Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 07.08.2002

OVG Koblenz: bebauungsplan, grundstück, gebäude, abgrenzung, eigentümer, bier, landschaft, entstehung, rechtssicherheit, baurecht

Baurecht
OVG
Koblenz
07.08.2002
8 C 10700/02.OVG
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Normenkontrollverfahren
wegen Normenkontrolle (Bebauungsplan)
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 7. August 2002, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier
Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg
Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider
für Recht erkannt:
Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan „K.“ der
Antragsgegnerin.
Mit Baupolizeiverordnung vom 20. Juni 1961 wurde ein Bereich des K. in der Gemarkung der damals
selbständigen Gemeinde H. als Wochenendhausgebiet festgesetzt. Diese Baupolizeiverordnung trat am
31. Dezember 1980 außer Kraft. Die Bebauung in dem Bereich erfolgte vielfach unter Verstoß gegen die
Festsetzungen des Bebauungsplans, insbesondere was die Gebäudegröße sowie die Nutzung lediglich
zu Wochenendzwecken angeht. So wird ein Großteil der Gebäude zum Dauerwohnen genutzt. In
einzelnen Fällen ordnete die Bauaufsichtsbehörde eine Teilbeseitigung oder eine Nutzungsuntersagung
an, die anschließenden Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahren endeten mit Vergleichen, die eine
zeitliche Befristung des Dauerwohnens zum Inhalt hatten. So war es auch im Fall der Antragsteller. Diese
sind Eigentümer des Grundstücks Im K. (Flurstück ...), das etwa 130 m südlich der südlichen Plangrenze
gelegen ist. In einem vor dem 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz am 23. Oktober
1978 - 7 A 18/78 - geschlossenen Vergleich erklärten die Antragsgegnerin und die Kreisverwaltung als
Bauaufsichtsbehörde sich bereit, den vorhandenen Baubestand und seine Nutzung als Dauerwohnstätte
bis längstens fünf Jahre nach dem Tod des Letztversterbenden zu dulden. Für die Zeit danach behielt sich
die Bauaufsichtsbehörde ausdrücklich vor, eine Nutzung nur noch als Wochenendhaus zu verlangen und
die Beseitigung eines Anbaus mit Terrasse zu fordern.
Bereits seit dem Jahr 1997 plante die Antragsgegnerin, die bauliche Entwicklung im K. zu ordnen.
Zunächst wurde erwogen, das Plangebiet so zu begrenzen, dass sämtliche bebauten Grundstücke davon
erfasst werden. Dieser Plan war Gegenstand der vorgezogenen Bürgerbeteiligungen vom 20. Februar
1997 und 8. März 1999 sowie von Beratungen des Bau- und Entwicklungsausschusses vom 26. Februar
1998 und 28. September 1999. Erstmals in der Sitzung des Bau- und Entwicklungsausschusses vom 15.
Juni 2000 wurde eine Planung im geringeren Umfang vorgestellt, die auch Gegenstand einer
vorgezogenen Bürgerbeteiligung am 14. August 2000 sowie der Stadtratsitzung vom 29. August 2000 und
des Beschlusses über die Aufstellung des Bebauungsplans und die Auslegung des Planentwurfs in der
Sitzung vom 26. Juni 2001 war. Die Antragsteller wandten sich - neben anderen ebenfalls Betroffenen -
mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten gegen die Grenzziehung, die sie als willkürlich ansehen, und
verlangten die Einbeziehung ihres Grundstücks in den Bebauungsplan, da nur so dessen Zweck erfüllt
werden könne, ein Dauerwohnrecht für die dort wohnenden Eigentümer und ihre Rechtsnachfolger zu
sichern.
Diese Bedenken wurden vom Stadtrat in seiner Sitzung vom 25. September 2001 mit folgender
Begründung zurückgewiesen: Die Begrenzung des Plangebiets beruhe auf einer Abwägung der
betroffenen privaten und öffentlichen Belange. Zwar werde mit dem Bebauungsplan das Ziel angestrebt,
allen, die derzeit über ein zugesagtes oder geduldetes Dauerwohnrecht verfügten, künftig die erforder-
liche Rechtssicherheit zu geben. Andererseits hätten auch Gesichtspunkte der Kosten, des Verkehrs, der
Kapazität bestehender Infrastruktur (Wasserversorgung) sowie die landespflegerische Eingriffs- und
Ausgleichssituation und der Charakter des bewaldeten K. mit in die Abwägung einbezogen werden
Ausgleichssituation und der Charakter des bewaldeten K. mit in die Abwägung einbezogen werden
müssen. Diese städtebaulichen Interessen sprächen für eine Abgrenzung, die möglichst eng einen
zusammenhängenden Bereich erfasse und die Schaffung neuer Bauplätze vermeide. Zwar werde
gesehen, dass aufgrund des gerichtlichen Vergleichs für die Antragsteller ein Dauerwohnrecht bestehe,
das freilich auf ihre Rechtsnachfolger nicht übergehe; insoweit strebe die Stadt jedoch durch Erteilung des
Einvernehmens gegenüber der Kreisverwaltung eine Einzelfalllösung mit dieser an. Der Bebauungsplan
wurde sodann als Satzung beschlossen und nach Ausfertigung am 27. September 2001 bekannt
gemacht.
Mit ihrem Normenkontrollantrag machen die Antragsteller geltend: Sie seien im Normenkontrollverfahren
antragsbefugt, da ihre privaten Eigentümerbelange bei der Aufstellung des Bebauungsplans,
insbesondere im Hinblick auf den räumlichen Geltungsbereich, hätten in die Abwägung einbezogen
werden müssen. Die Abwägung sei auch fehlerhaft, da keine sachgerechten Gründe für die Nicht-
berücksichtigung ihrer Eigentümerbelange vorlägen. Bereits der mit der Planung verfolgte Zweck, den im
K. dauerhaft wohnenden Eigentümern ein Wohnrecht für die Zukunft zu sichern, spreche dafür, in den
Planbereich alle so genutzten Grundstücke einzubeziehen. in diesem Sinn habe sich auch der frühere
Stadtbürgermeister in Eigentümerversammlungen geäußert. Dies führe nicht zu einer unvertretbaren Zahl
von neuen Bauplätzen. Denn der Bebauungsplan könne auch so abgegrenzt werden, dass die
Grundstücke ... bis ... und auf der gegenüberliegenden Seite der Straße die Flurstücke Nrn. ... und ... Teil
des Bebauungsplans werden, was lediglich zu drei neuen Bauvorhaben führe. Der Ausgleich der dadurch
bedingten Eingriffe in Natur und Landschaft sei ohne Weiteres möglich, andere städtebauliche Belange
würden nicht beeinträchtigt. Auch sämtliche Erschließungseinrichtungen seien vorhanden. Bei der
Abwägung habe die Antragsgegnerin berücksichtigen müssen, dass sie jahrelang eine andere Planung
verfolgt habe, was bei den betroffenen Grundeigentümern ein gewisses Vertrauen begründet habe.
Dieses sei in ihrem Fall noch dadurch verstärkt worden, dass vor wenigen Jahren mit Einverständnis der
Antragsgegnerin die Genehmigung zur Errichtung einer massiven Doppelgarage für ihr Grundstück erteilt
worden sei. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweise, den Wünschen der Antragsteller könne durch
eine entsprechende Vereinbarung mit der Bauaufsichtsbehörde Rechnung getragen werden, sei
anzumerken, dass die Bauaufsichtsbehörde gerade mit der Antragsgegnerin nicht identisch sei und auf
einer Überplanung des Grundstückes bestehe. Das Ergebnis der planerischen Abwägung beruhe daher
auf einer groben Fehlgewichtung ihrer privaten Belange.
Die Antragsteller beantragen,
den Bebauungsplan „K.“ der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin stellt den Antrag,
den Antrag abzulehnen.
Sie bezweifelt die Zulässigkeit des Antrags und führt im Übrigen aus: Die Abgrenzung des Plangebietes
beruhe auf einer intensiven Prüfung und Abwägung. Wegen der Lage des Gebietes in einem bewaldeten
Tal habe sie sich von dem Wunsch leiten lassen, den mit der Überplanung verbundenen Eingriff in Natur
und Landschaft möglichst gering zu halten. Daher sei es nicht möglich gewesen, alle bebauten
Grundstücke einzubeziehen, vielmehr sei dem landespflegerischen Belang nur durch eine Begrenzung
auf den eigentlichen Schwerpunkt der Bebauung im K. Rechnung zu tragen gewesen. Eine Einbeziehung
des Anwesens der Antragsteller hätte dazu geführt, dass auf sieben bislang unbebauten Grundstücken
weitere Gebäude entstünden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Vorgänge über
die Aufstellung des Bebauungsplans.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag ist unzulässig.
Den Antragstellern fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da die begehrte Nichtigerklärung nicht geeignet ist,
ihre Situation in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu verbessern (zum Rechtsschutzbedürfnis für
einen Normenkontrollantrag s. BVerwG, NVwZ 2002, 869 m.w.N.). Die Antragsteller machen selbst nicht
geltend, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans oder deren Umsetzung nachteilige Wirkungen für
ihr Grundstück oder seine Nutzung zeitigen. Ihr Ziel ist es vielmehr zu erreichen, dass auch ihr
Grundbesitz in den Geltungsbereich des Bebauungsplans einbezogen wird. Auch im Fall der
Nichtigerklärung des Bebauungsplans ändert sich jedoch an der Lage ihres Grundstücks im Außen-
bereich nichts, so dass die begehrte Entscheidung ihnen keinen Vorteil bringt.
Zwar mag eine dem Normenkontrollantrag stattgebende Entscheidung, die ausschließlich mit einer zu
Lasten der Antragsteller getroffenen fehlerhaften Abgrenzung des Plangebietes begründet wird, dann die
Position der Antragsteller verbessern, wenn die begründete Aussicht besteht, dass die Gemeinde auf
jeden Fall an der Absicht, das Gebiet zu überplanen, festhält. Denn dann erwächst den Antragstellern
ungeachtet der Vorschrift des § 2 Abs. 3 BauGB, wonach kein Anspruch auf die Aufstellung oder
Änderung von Bauleitplänen besteht, aus der gerichtlichen Entscheidung die Chance, dass ihr
Grundstück in den Geltungsbereich des erneut zu beschließenden Planes einbezogen wird. Die Voraus-
setzungen für einen derartigen Ausnahmefall liegen hier jedoch nicht vor. Der Sach- und Streitstand lässt
nämlich nicht den Schluss zu, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan - und sei es möglicherweise
- unter Einbeziehung des Grundbesitzes der Antragsteller neu beschließen wird.
Zunächst können sich die Antragsteller nicht darauf berufen, aus Zusagen des früheren Bürgermeisters
sowie der Erteilung einer Baugenehmigung für eine Doppelgarage erwachse ein Vertrauen, das die
Antragsgegnerin zu einer Änderung der Bauleitplanung im Sinn der Antragsteller nötige. Die Vorschriften
des BauGB über die Aufstellung eines Bebauungsplans und die Zuständigkeit des Gemeinderates für die
abschließende Abwägung und den Satzungsbeschluss belegen, dass vor Entscheidung des zuständigen
Gremiums kein schützenswertes Vertrauen, dem nur durch Erlass eines bestimmten Bebauungsplans
genügt wird, begründet werden kann.
Weiter ist es von vornherein ausgeschlossen, dass die von den Antragstellern gewünschte Grenzziehung
das Ergebnis einer neuerlichen Abwägung sein wird. Bei der Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB hat der
Gemeinderat die betroffenen privaten und öffentlichen Belange gegeneinander und untereinander
gerecht abzuwägen. Bei dieser Abwägung hat sich der Rat der Antragsgegnerin an verschiedenen
Leitlinien und Zielen orientiert, wie sie auf S. 4 der Begründung zum Bebauungsplan dargelegt sind.
Diese bestehen auf der einen Seite darin, Bestandschutz für die bestehenden Gebäude innerhalb eines
reinen Wohngebietes und Rechtssicherheit für die Anwohner bezüglich des Dauerwohnrechts
herzustellen, andererseits aber darin, den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes sowie dem
Wunsch der Erhaltung des Waldgebietes „K.“ durch das Verhindern einer weiteren Zersiedlung sowie die
Minimierung der Neuversiegelung Rechnung zu tragen. Um diesen öffentlichen Interessen zu
entsprechen, hat der Rat sich dazu entschlossen, in das Plangebiet nur den Schwerpunkt der
vorhandenen Bebauung, das heißt die im Wesentlichen aufeinander folgende Bebauung einzubeziehen,
um die Entstehung neuer Bauplätze zu verhindern.
Diese Grundsatzentscheidung ist im Hinblick auf das starke Gewicht, das dem öffentlichen Belang des
Naturschutzes und der Landespflege zukommt, sachgerecht, zumal das Gebiet innerhalb des räumlichen
Geltungsbereichs der Landesverordnung über den „Naturpark Pfälzer Wald“ vom 26. November 1984
(Gesetz- und Verordnungsblatt S. 228) gelegen ist. Schutzzweck dieser Verordnung ist es gemäß § 4, die
landschaftliche Eigenart und Schönheit des Pfälzer Waldes zu erhalten, diese waldreiche Mittelgebirgs-
landschaft für die Erholung größerer Bevölkerungsteile zu sichern und die Leistungsfähigkeit des
Naturhaushalts für einen großräumigen ökologischen Ausgleich zu erhalten oder wiederherzustellen. Die
privaten Interessen der Eigentümer von in diesem Bereich gelegenen bebauten oder unbebauten
Grundstücken sind dagegen jedenfalls nicht höher zu bewerten. Denn bislang war dort eine Bebauung
rechtlich lediglich aufgrund der erwähnten Baupolizeiverordnung zulässig und auf Wochenendhäuser
einer bestimmten Größe beschränkt.
Beruht daher der Wille der Antragsgegnerin, den Umfang des neuen Plangebietes so zu begrenzen, dass
die Entstehung neuer Baugrundstücke möglichst vermieden wird, auch im Hinblick auf die
Eigentümerinteressen auf sachgerechten Erwägungen, so kommt eine Einbeziehung des Grundstücks der
Antragsteller in das Plangebiet nicht in Betracht. Die von ihnen vorgeschlagene Lösung, im Wesentlichen
lediglich die bereits bebauten teils rechts, teils links der Straße gelegenen Grundstücke dem Planbereich
zuzuschlagen, ist mit den Grundsätzen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht vereinbar, da
die baurechtliche Einordnung der dazwischen gelegenen Flächen neue Fragen und Konflikte sowie einen
weiteren Siedlungsdruck begründet. Aus diesem Grunde entspräche allenfalls eine Verschiebung der
südlichen Begrenzung des Planbereichs bis zur südlichen Grenze des Anwesens der Antragsteller der
Aufgabe sachgerechter Bauleitplanung, für eine geordnete städtebauliche Entwicklung und Ordnung zu
sorgen. Damit aber würden weitere sieben Grundstücke, die bislang unbebaut sind, einer Bebauung
zugeführt. Dies widerspricht offensichtlich der nach dem zuvor Gesagten dem Abwägungsgebot
genügenden Grundentscheidung der Antragsgegnerin, die planbedingte weitere Zersiedlung und
Versiegelung in ganz engen Grenzen zu halten.
Können somit die Antragsteller auch nach einer etwaigen Nichtigerklärung des Bebauungsplans nicht
erwarten, dass ihr Grundstück bei erneuter Abwägung in das Plangebiet einbezogen wird, so fehlt ihnen
das Rechtsschutzinteresse, da ihnen der begehrte Ausspruch weder einen tatsächlichen noch einen
rechtlichen Vorteil bringen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
gez. Dr. Bier gez. Spelberg gez. Schneider
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
gez. Dr. Bier gez. Spelberg gez. Schneider