Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 31.03.2010

OVG Koblenz: karte, sicherheit, beamter, gefahr, ermittlungsverfahren, waffengesetz, verfügung, trennung, leiter, strafbefehl

OVG
Koblenz
31.03.2010
3 A 11391/09.OVG
Disziplinarrecht
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In der Disziplinarsache
des Landes Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Minister der Justiz,
Ernst-Ludwig-Straße 3, 55116 Mainz,
- Kläger und Berufungsbeklagter -
gegen
…,
- Beklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Olaf Langhanki, Hindenburgstraße 47, 55118 Mainz,
wegen Disziplinarklage
hat der 3. Senat - Senat für Landesdisziplinarsachen - des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in
Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2010, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer
Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski
Richter am Verwaltungsgericht Dr. Schumacher
ehrenamtlicher Richter Amtsinspektor Hauprich
ehrenamtliche Richterin Kriminalhauptkommissarin Müller
für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 8. Dezember 2009 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Dienst.
Der im Jahre … geborene Beklagte ist ledig. Er lebt in einem Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und
einem minderjährigen Kind. Nach Abschluss der Hauptschule und einer Lehre zum Industriemechaniker
stand der Beklagte von 1992 bis 1996 in einem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr.
Von Juni bis Dezember 1993 war er als Kraftfahrer und Sicherungssoldat in Somalia eingesetzt. Am
1. April 1998 trat der Beklagte als Justizvollzugsobersekretäranwärter in den Dienst des klagenden
Landes. Seit seiner Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit am 1. Mai 2002 bekleidet er das
Amt eines Justizvollzugsobersekretärs. Er war im allgemeinen Vollzugsdienst der Justizvollzugsanstalt –
JVA – Diez eingesetzt. In der letzten dienstlichen Beurteilung aus dem Jahr 2007 wurden seine
Leistungen im Gesamtergebnis als durchschnittlich bewertet.
Am frühen Morgen des 18. Juli 2007 hörte ein Bediensteter der JVA Diez, wie der Gefangene E. aus
seiner Zelle heraus telefonierte. Bei der anschließenden Zellenkontrolle und der Durchsuchung des
Gefangenen wurde ein Mobiltelefon gefunden, in das eine SIM-Karte des Anbieters T-Mobile („Xtra-Card“)
eingelegt war. Ein Auskunftsersuchen der Polizei an die Regulierungsbehörde für Post und
Telekommunikation ergab, dass der Beklagte dort als Inhaber der Xtra-Card registriert war. Noch am
selben Tage untersagte der Leiter der JVA Diez dem Beklagten das Betreten der Anstalt. Mit Bescheid
vom 24. Juli 2007 wurde ihm
– sofort vollziehbar – die Führung der Dienstgeschäfte untersagt.
Am 1. August 2007 leitete die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren
wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ein. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde die Wohnung des
Beklagten durchsucht. Dabei stellten die Strafverfolgungsbehörden Unterlagen über eine weitere, vom
Beklagten bereits im Februar 2007 erworbene Prepaid-Karte („CallYa-Karte“) sicher. Außerdem fanden
die Ermittler in der Wohnung des Beklagten ein Nunchaku (Würgeholz) und zwei Hölzer für Nunchakus.
Das Ermittlungsverfahren wurde daher auf den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Waffengesetz
erweitert.
Im Zuge der weiteren Ermittlungen stellte sich heraus, dass unter Verwendung der von dem Beklagten
erworbenen CallYa-Karte zahlreiche Telefongespräche mit der Ehefrau und der Tochter des in der JVA
Diez inhaftierten Gefangenen S. geführt worden waren. Ein Abgleich der festgestellten Verbindungsdaten
mit den bei der JVA Diez gespeicherten Telefondaten ergab, dass insgesamt 10 Gefangene mit den
beiden Prepaid-Karten des Beklagten telefoniert haben dürften.
Durch die Auswertung von Kontodaten stellten die Strafverfolgungsbehörden fest, dass der Beklagte aus
der Anschaffung einer Immobilie Schulden in Höhe von circa 150.000 € hatte. Hieraus und aus weiteren
Kleinkrediten bei verschiedenen Banken folgten monatliche Belastungen von etwa 1.300 €. Unter
Berücksichtigung weiterer Ausgaben für Versicherungen, Telekommunikation, Steuern hatten der
Beklagte und seine Lebensgefährtin laufende Kosten von 2.700 € im Monat zu tragen. Dem standen
Einkünfte des Beklagten und seiner Lebensgefährtin in Höhe von 3.400 € gegenüber.
Hinsichtlich des Verdachts der Bestechlichkeit wurde das Ermittlungsverfahren schließlich mangels
hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Es lasse sich nicht nachweisen, dass und von wem der Beklagte
für die Beschaffung der SIM-Karten Geld erhalten habe. Wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen das
Waffengesetz verhängte das AG Montabaur mit Strafbefehl vom 7. Juli 2008 eine Geldstrafe in Höhe von
20 Tagessätzen zu je 30 €. Diesen Strafbefehl ließ der Beklagte rechtskräftig werden. Die Geldstrafe
bezahlte er vollständig.
Bereits am 16. August 2007 hatte der Leiter der JVA Diez wegen der Überlassung der beiden SIM-Karten
an Gefangene und der Verletzung waffenrechtlicher Vorschriften ein Disziplinarverfahren gegen den
Beklagten eingeleitet, dieses indes bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Mit Verfügung vom
29. August 2008 wurde die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens angeordnet und dem Beklagten
Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Beklagte brachte vor, er habe die in der JVA gefundene Xtra-
Card am 27. März 2007 mit einem Mobiltelefon gekauft. Wenig später habe er die Karte mit in die JVA
genommen, um dort während der Dienstzeit die Gebrauchsanweisung zu lesen. Dabei sei die Karte offen-
bar abhanden gekommen. Vermutlich sei sie mit anderen Papieren in den Papierkorb geworfen worden.
Wie die Mobilfunkkarte von dort in die Hände des Gefangenen E. geraten sei, könne er nicht sagen.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2009 teilte der Leiter der JVA Diez dem Beklagten das wesentliche
Ergebnis der Ermittlungen mit und gab ihm Gelegenheit, sich abschließend zu äußern. Hiervon machte
der Beklagte keinen Gebrauch. Mit Verfügung des Ministeriums der Justiz vom 13. Mai 2009 wurde der
Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 10% seiner Bezüge angeordnet.
Mit Zustimmung des Hauptpersonalrats hat der Kläger am 8. Juli 2009 Disziplinarklage gegen den
Beklagten wegen der Weitergabe von SIM-Karten an Gefangene sowie wegen des mit Strafbefehl vom 7.
Juli 2008 geahndeten Vergehens gegen das Waffengesetz erhoben. Der Beklagte habe durch die
Weitergabe der SIM-Karten an Gefangene seine Dienstpflichten erheblich verletzt. Hierdurch sei das
Vertrauen des Dienstherrn in seine Person nachhaltig und endgültig zerstört.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen beziehungsweise auf eine geringere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
Hilfsweise hat er angeregt, den in § 8 Abs. 2 LDG vorgesehenen Zeitraum für die Gewährung eines
Unterhaltsbeitrages gemäß § 70 Abs. 2 LDG zu verlängern. Der Beklagte hat eingeräumt, die beiden SIM-
Karten dem Gefangenen S. – dessen Vertrauensbeamter er gewesen sei – aus Mitleid überlassen zu
haben. Dieser habe seinerzeit in der Angst gelebt, nach einer möglichen Trennung von seiner Ehefrau
den Kontakt zu seinen vier Kindern zu verlieren. Mit dieser Sorge habe der Gefangene ihn – den
Beklagten – in persönlichen Gesprächen immer wieder konfrontiert. Als Beamter des mittleren Dienstes
sei er für solche Situationen nicht ausgebildet gewesen. Auch sei er in seiner Funktion als
Vertrauensbeamter durch seinen Dienstherrn nicht in angemessener Weise unterstützt worden. Nach zwei
Suiziden in seiner Vollzugsabteilung und vor dem Hintergrund seiner Erlebnisse als Soldat in Somalia sei
er in immer größere Sorge um den Gefangenen und schließlich selbst in eine schwere seelische Krise
geraten. So habe er sich überreden lassen, dem Gefangenen eine SIM-Karte zu besorgen. Er sei davon
ausgegangen, dass der Gefangene auf diese Weise den Kontakt zu seiner Familie aufrechterhalten und
eine Trennung von den Kindern abwenden könne. Nachdem der Gefangene die SIM-Karte wegen
umfangreicher Haftraumkontrollen habe vernichten müssen, habe er ihm eine Ersatzkarte übergeben. Er
habe dies gegen das Versprechen des Gefangenen getan, dass dieser die Karte ausschließlich zur
Kontaktaufnahme mit seiner Familie nutzen und keinesfalls an andere Insassen der JVA weitergeben
werde. Er habe keinerlei Gegenleistung oder finanzielle Zuwendung hierfür erhalten. Seine Entfernung
aus dem Dienst sei unter diesen Umständen nicht gerechtfertigt.
Mit Urteil vom 8. Dezember 2009 hat das Verwaltungsgericht Trier den Beklagten aus dem Dienst entfernt.
Der Beklagte habe durch die Weitergabe der SIM-Karten in schwer wiegender Weise gegen seine
dienstliche Kernpflicht, die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt zu gewährleisten, verstoßen.
Hierdurch habe er auch unter Berücksichtigung der zu seinen Gunsten sprechenden Umstände das
Vertrauen des Dienstherrn sowie der Allgemeinheit endgültig verloren. Da der Beklagte bereits aus
diesem Grund aus dem Dienst zu entfernen sei, könne dahingestellt bleiben, ob er seine Dienstpflichten
auch durch einen Verstoß gegen das Waffengesetz verletzt habe. Für eine abweichende Entscheidung
zum Unterhaltsbeitrag gemäß § 70 LDG bestehe keine Veranlassung. Anhaltspunkte dafür, dass eine
befristete Verlängerung des Bezugs des Unterhaltsbeitrags die offenkundig angespannte finanzielle
Situation des Beklagten entscheidend verändern würde, seien nicht ersichtlich.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er bestreite nicht, zwei SIM-Karten an den
Gefangenen S. weitergegeben und dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben. Soweit das
Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass er hierdurch das Vertrauen des Dienstherrn und der
Allgemeinheit endgültig verloren habe, könne dem jedoch nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht
habe die zu seinen Gunsten sprechenden, mildernden Umstände nicht hinreichend berücksichtigt. Er
habe durch sein Verhalten keinerlei materielle Vorteile erlangt und seinen Dienst in der Vergangenheit
stets gewissenhaft verrichtet. Außerdem treffe den Dienstherrn ein erhebliches Maß an Mitverantwortung
an seinem Fehlverhalten. Er sei auf die Belastungen, die sich für den Vertrauensbeamten eines
Strafgefangenen ergäben, weder ausreichend vorbereitet gewesen noch habe er in seiner Tätigkeit eine
ausreichende Unterstützung durch den Dienstherrn erfahren. Schließlich habe das Verwaltungsgericht
auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass er sich einsichtig und reuig gezeigt habe und zudem
disziplinarisch nicht vorbelastet sei. Bei angemessener Würdigung seines Persönlichkeitsbildes erweise
sich die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme als nicht schuldangemessen.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 8. Dezember 2009 die Disziplinarklage
abzuweisen,
hilfsweise,
den in § 8 Abs. 2 LDG vorgesehenen Zeitraum für die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags gemäß § 70
Abs. 2 LDG zu verlängern.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das verwaltungsgerichtliche Urteil. Durch die Weitergabe der SIM-Karten habe der Beklagte
sich, seine Kollegen und seine Vorgesetzten einer nicht zu beherrschenden Gefahr bis hin zu einer
Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt. Gefangene könnten durch unerlaubte Mobilfunkgespräche
nicht nur kriminelle Absprachen treffen, sondern auch Fluchthelfer oder so genannte “Mauerwerfer“
lenken, um an weitere unerlaubte Gegenstände – zum Beispiel an Drogen und Waffen – zu gelangen.
Das Vorbringen des Beklagten, er habe mit der Weitergabe der SIM-Karten dem Gefangenen S. Kontakt
zu seiner Familie ermöglichen wollen, müsse als Schutzbehauptung gewertet werden. Dem Beklagten sei
bekannt gewesen, dass der Gefangene eine Dauergenehmigung zum Telefonieren mit Angehörigen
gehabt habe. Auch die Behauptung des Beklagten, er sei auf die seelischen Belastungen, die mit einer
Funktion als Vertrauensbeamter verbunden seien, nicht ausreichend vorbereitet gewesen, sei nicht
nachvollziehbar. Es gehöre zu den Kernpflichten der Beamten des Vollzugsdienstes, professionell mit den
zum Teil schicksalhaften Lebensgeschichten der Gefangenen umzugehen. Der Beklagte sei auch nicht –
wie er behaupte – innerhalb kürzester Zeit mit zwei Suiziden konfrontiert gewesen. Die beiden damit in
Bezug genommenen Ereignisse lägen eineinhalb Jahre auseinander und der Beklagte sei von ihnen
auch nicht in schwer wiegender Weise betroffen gewesen. Von mangelnder Unterstützung des Beklagten
durch die Justizvollzugsanstalt könne nicht die Rede sein. Im Rahmen der praktischen Ausbildung werde
allen Bediensteten wiederholt deutlich gemacht, dass sie sich mit belastenden Erlebnissen jederzeit an
die Mitarbeiter der Fachdienste wenden könnten. Diese gäben dann entsprechende Hilfestellungen.
Darüber hinaus sei im Herbst 2006 das Institut der kollegialen Ansprechpartner eingeführt worden. Deren
Aufgabe sei es, für Bedienstete als erster Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen, wenn diese
belastenden Situationen ausgesetzt gewesen seien. Von diesen ihm bekannten Hilfsangeboten habe der
Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Auch habe sich der Beklagte nicht für entsprechende
Fortbildungsangebote interessiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die dem Senat
vorgelegten Personal- und Disziplinarakten (5 Bände) sowie die Akten der Staatsanwaltschaft Koblenz
2020 Js 54555/07 (2 Bände) und 2020 Js 24138/08 (1 Band) verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegen-
stand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst erkannt. Der
Beklagte hat durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig
verloren, § 11 Abs. 2 Satz 1 Landesdisziplinargesetz – LDG –.
1. Durch die Weitergabe der SIM-Karten an den Gefangenen S. hat der Beklagte ein Dienstvergehen im
Sinne des § 85 Abs. 1 Landesbeamtengesetz
– LBG – begangen. Dies bestreitet auch der Beklagte selbst nicht. Daher kann insoweit gemäß § 21 LDG
in Verbindung mit § 130b Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – auf die zutreffenden Gründe des
angefochtenen Urteils verwiesen werden.
2. Aufgrund dieses Dienstvergehens musste der Beklagte aus dem Dienst entfernt werden.
a) Eine Entfernung aus dem Dienst nach § 11 Abs. 2 Satz 1 LDG ist auszusprechen, wenn ein Beamter
nach Art und Umfang seiner Verfehlungen und dem Gesamteindruck seiner Persönlichkeit das für ein
Verbleiben im Amt notwendige Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in eine pflichtgemäße
Amtsführung endgültig und unwiederbringlich verloren hat. Dies ist anzunehmen, wenn aufgrund einer
prognostischen Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte
der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen
Dienstpflichten verstoßen, oder wenn die durch ein schwerwiegendes Fehlverhalten herbeigeführte
Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht
wieder gutzumachen ist. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis – im Interesse der
Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums – beendet werden
(vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Mai 2009 – 3 A 10242/09.OVG – ESOVGRP mit weiteren
Nachweisen).
b) Das Dienstvergehen des Beklagten wiegt sehr schwer. In der Weitergabe der SIM-Karten an den
Gefangenen S. liegt ein Versagen des Beklagten im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Es ist die
selbstverständliche Hauptaufgabe jedes Bediensteten im allgemeinen Vollzugsdienst, zur
Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt beizutragen, vgl. Nr. 20 in
Verbindung mit Nr. 11 der Bundeseinheitlichen Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug –
DSVollz – (Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Justiz vom 17. Mai 1985, JBl. 1985, S. 123, zuletzt
geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 14. November 2005, JBl. 2005, S. 231).
Gegen diese Kernpflicht hat der Beklagte massiv verstoßen. Durch die Weitergabe der SIM-Karten hat er
dem Gefangenen S. und weiteren Inhaftierten die Möglichkeit unkontrollierter Mobilfunkgespräche
eröffnet. Damit hat er nicht nur ein unbeherrschbares Risiko für die Sicherheit der Allgemeinheit
geschaffen. Er hat auch die Gesundheit und das Leben der Bediensteten und der anderen Gefangenen in
der Anstalt in Gefahr gebracht. Die durch den Beklagten geschaffene Möglichkeit unkontrollierter
Telefongespräche hätte dazu missbraucht werden können, aus der Anstalt heraus kriminelle Handlungen
zu veranlassen oder Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörde zu behindern. Außerdem hätten
Gefangene – mithilfe der beiden SIM-Karten – Ausbruchsversuche organisieren oder so genannte
„Mauerwerfer“ lenken können, um an weitere unerlaubte Gegenstände – etwa an Drogen oder Waffen –
zu gelangen. Schließlich hat der Beklagte sich durch die grob pflichtwidrige Überlassung der SIM-Karten
an den Gefangenen S. nicht nur diesem gegenüber, sondern auch gegenüber allen anderen Gefangenen,
die davon erfahren haben, erpressbar gemacht. Auch aus diesem Grund war das Handeln des Beklagten
geeignet, die Anstaltssicherheit erheblich zu gefährden (vgl. BayVGH, Urteil vom 11. Juli 2007 – 16a D
06.85 – juris).
Dem Fehlverhalten des Beklagten kommt auch deshalb besonderes disziplinarrechtliches Gewicht zu,
weil dem Beklagten die Bedeutung der verletzten Pflichten durch dienstliche Ereignisse vor seinen Taten
wiederholt und nachdrücklich vor Augen geführt worden war. Im Jahr 2005 war bei Ein- und
Auslasskontrollen in der JVA Diez festgestellt worden, dass Bedienstete verbotswidrig Mobiltelefone mit
sich führten. Gegen die betreffenden Personen waren dienst- und strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet
worden, was dem Beklagten bekannt war. Außerdem waren Ende 2004/Anfang 2005 dienstrechtliche
Ermittlungen gegen den damaligen Abteilungsdienstleiter der Vollzugsabteilung C eingeleitet worden,
weil dieser Gefangene ohne Telefongenehmigung unbeaufsichtigt hatte telefonieren lassen. Zu dieser
Angelegenheit hatte der Beklagte Stellung nehmen müssen. Diese Ereignisse hat der Beklagte sich nicht
zur Warnung gereichen lassen. Vielmehr hat er sich in Kenntnis der Vorkommnisse weitgehend
bedenkenlos über seine Dienstpflichten hinweg gesetzt. Um ihm das Unrecht seines Handelns deutlich
vor Augen zu führen, bedurfte es – wie er selbst angegeben hat – der Einleitung eines Straf- und eines
Disziplinarverfahrens.
Zulasten des Beklagten spricht desweiteren, dass er seine dienstlichen Kernpflichten nicht nur einmalig,
sondern wiederholt verletzt hat. Er hat – aufgrund selbständiger Willensentschlüsse und mit einigem
zeitlichen Abstand – gleich zwei SIM-Karten in die JVA eingebracht und dem Gefangenen S. überlassen.
Von der Weitergabe der zweiten SIM-Karte hat er sich auch dadurch nicht abhalten lassen, dass die erste
Karte durch den Gefangenen S. im Zuge einer Zellendurchsuchung hatte vernichtet werden müssen.
Dabei wurde ihm durch diesen Vorfall das Unrecht seines Tuns und die hiermit verbundene Entdeckungs-
gefahr nochmals in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Einen Grund zur Umkehr hat er hierin nicht
gesehen. Vielmehr hat er nicht gezögert, dem Gefangenen – unmittelbar nach der Zerstörung der ersten
Karte – eine weitere SIM-Karte zu überlassen und die von ihm begangene Dienstpflichtverletzung damit
zu erneuern.
Schließlich spricht gegen den Beklagten auch das Ausmaß der durch ihn hervorgerufenen Gefahr. Der
Gefangene S. hat die SIM-Karten nicht nur selbst genutzt, sondern diese auch an andere Gefangene
weitergegeben. Auch diese hatten daher die Möglichkeit, unkontrolliert mit Personen außerhalb der
Justizvollzugsanstalt zu telefonieren. Insgesamt wurden mithilfe der beiden Karten aus der
Justizvollzugsanstalt heraus mehrere hundert Kommunikationsverbindungen aufgebaut. Die hiervon
ausgehende Gefahr hat der Beklagte über Monate hinweg in Kauf genommen, obwohl er – wenn auch
unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile – jederzeit die Möglichkeit und gemäß Nr. 9 DSVollz auch die
Pflicht gehabt hätte, sich seinem Dienstherrn anzuvertrauen.
c) Aufgrund der geschilderten Umstände hat der Beklagte auch unter Berücksichtigung seines
Persönlichkeitsbildes und der übrigen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände das Vertrauen des
Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren.
Der Dienstherr ist im hoch sicherheitsrelevanten Bereich des Justizvollzugs in besonderer Weise auf ein
unbedingtes Vertrauen in das Pflichtbewusstsein, die Zuverlässigkeit und die Ehrlichkeit seiner Beamten
angewiesen. Eine lückenlose Kontrolle der Bediensteten ist unter den Bedingungen des Justizvollzugs
nicht möglich. Sie muss daher sehr weit gehend durch Vertrauen ersetzt werden. Außerdem hat die
Pflichtvergessenheit einzelner Beamter im Justizvollzug häufig sehr weit reichende Folgen für die
Sicherheit der Anstalt und der Allgemeinheit. Einem Beamter, der – wie der Beklagte – wiederholt
vorsätzlich und schwer wiegend gegen seine Kernpflicht zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und
Ordnung in der Anstalt verstößt, können weder der Dienstherr noch die Allgemeinheit dieses besondere,
für den Justizvollzug unabdingbare Vertrauen entgegenbringen. Vielmehr stellt ein solcher Beamter ein
dauerhaftes, im Bereich des Strafvollzugs nicht tragbares Sicherheitsrisiko dar.
Auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten ist eine Entfernung des Beklagten aus dem Dienst
zwingend geboten. Die Sicherheit und Ordnung im Justizvollzug lässt sich nur aufrechterhalten, wenn
schwer wiegende Verletzungen der dienstlichen Kernpflichten – wie der Beklagte sie begangen hat –
durch die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme geahndet werden. Nur so werden die
Bediensteten im Justizvollzug wirksam an ihre Pflichten erinnert und von einer Nachahmung abgehalten.
Diese Erwägungen gelten für die JVA Diez – die für Schwer- und Schwerststraftäter sowie
Sicherungsverwahrte aus ganz Rheinland-Pfalz zuständig ist – in besonderem Maße. Der Klägervertreter
hat in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass bestimmte Gruppen von Gefangenen versuchen, die
JVA Diez mafiös zu unterwandern. Solchen Bestrebungen kann nur dann wirksam begegnet werden,
wenn schwerwiegendes Fehlverhalten – wie der Beklagte es wiederholt gezeigt hat – mit der disziplinaren
Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst geahndet wird.
d) Eine andere Bewertung des Sachverhalts ist auch mit Blick auf das Persönlichkeitsbild des Beklagten
und die übrigen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände nicht gerechtfertigt.
Den Beklagten vermag nicht zu entlasten, dass er aus Mitleid mit dem Gefangenen S. gehandelt und für
sich selbst keine Vorteile aus der Tat gezogen hat. Justizvollzugbedienstete sind zwar gehalten, einen
freundlichen und menschlichen Umgang mit den Gefangenen zu pflegen. Indes sollen sie sich nicht – wie
der Beklagte dies getan hat – als Freund und Partner der Gefangenen begreifen, sondern als verlässliche
und pflichtbewusste Bedienstete. Eine „Verbrüderung“ mit Gefangenen und damit einhergehende
„Gefälligkeiten“ stellen eine ebenso große Gefahr für die Anstaltssicherheit dar wie Bestechlichkeit und
Vorteilsannahme. Ein Beamter, der – wie der Beklagte – durch wiederholtes schwerwiegendes Fehl-
verhalten gezeigt hat, dass er selbst in grundlegenden Fragen der Anstaltssicherheit nicht in der Lage ist,
den notwendigen Abstand zu den Gefangenen zu halten, ist für den Dienstherrn im Bereich des
Strafvollzugs untragbar geworden.
Auch der Umstand, dass der Beklagte – was der Senat zu seinen Gunsten unterstellt – unter dem Einfluss
des Gefangenen S. in eine schwere seelische Krise geraten war, rechtfertigt keine andere Bewertung
seines Fehlverhaltens. Der Beklagte hat insoweit vorgebracht, der Gefangene S. – der befürchtet habe,
nach einer Trennung von seiner Ehefrau den Kontakt zu seinen Kindern zu verlieren – habe ihn in
Gesprächen immer wieder mit seinen familiären Problemen konfrontiert. Aufgrund seiner Erlebnisse als
Soldat in Somalia und zweier Selbstmorde in seiner Vollzugsabteilung sei er hierdurch in große Angst vor
einer Verzweiflungstat des Gefangenen und schließlich in eine schwere seelische Krise geraten.
Auch als Reaktion auf diese besondere persönliche Lage des Beklagten erscheint die Überlassung
zweier SIM-Karten an einen Gefangenen als völlig unangemessen. Der Beklagte hätte sich stattdessen an
die Anstaltsleitung wenden und im Hinblick auf die schwierige familiäre Situation des Gefangenen S. auf
weitere Hafterleichterungen – etwa eine Erweiterung der Telefonerlaubnis – hinwirken können. Auch hätte
er sich um eine intensive Betreuung des Gefangenen durch den psychologischen oder den Sozialdienst
bemühen können. Mit seinen eigenen seelischen Nöten hätte der Beklagte sich ebenfalls jederzeit an den
psychologischen Dienst, die Seelsorge oder an einen kollegialen Ansprechpartner wenden können.
Angesichts der vielfältigen Hilfsangebote – von denen der Beklagte hätte Gebrauch machen können –
vermag der Senat auch eine den Beklagten entlastende Mitverantwortung des Dienstherrn an dem
Dienstvergehen nicht zu erkennen. Es gehört zu den Pflichten eines jeden Bediensteten im
Vollzugsdienst, professionell mit den zum Teil schicksalhaften Lebensgeschichten der Gefangenen
umzugehen und sich in Bedrängnissituationen Hilfe durch die zuständigen Dienste zu verschaffen. Eine
persönliche Überforderung darf keinesfalls als Vorwand für eine Gefährdung der Anstaltssicherheit
dienen.
Schließlich vermag es den Beklagten nicht zu entlasten, dass er disziplinarrechtlich unvorbelastet ist,
seinen Dienst in der Vergangenheit beanstandungsfrei verrichtet hat und sich – wenn auch erst im
gerichtlichen Disziplinarverfahren – einsichtig und reuig gezeigt hat. Das Vertrauen des Dienstherrn und
der Allgemeinheit in einen Justizvollzugsbeamten, der – wie der Beklagte – durch unerlaubte
Zusammenarbeit mit Gefangenen schwerwiegend gegen seine Kernpflicht zur Aufrechterhaltung der
Ordnung und Sicherheit in der Anstalt verstoßen hat, ist auch dann endgültig und unwiederbringlich
zerstört, wenn dieser disziplinarrechtlich unvorbelastet ist und sich nachträglich einsichtig und reuig
gezeigt hat. Die Weiterbeschäftigung eines solchen Beamten im Bereich des Strafvollzugs ist
schlechterdings nicht verantwortbar. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Beamte sein
Fehlverhalten dem Dienstherrn gegenüber offenbart, sich damit aus seiner Erpressbarkeit gegenüber den
Gefangenen befreit und zur Wiederherstellung der Anstaltssicherheit beiträgt. Aus einer solchen
freiwilligen Umkehr kann sich für den Dienstherrn die begründete Erwartung ergeben, der Beamte werde
sich auch künftig pflichtgetreu verhalten. Solche besonderen Umstände liegen im Fall des Beklagten
indes nicht vor.
e) Die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst erweist sich schließlich nicht als unverhältnismäßig. Hat
ein Beamter – wie hier der Beklagte – durch vorwerfbares Verhalten das Vertrauen des Dienstherrn
endgültig und unwiederbringlich verloren und fehlt damit die Grundlage für eine Fortsetzung des
Beamtenverhältnisses, dann ist seine Entfernung aus dem Dienst die einzige Möglichkeit, das durch den
Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte ist für
den Betroffenen nicht unverhältnismäßig, weil sie auf einem ihm zurechenbaren Verhalten beruht und
einem der anerkannten Ziele des Disziplinarrechts – nämlich der Aufrechterhaltung der Integrität und
Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit – dient (vgl. OVG Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 8. Mai 2009 – 3 A 10242/09.OVG – ESOVGRP).
3. Der Beklagte war mithin schon wegen der Überlassung der beiden SIM-Karten an den Gefangenen S.
aus dem Dienst zu entfernen. Es kann daher dahinstehen, ob er auch durch den ihm zur Last gelegten
Verstoß gegen Vorschriften des Waffengesetzes seine Dienstpflichten verletzt hat (vgl. § 83 Abs. 1 Satz 1
in Verbindung mit § 66 LDG).
4. Schließlich sieht der Senat – wie das Verwaltungsgericht – keine Veranlassung für eine abweichende
Entscheidung über den Unterhaltsbeitrag gemäß § 70 Abs. 2 LDG. Der Beklagte hat nicht glaubhaft
gemacht, dass eine Verlängerung der Gewährung des Unterhaltsbeitrags über den in § 8 Abs. 2 LDG
bestimmten Zeitraum hinaus zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist. Zwar ist die finanzielle
Situation des Beklagten offensichtlich angespannt. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass und inwieweit eine
Verlängerung des Bezugszeitraums des Unterhaltsbeitrags an dieser Lage etwas ändern könnte. Auch in
der Berufungsverhandlung hat der Beklagte hierzu nicht substantiiert vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 1 LDG.
ROVG Bonikowski ist wegen
Urlaubs gehindert, seine
Unterschrift beizufügen.
gez. Prof. Dr. Meyer
gez. Bonikowski
gez. Dr. Schumacher