Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 02.10.2006

OVG Koblenz: aufschiebende wirkung, zucht, schreinerei, verfügung, wohnhaus, gefährdung, freizeitbetätigung, quelle, nachahmung, unterordnung

OVG
Koblenz
02.10.2006
8 B 11048/06.OVG
Baurecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des
Herrn V.,
- Antragsteller und Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Halm & Preßer, Lutherstraße 14, 66538 Neunkirchen,
gegen
den
Landkreis Kaiserslautern
, vertreten durch den Landra
, Lauterstraße
,
6765
Kaiserslauter
,
- Antragsgegner und Beschwerdegegner -
wegen Nutzungsuntersagung
hier: aufschiebende Wirkung
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
2. Oktober 2006, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß
Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der
Weinstraße vom 13. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 € festgesetzt.
G r ü n d e
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Beschwerdegründe, auf
deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des
angefochtenen Beschlusses.
Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine bauaufsichtliche
Verfügung des Antragsgegners abgelehnt, mit der dem Antragsteller die Zucht von Hühnern, die Haltung
von mehr als 20 Stück Geflügel der Arten Gänse, Enten und Hühner einschließlich höchstens eines
Hahnes sowie die Nutzung von je zwei ungenehmigten Hühnerställen und Pferchen zur Hühnerhaltung
auf seinem Wohngrundstück unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagt worden ist. Die
beanstandeten Nutzungen seien nicht dem Wohnen untergeordnet und daher in einer Umgebung, die ein
faktisches allgemeines Wohngebiet darstelle, gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzulässig. Gleiches
gelte, wenn man die Umgebung als faktisches Mischgebiet einstufe. Hiergegen ist auch unter
Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nichts zu erinnern.
Ob die Hühnerzucht oder die Haltung von mehr als zwanzig Stück Geflügel mit mehr als einem Hahn, wie
sie der Antragsteller in der Vergangenheit mittels der auf seinem Grundstück vorhandenen baulichen
Anlagen betrieben hat, in einem Dorf- oder Mischgebiet zulässig wäre, bedarf keiner Entscheidung. Denn
die Vorinstanz hat die nähere Umgebung des Grundstücks des Antragstellers nach Maßgabe der in einem
Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung zu Recht als allgemeines
Wohngebiet angesehen (1) und die vom Antragsteller bisher praktizierte Tierhaltung dort nach Art und
Umfang für unzulässig erachtet (2).
1. Der Hinweis des Antragstellers auf einen in der K.-straße … angeblich angesiedelten Baubetrieb, ein in
der S.-straße … betriebenes Steinmetzunternehmen und eine Schreinerei in der K.-straße … begründet
keine Zweifel an der erstinstanzlichen Einstufung des Gebietscharakters im Rahmen des § 34 Abs. 2
BauGB.
Hinsichtlich des angeblichen Baubetriebes hat der Antragsgegner substantiiert dargelegt, dass es sich um
das Wohnhaus des Betriebsinhabers handelt, der seinen Bauhof an anderer Stelle im Ort hat und
allenfalls vorübergehend im Rahmen einer Betriebsverlagerung ins neue Gewerbegebiet einige
Baumaschinen bei seinem Wohnhaus gelagert haben könnte. Dies hat indessen keine ändernde
Auswirkung auf den Gebietscharakter. Ungeachtet dessen sind nach den bereits in erster Instanz
unbestritten gebliebenen Angaben des Antragsgegners weder für einen Baubetrieb noch für den erst seit
dem 08. März 2006 angemeldeten Steinmetzbetrieb bisher Baugenehmigungen erteilt worden. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber eine vorhandene, nicht genehmigte
Bebauung nur dann bei der Beurteilung des Gebietscharakters zu berücksichtigen, wenn sie in einer
Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit dem
Vorhandensein der Bauten abgefunden haben (s. z.B. BRS 60 Nr. 82). Da vorliegend keinerlei
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beiden vom Antragsteller behaupteten, ungenehmigten Betriebe -
sollten sie denn existieren – von der Bauaufsichtsbehörde auf Dauer in der Nachbarschaft der
Wohnbebauung geduldet würden, sind sie für die Bestimmung des Gebietscharakters unerheblich.
Die in der K.-straße … gelegene Schreinerei dürfte nach Maßgabe des vom Antragsteller vorgelegten
Ortsplanes (Bl. 74 GA) nicht mehr zur näheren Umgebung seines Grundstücks gehören. Es spricht vieles
dafür, dass diese allenfalls aus der zwischen K.-, G.- und S.-straße gelegenen Bebauung besteht.
Der Einwand, sieben Grundstücke weiter sei in der G.-straße bis vor ca. fünf Jahren eine Hühnerfarm
durch einen Herrn W. betrieben worden, rechtfertigt nicht die Annahme, es handele sich bei der näheren
Umgebung des Grundstücks des Antragstellers um ein Dorf- oder Mischgebiet. Eine bereits seit fünf
Jahren (nach Angaben des Antragsgegners sogar seit zwölf Jahren) aufgegebene Nutzung ist regelmäßig
nicht mehr geeignet, die Eigenart der näheren Umgebung mit zu prägen (s. dazu im einzelnen BVerwG,
BRS 48 Nr. 137).
Durch das gleichzeitige Vorgehen des Antragsgegners gegen zwei weitere, übermäßige
Hobbyhühnerhaltungen auf Grundstücken in der Nähe des Grundstücks des Antragstellers findet auch
keine diesem nachteilige Änderung des Gebietscharakters statt. Vielmehr wird dieser unter Beachtung
des Gleichbehandlungsgrundsatzes gegenüber unverträglichen, nicht bestandsgeschützten Nutzungen
verteidigt.
2. Die (vom Antragsteller bisher betriebene) Nutzung baulicher Anlagen zur Zucht von Hühnern bzw. zur
Haltung von mehr als zwanzig Stück Geflügel einschließlich mehr als eines Hahns verstößt nach
zutreffender Auffassung der Vorinstanz im allgemeinen Wohngebiet gegen Bauplanungsrecht.
Derart genutzte Anlagen sind dort nach § 34 Abs. 2 BauGB, 4 BauNVO als Hauptnutzung unzulässig. Sie
sind gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauNVO nur in Gestalt untergeordneter Nebenanlagen für
Kleintierhaltung erlaubt, die dem Nutzungszweck der im Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des
Baugebietes selbst dienen und seiner Eigenart nicht widersprechen. Die Grenze für eine der
Wohnnutzung noch zu- und untergeordnete Geflügelhaltung hat der Antragsgegner in der strittigen
Verfügung im konkreten Fall vertretbar festgelegt. Seine Auffassung, die Zucht von Hühnern diene nicht
mehr dem Wohnen, wird in der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur (s. etwa die
Nachweise bei VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2004 – 9 L 1992/04 -, juris Rn 19f.) weithin geteilt.
Hinsichtlich der Haltung ist die Grenze der Unterordnung nicht erst dann überschritten, wenn davon eine
Gefährdung der Nachbarschaft ausgeht. Vielmehr ist maßgebend, ob die Kleintierhaltung auch im Hinblick
auf ihr Ausmaß den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht sprengt
(BVerwG, BRS 55 Nr. 51). Dieses Ausmaß wird nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz und des
Antragsgegners spätestens dann überschritten, wenn mehr als zwanzig Stück Geflügel der hier in Rede
stehenden Arten mit mehr als einem Hahn gehalten werden. Ob in der Vergangenheit auch auf anderen
Grundstücken eine größere Anzahl Hühner gehalten worden ist, ist insoweit ohne Belang. Eine solche,
über die für eine Wohnnutzung typische Freizeitbeschäftigung hinausgehende Kleintierhaltung wäre
ihrerseits unzulässig gewesen und rechtfertigt im Rahmen des § 14 Abs. 1 BauNVO keine Nachahmung.
Die Ortsüblichkeit der Kleintierhaltung gewinnt erst Bedeutung bei der Frage, ob eine der Wohnnutzung
untergeordnete Haltung gleichwohl der Eigenart des konkreten Baugebietes widerspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung für das
Beschwerdeverfahren aus §§ §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
gez. Dr. Held gez. Schauß gez. Utsch
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