauungsplan bewusst, dass der Antragsteller einen Bauantrag zur Lega-
lisierung einer Bordellnutzung gestellt hatte und durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes eine
partielle Einschränkung der Baufreiheit bewirkt würde. Weitergehende Erwägungen im Hinblick auf die
Berufsfreiheit des Antragstellers erübrigten sich. Zum einen erscheint schon fraglich, ob
Baugebietsfestsetzungen wegen der hierfür erforderlichen berufsregelnden Tendenz überhaupt Eingriffe
in die Berufsfreiheit darstellen können (verneinend Manssen in v. Mangoldt/ Klein/Starck: GG, 4. Aufl.
1999, Art. 12 Rn 70). Ungeachtet dessen würde es sich bei der hier strittigen Festsetzung ohnehin nur um
eine Berufsausübungsregelung handeln, die aus jeder vernünftigen Erwägung des Gemeinwohls unter
Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig ist. Da sich dem Rat insoweit Bedenken
weder aufdrängen mussten noch solche vom Antragsteller im Planaufstellungsverfahren geltend gemacht
worden sind, bestand kein Anlass zu weiteren Überlegungen.
Der Vorwurf des Antragstellers, das Abwägungsergebnis verstoße wegen der gleich effektiven Möglichkeit
baugestalterischer Vorschriften für Bordelle gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, trifft nicht zu. Zwar mögen derartige Vorschriften die äußere Auffälligkeit solcher
Einrichtungen mindern; ungeachtet der Frage, ob etwa ein baugestalterisches Werbeverbot für
bauplanungsrechtlich zulässige Bordelle seinerseits einer rechtlichen Überprüfung standhalten würde,
wäre es jedenfalls nicht geeignet, die von Klientel und Personal der Bordelle ausgehenden Auswirkungen
auf die Wohnbevölkerung sowie die potentiell verdrängende Konkurrenzsituation zu „normalen“
Gewerbebetrieben auszuschließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten aus §§ 167 VwGO, 708ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Dr. Bier gez. Schauß gez. Utsch
Beschluss
...
gez. Dr. Bier gez. Schauß gez. Utsch