Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 28.10.2009

OVG Koblenz: windkraftanlage, windenergieanlage, berg, gleichheit im unrecht, gutachter, biologische vielfalt, öffentliche bekanntmachung, gefährdete art, gefährdung, erhaltung

OVG
Koblenz
28.10.2009
1 A 10200/09.OVG
Immissionsschutzrecht, Baurecht
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
*********************
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Schulte-Wissermann & Härtel, Poststraße 8, 56068 Koblenz,
gegen
den Landkreis Birkenfeld, vertreten durch den Landrat, Schneewiesenstraße 25, 55765 Birkenfeld,
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
wegen Immissionsschutzrechts
hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 28. Oktober 2009, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Zimmer
Richter am Oberverwaltungsgericht Kappes-Olzien
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Berthold
ehrenamtlicher Richter Berater Itschert
ehrenamtlicher Richter selbständiger Kaufmann Knödler
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 24.07.2008 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine
Windenergieanlage.
Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten unter dem 04.02.2003 die Baugenehmigung für zwei
Windkraftanlagen auf dem Grundstück Gemarkung R…, Flur …, Flurstück Nr. … („Auf der H…“). Das
Grundstück liegt im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans der Verbandsgemeinde Baumholder in
einem Bereich, der als Sondergebiet für die Windenergienutzung („Sonderbaufläche Windkraft RO-SO1“)
dargestellt ist. Die Entfernung der geplanten Anlage zur Ortslage Rückweiler beträgt etwa 0,9 km.
Im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens machte die Untere Landespflegebehörde des Beklagten
unter dem 04.11.2002 geltend, dass eine Nutzung der Fläche für die Windenergie den Vogelzug
behindere. Der Rat der Verbandsgemeinde Baumholder beschloss hierzu unter dem 14.11.2002, dass die
Klärung dieses Problems durch ein Gutachten bei der konkreten Standortfestlegung im Rahmen des
Genehmigungsverfahrens erfolgen solle. Unter dem 19.02.2003 erfolgte die öffentliche Bekanntmachung
der Planung.
Die Klägerin legte in der Folgezeit dem Beklagten eine Untersuchung des Diplom-Ingenieurs G… vom
04.05.2005 zum Konfliktpotential bezüglich des Vogelzuges am geplanten WEA-Standort R… vor. Hierin
ist aufgrund von Zählungen im Untersuchungsgebiet ausgeführt, dass sich nur der geplante Standort der
östlichen Windenergieanlage genau im Bereich einer lokalen Zugverdichtung befinde. An dieser Anlage
seien insgesamt aufgrund der deutlich erhöhten Durchzugsfrequenz erhebliche Auswirkungen auf den
Durchzug von Kleinvögeln zu prognostizieren, so dass aus Sicht des Vogelschutzes zu empfehlen sei, auf
diese Anlage zu verzichten oder diese an anderer Stelle zu positionieren. Durch die westliche Anlage am
R...-Berg ergebe sich dagegen nur ein geringes Konfliktpotenzial hinsichtlich des Vogelzuges. Dies
betreffe auch den Großvogelzug, da eine einzelne Anlage lediglich eine geringe Barrierewirkung besitze
und nur in einzelnen Fällen mit Summationseffekten im Zusammenhang mit Anlagen der Umgebung zu
rechnen sei.
Daraufhin beantragte die Klägerin unter dem 12.07.2005 in Abänderung des ursprünglichen Antrags die
Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung nur noch einer Windkraftanlage
des Typs ENERCON E 70 - E 4 mit einem Rotordurchmesser von 71 m, einer Nabenhöhe von 99 m und
einer Gesamthöhe von 134,5 m auf dem Flurstück Nr. … und zwar am Standort „R…-Berg“. Dem Antrag
beigefügt waren eine Immissionsprognose, eine Schattenwurfprognose sowie ein landespflegerischer
Nachweis.
Mit Bescheid vom 13.04.2006 lehnte der Beklagte die Erteilung der beantragten Genehmigung ab. Zur
Begründung führte er aus, das Vorhaben beeinträchtige nachhaltig den Naturhaushalt. Insbesondere der
jahreszeitliche Vogelflug sei erheblich betroffen. Da der Eingriff aus naturschutzrechtlicher Sicht nicht
ausgleichbar sei, könne er nicht zugelassen werden.
Hiergegen erhob die Klägerin rechtzeitig Widerspruch und legte ergänzende Stellungnahmen des
Diplom-Ingenieurs G… vom 15.09.2005 und 20.01.2006 vor. Während des Widerspruchsverfahrens führte
das Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Werbeaufsicht (LUWG) unter dem 27.09.2007 aus, die
Bewertungen des Diplom-Ingenieurs G… könnten in einigen Punkten nicht nachvollzogen werden. Es sei
unstrittig, dass im genannten Bereich in der Gemarkung R… ein Hauptvogelzugkorridor von über-
regionaler, wenn nicht gar europaweiter Bedeutung gelegen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2007 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den
Widerspruch zurück. Die genehmigungspflichtige Windkraftanlage sei auf der Grundlage der
naturschutzfachlichen Feststellungen der Fachbehörden gemäß § 10 Abs. 2 LNatSchG unzulässig, da mit
deren Errichtung ein nicht ausgleichbarer Eingriff in Natur und Landschaft nach § 9 Abs. 1 LNatSchG
vorgenommen würde.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.12.2007 Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht Koblenz mit Urteil
vom 24.07.2009 abgewiesen hat (1 K 1971/07.KO). Der im Außenbereich privilegiert zulässigen
Windkraftanlage stünden naturschutzrechtliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1
Nr. 5 BauGB i.V.m. § 6 BImSchG entgegen. Aus einer in der mündlichen Verhandlung
vorgelegten Stellungnahme des Diplom-Ingenieurs G… vom 07.05.2008, die im Rahmen eines
Genehmigungsverfahren bezüglich einer geplanten Windenergieanlage in B… erstellt worden sei, könne
entnommen werden, dass am R…-Berg in unmittelbarer Nähe zum Vorhaben der Brutnachweis eines
Rotmilanpaares gelungen sei, wobei es sich um eine naturschutzrechtlich besonders geschützte
Europäische Vogelart handele. Die im vorliegenden Fall hieraus folgende Notwendigkeit des
Lebensraumschutzes für den Rotmilan erreiche an dem von der Klägerin in Aussicht genommenen
Standort der geplanten Windkraftanlage eine so große Intensität, dass der Artenschutz für diesen Vogel
bei der gebotenen Abwägung der betroffenen Belange und unter Berücksichtigung der gesetzlichen
Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB Vorrang vor der
Verwirklichung des Vorhabens habe.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend:
Dem Vorhaben stünden naturschutzrechtliche Belange i.S. von § 35 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB
nicht entgegen. Zur Begründung einer entsprechenden Beeinträchtigung der Rotmilanpopulation hätte es
über die Feststellungen des Verwaltungsgerichts hinaus einer fachlich fundierten Stellungnahme bzw.
eines Gutachtens bedurft. Bei der hierzu erforderlichen Interessenabwägung seien die öffentlichen
Belange je nach ihrem Gewicht und dem Grad ihrer nachteiligen Betroffenheit gegen das kraft
gesetzlicher Privilegierung gesteigerte durchsetzungsfähige private Interesse an der Verwirklichung der
Windkraftanlage gegenüberzustellen.
Die Belange des Artenschutzes in Form einer Betroffenheit des Rotmilans seien erstmals durch den
Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 24.07.2008 in das Verfahren eingeführt worden. Das hier
eingeführte Gutachten des Dipl.-Ing. G… zur Erfassung von Rotmilanvorkommen und Bewertung des
Konfliktpotentials am geplanten WEA Standort B… vom 07.05.2008 gebe über eine Populationsdichte des
Rotmilans am Standort der geplanten Windkraftanlage in R... bzw. der Umgebung keinerlei Auskunft.
Mangele es aber an einer fundierten gutachterlichen Aussage über das Vorkommen des Rotmilans am
geplanten Standort bzw. der Bedeutung des Vorkommens für die Population des Rotmilans, so liege
hinsichtlich der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zumindest ein Ermessensausfall vor.
Im Übrigen könne dies dahinstehen, da sich zwischenzeitlich herausgestellt habe, dass der durch den
Gutachter G… erfasste Brutnachweis eines Rotmilanpaares im Wald am R…-Berg nicht mehr vorhanden
sei. Der Gutachter G… sei selbst im April 2009 vor Ort gewesen und habe kein Brutvorkommen am R...-
Berg oder in dessen näherer Umgebung feststellen können. Eine Verlagerung des vorjährigen
Vorkommens wäre auch für Rotmilane nicht unüblich. Diese Änderung der Sach- oder Rechtslage sei im
Berufungsverfahren ohne weiteres zu berücksichtigen.
Das Verwaltungsgericht nehme in seinem Urteil auch Bezug auf die bereits zitierte Entscheidung des
erkennenden Senats vom 16.03.2006. Dort werde jedoch durch ein Gutachten, welches zudem von der
Staatlichen Vogelschutzwarte bestätigt worden sei, belegt, dass in dem dort betreffenden Gebiet eine
vergleichsweise sehr hohe Populationsdichte des Rotmilans von 15,9 Brutrevieren pro 100 m
2
vorlag.
Eine solche Feststellung fehle vorliegend vollständig. Eine relevante Populationsdichte, die bei einer
Abwägung gegebenenfalls zugunsten des Artenschutzes zu bewerten wäre, gebe es an dem beantragten
Standort nicht.
Im Übrigen sei in dem Urteil des Verwaltungsgerichts unberücksichtigt geblieben, dass auch das Gesetz
selbst bei Betroffenheit einer Art eine naturschutzrechtliche Befreiung bzw. eine artenschutzrechtliche
Ausnahme vorsehe. Zudem habe das Verwaltungsgericht nicht gesehen und in seine Abwägung
eingestellt, dass sich seit der Entscheidung des Senats im Jahr 2006 die Schutzbedürftigkeit des
Rotmilans relativiert habe. Im Berufungszulassungsverfahren (dort Schriftsatz vom 23.10.2008) sei bereits
ausgeführt worden, dass der Rotmilan nicht mehr auf der sog. „Roten Liste“ stehe, die von dem
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) zusammen mit dem Deutschen Rat für Vogelschutz und dem
Dachverband Deutscher Avifaunisten herausgegeben werde. Es bestehe also in Fachkreisen
Einvernehmen darüber, dass der Rotmilan bzw. die Rotmilanpopulation in Deutschland nicht mehr
gefährdet sei. Darüber hinaus gebe es auch keine Gefährdung der Fledermausfauna und sei der
überregionale Vogelzug nicht beeinträchtigt. Hinsichtlich des Vogelzugs verhalte es sich so, dass es sich
bei dem Standort R… nicht um einen Hauptvogelzugkorridor handele, sodass auch hier keine
Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs gegeben sei. Etwas anderes habe auch die durchgeführte
Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2008 vor dem Verwaltungsgericht nicht
ergeben.
Mit weiterem Schriftsatz vom 01.09.2009 hat die Klägerin mitgeteilt, dass der Gutachter G… den geplanten
Standort der Windkraftanlage R... nochmals begangen und eine erneute Erfassung von Brutvorkommen
des Rotmilans vorgenommen habe. Insgesamt habe der Gutachter den Standort sechs Tage lang
beobachtet. Er habe festgestellt, dass im Jahre 2009 kein Brutvorkommen existiere, auch habe kein
Brutplatz nachgewiesen werden können. Soweit der Gutachter Brutvorkommen an anderen Standorten
festgestellt habe, so sei es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich, da diese 1,6
km bzw. 2 km weit von der geplanten Windkraftanlage entfernt lägen. Eine angebliche Gefährdung des
Rotmilans könne dem streitgegenständlichen Vorhaben nach alledem nicht mehr entgegengehalten
werden. Im Übrigen bestätige das Gutachten G… ein zu vernachlässigendes Konfliktpotential im Hinblick
auf den Vogelzug im Bereich der noch verbliebenen Anlagenplanung.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgericht Koblenz vom 24.07.2009 den Beklagten unter
Aufhebung des Bescheids vom 13.04.2006 und des Widerspruchsbescheids vom 06.11.2007 zu
verpflichten, ihr eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage in R…, Flur …,
Flurstück Nr. … zu erteilen,
hilfsweise
den Beklagten unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide den Beklagten zu verpflichten, ihren Antrag
auf Erteilung einer Genehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung zunächst auf das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24.07.2008 und schließt
sich diesen Ausführungen an. Danach könne die beantragte Windkraftanlage aus naturschutzrechtlichen
Gründen nicht genehmigt werden, weil bei einem Bau und dem Betrieb der geplanten Anlage eine
erhebliche Beeinträchtigung der lokalen Rotmilanpopulation zu erwarten sei. Unbestritten sei nach den
Feststellungen des Gutachters G… im vergangenen Jahr der Horst eines Rotmilans in einer Entfernung
von etwa 100 bis 150 m vom beabsichtigten Standort der Windenergieanlage aufgefunden worden. Ob
dieser Bereich im Jahr 2009 erneut von dem Rotmilan für die Brut genutzt worden sei, sei derzeit nicht
eindeutig geklärt. Die Brut der Rotmilane im Vorjahr in dem Wald unmittelbar neben dem geplanten
Standort der Windkraftanlage habe jedenfalls gezeigt, dass dieser Bereich für den Rotmilan als
Horststandort geeignet sei. Nach telefonischer Auskunft des Herrn S… (LUWG) vom 25.05.2009 sei im
Übrigen im Jahr 2008 im Vergleich zu den Vorjahren ein insgesamt geringerer Brutbestand des Rotmilans
in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus zu verzeichnen.
Selbst wenn der Horststandort in unmittelbarer Nähe der geplanten Anlage im Jahr 2009 nicht besetzt
sein sollte, so sollte dieser Standort doch auf jeden Fall geschützt und die Umgebung von einer
Umbauung mit Windkraftanlagen freigehalten werden. Es sei dann damit zu rechnen, dass der Standort in
Zukunft wieder vom Rotmilan als Brutplatz genutzt werden würde. Im Übrigen würde durch die Errichtung
und Inbetriebnahme der Windkraftanlage auch der Vogelzug erheblich beeinträchtigt werden. Der
Vogelzug stelle eine elementare Lebensbedingung für eine Vielzahl von Vogelarten dar. Insoweit sei
noch einmal auf die Ausführungen in der Vorinstanz (Schriftsatz vom 14.03.2008) zu verweisen. Er bleibe
daher bei seiner Einschätzung, dass das Vorhaben in einem Hauptvogelzugkorridor errichtet werden
solle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28.10.2009, die zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungs- und Widerspruchsakten sowie die
vorgelegten Flächennutzungsplanunterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der die Genehmigung
versagende Bescheid des Beklagten vom 29.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
22.11.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung für die
Errichtung einer Windenergieanlage an dem geplanten Standort R...-Berg, weil dem Vorhaben öffentlich-
rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Aus diesem Grunde vermag die Klägerin weder mit ihrem
Verpflichtungsantrag noch mit ihrem hilfsweise gestellten Bescheidungsantrag durchzudringen.
Rechtsgrundlage für die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist § 6 Abs. 1 i.V.m. § 5
BImSchG. Nach diesen Vorschriften ist die – hier nach
§ 4 BImSchG
i.V.m. Nr. 1.6 des Anhangs zur 4.
BImSchV erforderliche – immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist,
dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche
Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Die sich hiernach
ergebenden Genehmigungsvoraussetzungen sind nicht erfüllt.
Das Vorhaben ist zwar nicht deshalb bauplanungsrechtlich unzulässig, weil dem Schutz des Roten Milan
gegenüber der Genehmigung einer Windenergieanlage auf dem R...-Berg gemäß § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5
BauGB schon nach dem vorliegenden Erkenntnisstand Vorrang einzuräumen wäre (1.). Eine
Genehmigung wird derzeit auch nicht durch naturschutzrechtliche Eingriffsverbote ausgeschlossen (2).
Die streitgegenständliche Windenergieanlage kann aber deshalb nicht genehmigt werden, weil nicht mit
dem notwendigen Grad an Gewissheit auszuschließen ist, dass die Errichtung und der Betrieb einer
solchen Anlage zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Vogelzuges im Bereich des
Anlagenstandortes führen würde (3.).
1.
Windenergieanlage auf dem R…-Berg der Schutz des Roten Milan gemäß § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB
derzeit nicht entgegen, auch wenn im Jahre 2008 der Horst eines Paares weniger als 200 m von der
verbliebenen Anlage entfernt festgestellt wurde.
a.
dem ein Vorhaben geplant ist, zum Zeitpunkt der Entscheidung keinem Europäischen Vogelschutzgebiet
i.S. von § 25 Abs. 2 Satz 1 LNatSchG angehört, da diese Flächen in keinem der in Anlage 2 zum
Landesnaturschutzgesetz aufgezählten Schutzgebiete liegen. Ferner kommt es für das Entgegenstehen
eines genannten öffentlichen Belangs nicht darauf an, ob sich der Errichtungsort der Windenergieanlagen
in einem sog. faktischen Europäischen Vogelschutzgebiet befindet (dazu vgl. Urteil des Senats vom
9.01.2003, NuR 2003, 441, 442 f. und BVerwG, Urteil vom 01.04.2004, NVwZ 2004, 1114, 1115 ff.). An
dem Belang des Schutzes einer bestimmten Vogelart kann die Errichtung eines bevorzugt im
Außenbereich zulässigen Bauvorhabens nicht nur innerhalb ausgewiesener oder faktischer Europäischer
Vogelschutzgebiete scheitern. Die den Vogel- und Artenschutz betreffenden rechtlichen Regelungen in
ihrer Gesamtheit schließen die Annahme einer derart beschränkten Wirkkraft des auf Vogelarten
bezogenen Artenschutzes aus (vgl. ausführlich Urteil des Senats vom 16.03.2006, 1 A 10884/05.OVG,
ESOVG).
Der Rotmilan (Milvus milvus) ist von den artenschutzrechtlichen Vorschriften des Bundes- und
Landesrechts erfasst und unterliegt damit nach § 10 Abs. 2 Nr. 9, Nr. 10 a BNatSchG als europäische
Vogelart einem besonderen Schutz. Es handelt sich zugleich um eine streng geschützte Art nach § 10
Abs. 2 Nr. 11 a BNatSchG und um eine europäische Vogelart i.S. des Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie des
Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 02.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden
Vogelarten (79/409/EWG – Vogelschutz-Richtlinie). Dies hat zur Folge hat, dass auf diese Art besondere
Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden sind, um ihr Überleben und ihre
Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen (vgl. OVG RP, a.a.O.)
b.
Belange – bedarf es einer nachvollziehenden Abwägung. Dort sind die öffentlichen Belange je nach
ihrem Gewicht und dem Grad ihrer nachteiligen Betroffenheit einerseits und das Kraft der gesetzlichen
Privilegierung gesteigert durchsetzungsfähige private Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens
andererseits einander gegenüberzustellen und es ist eine zweiseitige Interessenbewertung vorzunehmen
(vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.2005, NVwZ 2005, 578 unter Hinweis u.a. auf die Urteile vom 25. Oktober
1967, BVerwGE 28, 148, 151 und vom 19.07.2001, NVwZ 2002, 476, 477). Der Gesetzgeber hat die in §
35 Abs. 1 BauGB aufgezählten Vorhaben zwar in planähnlicher Weise dem Außenbereich zugewiesen
und ihnen damit im Vergleich zu sonstigen Vorhaben ein gesteigertes Durchsetzungsvermögen
gegenüber den berührten öffentlichen Belangen zuerkannt. Mit der Privilegierung hat er aber noch keine
Entscheidung über den konkreten Standort des jeweiligen Vorhabens getroffen. Dies überlässt er
vielmehr einer im bauaufsichtlichen Verfahren erfolgenden Prüfung anhand des Maßstabs, ob der
Zulassung des Vorhabens öffentliche Belange entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1984,
NVwZ 1984, 367, 368). Die auf diese Weise vorzunehmende Prüfung und Abwägung führt im
vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass dem öffentlichen Belang des Artenschutzes für den Rotmilan
derzeit kein Vorrang vor dem Vorhaben der Klägerin einzuräumen ist.
c.
das Land Rheinland-Pfalz für die Erhaltung des Rotmilan eine besondere Verantwortung tragen (vgl.
Urteil des Senats vom 16.03.2006, a.a.O.). Der Rotmilan ist eine rein europäische Art, von deren
Gesamtbestand etwa 50-60 % in Deutschland als Brutvögel lebt, was den höchsten relativen Anteil an
einer Vogelart im Verhältnis zur weltweiten Population überhaupt ausmacht. 500-700 Paare und damit
rund 5 % des deutschen Gesamtbestandes kommen in Rheinland-Pfalz vor. Global gesehen ist der
Rotmilan nach wie vor eine seltene und gefährdete Art, deren Erhalt insbesondere auf nationaler oder
europäischer Ebene von Bedeutung ist.
Allerdings konnte am vorgesehenen Standort mittlerweile kein Brutnachweis mehr geführt werden. Dies
hat der Gutachter G… in der mündlichen Verhandlung eindeutig unter Vertiefung der Ausführungen aus
seinem Schreiben vom 30.08.2009 bestätigt. Zur Erfassung von Rotmilanvorkommen habe er im Zeitraum
von April bis Juni 2009 insgesamt 6 Beobachtungstage durchgeführt. Das im Vorjahr festgestellte
Brutvorkommen am R…-Berg habe in 2009 nicht mehr bestanden, wobei die Gründe hierfür nicht hätten
ermittelt werden können. Ein neuer Brutstandort für den Rotmilan sei nördlich von Rückweiler festgestellt
worden, der sich etwa 1,6 km nordwestlich des geplanten WEA-Standortes befunden habe. Darüber
hinaus habe Brutverdacht im Bergwald nördlich von R... etwa 2 km nordöstlich des geplanten Standortes
bestanden. Die beiden Brutplätze hätten sich demnach auch weit außerhalb des von der
Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten empfohlenen Mindestabstands von 1.000 m befunden.
Die Ausführungen des Gutachters zu seinen Beobachtungen am früheren Standort des Horstes des
Milanpaares sind glaubhaft und aus der Sicht des Senats auch in ihrer fachlichen Bewertung nicht zu
beanstanden. Die Gründe, warum an dem genannten Standort keine Rotmilane mehr nachgewiesen
werden konnte, bleiben naturgemäß Spekulationen vorbehalten und sind einer weiteren
Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht nicht zugänglich. Die von dem Gutachter dargelegten
Tatsachen waren dagegen in der Berufungsinstanz uneingeschränkt zu berücksichtigen.
d.
Einordnungen der Fachverbände in den Blick zu nehmen.
Gemäß der internationalen
Roten Liste
der
IUCN
(International Union for Conservation of Nature and
Natural Resources) wurde der Rotmilan bereits zum Zeitpunkt des Genehmigungsverfahrens im Jahr
2006 und davor als Art in der Vorwarnliste unter der Rubrik „NT“ (near threatened) eingestuft.
Ausschlaggebend dafür waren die zum Teil erheblichen Bestandsrückgänge seit Beginn der 1990er
Jahre in den Schlüsselländern der Verbreitung, nämlich Deutschland, Spanien und Frankreich (siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/Rotmilan
). Auch die IUCN-Einordnung der Jahre 2008 und 2009
(http://www.iucnredlist.org) lautet nach wie vor “NT” (“because … a moderately rapid population decline“).
Zu berücksichtigten ist dabei aber auch, dass der Rotmilan mittlerweile in der Einordnung gemäß dem
"Nationalen Rote-Liste-Gremium Vögel", dem verschiedene Fachverbände angehören, unter anderem der
Deutsche Rat für Vogelschutz (DRV) und der Dachverband deutscher Avifaunisten (DDA), aus der
deutschen Version der Roten Liste (einschließlich Vorwarnliste) entlassen wurde (vgl. vierte
gesamtdeutsche Fassung, veröffentlicht im September 2008,
http://www.nabu.de/tiereundpflanzen/voegel/wissenswertes/roteliste/10221.html). Der Umstand, dass der
Rotmilan in der deutschen Einordnung nicht mehr in der Roten Liste enthalten ist (vgl. allg. zur Bedeutung
„Roter Listen“: Nipkow, Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 18, S. 187) ändert allerdings zunächst
an den im vorerwähnten Urteil des Senats vom 16.03.2006 (1 A 10884/05.OVG) getroffenen
Feststellungen nichts Wesentliches. Dies bedeutet nicht, dass der Rotmilan nicht mehr als ein geschützter
Vogel nach § 10 Abs. 2 Nr. 9, 10a und 11a BNatSchG anzusehen wäre und vermag insbesondere den
besonderen Schutzauftrag Deutschlands für diese Art im Grundsatz auch nicht in Frage zu stellen.
Allerdings kann im Rahmen der Abwägung die Einordnung der Fachverbände als weiterer
abwägungserheblicher Belang berücksichtigt werden.
Vor diesem Hintergrund führen die von dem Senat zum Schutz des Rotmilans aufgestellten Grundsätze im
Urteil vom 16.03.2006 (1 A 10884/05.OVG) nicht zur Unzulässigkeit des geplanten
Windenergieanlagenstandortes am R…-Berg. Nach dem Tatsachenstand zum Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung ist völlig ungewiss, ob der aufgefundene Horst auch künftig noch von Rotmilanen zum
Aufzucht der Brut genutzt wird oder ob er endgültig verlassen wurde. Die Ausführungen des Beklagten zu
den möglichen Gründen der Aufgabe des Horstes und der Unsicherheit der Prognose vermögen nichts
daran zu ändern, dass derzeit jeglicher Nachweis der konkreten Gefährdung einer lokalen
Rotmilanpopulation fehlt.
Dies kann auch die im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 29.10.2009 eingereichte
„Vereinbarung zwischen der Naturschutzverwaltung und Landesforsten Rheinland-Pfalz zum Schutz und
zur Erhaltung des Rotmilan“ vom 22.07.2009 sowie der beigefügte (undatierte) Entwurf eines „Rotmilan-
Schutzkonzepts Rheinland-Pfalz“ nicht ernstlich in Frage stellen. In der genannten Vereinbarung soll zwar
ein weitergehender Schutz aller bekannten Horststandorte – insbesondere durch Verzicht auf forstliche
Maßnahmen und Freizeitveranstaltungen – gewährleistet werden; dies ändert jedoch nichts daran, dass
völlig ungewiss ist, ob tatsächlich am R...-Berg in naher Zukunft noch mit einer Brut von Rotmilanen zu
rechnen ist. Demnach führt in der gebotenen Abwägung das nachvollziehbare Zugeständnis der
Forstverwaltung sowie die Aussicht auf die Realisierung eines etwaigen künftigen Rotmilan-
Schutzkonzepts noch nicht per se zu einem Vorrang der öffentlichen Interessen gegenüber dem geltend
gemachten Anspruch der Klägerin auf Errichtung einer Windenergieanlage in einer Vorrangzone. Wie
dies im Falle der Realisierung des Rotmilan-Schutzkonzepts (vgl. dort zur Windkraft Teil 2, Nr. 8) zu
beurteilen wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Nach alledem konnte der Beklagte nicht den Nachweis führen, dass gerade die streitgegenständliche
Bebauung geeignet ist, dem Schutzziel der Erhaltung der Art des Rotmilan spürbar entgegenzuwirken. so
dass derzeit eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange gemäß § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB insofern
nicht angenommen werden kann.
2a.
mündlichen Verhandlung keine nachweisbaren naturschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 42 Abs.
1 Nr. 1 BNatSchG entgegen. Danach ist es untersagt, wild lebenden Tieren der besonders geschützten
Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur
zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 09.07.2008, NuR 2009, 112) zur Planfeststellung ist – in diesem
Bereich – der Tatbestand des Tötungsverbots gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BNatSchG bei der Gefahr von
Kollisionen im Straßenverkehr dann erfüllt, wenn sich durch das Straßenbauvorhaben für die geschützten
Tiere unter Berücksichtigung der vorgesehenen Schadensvermeidungsmaßnahmen das Kollisionsrisiko
signifikant erhöht, wobei eine entsprechende Übertragung auf die Errichtung von Windenergieanlagen
grundsätzlich möglich erscheint (vgl. Gatz, Rechtsfragen der Windenergienutzung, DVBl 2009, 737, 744).
Diese Voraussetzungen dürften etwa im Hinblick auf den Kranichzug nicht ausgeschlossen sein (vgl.
hierzu etwa die differenzierten Ausführungen im Gutachten G..., S. 7-8), sind jedoch im Rahmen der
Begutachtungen auch nicht positiv erwiesen worden. Denn es müsste für eine solche Annahme zusätzlich
geprüft werden, ob sich im Hinblick auf die verschiedenen möglichen Witterungsbedingungen beim
Großvogelzug eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit von Kollisionen im Vergleich zum anlagenfreien
Raum ergeben könnte, was voraussichtlich zu dem objektiven Datenmaterial eine Reihe von Wertungen
voraussetzen würde und daher mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden wäre. Auch in Anbetracht
dieser Schwierigkeiten reicht jedoch das vorhandene Datenmaterial für eine positive Feststellung eines
Verstoßes gegen das naturschutzrechtliche Tötungsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht aus.
2b.
nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG gehindert. Danach ist es verboten, wild lebende Tiere der streng
geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzung-, Aufzucht-, Mauser-,
Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören, wobei eine erhebliche Störung vorliegt,
wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Ein
Beleg für die Störung der Erhaltungszustand einer lokalen Population konnte ebenfalls nicht erbracht
werden, vielmehr geht es um die überregionale Bedeutung des Vogelzuges schlechthin, der mit den
vorliegenden Erkenntnis im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist. Diese Frage kann jedoch
ebenso wie die abschließende Beurteilung eines Eingriffs nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG offen bleiben,
weil es nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen für die Entscheidung des Senats hierauf nicht
mehr darauf ankommt.
3.
privaten und öffentlichen Interessen Belange des Naturschutzes i.S. von § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB
entgegen, worunter auch der Vogelschutz und damit der überregionale Vogelzug fällt (vgl. OVG RP, Urteil
vom 02.02.2006, 1 A 11312/04; Urteil vom 28.05.2003, 8 A 10481/02).
a.
bauplanungsrechtlichen und der naturschutzrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines
Außenbereich-vorhabens zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2001, DVBl 2002, 706). Ob das
Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, richtet sich nicht allein nach seiner naturschutzrechtlichen
Zulässigkeit. Vielmehr stehen die Anforderungen des
§ 35 BauGB
, auch soweit sie "naturschutzbezogen"
im Sinne von Absatz 3 Nr. 5 sind, unabhängig neben den Anforderungen des Naturschutzrechts.
Das gilt auch für gemäß
§ 35 Abs. 1 BauGB
privilegierte Vorhaben. Diese sind – wie bereits ausgeführt –
dem Außenbereich vom Gesetzgeber im Grundsatz "planähnlich" zugewiesen (BVerwG, Urteil vom
25.10.1967,
BVerwGE 28, 148
, 151). Sie sind gleichwohl nicht zulässig, wenn ihnen die in
§ 35 Abs. 3
Satz 1 BauGB
beispielhaft genannten öffentlichen Belange entgegenstehen. Ob dies der Fall ist, hat die
Behörde innerhalb einer die gesetzliche Wertung für den konkreten Einzelfall nachvollziehenden
Abwägung zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2001, DVBl 2002, 706;
Urteil vom 19.07.2001,
DVBl 2001, 1855).
b.
Vogelzug dem privilegierten Vorhaben der Windenergienutzung entgegenstehen kann. Vielmehr bedürfe
es dazu eines Vogelzuggeschehens überdurchschnittlichen Umfangs, da ansonsten in Rheinland-Pfalz,
welches größtenteils breitflächig von Vogelzügen überquert werde, die Errichtung von
Windenergieanlagen fast flächendeckend ausgeschlossen wäre, was aber erkennbar dem mit der
Privilegierung verfolgten gesetzgeberischen Willen widersprechen würde. Ein solches bedeutsames
Vogelzuggeschehen werde man allenfalls bei einem Hauptkorridor bzw. einer Hauptvogelfluglinie
annehmen können. Diese Bewertung finde ihre Stütze in den ministeriellen Hinweisen vom 18.02.1999
(MinBl. 1999, S. 148), wonach Gebiete mit Hauptvogelfluglinien als Standorte für Windenergieanlagen
generell nicht in Betracht kommen.
Im dem genannten Verfahren (1 A 11312/04) ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass sich die
geplanten beiden Windenergieanlagen am Standort „Habichtskopf“ in der Gemarkung S… (Landkreis Bad
Kreuznach) in einem Bereich befinden, der als Hauptvogelzugkorridor anzusehen ist. Zusammenfassend
hat der Senat nach Auswertung des Gutachtens sowie der sonstigen Quellen und Unterlagen festgestellt,
dass nach damaligem Kenntnisstand davon auszugehen sei, dass es sich bei dem Rheinhessen-Nahe-
Korridor um einen der am stärksten beflogenen Vogelzugwege Deutschlands, vielleicht gar des
mitteleuropäischen Binnenlandes handele und sich die beiden geplanten Windenergieanlagen am
Habichtskopf in einem Bereich befänden, der als Hauptvogelzugkorridor anzusehen sei. Auf der
Grundlage dieser Entscheidung haben die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens im Schwerpunkt
darüber gestritten, ob vorliegend ein Vogelzuggeschehen überdurchschnittlichen Umfangs anzunehmen
sei und ob in dem streitgegenständlichen Bereich ein Hauptvogelzugkorridor verlaufe. Diese Grundsätze
sind vorliegend im Hinblick auf die erforderliche Ermittlungstiefe im Rahmen des Abwägungsvorgangs
noch näher zu präzisieren.
c.
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
BauGB
beeinträchtigt, kann nur auf der Grundlage des gegenwärtigen Standes der wissenschaftlichen
Erkenntnis beurteilt werden, was gerade für die Frage der (Un)-Zulässigkeit von Windenergieanlagen in
einem (Haupt)-Vogelzugkorridor bei wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesener Beeinträchtigung des
Vogelzuges zu gelten hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 09.05.2006 (4 B 27/06, juris; siehe auch
Gatz, jurisPR-BVerwG 21/2006 Anm. 1) bereits indirekt auf die Problematik hingewiesen, die Begriffe
eines „Vogelzuggeschehens überdurchschnittlichen Umfangs“ sowie eines „Hauptkorridors bzw. bei einer
Hauptvogelfluglinie“ zu umschreiben und damit die Frage aufgeworfen, aufgrund welcher ornithologischer
Erkenntnisse der Begriff „Hauptvogelfluglinie“ näher eingegrenzt werden könnte. Dass
Hauptvogelfluglinien nicht an die Grenzen gemeldeter Vogelschutzgebiete im Sinne der Richtlinie
79/409
/EWG des Rates vom 02.04.1979 gebunden seien, verstehe sich dabei von selbst
d.
Windenergieanlagenstandort am R…-Berg aus naturschutzrechtlichen Gründen unzulässig ist, weil
wesentliche Beeinträchtigungen des Vogelzugs nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen
werden können, der Fachbehörde des Beklagten insoweit jedoch ein naturschutzfachlicher
Einschätzungsspielraum im Rahmen ihrer Abwägung zuzugestehen ist und die Klägerin die
substanziellen Bedenken gegen den geplanten Windenergieanlagenstandort nicht ausräumen konnte.
aa.
Beschluss vom 13.3.2008, NuR 2008, 459, 501; OVG RP, Urteil vom 10.03.2009, NuR 2009, 636) bzw. bei
einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls nach
§ 3c Satz 1
und
2 UVPG
(vgl. exempl. OVG
NRW vom 9.8.2006, NuR 2007, 218; BayVGH, vom 12.03.2008, ZUR 2008, 432 m.w.N.) eine
naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative bzw. ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer
naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, benötigt sie im Rahmen der Abwägung bei
der Zulassung eines Vorhabens nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB bei komplexen Sachverhalten und
Naturgegebenheiten – wie etwa bei der langfristigen Beurteilung eines Vogelzugsgeschehens – einen
gewissen Einschätzungsspielraum im Rahmen ihrer Abwägung, der er es ihr ermöglicht, fachlich
fundierten Einwendungen gegen ein Vorhaben Geltung zu verschaffen, ohne zum streng
naturwissenschaftlichen Beweis gezwungen zu sein.
Vorliegend kann ein solcher streng wissenschaftlicher und lückenloser Nachweis der Gefährdung des
Vogelzuges allgemein oder einzelner Vogelarten bei der „Wanderung“ nicht erbracht werden; für eine
Annäherung an einen solchen Nachweis wären entweder jahrelange Beobachtungen des Vogelzuges am
Standort oder die Errichtung der Anlage zum Zwecke näherer Untersuchungen ihrer Auswirkungen
erforderlich. Beides kommt im geltenden System des Genehmigungsverfahrens offensichtlich nicht in
Betracht. Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Untersuchungsreihen diesen
Erkenntnisprozess weiter voranzubringen. Vielmehr darf und muss es sich am gegenwärtigen
Forschungs- und Erkenntnisstand orientieren. Auf dieser Grundlage bestehen jedoch zur Überzeugung
des Senat bei Würdigung aller fachbezogenen Beiträge des Verfahrens ernst zu nehmende Zweifel an der
Verträglichkeit des streitbefangenen Vorhabens mit dem Schutz des überregionalen Vogelzuges und
können demnach wesentliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden. Mit der Errichtung und
dem Betrieb der Windkraftanlage ist die reale Gefahr einer zumindest teilweisen Beeinträchtigung der
ökologischen Funktion des beschriebenen windenergieanlagenfreien Korridors verbunden. Diese Zweifel
an der Verträglichkeit des Vorhabens hat die Klägerin durch den von ihr beauftragten Gutachter und die
vorgelegten eigenen umfassenden schriftliche Stellungnahme nicht ausräumen können. Der Senat folgt
daher der nachfolgend zusammengefassten – fachlich hinreichend untermauerten – Einschätzung des
Beklagten.
e.
beigezogenen fachbehördlichen Stellungnahmen ausgeführt, dass der betroffene Landschaftsraum zum
Hauptzugkorridor „Nahetal" gehöre und Rheinland-Pfalz insgesamt eine herausragende europaweite
Bedeutung als Durchzugsraum für Zugvögel habe. Insoweit verweist der Beklagte auf die Veröffentlichung
des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht (LfUG), „Vogelschutz und Windenergie in
Rheinland-Pfalz", von Thomas und Klaus Isselbächer. Auch das Manuskript von Hans-Georg Folz
beschreibe einen überregional bedeutsamen Vogelzugkorridor mit einer Bündelung des
Zugvogelaufkommens im nördlichen Rheinhessen und einem verdichtetem Weiterzug entlang des
Nahetals. Nach einer Stellungnahme des LUWG (Herrn S…) vom 25.03.2003 fänden an dem
vorgesehenen Standort die Vogelarten, die entlang des Nahe- Hauptzugkorridors über die Taleinschnitte
von R…, L… und E… mit Nebengewässern ziehen, hier den letzten windanlagefreien Raum. Dies
bedeute, dass auch die genannten Nebentaleinschnitte, die in Zugrichtung liegen, zum Hauptzugkorridor
„Nahetal" gehörten. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass in dem Planungsraum auf ca. 8 km bereits 29
Windenergieanlagen entlang einer quer zur Vogelzugrichtung orientierten Linie errichtet worden seien.
Der einzige noch verbliebene anlagenfreie Raum mit einer Breite von ca. 2,5 km befinde sich in dem
Bereich R… - R…. Im Zentrum dieses Korridors liege der geplante Standort für die Windkraftanlage. Im
Rahmen einer wissenschaftlichen Erhebung seien von 2 Zählpunkten aus insgesamt 8 Zugrouten
festgestellt worden. Aufgrund der Zählungen stehe fest, dass zwar eine 100%-ige Abschottung durch die
bestehenden Windenergieanlagen nicht gegeben sei; im Vergleich zum anlagefreien Raum sei durch die
synchron erhobenen Zahlen aber eine Beeinträchtigung des Vogelzuges durch die bestehenden
Windenergieanlagen dargelegt.
Weiter führte der Beklagte im Verfahren aus, dass nach dem vorliegenden Gutachten von I… zwischen
den Windparken weiträumige, mindestens 4 Kilometer breite Korridore frei von Windenergieanlagen
bleiben sollten, um einen ungestörten Vogelzug in die beschriebene Hauptvogelzugrichtung zu
gewährleisten. Daraus sei abzuleiten, dass auch die Aufstellung von nur einer Anlage in dem 2,5 km
breiten Durchzugsraum den Vogelzug beeinträchtige. Dagegen sei die Aussage des Gutachters G…,
wonach die streitige Windkraftanlage nur geringe Auswirkungen auf den Vogelflug habe, weil der Großteil
des Kleinvogelzuges südlich dieser Anlage in einem Abstand von ca. 200 m vorbeiziehe, nicht
nachvollziehbar. Es werde nämlich nicht dargelegt, warum der eine, östlich gelegene Standort mit dem
Vogelzug unverträglich sei und der andere 200 m westlich gelegene Standort dagegen nur eine geringe
Barrierewirkung haben solle. Vielmehr lägen beide Standorte in den am stärksten frequentierten Routen.
Die Korridorfunktion dieses ca. 2,5 km breiten Durchzugsraumes sei auch bei der Aufstellung von nur
einer Anlage nicht mehr gegeben. Auch die Auswertung der wissenschaftlichen Erhebung von Folz lasse
keinen anderen Schluss zu. Nach dieser Erhebung sei es überhaupt nicht möglich, eine Hauptzuglinie
räumlich eng abzugrenzen, da ein parzellenscharfer Verlauf des Vogelfluges nicht kartierbar sei. Die
Zugwege, die von den Vögeln genutzt würden, bildeten keineswegs die eine immer identische Linie
entlang derer die Zugvögel ziehen, sondern die Fluglinien ziehender Trupps variierten – abgesehen von
artbezogenen Unterschieden – in Abhängigkeit vielfältiger Faktoren, insbesondere Witterungsfaktoren,
wie Windrichtung, Windstärke und Luftdruck, sowie einer Fülle zufälliger Ereignisse auf dem Zugweg.
Während die einzelnen „Zuglinien" innerhalb des Korridors demnach variierten, bleibe der Korridor selbst
dagegen stabil und lasse sich kartografisch darstellen. Nach diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen sei
die räumlich enge Abgrenzung auf nur 200 m von einem für den Vogelzug verträglichen zu einem für den
Vogelzug unverträglichen Standort nicht möglich.
Zu dem Gutachten G... macht der Beklagte unter anderem geltend, dass die dort dargestellten Zugrouten A
2, A 3, B 1 und B 2 innerhalb des bisher anlagenfreien Korridors lägen. Die Zugroute A 1 liege am
nördlichen Rande des Korridors, da sie auf die Anlagen bei H… hinführe. Die am stärksten frequentierte
Zugroute A 2 liege nach Abbildung 2 des Gutachtens im Bereich zwischen den zunächst geplanten zwei
Windkraftanlagen. Sie liege dabei geringfügig näher am östlichen als am nunmehr nur noch geplanten
westlichen Standort. Aus den Abbildungen 2 und 3 des Gutachtens ergäbe sich, dass die innerhalb des
bisher anlagenfreien Zugkorridors liegenden Zugrouten am stärksten von Zugvögeln benutzt würden.
Der hiernach verbleibende Abstand zur geplanten Windenergieanlage sei nach den wissenschaftlich
verfügbaren Erkenntnissen zu gering. Nach dem genannten Gutachten von I… und I… hielten die meisten
Zugvögel Mindestabstände von 200 bis 500 m zu Windkraftanlagen ein. Auch der Gutachter G... führe auf
den Seiten 6 und 7 aus, dass nach seinen Literaturrecherchen die Vögel beim Zug einen solchen Abstand
zu Windkraftanlagen einhielten. Der Schwerpunkt der beobachtbaren Reaktionen liege - zumindest bei
den Kleinvögeln - unter der Marke von 300 bis 350 m. Nach diesen Ergebnissen liege damit auch die
beantragte Windkraftanlage mit 200 m auf jeden Fall zu nahe an der sehr stark frequentierten Zugroute A
2. Wenn der Gutachter dennoch zu der Schlussfolgerung komme, dass bei einer mittleren Entfernung der
geplanten Windkraftanlage zur besonders stark frequentierten Zugroute A 2 von nur 200 m die Anlage
gegenüber dem Vogelzug vertretbar sei, so sei dies, ungeachtet der zusätzlichen Problematik einer
metergenauen Lokalisierung der Zugrouten, nicht nachvollziehbar. Im Übrigen seien die Aussagen auf
den Seiten 16 und 17 des Gutachtens G… zur Relativierung der absoluten Zählergebnisse durch
wissenschaftlich haltbare Fakten nicht belegt.
Auch Herr S…, der als Mitarbeiter des LUWG der Haupt-Ansprechpartner aller Naturschutzbehörden in
Rheinland-Pfalz bei ornithologischen Fragestellungen sei, habe in seinem Schreiben vom 25.03.2003
eindeutig auf die besondere Problematik der Windkraftanlagen bei R… bezüglich des Vogelzuges
hingewiesen. Auch er rechne den Standort bei R… noch zum Nahe-Hauptvogelzugkorridor. Auch das
Schreiben „einige Anmerkungen zum Ablauf des Vogelzuges, insbesondere auch im Landkreis Bad
Kreuznach" von Manfred B… von der SGD Nord vom 05.04.2004 stelle die Hauptvogelzugkorridore
unserer Region dar. Hier erkenne man, dass der Bereich R… inmitten eines solchen
Hauptvogelzugkorridors liege. Damit stütze auch die Auffassung von Herrn B… die Ablehnung der
beantragten Windkraftanlage.
Darüber hinaus werde auf Seite 21 des Gutachtens G… dargelegt, dass durch die geplante
Windkraftanlage negative Auswirkungen auf den Großvogelzug zu erwarten seien und dass diese
negativen Auswirkungen durch „Summierungen" erheblicher sein könnten als an sonstigen Standorten.
Der Gutachter halte diese Beeinträchtigungen zwar für vertretbar; aus seinen Ausführungen ergebe sich
jedoch, dass diese Beeinträchtigungen nicht konkret abschätzbar seien. Eine erhebliche Beeinträchtigung
des Großvogelzuges sei demnach ebenfalls vor dem Hintergrund zu befürchten, dass der bisher
anlagenfreie Korridor bei R… von den Zugvögeln verstärkt genutzt würde.
f.
Berücksichtigung des dem Beklagten verbleibenden Einschätzungsspielraums im Rahmen der Abwägung
nicht widerlegen.
Die Klägerin ist dem Vorbringen des Beklagten umfassend mithilfe ihres Gutachters entgegengetreten.
Dieser hat seine im Rahmen des Gutachtens dargestellten Karten sinngemäß als irreführend bezeichnet
und für den Vogelzug im Ergebnis keine erheblichen Gefährdungen gesehen. Insbesondere seien im
Falle der Errichtung von Windenergieanlagen bei normalem Zugaufkommen mit gleichmäßiger räumlicher
Verteilung keine erheblichen Beeinträchtigungen auf den Kleinvogelzug zu erwarten, sofern die Anlagen
einen gewissen Abstand untereinander aufwiesen. Anders stelle es sich in Bereichen mit regional deutlich
erhöhten Zugfrequenzen sowie in lokalen Verdichtungsbereichen mit räumlich relativ fixiertem Zugverlauf
dar, in denen aufgrund der hohen Anzahl betroffener Vögel von erheblichen Beeinträchtigungen
ausgegangen werden müsse.
Auch handele es sich bei dem Standort nicht um einen Hauptvogelzugkorridor. Im langjährigen Mittel
lägen die durchschnittlichen Durchzugszahlen von Zählungen in Rheinland-Pfalz, die mit der gleichen
Methode durchgeführt wurden, etwa im Bereich von 600 Vögeln pro effektiver Zählstunde. Das Mittel für
den Herbst 2004 liegt bei etwa 800 Vögel/Stunde. In der vorliegenden Untersuchung habe dieser Wert am
Standort „R…-Berg“ bei 641 Vögeln und auf der „F… Höhe“ bei 415 gelegen. Unter Berücksichtigung der
o.g. Umstände seien beide Werte als unterdurchschnittlich einzustufen.
g.
hergeleiteten Argumente gegen die Zulässigkeit der Anlage konnten im Verfahren nicht widerlegt werden.
Dies gilt sowohl für die nicht auszuschließende Barrierewirkung einer Windenergieanlage im Bereich des
Korridors, als auch für sonstige Risiken – etwa die genannten Summationseffekte im Bereich der
Großvögel bei ungünstigen Witterungsbedingen Windkraftanlagen auf den bodennahen Vogelzug. Auch
ist zu sehen, dass gerade die Barriere- und Riegelwirkung von quer zur Zugrichtung ausgerichteten
Windenergieanlagen – wie sie im näheren Umfeld der geplanten Anlage bereits in einer beachtlichen
Anzahl errichtet worden sind – in der Fachliteratur negativ bewertet und daher die Ausrichtung der
Anlagen parallel zur Hauptzugrichtung empfohlen wird (vgl. Reichenbacher, Auswirkungen von
Windenergieanlagen auf Vögel, Bulletin SEV/VSE 15/04, u.a. Abbildung 2).
Zudem erscheint auch für den Senat die rechtliche Trennung zweier Anlagen mit nur 200 m Abstand bei
der Beurteilung des Vogelzuges nicht überzeugend hergeleitet. Der Senat folgt insbesondere im Rahmen
der hier beschriebenen möglichen Ermittlungstiefe der Einschätzung des Beklagten und der
Fachbehörden, dass eine so kleinflächige Aufteilung von gefährdeten und nicht gefährdeten Bereichen
vorliegend bei einem lokalen Verdichtungsraum nicht möglich erscheint. Dabei kommt es nicht
maßgeblich darauf an, ob vor dem Hintergrund der allgemeinen Anerkennung des Nahetals als
Hauptkorridor auch der streitgegenständliche Standort diesem Korridor noch strenggenommen
zuzurechnen ist oder nicht. Auch mussten der Beklagte ebenso wie der Senat auch schon deshalb keine
weiteren Zählungen veranlassen, weil die Methode des Gutachters G… nicht grundsätzlich beanstandet
worden ist und es letztlich nur um die Interpretation seines Zahlenwerkes und der tatsächlichen
Feststellungen ging. Ebenso wie im Planungsbereich nötigt das Recht darüber hinaus nicht zu einem
Ermittlungsaufwand, der keine zusätzliche Erkenntnis verspricht (vgl. zu den allgemeinen
Ermittlungsgrundsätzen
BVerwG, Beschluss vom 18.6.2007, NuR 2007, 754
; OVG RP, Urteil vom
07.11.2007, 8 C 11523/06, ESOVG-RP).
Vor diesem Hintergrund kann bei einer Zählung von 17.312 Zugvögeln in dem genannten Zählzeitraum
und einem Wert von 641 Individuen pro Stunde laut dem Gutachten G... auf dem R...-Berg zur
Überzeugung des Senats auch von einem – zumindest – bedeutenden Vogelzugkorridor ausgegangen
werden, in dessen Bereich der Beklagte auf der Grundlage der eingeholten naturschutzfachlichen
Stellungnahmen im Hinblick auf die beschriebene Korridorfunktion und die sonstigen Risiken die
Errichtung einer Windenergieanlage ohne Rechtsfehler ablehnen durfte.
Steht nach alledem bereits der Vogelzug als öffentlicher Belang i.S. von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB
einer Genehmigung der beantragten Windenergieanlagen entgegen, so kann dahinstehen, ob darüber
hinaus – wie die Beklagtenseite vorgetragen hat auch das Vorkommen von Fledermäusen und anderer
Arten (zum Rotmilan siehe unter 1.) ein derartiges Genehmigungshindernis darstellen könnte und weiterer
Untersuchungen bedürfte.
Schließlich kann die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung auch nicht aus
sonstigen Gesichtspunkten herleiten, insbesondere nicht aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG.
Abgesehen davon, dass die im Streit stehenden Anlagen nach dem Vortrag des Beklagten schon vom
Standort her mit den in Bezug genommenen Windenergieanlagen nicht vergleichbar sind, da für jeden
Standort eine individuelle planungsrechtliche und naturschutzfachliche Prüfung zu erfolgen hat, scheitert
ein Anspruch aus Art. 3 GG bereits daran, dass es im Genehmigungsverfahren keine „Gleichheit im
Unrecht“ (vgl. zu diesem Begriff etwa BVerwG, Urteil vom 13.12.2006, GewArch 2007, 247).
Die Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167
VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision kann durch
Beschwerde
werden.
Die Beschwerde ist
innerhalb eines Monats
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
elektronischer Form einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Die Beschwerde ist
innerhalb von zwei Monaten
Begründung ist ebenfalls bei dem
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
elektronischer Form einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil
abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden.
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der
Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen
Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl. S. 33) zu übermitteln ist.
Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder eine
sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation erfolgen.
gez. Zimmer gez. Kappes-Olzien gez. Dr. Berthold
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 75.000,-- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff.
9.1.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).
gez. Zimmer gez. Kappes-Olzien gez. Dr. Berthold