Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 09.07.2010
OVG Koblenz: dienstverhältnis, aktiven, mandat, unvereinbarkeit, verwaltungsakt, beendigung, beamter, gefahr, wählbarkeit, wahlrecht
OVG
Koblenz
09.07.2010
2 A 10434/10.OVG
Kommunalrecht
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der Verbandsgemeinde Manderscheid, vertreten durch den Bürgermeister, Kurfürstenstraße 15,
54531 Manderscheid,
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Meiborg Rechtsanwälte, Hindenburgplatz 3, 55118 Mainz,
gegen
den Landkreis Bernkastel-Wittlich, vertreten durch die Landrätin, Kurfürstenstraße 16, 54516 Wittlich,
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
beigeladen:
…,
beteiligt:
Vertreter des öffentlichen Interesses - Ministerium der Justiz -, Ernst‑Ludwig‑Straße 3, 55116 Mainz,
wegen Verpflichtung als Mitglied des Verbandsgemeinderates
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 9. Juli 2010, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm
Richter am Verwaltungsgericht Dr. Schumacher
ehrenamtlicher Richter Augenoptikermeister Gansauer
ehrenamtlicher Richter Buchhändler Hoffstadt
für Recht erkannt:
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 23. Februar 2010 wird der
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 3. November 2009 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung
der Klägerin zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, hat die
Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3 zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Bürgermeister der Klägerin, einer Verbandsgemeinde, den
Beigeladenen als Mitglied des Verbandsgemeinderates verpflichten muss.
Der Beigeladene wurde bei der Kommunalwahl am 7. Juni 2009 in den Rat der klagenden
Verbandsgemeinde Manderscheid gewählt. Bis zum 30. April 2009 war er Leiter der Kindertagesstätte der
Ortsgemeinde G., die zur Verbandsgemeinde Manderscheid gehört. Seit 1. Mai 2009 befindet er sich in
der Freistellungsphase der im Blockmodell in Anspruch genommenen Altersteilzeit.
Der Bürgermeister der Klägerin lehnte die Verpflichtung des Beigeladenen als Ratsmitglied wegen der
Unvereinbarkeit von Amt und Mandat ab, weil zwischen ihm und der Ortsgemeinde G. auch während der
Freistellungsphase der Altersteilzeit ein aktives Beschäftigungsverhältnis bestehe. Auf den hiergegen vom
Beigeladenen eingelegten Widerspruch entschied der Kreisrechtsausschuss des beklagten Landkreises,
dass der Beigeladenen als Mitglied des Verbandsgemeinderats zu verpflichten sei.
Die Klägerin begründet ihre gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage im Wesentlichen damit,
dass die Verpflichtung eines Ratsmitgliedes kein Verwaltungsakt sei. Deshalb hätte der Widerspruch als
unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Im Übrigen sei der Beigeladene auch während der
Freistellungsphase der Altersteilzeit im Sinne der Vorschriften über die Unvereinbarkeit von Amt und
Mandat (so genannte Inkompatibilität) für eine verbandsangehörige Gemeinde tätig. Folglich könne er
nicht gleichzeitig Mitglied des Verbandsgemeinderates sein.
Die Klägerin hat beantragt,
den Widerspruchsbescheid vom 3. November 2009 aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Beigeladene nicht Mitglied im Verbandsgemeinderat Manderscheid geworden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kreisrechtsausschuss habe die Verpflichtung
eines Ratsmitglieds zu Recht als Verwaltungsakt angesehen. Bei der Entscheidung über die
Ratsmitgliedschaft dem Grunde nach gehe es um die organschaftlichen Rechte in Gänze, was eine
unmittelbare Rechtswirkung nach außen begründe.
Die Klägerin müsse den Beigeladenen als Ratsmitglied gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung -
GemO - verpflichten, weil er nicht mehr in einem aktiven Dienstverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 2
Kommunalwahlgesetz - KWG - in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Nr. 1 KWG zu einer derselben
Verbandsgemeinde angehörigen Ortsgemeinde stehe.
Die Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses sei jedenfalls im Sinne der Inkompatibilitätsvorschriften
auch dann gegeben, wenn ein Beamter oder Beschäftigter in die Freistellungsphase der Altersteilzeit
eintrete. Die von Art. 137 Abs. 1 Grundgesetz - GG - zugelassene Einschränkung des Rechts auf all-
gemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG solle
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Gefahren begegnen, die bei einer
Personalunion zwischen einem Exekutivamt und einem Abgeordnetenmandat entstehen könnten. Aller-
dings dürfe die Beschränkung des Wahlrechts nicht über das Maß hinausgehen, das zur Erfüllung des
Zwecks der Vorschrift, Entscheidungskonflikte zu vermeiden, erforderlich sei.
Hiervon ausgehend sei aus Sicht des Kommunalwahlgesetzes die Gefahr von Interessenkonflikten mit
Beginn der Freistellungsphase im Blockmodell der Altersteilzeit und der damit einhergehenden
Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses gebannt. Der Dienstnehmer sei nämlich nicht mehr
"gleichzeitig hauptamtlich tätig".
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und ergänzend zum erstinstanzlichen Vorbringen
ausgeführt, das aktive Dienstverhältnis zwischen dem Beigeladenen und der verbandsangehörigen
Ortsgemeinde sei nicht beendet. Aus § 13 Abs. 1 Bundespersonalvertretungsgesetz folge, dass dem
Beigeladenen das aktive Wahlrecht zum Personalrat zustehe, weil seine Bezüge während der
Freistellungsphase nicht weggefallen seien. Deshalb könne er auf betriebliche Entscheidungsprozesse
durch die Wahrnehmung des Wahlrechts einwirken. Auch sei in Einzelfällen nicht ausgeschlossen, auf
den in der Freistellungsphase befindlichen Arbeitnehmer im Wege der Anordnung von Überstunden
zuzugreifen. Mit Blick auf das Außenverhältnis des Beigeladenen zur "Öffentlichkeit“ müsse bereits der
böse Schein vermieden werden, der sich aus der Mitgliedschaft von Mitarbeitern in derjenigen
Vertretungskörperschaft ergebe, der die Kontrolle über die eigene Behörde obliege. Insoweit könne das
Rechtsverhältnis zwischen dem Beigeladenen und der Ortsgemeinde während der Freistellungsphase
nicht lediglich als ein auf die Vergütung beschränktes Abwicklungsverhältnis angesehen werden.
Schließlich habe der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, der Anregung des Gemeinde- und
Städtebundes zu folgen, kommunalen Bediensteten, die sich in der Freistellungsphase des Blockmodells
befänden, das passive Wahlrecht zum Gemeinderat einzuräumen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils vom 23. Februar 2010 und des Widerspruchsbescheids der
Beklagten vom 3. November 2009 festzustellen, dass der Beigeladene nicht als Mitglied des
Verbandsgemeinderates zu verpflichten ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend zu seinen Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid macht er geltend, dass
durch die Mitgliedschaft des Beigeladenen im Verbandsgemeinderat kein "böser Schein" entstehe, weil
dieser seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehe.
Der Beigeladene trägt im Wesentlichen vor: Eine Unvereinbarkeit von Amt und Mandat liege in seinem
Fall nicht vor. Die Kindertagesstätte, der er als Leiter vorgestanden habe, befinde sich in der Trägerschaft
der Ortsgemeinde G.. Alle maßgeblichen Angelegenheiten würden folglich vom Ortsgemeinderat und
nicht vom Verbandsgemeinderat, dem er als Mitglied angehöre, entschieden. Deshalb könnten
Interessenkonflikte nicht entstehen. Darüber hinaus liege mit Beginn der Freistellungsphase kein aktives
Arbeitsverhältnis mehr vor. Angesichts des hochrangigen Rechts der Mandatsausübung, wie es das
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiere und schütze, sei der Einwand eines "bösen
Scheins" unzulässig.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses, der sich am Verfahren beteiligt hat, ist der Ansicht, die Klägerin
habe den Beigeladenen zu Recht nicht als Mitglied des Verbandsgemeinderates verpflichtet. Auch in der
Freistellungsphase bestehe ein aktives Beschäftigungsverhältnis, das die Unvereinbarkeit von Amt und
kommunalem Mandat zur Folge habe. Das Beamten- und Dienstrecht zeichne sich durch seinen streng
formalen Charakter aus. Deshalb ende ein Beschäftigungsverhältnis trotz der mit Beginn der
Freistellungsphase weitgehenden Ausgliederung aus der Dienststelle erst mit der Versetzung in den
endgültigen Ruhestand. Im weiteren Bezug des Arbeitsentgelts sei eine wesentliche Bindung an den
Dienstherrn zu sehen. Deshalb könnten beispielsweise bei Ratsbeschlüssen über Stellenpläne oder
Investitionen Interessenskollisionen, zumindest aber der böse Anschein entstehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten
gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Widerspruchsakten des Beklagten verwiesen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat insoweit Erfolg, als sich die Klage gegen den Widerspruchsbescheid des
Beklagten vom 3. November 2009 richtet. Denn dieser Bescheid ist rechtswidrig, weil der
Kreisrechtsausschuss nicht befugt war, der Klägerin aufzugeben, den Beigeladenen gemäß § 30 Abs. 2
Satz 1 GemO als Ratsmitglied zu verpflichten (I.) Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die
gerichtliche Feststellung beantragt hat, dass der Beigeladene nicht als Mitglied des
Verbandsgemeinderates zu verpflichten ist, ist die Klage unbegründet (II.).
I.
Der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 3. November 2009 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Kreisrechtsausschuss war nicht befugt, der
Klägerin aufzugeben, den Beigeladenen gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 GemO als Mitglied des
Verbandsgemeinderates zu verpflichten. Denn abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall
des Anfechtungswiderspruchs im Sinne des § § 68 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑ kann der
Kreisrechtsausschuss gemäß § 68 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 6 Abs. 1 des Landesgesetzes zur
Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ AGVwGO ‑ einen - verpflichtenden - Widerspruchsbescheid
nur erlassen, wenn der Widerspruch auf die Vornahme eines Verwaltungsakts gerichtet ist. Diese
Voraussetzung erfüllt die vom Beigeladenen begehrte Verpflichtung als Ratsmitglied nach § 30 Abs. 2
Satz 1 GemO nicht, weil es ihr an der für die Annahme eines Verwaltungsaktes erforderlichen
Regelungswirkung im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz fehlt.
Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 GemO verpflichtet der Bürgermeister die Ratsmitglieder vor ihrem Amtsantritt in
öffentlicher Sitzung namens der Gemeinde durch Handschlag auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer
Pflichten. Damit bekräftigt er in besonderer Form die bereits im Gesetz selbst festgelegten Pflichten der
Ratsmitglieder. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Schweigepflicht (§ 20 GemO), die
Treuepflicht (§ 21 GemO) und die sich aus der Rechtstellung als Ratsmitglied nach § 30 Abs. 1 GemO
ergebenden allgemeinen Pflichten. Demnach beinhaltet die Verpflichtung im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1
GemO lediglich einen förmlichen Hinweis auf die Gesetzeslage und hat deshalb keine rechtsbegrün-
dende Wirkung (vgl. Lukas, in Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Stand: Juli 2009, § 30 GemO,
Ziff. 10). Sie begründet insbesondere nicht die Mitgliedschaft im Gemeinderat. Denn das Amt eines
Ratsmitglieds wird allein durch die Wahl und ihre Annahme gemäß § 44 KWG erlangt. Des Weiteren
scheidet eine rechtsbegründende Wirkung der Verpflichtung der Ratsmitglieder im Hinblick auf ihren
Amtsantritt im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 2 GemO aus. Insoweit ist die Verpflichtung neben der Wahl und
ihrer Annahme lediglich eine zusätzliche Voraussetzung für die tatsächliche Wahrnehmung des
Ratsmandates.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von dem Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen. Gegenstand des Beschlusses vom 23. Juni
1997 (NVwZ 1998, 768) war die Feststellung des Verlustes des Mandats durch den Wahlleiter, welche als
Regelung mit Außenwirkung und deshalb als Verwaltungsakt angesehen wurde. Der Beschluss vom 10.
Dezember 2008 (vgl. NVwZ-RR 2009, 495) betraf den nach dem nordrhein-westfälischen
Kommunalwahlgesetz gefassten Ratsbeschluss, durch den ein Ratsmitglied von der Arbeit in der
Vertretung ausgeschlossen wurde. Hierbei handelt es sich um keinen Verwaltungsakt, weil die
Entscheidung nur das Innenverhältnis des Rates berührt. Beide Maßnahmen sind mit der Verpflichtung
der Ratsmitglieder gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 GemO nicht zu vergleichen.
Stellt die Verpflichtung als Ratsmitglied im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 GemO somit keinen
Verwaltungsakt dar, hätte der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den hierauf gerichteten Widerspruch
des Beigeladenen als unstatthaft und damit unzulässig zurückweisen müssen. Da er stattdessen dem
Bürgermeister der Klägerin aufgegeben hat, den Beigeladenen zu verpflichten, ist der Widerspruchs-
bescheid - unabhängig von der Richtigkeit der Ausführungen zur Sache - rechtswidrig und deshalb
aufzuheben. Insoweit war der Berufung der Klägerin stattzugeben.
II.
Demgegenüber hat die Berufung keinen Erfolg, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der
Beigeladene nicht als Mitglied des Verbandsgemeinderates zu verpflichten ist. Denn der Bürgermeister
der Klägerin muss den Beigeladenen gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 GemO als Ratsmitglied verpflichten,
obwohl dieser sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit nach dem Blockmodell befindet. Eine
Unvereinbarkeit von Amt und Mandat besteht in einem solchen Fall nicht.
Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 KWG darf derjenige, der zum Mitglied des Verbandsgemeinderates gewählt ist
und die Wahl angenommen hat, nicht gleichzeitig hauptamtlich tätig sein als Beamter oder Beschäftigter
(soweit er nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet) einer derselben Verbandsgemeinde ange-
hörigen Ortsgemeinde. Wird ein Beamter oder Beschäftigter, der bei einer solchen Ortsgemeinde
hauptamtlich tätig ist, zum Mitglied des Verbandsgemeinderats gewählt, kann er die Wahl gemäß § 5
Abs. 2 Satz 1 KWG nur annehmen, wenn er gleichzeitig nachweist, dass sein aktives Dienstverhältnis
beendet ist oder dass er von seinem Dienstverhältnis ohne Bezüge beurlaubt ist. Den Nachweis der
Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses im Sinne der vorgenannten Vorschrift hat der Beigeladene
dadurch erbracht, dass er sich seit dem 1. Mai 2009 in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im
Blockmodell befindet.
Wann ein aktives Dienstverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 KWG beendet ist, ergibt sich aus einer
Zusammenschau der Wahlrechtsgrundsätze der Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in
Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz ‑ LV ‑ und Art. 137 Abs. 1 GG, welcher
den Gesetzgeber ermächtigt, die Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes einzuschränken.
Dabei kommt es entscheidend auf den Sinn und Zweck von Inkompatibilitätsregelungen an. Eine lediglich
formale Auslegung des Begriffs der „Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses“, wie sie in der
Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen von SPD und CDU zur Änderung des Kommunal-
wahlgesetzes vom 10. April 2008 (vgl. LT-Drucksache 15/2117, S. 25) zum Ausdruck kommt, greift
demgegenüber verfassungsrechtlich zu kurz.
Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 50 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV muss das Volk in den
Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen
Wahlen hervorgegangen ist. Von diesen Wahlrechtsgrundsätzen ist im vorliegenden Fall der Grundsatz
der gleichen Wahl von maßgeblicher Bedeutung. Er gewährleistet sowohl das aktive als auch das passive
Wahlrecht und besagt, dass jedem die Ausübung seines Wahlrechts in formal möglichst gleicher Weise
eröffnet sein muss. Der Grundsatz der gleichen Wahl gilt nicht nur für die Wahrnehmung des aktiven und
passiven Wahlrechts im engeren Sinn, sondern in gleichem Maße für die Annahme und Ausübung eines
errungenen Mandats. Angesichts der Bedeutung des gleichen Wahlrechts für die demokratische
Grundordnung kann einem gewählten Bewerber die Annahme und die Ausübung des Mandats
grundsätzlich nur verwehrt werden, wenn dafür ein zwingender Grund vorliegt (vgl. BVerfGE 93, 373 [377]
m.w.N.) oder wenn das Grundgesetz selbst eine Beschränkung der Gleichheit der Wahl ausnahmsweise
ermöglicht.
Eine solche Möglichkeit sieht Art. 137 Abs. 1 GG hinsichtlich der Wählbarkeit von Beamten, Angestellten
des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den
Ländern und den Gemeinden vor. Sie kann gesetzlich beschränkt werden. Besondere materielle
Voraussetzungen hierfür nennt das Grundgesetz nicht. Allerdings kann eine gesetzliche Beschränkung
der Wählbarkeit im Hinblick auf die Bedeutung der Wahlrechtsgleichheit nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts nicht allein mit der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1
GG begründet werden. Vielmehr bedarf es sachlicher Gründe, die mit dem Sinn des Art. 137 Abs. 1 GG in
Einklang stehen (vgl. BVerfGE 48, 64 [89 f]; 58, 177 [193]). Diese Verfassungsbestimmung dient der
Sicherung der organisatorischen Gewaltenteilung gegen Gefahren, die durch das Zusammentreffen von
beruflicher Stellung und Mandatswahrnehmung entstehen können. Es soll der Gefahr von
Entscheidungskonflikten und "Verfilzungen" entgegengewirkt werden. Deshalb ist die Beschränkung der
Wählbarkeit mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nur vereinbar, wenn ansonsten der Gefahr von
Interessenkollisionen nicht wirksam zu begegnen ist (vgl. BVerfGE 98, 145 [161]).
Überträgt man diese Grundsätze auf einen Beamten oder Beschäftigten einer Ortsgemeinde, welcher sich
in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell befindet und zugleich Mitglied des
entsprechenden Verbandsgemeinderates ist, drohen bei der Wahrnehmung des Ratsmandates keine
Interessenkollisionen im Sinne der zitierten Rechtsprechung. Denn das aktive Dienstverhältnis eines
solchen Beamten oder Beschäftigten mit seinen prägenden Pflichten ist im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1
KWG mit Beginn der Freistellungsphase beendet. Er ist nicht mehr in den bisherigen Dienstbetrieb ein-
gegliedert. Vielmehr hat er seine Arbeitsleistung bereits während der Arbeitsphase vollständig erbracht.
Da er insoweit seiner Dienststelle nicht mehr angehört, unterliegt er auch keinen sachbezogenen
Weisungen seiner Vorgesetzten. Des Weiteren verliert er das aktive und passive Wahlrecht zum
Personalrat (vgl. BVerwGE 116, 242 [247,251]). Lediglich der Vergütungsanspruch besteht fort. Dieser
lässt keine gesteigerten Loyalitätspflichten erwarten, weil eine Rückkehr des Beamten oder Beschäftigten
in das aktive Dienstverhältnis in Zukunft ausscheidet. Aus diesem Grund besteht auch kein „böser Schein“
einer Interessenkollision.
Bestätigt wird dieses aus dem Sinn und Zweck von Inkompatibilitätsregelungen abgeleitete Ergebnis
durch § 5 Abs. 2 Satz 1 KWG selbst. Nach der zweiten Alternative dieser Vorschrift sind Amt und Mandat
vereinbar, wenn ein Beamter oder Beschäftigter von seinem Dienstverhältnis ohne Bezüge beurlaubt ist.
In solchen Fällen – etwa bei Beurlaubung aus familiären Gründen gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 2
Landesbeamtengesetz - wird das Dienstverhältnis ebenso wie das des Beamten oder Beschäftigten in der
Freistellungsphase der Altersteilzeit in seinem rechtlichen Bestand nicht berührt. Allerdings ist nach der
Beendigung der Beurlaubung im Allgemeinen mit der Rückkehr des Beamten oder Beschäftigten in das
aktive Dienstverhältnis zu rechnen. Die Erwartung der Wiederaufnahme des aktiven Beamten- oder
Beschäftigungsverhältnis begründet bei den Betroffenen eher stärkere Loyalitätspflichten und deshalb
eine tendenziell höhere Gefahr von Interessenkonflikten als bei Beamten oder Beschäftigten in der
Freistellungsphase der Altersteilzeit, deren Dienstverhältnis bis zum Eintritt in den endgültigen Ruhestand
lediglich formal fortbesteht. Da der Gesetzgeber gleichwohl eine Vereinbarkeit von Amt und Mandat bei
beurlaubten Beamten und Beschäftigten annimmt, muss dies erst recht für Beamte und Beschäftigte
gelten, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden.
Hat der Beigeladene demnach mit dem Beginn der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell im
Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 KWG die Beendigung seines aktiven Dienstverhältnisses nachgewiesen, folgt
hieraus zugleich die Annahme seiner Wahl zum Mitglied des Verbandsgemeinderats der Klägerin. Auf-
grund dessen ist der Bürgermeister der Klägerin nicht berechtigt, die Verpflichtung des Beigeladenen als
Ratsmitglied zu verweigern. Demnach ist die hierauf gerichtete Feststellungsklage unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167
VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. Zivilprozessordnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
…
gez. Prof. Dr. Meyer
gez. Stamm
gez. Dr. Schumacher
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 15.000,00 € (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs.
1 GKG).
gez. Prof. Dr. Meyer
gez. Stamm
gez. Dr. Schumacher