Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 08.06.2001

OVG Koblenz: zustand, einfluss, strafbefehl, polizeibeamter, verkehrsunfall, blutalkoholkonzentration, trunkenheit, vergehen, disziplinarverfahren, schuldfähigkeit

Disziplinarrecht
OVG
Koblenz
08.06.2001
3 A 10573/01.OVG
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In der Disziplinarsache
wegen Disziplinarklage
hat der 3. Senat - Senat für Disziplinarsachen - des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2001, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey
Richter am Verwaltungsgericht Holly
ehrenamtlicher Richter Polizeihauptmeister Meurisch
ehrenamtlicher Richter Steueroberamtsrat Friesenhahn
für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2001
ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
T a t b e s t a n d
Der Beklagte wendet sich gegen seine disziplinarrechtliche Entfernung aus dem Dienst.
Der zur Zeit 33-jährige Beamte ist ledig. Zum 1. August 1986 trat er als Polizeiwachtmeister und
Beamter auf Widerruf in den Polizeidienst des Landes Rheinland-Pfalz. Seine Lebenszeiternennung
erfolgte zum 26. Januar 1997. Zuletzt war er im Rang eines Polizeimeisters bei der Polizeiinspektion in S.
eingesetzt.
Disziplinarrechtlich ist er wie folgt vorbelastet:
Durch Verfügung vom 18. Oktober 1999 verhängte der Präsident des Polizeipräsidiums R. gegen den
Beamten eine Gehaltskürzung in Höhe von 250,-- DM für die Dauer von zwei Jahren. Gegenstand des
Verfahrens waren: Mehrere Fälle der Beleidigung von Kollegen, aufgrund derer mit Strafbefehl vom 15.
Januar 1993 eine Geldstrafe in Höhe von 1.200,-- DM ausgesprochen wurde, eine Trunkenheitsfahrt,
aufgrund derer mit Strafbefehl vom 9. September 1993 eine Geldstrafe in Höhe von 4.800,-- DM verhängt
wurde, mehrere Verstöße gegen die Gehorsamspflicht, ein Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht,
der Vorwurf des mehrfachen alkoholisierten Dienstantrittes, die Versäumung zweier Gerichtstermine in
seiner Funktion als Polizeibeamter, unentschuldigtes Fernbleiben vom Frühdienst sowie der Vorwurf,
mehrere dienstliche Vorgänge nicht bzw. unzureichend bearbeitet zu haben. Diese disziplinaren Vorwürfe
betrafen den Zeitraum 1992 bis 1994.
Gegenstand des jetzigen disziplinarrechtlichen Vorwurfes ist folgendes Verhalten:
Am 16. November 1999 befuhr der Beklagte gegen 12.15 Uhr alkoholisiert die Landstraße in Fahrtrichtung
S.. Nach Passieren der Kreuzung zur Landstraße fuhr er auf einen Pkw auf, der mit zwei Insassen besetzt
und wegen einer vor ihm befindlichen landwirtschaftlichen Zugmaschine mit geringer Geschwindigkeit
unterwegs war. Sodann setzte der Beklagte sein Fahrzeug zurück und fuhr mit hoher Geschwindigkeit
Richtung S. davon. An dem betroffenen Pkw entstand ein Schaden von 4.000,-- DM. Die beiden Insassen
erlitten leichte Verletzungen. Eine später beim Beklagten genommene Blutprobe ergab eine
Blutalkoholkonzentration von 2,01 %o.
Wegen dieses Vorfalls wurde gegen den Beklagten mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts S.
vom 3. März 2000 wegen eines Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs, der
fahrlässigen Körperverletzung in zwei Fällen sowie weiterer tateinheitlich begangener Vergehen des
unerlaubten Entfernens vom Unfallort und der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe in
Höhe von 6.300,-- DM verhängt. Zugleich wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen.
Der Polizeipräsident in L. leitete mit Verfügung vom 26. November 1999 das behördliche
Disziplinarverfahren ein, das bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt war. Der Beklagte äußerte
sich im Verfahren nicht. Vom 25. Januar bis 18. April 2000 unterzog er sich einer Alkoholentwöhnungskur
und nahm am 22. April 2000 den Dienst wieder auf.
Mit der dienstordnungsrechtlichen Klage hat der Kläger dem Beamten die Trunkenheitsfahrt vom 16.
November 1999 zur Last gelegt und beantragt,
diesen aus dem Dienst zu entfernen.
Der Beklagte hat beantragt,
das Disziplinarverfahren einzustellen.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, er sei alkoholkrank, jedoch nach den Verfehlungen
der Jahre 1992 bis 1994 bis zum Jahre 1998 abstinent gewesen. Unter der Belastung des im Jahre 1999
abgeschlossenen Disziplinarverfahrens, das zu einer Gehaltskürzung geführt und sich negativ auf sein
Privatleben ausgewirkt habe, sei er rückfällig geworden.
Das Verwaltungsgericht hat den Beamten antragsgemäß aus dem Dienst entfernt. In seinem auf die
mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2001 ergangenen Urteil hat es ausgeführt, die Entfernung des
Beklagten aus dem Dienst sei geboten. Im Hinblick auf die strafgerichtlichen Feststellungen, deren
Richtigkeit vom Beklagten nicht in Abrede gestellt werde, habe dieser sich eines Dienstvergehens
schuldig gemacht. Auch die von ihm angeführte Alkoholkrankheit rechtfertige keine andere
Betrachtungsweise, denn diese Erkrankung habe keinen schuldausschließenden Einfluss auf das dem
Beklagten vorgeworfene Verhalten. Trotz der hohen Blutalkoholkonzentration von 2,01 %o spreche das
Gesamtverhalten des Beklagten bei dem Vorfall nicht für eine zum Ausschluss der Verantwortlichkeit
führenden Bewusstseinstrübung. Es könne allenfalls zugunsten des Beklagten von einer
alkoholbedingten verminderten Schuldfähigkeit im Zeitpunkt der Tatbegehung ausgegangen werden.
Dies führe jedoch nicht zwingend zu einem Maßnahmemilderungsgrund. Vielmehr sei unter Beachtung
der Vorgeschichte und des Persönlichkeitsbildes des Beklagten das Vertrauensverhältnis zwischen ihm
und dem Dienstherrn irreparabel zerstört. Der Beamte habe sich weder durch seine dienstliche
Entwicklung, noch durch die verhängte schwerwiegende Disziplinarmaßnahme beeindrucken lassen. Von
einer positiven Prognose hinsichtlich eines zukünftig pflichtgemäßen Verhaltens sei auch unter
Berücksichtigung der durchgeführten Alkoholentwöhnungskur nicht auszugehen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Maßnahme der
Dienstentfernung sei unverhältnismäßig. So sei unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur disziplinarrechtlichen Bewertung außerdienstlicher Trunkenheitsfahrten
bereits zweifelhaft, ob das ihm zur Last gelegte Verhalten überhaupt als Dienstvergehen qualifiziert
werden könne. Zumindest sei eine mildere disziplinarrechtliche Ahndung der Pflichtwidrigkeit möglich und
ausreichend gewesen. Das Verwaltungsgericht habe die Alkoholerkrankung nicht ordnungsgemäß
gewichtet. Insbesondere sei nicht miteinander vereinbar, dass dem Beklagten einerseits eine verminderte
Schuldfähigkeit im Tatzeitpunkt zugestanden, dies andererseits aber nicht als Milderungsgrund anerkannt
werde. Außerdem kämpfe er mit allen Mitteln gegen seine Alkoholerkrankung an. Dies belege die von ihm
durchgeführte Alkoholentwöhnungskur. Inzwischen habe er sich auch wieder der Selbsthilfegruppe für
Alkoholiker bei seinem Dienstherrn angeschlossen und stehe in ärztlicher Betreuung. Seine private
Situation habe sich ebenfalls stabilisiert. Er beabsichtige in Kürze seine Lebensgefährtin, die von ihm ein
Kind erwarte, zu heiraten.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt er vor, dass der Beklagte am 22. März 2001
gegen 15.45 Uhr durch Beamte der Kriminaldirektion L. in offensichtlich betrunkenem Zustand im
Stadtgebiet L. angetroffen und in Gewahrsam genommen worden sei, weil eine Gefahr für seine Person
vorgelegen habe. Im Übrigen sei er inzwischen vorläufig des Dienstes enthoben. Von einer Teilnahme
des Beklagten an der Selbsthilfegruppe sei ihm nichts bekannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Senat lagen ein Heft Personalakten, ein
Ordner Verwaltungsakten, zwei Ordner Disziplinarakten sowie zwei Bände Strafakten der Staats-
anwaltschaft (– 5316 Js 29509/99 –; – 5316 Js 15447/99 –) vor, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren. Auch hierauf wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beamten bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht das Verhalten des
Beklagten als Dienstvergehen im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr.
1 LDG gewürdigt und auf Entfernung aus dem Dienst erkannt (§ 11 Abs. 1 und 2 LDG).
Durch die vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs, die fahrlässige Körperverletzung in zwei Fällen,
das unerlaubte Entfernen vom Unfallort und die vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr hat der Beklagte
schuldhaft die ihm obliegende Pflicht verletzt, sich auch außerhalb des Dienstes in einer Weise zu
verhalten, die der Achtung gerecht wird, die sein Beruf erfordert (§ 64 Abs. 1 Satz 3 LBG). Dies steht für
den Senat fest, nachdem der zugrunde liegende Sachverhalt Gegenstand des Strafbefehls vom 3. März
2000 ist und die dortigen Feststellungen vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt werden können (§ 16
Abs. 2 LDG).
Dass der Beklagte als Polizeibeamter mit dem ihm zur Last gelegten Verhalten sein dienstliches Ansehen
aufs Spiel gesetzt hat, liegt auf der Hand. Dienstordnungsrechtliche Erheblichkeit im Sinne des § 85 Abs.
1 Satz 2 LBG kommt dem Verhalten mit Blick auf den besonderen Pflichtenstatus zu, der § 214 Satz 1 LBG
gerade den Polizeibeamten auferlegt (s. Urteil des Senats vom 7. Juni 1996 – 3 A 12064/95.OVG –). Der
Einordnung des Verhaltens des Beamten als Dienstvergehen steht auch nicht die neuere Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. August 2000 – 1 D 37.99 –) zur Bewertung einer einmali-
gen außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt eines Beamten entgegen: Die dort entwickelten Grundsätze
lassen sich auf den hier zu entscheidenden Fall schon deshalb nicht übertragen, weil es sich dabei nicht
um eine erstmalige Trunkenheitsfahrt handelte. Außerdem geht es hier nicht nur um eine schlichte
Trunkenheitsfahrt im Sinne von § 316 StGB, sondern zusätzlich um die Verursachung eines Ver-
kehrsunfalles mit Personenschaden sowie eine damit zusammenhängende Verkehrsunfallflucht.
Das als Pflichtverstoß gekennzeichnete Verhalten gereicht dem Beklagten auch zum Vorwurf.
Insbesondere hat die bei ihm offenkundig bestehende Alkoholerkrankung zur Überzeugung des Senats
keinen schuldausschließenden Einfluss auf das ihm vorgeworfene Verhalten. Alkoholismus begründet
keine generelle Schuldunfähigkeit. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn das dem Beklagten zur Last
gelegte Tatgeschehen durch einen zur Steuerungsunfähigkeit führenden Alkoholkonsum beeinflusst
worden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1992 – 1 D 2.91 – m.w.N.). Dafür gibt es aber keine
hinreichenden Anhaltspunkte. Den Verkehrsunfall hat der Beklagte zwar in alkoholisiertem Zustand
verursacht. Sein sonstiges Verhalten bei diesem Vorfall widerspricht jedoch trotz der festgestellten hohen
Blutalkoholkonzentration von 2,01 %o einer zum Ausschluss der Verantwortlichkeit führenden
Bewusstseinstrübung. Insbesondere die von ihm begangene Unfallflucht zeigt, dass er durchaus noch in
der Lage war, sein Verhalten gezielt zu steuern. Dieser Eindruck wird weiter dadurch untermauert, dass
der den Beklagten kurz nach dessen Festnahme untersuchende Amtsarzt nur "geringfügige"
Ausfallserscheinungen feststellen konnte, was auf eine erhebliche Alkoholtoleranz des Beamten
schließen lässt. Zu seinen Gunsten kann daher allenfalls unterstellt werden, dass er zur Tatzeit infolge
seines alkoholisierten Zustandes vermindert schuldfähig war.
Das erhebliche Gewicht der schuldhaften Pflichtverletzung führt zusammen mit den wiederholten
alkoholbedingten Straftaten und innerdienstlichen Pflichtverletzungen dazu, dass der Beamte das
Vertrauen seines Dienstherrn und das der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Zwar hat die
Pflichtwidrigkeit eine außerdienstliche Verfehlung zum Gegenstand, jedoch offenbart sie einen
ausgeprägten Mangel an Gesetzestreue. Treue gegenüber dem Gesetz ist aber gerade von einem
Polizeibeamten besonders gefordert. In dieser Eigenschaft obliegt dem Beklagten nämlich unter anderem
die Kontrolle des Verkehrsgeschehens. Die von einer Teilnahme am Straßenverkehr in alkoholisiertem
Zustand ausgehenden Gefahren sind ihm auch gerade deshalb hinlänglich bekannt. Wenn aber ein
Polizeibeamter – wie der Beklagte – unter Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall verursacht und sich dabei
zusätzlich durch Verkehrsunfallflucht seiner Verantwortlichkeit zu entziehen versucht, so zeigt er damit ein
Verhalten, das im Straßenverkehr mit die schwerwiegendste Verfehlung überhaupt ist. Dies wiegt daher
auch bei der disziplinaren Gewichtung entsprechend schwer. Denn mit diesem Verhalten hat der Beklagte
im Kernbereich der einem Polizeibeamten obliegenden Pflichten versagt.
Das mit diesem Gewicht zu würdigende Dienstvergehen führt in Verbindung mit der disziplinarrechtlichen
Vorbelastung des Beamten zu einer irreparablen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm
und seinem Dienstherrn. Dieser erwartet nämlich von einem Polizeibeamten, dass er die Rechtsordnung
in besonderem Maße wahrt. Wird der Dienstherr in seinem Vertrauen hierauf mehrfach enttäuscht, dann
bleibt von daher für eine positive Zukunftsprognose kein Raum mehr. Dies gilt vor allem, wenn das
enttäuschte Vertrauen – wie hier – mit dem schädlichen Einfluss von Alkohol in Zusammenhang steht und
trotz entsprechender Hilfestellungen des Dienstherrn in der Vergangenheit keine Aussichten mehr auf die
Überwindung der Alkoholproblematik aus eigener Anstrengung bestehen.
Überdies zieht das Fehlverhalten des Beklagten auch einen erheblichen Vertrauensverlust in der
Öffentlichkeit nach sich. Ihr steht das Leitbild eines gerade auch im Straßenverkehr gesetzestreuen
Beamten vor Augen. Davon hebt der Beklagte sich mit seinem festgestellten Verhalten außerordentlich
negativ ab. In Kenntnis des gewissenlosen, strafbaren Verhaltens des Beklagten im Straßenverkehr und
seiner mangelnden Bereitschaft zu konsequenter Bekämpfung seiner Alkoholabhängigkeit würde sie den
Beamten als untragbar für den Polizeidienst ansehen.
Dies ist jedenfalls dann zu Ungunsten des Beamten festzustellen, wenn zu dem Gewicht des disziplinaren
Vorwurfs aus der Vergangenheit weitere bei der Ahndung zu berücksichtigende Pflichtverstöße
hinzutreten. So liegen die Dinge hier. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist zwar eine außerdienstliche Trunkenheitsfahrt bzw.
Verkehrsunfallflucht grundsätzlich mit der Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung zu ahnden
(BVerwG, Urteile vom 12. Februar 1992 – 1 D 1.91 – und vom 21. August 1997 – 1 DB 2.97 –). Hierbei
kann es vorliegend jedoch nicht verbleiben, denn der Beamte hat sich in der Vergangenheit weder durch
gerichtliche Strafen, noch durch die schwerwiegende Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung aus
Anlass der Pflichtverstöße im Zeitraum 1992 bis 1994 dauerhaft beeindrucken lassen. Dabei kommt
erschwerend hinzu, dass der Beamte es zu dem neuerlichen Pflichtverstoß zu einem Zeitpunkt hat
kommen lassen, in dem er im Hinblick auf die kurz zuvor verhängte Gehaltskürzung unter erhöhtem
Bewährungsdruck stand. Daher ist nach dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der
stufenweisen Steigerung von Disziplinarmaßnahmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1992 – 1 D
2.91 –) nunmehr die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst geboten (§ 11 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz
und Abs. 2 Satz 1 LDG), da die Zurückstufung als disziplinarrechtliche Ahndung aus laufbahnrechtlichen
Gründen ausscheidet.
Auch das gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz LDG angemessen zu berücksichtigende
Persönlichkeitsbild des Beklagten gebietet keine Korrektur der Disziplinarmaßnahme. Die festgestellte
Alkoholproblematik wie auch der offensichtliche Mangel an Pflichtbewusstsein kennzeichnen den
Beklagten als einen labilen, seinen persönlichen und dienstlichen Obliegenheiten mehr oder weniger
gleichgültig gegenüberstehenden Menschen. Zwar ist ihm zugute zu halten, dass er nach den Verfehlun-
gen aus den Jahren 1992 bis 1994 bis ins Jahr 1998 "trocken" geblieben ist. Auch hat er während dieser
Zeit die Hilfsangebote des Dienstherrn – etwa die psychologische Unterstützung durch die
Sozialbetreuerin – angenommen und aktiv umgesetzt. Gleichwohl ist er wieder rückfällig geworden,
nachdem er diese Maßnahmeangebote nicht mehr bzw. nur noch sporadisch wahrgenommen hatte. Auch
nach der von ihm durchgeführten Alkoholentwöhnungskur Anfang des Jahres 2000, ist er inzwischen
wieder rückfällig geworden. Dies belegt der Vorfall vom Nachmittag des 22. März 2001, an dem der
Beklagte in erheblich betrunkenem Zustand im Stadtgebiet L. aufgefallen war.
Diesen belastenden Umständen stehen schließlich keine Milderungsgründe gegenüber, die Anlass
geben könnten, von der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme abzusehen. Insbesondere
spricht wenig dafür, dass die Dienstpflichtverstöße als Ausdruck einer mittlerweile überwundenen
negativen Lebensphase zu bewerten sind. In ihnen tritt im Gegenteil eine tiefgreifende Alkoholproblematik
zutage, die den Beklagten, wie die Ereignisse vom 22. März 2001 belegen, bis in die Gegenwart begleitet.
Erfolgversprechende Bemühungen, sich hiervon zu lösen, hat er dem Senat nicht mit der erforderlichen
Deutlichkeit nachweisen können. Bei diesem Problemhintergrund vermögen auch die von ihm geltend
gemachten Veränderungen der privaten Lebenssituation für sich allein noch keine stabilisierende
Wirkung zu entfalten.
Auch seine Alkoholerkrankung als solche rechtfertigt keine mildere Disziplinarmaßnahme. Entlastende
Wirkung kommt seiner Alkoholerkrankung deswegen nicht zu, weil der Beamte um die Risiken einer
Rückfallgefahr bei dieser Erkrankung wusste und die ihm gewährten Hilfsangebote nicht in der
erforderlichen Weise genutzt hat.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Beklagten ist es auch nicht zu beanstanden, dass aus
der verminderten Schuldfähigkeit des Beamten im Zeitpunkt der Tatbegehung bei der disziplinaren
Ahndung keine für ihn günstigen Schlussfolgerungen gezogen worden sind. Unterhalb der Sanktion der
Dienstentfernung steht dem Kläger in einem Fall wie dem vorliegenden nur die Gehaltskürzung als nächst
mildere Sanktion zu Gebote. Auf sie zurückzugreifen erweist sich jedoch als offensichtlich ungeeignet,
weil dieses Mittel den Beamten bereits in der Vergangenheit nicht hinreichend beeindruckt hat.
Die Entfernung des Beamten aus dem Dienst erweist sich schließlich nicht als unverhältnismäßig. Insoweit
sind in Beziehung zu setzen die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, zu der das Fehlverhalten geführt
hat und die verhängte Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1992 – 1 D 2.91 –). Unter
diesem Blickwinkel begegnet die gegen den Beklagten verhängte Maßnahme keinen Bedenken. Ist ein
Beamter – wie der Beklagte – durch ihm vorwerfbares Verhalten achtungsunwürdig geworden und fehlt
damit eine entscheidende Grundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses, dann ist seine
Entfernung aus dem Dienst die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare
Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte ist für den Betroffenen nicht
unverhältnismäßig, weil sie auf zurechenbarem Verhalten beruht (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1992 –
1 D 2.91 –).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 1 LDG. Das Verfahren ist gebührenfrei, § 109 Abs. 1 LDG.
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Dr. Frey gez. Holly