Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 11.01.2005

OVG Koblenz: verfügung, aufwand, auskunft, abgas, anhörung, firma, bebauungsplan, normenkontrolle, diplom, lärmschutzwand

OVG
Koblenz
11.01.2005
8 C 11145/04.OVG
Prozessrecht, Kostenrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Normenkontrollverfahren
wegen Normenkontrolle (Bebauungsplan)
hier: Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
23. November 2005, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß
Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch
beschlossen:
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 9. August 2005 wird unter Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags der
Antragsgegnerin im Übrigen dahin abgeändert, dass die von den Antragstellern an die Antragsgegnerin
zu zahlenden Kosten auf weitere
2.163,40 €
festgesetzt werden.
Der festgesetzte Betrag ist gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ab dem 27. Juni 2005 mit
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verzinsen.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin begehrt im Wege der Kostenerinnerung die Festsetzung ihrer Aufwendungen für die
Tätigkeit von Sachverständigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Gegenstand des Verfahrens war
die Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan „O...straße“ der Antragsgegnerin. Im Planauf-
stellungsverfahren waren im Mai und Juni 2002 eine Verkehrsuntersuchung des Büros M... C... U... GmbH,
eine schalltechnische Untersuchung der zu erwartenden Verkehrslärmimmissionen des Büros B...
Beratende Ingenieure GmbH sowie eine Untersuchung der Abgasbelastung durch die I...-GmbH eingeholt
worden. Wenige Wochen vor der mündlichen Verhandlung am 11. Januar 2005 bat der Senat mit
Schreiben vom 25. November 2004 die Antragsgegnerin um Stellungnahme zu einigen Fragen betreffend
die drei Gutachten. Abschließend wurde darum gebeten, zur mündlichen Verhandlung einen kundigen
Mitarbeiter der Firma M... C... GmbH zur Erläuterung des Gutachtens mitzubringen. Ferner wurde anheim
gestellt, ebenfalls einen Mitarbeiter des Büros B... mitzubringen. Beide Gutachter waren im Termin
anwesend. Unter Auswertung ihrer ergänzenden Erläuterungen wurde der Normenkontrollantrag mit
Urteil des Senats vom 11. Januar 2005 abgelehnt.
Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2005 hat die Antragsgegnerin beantragt, zusätzlich zu den bereits
festgesetzten Rechtsanwaltskosten noch Kosten für die Tätigkeit von Sachverständigen in Höhe von
insgesamt 10.767,95 € festzusetzen. Die von den Sachverständigen der Antragsgegnerin in Rechnung
gestellten Aufwendungen betrafen neben der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, die Erarbeitung
von Stellungnahmen vom Juli, September und Dezember 2004 sowie die Teilnahme an einer
Vorbesprechung bei der Antragsgegnerin im Dezember 2004. Die Antragsteller sind dem
Kostenfestsetzungsantrag mit der Begründung entgegengetreten, bei den geltend gemachten
Aufwendungen handele es sich nicht um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung. Dies gelte
insbesondere für die Kosten zur Durchführung einer Vorbesprechung bei der Antragsgegnerin am
20. Dezember 2004. Die prozessuale Waffengleichheit sei nicht mehr gewährleistet, wenn sich der
Beklagte ohne zwingende prozessuale Notwendigkeit einen ganzen Stab hochbezahlter Berater
beschäftige. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle wies den Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss
vom 9. August 2005 mit der Begründung zurück, es handele sich bei den geltend gemachten Kosten um
nicht erstattungsfähige Kosten eines Privatgutachtens. Hiergegen richtet sich der Antrag auf gerichtliche
Entscheidung.
II.
Die Erinnerung ist nach §§ 165, 151 VwGO zulässig, jedoch nur zu einem Teil begründet.
1. Umfang und Höhe der der Antragsgegnerin aufgrund des Urteils des Senats vom 11. Januar 2005 zu
erstattenden Kosten ergeben sich ausschließlich aus § 162 VwGO. Danach sind erstattungsfähig u.a. die
zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Hierzu zählen
auch Aufwendungen für private, d.h. nicht vom Gericht bestellte Sachverständige. Ob diese
Aufwendungen notwendig waren, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des Beteiligten,
sondern danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten,
in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemäß
§ 86 VwGO von der Untersuchungsmaxime beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Amts
wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können im Verwaltungsprozess die Kosten für private
Sachverständige nur - ausnahmsweise - dann als notwendig anerkannt werden, wenn die Partei
andernfalls nicht in der Lage ist, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten, wobei der jeweilige
Verfahrensstand zu berücksichtigen ist: Die Prozesssituation muss die gutachterliche Stellungnahme
herausfordern und deren Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 14. April 2001, NVwZ 2001, 919). Ein strenger, den Gesichtspunkt sparsamer
Prozessführung beachtender Maßstab ist insbesondere auch deshalb geboten, weil andernfalls ein
Verfahrensbeteiligter das Kostenrisiko zu Lasten anderer Beteiligter unkalkulierbar erhöhen könnte (vgl.
OVG NRW, Beschluss vom 16. August 1977, OVGE 33, 90 [93]; VGH BW, Beschluss vom 28. Juni 1996,
VBl BW 1996, 375).
Werden Sachverständige im gerichtlichen Verfahren ergänzend zu einem bereits im
Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten angehört, so ist die Erstattungsfähigkeit der dadurch
verursachten Aufwendungen nicht zuletzt deshalb gerechtfertigt, weil ihr Tätigwerden im Auftrag eines
Beteiligten eine förmliche Vernehmung als sachverständige Zeugen durch das Gericht und damit den
Anfall ‑ ebenfalls erstattungspflichtiger - Gerichtskosten ersetzt. Daraus und im Interesse der
Kalkulierbarkeit des Kostenrisikos für die übrigen Beteiligten folgt zugleich, dass sich die Höhe der
erstattungsfähigen Kosten grundsätzlich nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Vergütung von
Sachverständigen richtet (vgl. §§ 8 ff. JVEG; im Übrigen: OVG RhPf., Beschluss vom 28. April 1999 - 7 E
10787/99.OVG -; Beschluss vom 16. Juni 2005 - 1 C 10203/04.OVG -). Die mit der ergänzenden Anhörung
von Sachverständigen verbundenen Aufwendungen sind allerdings dann nicht erstattungsfähig, wenn
ihre Tätigkeit über die Erläuterung des vorliegenden - etwa in Details zu knapp formulierten - Gutachtens
hinausgeht und in Wahrheit der Behebung von Fehlern des Ausgangsgutachtens dient.
2. Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von der Antragsgegnerin im Kostenfestsetzungsantrag
vom 23. Juni 2005 nachgewiesenen Aufwendungen für die Tätigkeit der Sachverständigen nur in dem
tenorierten Umfang notwendig. Unter Beachtung des Gebots sparsamer Prozessführung waren aufgrund
des konkreten Ablaufs des Normenkontrollverfahrens lediglich die Teilnahme der Diplom-Ingenieure S.
(Büro M... C...) und M. (Büro B...) sowie die schriftliche Stellungnahme des Planungsbüros I... vom
3. Januar 2005 zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht bloß hilfreich, sondern notwendig.
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens war im Wesentlichen die Beurteilung der Frage, ob der
angegriffenen Straßenplanung eine hinreichend verlässliche Beurteilung der künftig zu erwartenden
Immissionssituation in den Baugebieten M... II und M... III zugrunde lag. Insofern waren im
Planaufstellungsverfahren Gutachten der drei genannten Büros vom Mai und Juni 2002 eingeholt worden.
Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung am 11. Januar 2005 hatte der Senat die Antragsgegnerin
am 25. November 2004 um Stellungnahme zu fünf Fragen gebeten. Aufgrund dieser prozessualen
Entwicklung bestand für die Antragsgegnerin Anlass, zum Zwecke der Rechtsverteidigung die Mitwirkung
von Sachverständigen in angemessenem Umfang zu erwägen. Die erste Frage war auf die Erläuterung
der Planunterlagen gerichtet, betraf also nicht die Tätigkeit der Sachverständigen.
Die zweite Frage betraf die schalltechnische Untersuchung des Büros B... vom Mai 2002. Es sollte
angegeben werden, welche Höhe des Erdwalls entlang der Ortsentlastungsstraße Grundlage für die
Begutachtung war. Hierzu wurde die Auskunft erteilt, dass die schalltechnische Untersuchung von den
Wallhöhen ausgegangen sei, wie sie sich aus der Straßenausbauplanung und den dortigen Querprofilen
ergeben hatten. Diese Auskunft war von dem Verfasser des Gutachtens ohne große Aufwendungen
einzuholen. Allerdings durfte die Antragsgegnerin aus der Formulierung des Senats in der gerichtlichen
Verfügung vom 25. November 2004, es werde anheim gestellt, einen Mitarbeiter des Büros B...
mitzubringen, davon ausgehen, dass es zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war,
sich der Teilnahme des Sachverständigen an der mündlichen Verhandlung zu versichern. Dipl.-Ing. M. hat
denn auch im Termin gegenüber dem Senat nochmals die Grundlage seiner Berechnungen anhand der
Lage- und Höhenpläne, wie sie seinem Gutachten vom Mai 2002 zugrunde gelegen hatten, erklärt. Diese
Ausführungen dienten lediglich der Erläuterung des bereits erstatteten Gutachtens. Dass diese
ergänzende Anhörung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin notwendig
war, wird schließlich dadurch belegt, dass der Senat in seinem Urteil auf die Ausführungen von Dipl.-Ing.
M. in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich abgestellt hat. Die von dem Büro B... über die Teilnahme
an dem Gerichtstermin und dessen Vorbereitung hinaus in Rechnung gestellten Tätigkeiten waren
allerdings durch die Prozesssituation, insbesondere durch die Anfrage des Gerichts nicht veranlasst.
Abgesehen davon, dass ein Teil der in Rechnung gestellten Tätigkeiten bereits vor der gerichtlichen
Anfrage ausgeführt worden waren, bestand aufgrund der Anfrage des Senats keine Notwendigkeit, durch
neuerliche schalltechnische Untersuchungen darzulegen, dass der aufgrund der Erdarbeiten ohnehin vor-
handene Wall aus Lärmschutzgesichtspunkten überhaupt nicht erforderlich gewesen wäre. Weil die
geltend gemachte Vorbereitungszeit von 4,5 Stunden (10.01.05) sich nicht nur auf die Durchsicht des
Gutachtens vom Mai 2002, sondern auch auf den Gegenstand der neuerlichen Untersuchungen beziehen
dürfte, betrachtet der Senat neben dem Aufwand für die Terminsteilnahme (7,5 Stunden) lediglich eine
Vorbereitungszeit von 2 Stunden als durch die Prozesssituation veranlasst. Daraus ergeben sich
erstattungsfähige Kosten in Höhe von
665,00 €
Die dritte Frage bezog sich auf die Untersuchung der zu erwartenden Abgasbelastung durch das Büro I...
vom Juni 2002. Konkret sollte die Frage beantwortet werden, ob das Zugrundelegen eines Erdwalls mit
einer Höhe von 5 bis 6 m anstelle einer Lärmschutzwand von 4 m zu einer Verschlechterung der Abgas-
situation in den benachbarten Baugebieten führe. Diese Frage wurde durch die mit Schriftsatz vom
5. Januar 2005 eingereichte Stellungnahme des Planungsbüros I... vom 3. Januar 2005 beantwortet. Die
anderen mit Rechnungen vom 17. Januar 2005 und 1. Februar 2005 nachgewiesenen Aufwendungen
waren durch die gerichtliche Anfrage vom 25. November 2005 nicht gefordert. Dies gilt neben den
Stellungnahmen vom 19. Juli und 15. September 2004 insbesondere für die Aufwendungen zur
Vorbereitung und Teilnahme an dem Besprechungstermin in der Verbandsgemeindeverwaltung Sch. am
20. Dezember 2004. Erstattungsfähig ist daher insofern ausweislich der Rechnung vom 1. Februar 2005
lediglich ein Betrag in Höhe von
220,00 €
Die Fragen 4 und 5 der gerichtlichen Verfügung vom 25. November 2004 betrafen schließlich die
Verkehrsuntersuchung des Büros M... C... vom Mai 2002. Zum einen wurde gefragt, ob den Berechnungen
Verkehrszählungen oder ähnliche konkrete Erhebungen zugrunde lagen. Zum anderen wurde um
Auskunft gebeten, ob die Ausgestaltung der L 141 als verkehrsberuhigte Straße und die sich daraus
ergebenden Folgewirkungen berücksichtigt worden seien. Diese Fragen wurden in knapper Form im
Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2004 bejaht und sodann von dem Sachverständigen
Dipl.-Ing. S. in der mündlichen Verhandlung eingehend erläutert, worauf der Senat in seinem Urteil auch
wiederholt abgestellt hat. Da der Senat in der gerichtlichen Verfügung vom 25. November 2004
ausdrücklich um die Teilnahme von Dipl.-Ing. S. an der mündlichen Verhandlung gebeten hatte, war es
zur Erläuterung der vom Senat aufgeworfenen Fragen geboten, dass sich die Antragsgegnerin des
Beistands dieses Sachverständigen im Termin versicherte. Hingegen war der darüber hinaus in
Rechnung gestellte Aufwand für die Vorbereitung und Teilnahme an der Vorbesprechung vom
20. Dezember 2004 durch die Prozesssituation nicht gefordert. Nach der vorgelegten Rechnung der Firma
M... C... U... GmbH vom 7. Februar 2005 einschließlich des dargelegten Zeitaufwands beläuft sich der als
erstattungsfähig anzuerkennende Betrag demnach auf 840,00 € für die Teilnahme an der mündlichen Ver-
handlung. Hinsichtlich des für die Vorbesprechung und die Terminswahrnehmung einheitlich geltend
gemachten Zeitaufwands für die Vorbereitung hält der Senat zum Zwecke der Erläuterung des bereits
erstellten Gutachtens - wie im Falle des Büros B... - einen Aufwand von 2 Stunden für angemessen. Die
geltend gemachten Sachkosten sind nach § 12 Abs. 1 Satz 1 JEVG nicht gesondert erstattungsfähig.
Hiernach ergibt sich für das Tätigwerdenvon Dipl.-Ing. S. ein erstattungsfähiger Betrag in Höhe von
980,00 €
gez. Dr. Held gez. Schauß gez. Utsch