Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 07.10.2009

OVG Koblenz: gutachter, lärm, grundstück, aufschiebende wirkung, luft, gülle, genehmigungsverfahren, getreide, tierhaltung, verkehr

OVG
Koblenz
07.10.2009
1 A 10898/07.OVG
Immissionsschutzrecht, Baurecht
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
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- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte zu 1-2: Rechtsanwälte Klinge - Hess, Rheinstraße 2 a, 56068 Koblenz,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Präsidentin der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord,
Stresemannstraße 3-5, 56068 Koblenz,
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
beigeladen:
**********************************
Prozessbevollmächtigte zu 1-2: Rechtsanwälte Jeromin & Kerkmann, Rennweg 72, 56626
Andernach,
wegen Immissionsschutzrechts
hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 7. Oktober 2009, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht
Richter am Oberverwaltungsgericht
Richter am Oberverwaltungsgericht
ehrenamtlicher Richter selbständiger
ehrenamtlicher Richter Rentner
für Recht erkannt:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. Juni 2007 wird
zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zugunsten der
Beigeladenen zur Errichtung einer Biogasanlage.
Die Kläger sind Eigentümer des Wohnhauses … … in M…. Die Beigeladenen führen auf den etwa 320 m
vom Wohnhaus der Kläger entfernten Grundstücken Gemarkung …, Flur …, Flurstücke … und … sowie
Gemarkung …, Flur …, Flurstücks-Nr. … einen im Außenbereich liegenden landwirtschaftlichen Betrieb.
Zu diesem Betrieb gehören ein mit Bauschein vom 29.07.1981 genehmigter Schweinemaststall mit 560
Liegeplätzen, eine Getreidehalle und ein Güllebehälter. Die Beigeladenen sind nach den Feststellungen
erster Instanz ferner Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen von ca. 15,8 ha und haben weitere Flächen
(ca. 100 ha) gepachtet. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geben Sie ihre Fläche mit 114,45 ha
an. Der anlagenbezogene Lkw-Verkehr zu dem Betrieb führt über die ehemalige Bundesstraße 258 (B
258), die …, den … Weg, der durch die Ortslage von M… verläuft, sowie über eine im Außenbereich der
von M… verlaufende Straße und einen in der Gemarkung … gelegenen Weg (Flur …, Flurstück …). Der …
Weg sowie der sich anschließende Weg (Flurstück …) sind von der Stadt M…….. aufgrund des
Stadtratsbeschlusses vom 03.11.1999 als Gemeindestraße gewidmet worden. Die Widmungsverfügung
wurde unter dem 26.11.1999 öffentlich bekannt gemacht.
Im April 2002 teilten die Beigeladenen den Immissionsschutzbehörden mit, dass sie die Errichtung einer
Biogasanlage sowie die Erweiterung ihres Schweinemastbetriebes auf 2.200 Tiere beabsichtigten. Nach
Durchführung eines Ortstermins wies der Beklagte den Landkreis ................... darauf hin, dass ein
gemeinsames Genehmigungsverfahren für die Biogasanlage und die Anlagen zur Erweiterung der
Schweinezucht nicht in Betracht komme. In der Folgezeit beantragten die Beigeladenen bei dem
Landkreis ................... unter dem 05.04.2004 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung zur Haltung von 2.200 Schweinen, die der Landkreis mit Bescheid vom 04.01.2006 und
Widerspruchsbescheid vom 08.05.2006 ablehnte. Auf die hiergegen von den Beigeladenen erhobene
Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Koblenz den Landkreis ................... zur Neubescheidung (Urteil
vom 25.07.2006, 1 K 59/06.KO). Mit Bescheid vom 27.11.2006 wurde sodann die angestrebte
Genehmigung unter Beifügung verschiedener Auflagen erteilt.
Bei dem Beklagten stellten die Beigeladenen im Frühjahr 2004 den Antrag auf Erteilung einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur biologischen
Behandlung von nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen mit einem Durchsatz von 10 t pro
Tag sowie einer Verbrennungsmotoranlage zur Erzeugung von Strom für den Einsatz von Biogas mit einer
Feuerungswärmeleistung von 1 bis 10 Megawatt (MW). Ausweislich der Antragsunterlagen des
Ingenieurbüros für Abfallwirtschaft und Immissionsschutz … vom März 2004 können in der Biogasanlage
6.600 t Gülle, 5.950 t Getreide und 100 t Abfälle aus der Landespflege vergoren und einem
Blockheizkraftwerk (BHKW), das abluftseitig mit Abgasschalldämpfern betrieben werden soll, zugeleitet
werden. Der Schwerlastverkehr zur Anlage soll in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr erfolgen. Die
Leistung der Anlage sollte ursprünglich 2 x 536 kW betragen. Mit Schreiben vom 18.02.2005 teilten die
Beigeladenen dem Beklagten mit, der Antrag werde dahingehend geändert, dass die installierte
elektrische Leistung der Anlage 0,5 MW nicht überschreite.
Mit immissionsschutzrechtlicher Genehmigung vom 29.07.2005 genehmigte der Beklagte das Vorhaben
der Beigeladenen unter Beifügung zahlreicher Nebenbestimmungen. Nach Ziff. 3.4.2 der
Nebenbestimmungen ist Substrat oder Gülle in geschlossenen und dichten Behältern zu transportieren
und auszubringen. Beides darf nach Ziff. 3.4.3 nicht ausgebracht werden, wenn aufgrund
immissionsfördernder Witterung (feuchtwarme Luft, ungünstige Windrichtung) unzumutbare
Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft zu erwarten sind. Weiterhin sind nach Ziff. 3.5.1 alle dem
Fermenter nachgeschalteten Behälter gasdicht auszuführen. Gemäß Ziff. 3.5.2 sind Speicherbehälter für
geruchsemittierende Stoffe bei Befüllvorgängen so abzusaugen, dass keine geruchsbeladene
Verdrängungsluft nach außen dringt. In der übrigen Zeit ist ständig Luft abzusaugen.
Nach Einlegung des Widerspruchs beantragten die Beigeladenen erfolglos die Anordnung der sofortigen
Vollziehung der Genehmigung (vgl. hierzu VG Koblenz, Beschluss vom 08.12.2005, 1 L 2102/05.KO,
sowie Beschlüsse des Senats vom 03.02.2006, 1 B 11736/05.OVG und vom 04.04.2006,
1 B 11736/05.OVG). In diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren machten die Kläger geltend, das
Vorhaben verfüge nicht über eine ausreichende Erschließung und es sei zudem zweifelhaft, ob es im
Außenbereich überhaupt privilegiert zulässig sei. Ferner löse der Betrieb unter Berücksichtigung der
geplanten Erweiterung der Schweinemast auf 2.200 Tiere täglich weit mehr als 10 Lkw-Transporte aus.
Von daher stimme das vorgelegte Immissionsgutachten nicht und es sei zu befürchten, dass unzumutbare
Verkehrsimmissionen entstünden. Ferner hätten die Biogasanlage und die geplante Erweiterung des
Schweinemastbetriebes einheitlich genehmigt werden müssen. Die Ausgliederung der Biogasanlage aus
der Gesamtanlage bewirke ihre Herauslösung aus dem förmlichen Genehmigungsverfahren mit
Öffentlichkeitsbeteiligung, das für die geplante Schweinemast durchzuführen sei. Diese
Verfahrensgestaltung verletze sie in ihren Rechten. Die Biogasanlage führe zudem zur Verstärkung der
bereits jetzt von der Schweinemast der Beigeladenen ausgehenden erheblichen Geruchsbelästigung. So
schreibe die TA Luft für vergleichbare Bioabfallvergärungsanlagen in Ziffer 5.4.8.6.1 einen
Mindestabstand von 300 m bei geschlossenen Anlagen vor.
Im Widerspruchsverfahren holte der Beklagte ein Gutachten des Landwirtschaftsmeisters S ... ein, das die
Ermittlung von Stoffströmen zum Betrieb der geplanten Biogasanlage zum Gegenstand hat. Hierbei
wurden die Stoffströme alternativ für den Fall untersucht, dass der Schweinemastbetrieb der
Beigeladenen auf 2.200 Plätze erweitert oder in der jetzt betriebenen Dimension (560 Mastplätze)
erhalten bleibt. In dem unter dem 07.01.2006 vorgelegten Gutachten ist ausgeführt, dass insgesamt mit
407 Transporten über die Kreuzung …/… Weg – davon 225 Schwertransporte – zu rechnen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen die
geplante Biogasanlage zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Kläger durch das Vorhaben
keinen unzumutbaren Immissionen ausgesetzt seien. Hierbei gehe man über das Gutachten ...
hinausgehend davon aus, dass insgesamt 1.273 Transporte jährlich zum Betrieb der Beigeladenen
erfolgten. Aus dieser gegenüber dem Lärmgutachten um das 3,35-fache abweichenden Anzahl an
Transporten ergebe sich keine wesentliche Änderung des zu erwartenden Immissionspegels. Damit
erhöhten sich die Immissionspegel von 52 dB(A) um 3 dB(A) auf 55 dB(A). Eine Überschreitung des
Immissionsgrenzwertes von 59 dB(A) sei damit noch nicht gegeben.
Ferner ordnete der Beklagte im Widerspruchsbescheid zugunsten der Beigeladenen die sofortige
Vollziehung der erteilten Genehmigung an. Hiergegen eingelegte Anträge auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes waren erfolgreich (vgl. VG Koblenz, Beschlüsse vom 14.02.2007, 1 L 1893/07KO und
1 L 44/07.KO).
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 29.11.2006 haben die Kläger am 19.12.2006 Klage
erhoben. Sie vertiefen ihre bisherigen Ausführungen und tragen vor, dass die Überprüfung der
Lärmsituation allein anhand der Verkehrslärmschutzverordnung nicht ausgewogen sei. Es sei nicht
zumutbar, dass ein Wohngebiet einen erheblichen gewerblichen Schwerlastverkehr aufnehmen müsse.
Im Dezember 2006 genehmigte der Landkreis ................... den Beigeladenen die Errichtung eines
Schweinemastbetriebes mit 2.200 Tieren. Hiergegen haben unter anderem die Kläger Widerspruch
eingelegt, über den im Hinblick auf dieses Verfahren noch nicht entschieden ist.
Die SGD Nord überreichte in der mündlichen Verhandlung am 26.06.2007 eine eigene Berechnung des
Verkehrsaufkommens. Es sei hiernach während der Ernte mit dem größten wöchentlichen
Verkehrsaufkommen zu rechnen, nämlich mit 88 Fahrten, welche sich über sechs Tage verteilten. Daraus
resultiere eine Verkehrsbelastung von etwa 15 Transporten täglich. Eine Überschreitung der
Lärmrichtwerte sei damit ausgeschlossen, denn erst eine Verdoppelung des Verkehrsaufkommens führe
zu einer Zunahme des Schallpegels um 3 dB(A).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.06.2007 (1 K 1873/06.KO) auf der Grundlage der
vorhandenen Gutachten als unbegründet abgewiesen und die Berufung zugelassen.Die Kläger haben zur
Begründung ihrer rechtzeitig eingelegten Berufung im Wesentlichen geltend gemacht:
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung in Verbindung mit dem Widerspruchsbescheid sei zu
unbestimmt und verletze bereits dadurch die Kläger in ihren Rechten. Das Verwaltungsgericht verkenne,
dass sich vorliegend die Unbestimmtheit auf einen Regelungsbereich auswirke, der für die
Gewährleistung subjektiver Rechtspositionen von Bedeutung sei. Es sei der Auffassung, dass die
maximalen Input-Stoffe angegeben seien, auf deren Basis eine elektrische Leistung von 0,5 MW nicht
überschritten werden dürfe. Dabei werde offenbar übersehen, dass der genehmigte Input zu einer
durchaus höheren Energieleistung führen könne, was eben nicht regelungsbedingt hinzunehmen sei. Die
jährlich zu erzielende Elektrizität betrage ausweislich des Gutachtens S... 4.380.000 KW. Die Input-Stoffe
von 6.600 t Schweinegülle, 5.950 t Getreide und 100 t Abfällen aus der Landespflege ergäben jedoch
nach Tabelle 20 des Gutachtens S... eine mögliche Energiegewinnung von 6.283.130 KW, wobei eine
Beschränkung auf 4.380.000 KW in den Antragsunterlagen nicht zu finden sei. Vielmehr sei in Formular 3
der Anlagedaten lediglich die zweite Betriebseinheit weggefallen und die erste von 536 auf 500 KW
reduziert worden. Die Einsatzstoffe auf Formular Nr. 4.1 seien dagegen unverändert geblieben.
Infolgedessen sei ein Widerspruch zwischen einzusetzenden Stoffen und der zu gewinnenden Energie in
erheblichem Umfang zu verzeichnen, nämlich mit einer Erhöhung von ca. 30 %. Der somit bestehende
Widerspruch löse sich auch nicht einfach auf, indem als Obergrenze 500 KW für die Energieerzeugung
festgesetzt werde. Denn diese Festlegung befasse sich lediglich mit den Auslegungsdaten eines
Aggregats und zwinge keineswegs zur Annahme, die Energieerzeugung sei auf diesen Wert begrenzt
worden.
Diese mangelnde Bestimmtheit wirke sich auch auf die Rechtsstellung der Kläger aus, denn je höher die
Input-Stoffe seien, desto höher sei letztlich die Immissionsbelastung für die Kläger. Ungeklärt und damit
unbestimmt sei auch wegen der verfahrensrechtlichen Trennung des Genehmigungsverfahrens zur
Erweiterung des Schweinemastbetriebs und der vorliegenden Biogasanlage die Frage, ob ähnlich wie bei
der Bedingung zur Aufstockung des Schweinemastbetriebs die Biogasanlage nur betrieben werden dürfe,
wenn der Schweinemastbetreib selbst aufgestockt sei. Jedenfalls lasse sich zumindest dem
Widerspruchsbescheid entnehmen, dass wegen der erforderlichen Privilegierung der Anlage der
Genehmigungsbescheid der Biogasanlage so auszulegen sei, dass dem eine eigene
Schweinemastanlage von 2.200 Mastplätzen zwingend zugrunde zu legen sei. Gehe man hiervon aus,
dann entfalle aber für die Biogasanlage die Privilegierung, da der erweiterte Mastbetrieb nicht
genehmigungsfähig sei. Denn dieser sei seinerseits nur privilegiert, wenn er zu mindestens 51 % auf
eigener Futterbasis betrieben werde. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts
Koblenz (1 K 59/06.KO) stehe indessen bereits fest, dass der Beigeladene hierfür 96,43 ha seiner
Feldflächen in Anspruch nehmen müsste. Das Verwaltungsgericht rechne zwar in diesem Urteil mit einer
Fläche von 115 ha, sehe aber nur 77,6 ha als nachgewiesene Nutzflächen der Beigeladenen an. Da laut
Genehmigung die Beigeladenen keine Fremdgülle aufnehmen dürften, verblieben ihnen zur
Privilegierung der Biogasanlage nur eigene 130,62 t (18,6 ha x 7), sodass sie – um die 5.950 t Getreide zu
erzielen – 5.819,36 t aufkaufen müssten. Es sei weder belegt und schon gar nicht in der Genehmigung
zum Ausdruck gebracht, dass diese Mengen im Sinne der Privilegierung überwiegend aus dem Betrieb
des Beigeladenen und aus nahe gelegenen Betrieben stammen sollen. Eine Schweinemastanlage mit
2.200 Mastplätzen sei aus der Sicht der Kläger – deren Anwesen sich lediglich etwa 300 m von dem
Betrieb entfernt befinde – jedoch aus mehreren Gründen unzumutbar, was sich schon aus dem
geforderten Mindestabstand der TA Luft (Ziffer 5.4.7.1) ergäbe, der von einem Mindestabstand von
jedenfalls über 300 m bei der Anzahl der Mastschweine ausgehe.
Unbestimmt und widersprüchlich sei auch der Ansatz des „Output“ an Gärresten. Nach dem
Antragsformular 4.1 beabsichtige der Beigeladene, vergorene Gülle und Mist in der Größenordnung von
7.620 t/Jahr auszubringen, während der Sachverständige S... nur 2.800 t für zulässig erachte. Danach
müssten 4.700 t Gärreste an landwirtschaftliche Betriebe verkauft werden, was wiederum bei dem
Verkehrsaufkommen keine Berücksichtigung gefunden habe. Die Unbestimmtheit des Bescheides folge
auch daraus, dass der Lärmbeurteilung keine bestimmten Kriterien zugrunde gelegt seien. Zwar gehe der
Widerspruchsbescheid von 1.273 Transporten bei 2.200 Mastplätzen aus, jedoch hänge diese Zahl, die
etwa 3,35-fach höher sei als die dem Lärmgutachten zugrunde liegende, von den jeweiligen
Transportkapazitäten ab. Diese seien jedoch nirgends geregelt; dies bedeute, dass die Genehmigung
auch Belastungen von über 59 dB(A) zulasse, jedenfalls nicht verlässlich verbiete.
Abgesehen davon wechsle der Ansatz der stattfindenden Transporte beständig. Der Senat sei bereits in
seinem Beschluss vom 03.02.2006 (1 B 11736/05.OVG) auf der Basis des Gutachtens S... von 1.476
Transporten ausgegangen. In dieser Entscheidung sei ein Mastschweinestall mit 560 Tieren zugrunde
gelegt worden, so dass bei der Erweiterung des Betriebes von einer Verachtfachung gegenüber der
Lärmberechnung des Gutachtens S… auszugehen sei. Der Tagesimmissionsgrenzwert der 16. BImSchV
von 59 dB(A) werde damit um 2 dB(A) überschritten. Auch diese Berechnung sei angesichts der
Genehmigungslage möglich, was wiederum bedeute, dass die Genehmigung, die alle möglichen
Transportfahrten zulasse, zulasten der Nachbarn unbestimmt sei.
Weiterhin sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Bestimmungen der TA Luft und der
Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) seien nicht zulasten der Kläger verletzt, unzutreffend. Nach den
Flächenkennwerten des Privatgutachtens R... sei bei realistischer Betrachtung mit einer wesentlich
erhöhten Belastung der Kläger zu rechnen, insbesondere läge der Anteil des Ostwindes deutlich über
10 %, sodass die Gesamtbelastung ebenfalls in diesem Bereich liegen müsse. Dabei sei auch zu
berücksichtigen, dass es sich um eine sehr intensive Geruchsbelästigung handele.
Die Biogasanlage selbst und der anlagenbezogene Zu- und Ablieferverkehr dieser Anlage führten auch
zu unzumutbaren Lärmimmissionen. Die von dem Verwaltungsgericht gewählte Anwendung der Ziff. 7.4
der TA Lärm i.V.m. der 16. BImSchV mit einem Pegelwert von 59 dB(A) greife vorliegend nicht, da es sich
nicht um Verkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen handele. Über die Lärmsituation auf dem
Betriebsgrundstück seien in dem bisherigen Verfahren keine Erkenntnisse gewonnen worden. Hier liege
ein erhebliches Ermittlungsdefizit der Genehmigungsbehörde vor. Gerade diese Geräusche berührten
aber das klägerische Grundstück unmittelbar, da dieses freie Sicht auf das Anlagensystem der
Beigeladenen biete.
Hinsichtlich der Transporte gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass selbst bei 40 Transporten am
Tag nur ein Pegel von 58 dB(A) erreicht werde. Diesen Wert halte das Gericht für unrealistisch, was
indessen nicht die maßgebliche Frage sei. Vielmehr lasse die angefochtene Genehmigung einen
Transportumfang zu, der für die Kläger völlig unzumutbar sei und einen Verstoß gegen das Gebot der
Rücksichtnahme und das Trennungsgebot nach § 50 BImSchG darstelle. Die Anlieger eines
gewachsenen Wohngebiets hätten es nicht hinzunehmen, dass ausschließlich durch ihr Wohngebiet
nunmehr Gewerbeverkehr in nicht unerheblichem Umfang durchfahre, um eine Anlage im Außenbereich
zu versorgen.
Soweit das Verwaltungsgericht eine Verletzung der EG Verordnung 1774/2002 verneine, sei dies
unzutreffend, da es nicht um Art. 5, sondern um Art. 15 dieser Bestimmungen gehe, die durch EG
Verordnung vom 07.02.2006 (Nr. 208/2006) geändert worden sei. Darin würden bestimmte
Anforderungen an die Errichtung von Biogasanlagen und die Tierhaltung geregelt, die hier verletzt seien.
Die Genehmigung verstoße schließlich gegen die Bestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes
wegen des Fehlens eines förmlichen Verfahrens. Im vorliegenden Fall hätte ein einheitliches Verfahren
hinsichtlich der Erweiterung der Schweinemast und der Errichtung der Biogasanlage mit
Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden müssen, weil die Biogasanlage und der Mastschweinestall eine
einheitliche Anlage i.S. der 4. BImSchV darstellten. Denn das Genehmigungserfordernis erstrecke sich
nach § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV auf alle Anlagenteile und Verfahrensschritte, die zum Betrieb notwendig
seien. Dementsprechend bestehe aber ein untrennbarer Zusammenhang wegen Erweiterung des
Mastschweinestalls und der Biogasanlage, denn die rechtliche Existenz beider hänge voneinander ab,
weil ohne Erhöhung des Mastschweinestalles die Biogasanlage nicht privilegiert und damit objektiv nicht
rechtmäßig sei. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidung des 7. Senats vom 25.01.2005 (7 B
12114/04.OVG) zu verweisen.
Auch im Hinblick auf die Wells-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 07.01.2004 (NVwZ
2004, 593) sei zu bemerken, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, alle Maßnahmen zu ergreifen, um
das Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu verhindern. Hinzu komme, dass im Zeitpunkt des
Verwaltungsverfahrens Art. 10a der Richtlinie 2003/35 in Kraft war bzw. die Umsetzungsfrist abgelaufen
gewesen sei. Durch die unmittelbare Anwendung werde der betroffenen Öffentlichkeit ein Klagerecht vor
Gericht eingeräumt, um die verfahrensrechtlichen Bestimmungen durchzusetzen.
Die Kläger und Berufungskläger beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26.06.2007 den Bescheid des
Beklagten vom 29.07.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006 aufzuheben.
Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus: Die von den Klägern
behauptete Unbestimmtheit des Genehmigungsumfangs bestehe nicht, denn in der Genehmigung würden
sowohl hinsichtlich der Anlagenkonzeption, der Stoffströme als auch der zu installierenden elektrischen
Leistung klare und jederzeit verifizierbare Regelungen getroffen. Der Wegfall der zweiten Betriebseinheit
und die Reduzierung der ersten Betriebseinheit auf 0,5 MW bei unveränderten Einsatzstoffen im Rahmen
des laufenden Genehmigungsverfahrens stehe dem nicht entgegen, weil es eindeutig definiert sei, in
welchem Umfang die Erzeugung von Energie durch die Verarbeitung der genehmigten Input-Stoffe
erlaubt sei.
Insoweit die Kläger die Verletzung verfahrensrechtlicher Bestimmungen rügen, griffen diese Einwände
nicht durch. Denn abgesehen davon, dass Schweinemaststall und die Biogasanlage keine Gesamtanlage
bildeten, liege auch keine Benachteiligung der Kläger vor. Für die Erweiterung des Schweinemaststalles
auf 2.200 Mastplätze habe die Kreisverwaltung ................... ein förmliches Genehmigungsverfahren mit
eingeschlossener Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Die Kläger hätten sowohl im förmlichen
Genehmigungsverfahren für die Erweiterung des Schweinemaststalls wie auch als Beteiligte des
Verfahrens zur Genehmigung der Biogasanlage die Möglichkeit gehabt, Anregungen und Bedenken
gegen die Planungen der Beigeladenen vorzutragen. Eine formelle Umweltverträglichkeitsprüfung sehe
das Gesetz für die Genehmigung der Biogasanlage nicht vor.
Die mit der Biogasanlage verbundenen Immissionen führten auch nicht zu unzulässigen Belastungen der
Kläger. Die unter Berücksichtigung der Schutzmaßnahmen noch zu erwartenden Immissionen
überschritten nicht das zulässige Maß und seien deshalb von den Klägern letztendlich hinzunehmen. Für
die Beurteilung der zu erwartenden Geruchsimmission der geplanten Anlage sei zunächst von
entscheidender Bedeutung, dass entsprechend Abschnitt 3.5 der Nebenbestimmungen zu der
Genehmigung die Anlagenteile, bei denen mit einer maßgeblichen Geruchsentwicklung zu rechnen sei,
gekapselt und abgesaugt werden müssten, sodass die mit Geruchsstoffen beladene Luft nicht nach außen
gelangen könne. Für darüber hinaus noch bestehende Geruchsimmissionen hätten die Beigeladenen
durch die vorgelegte Geruchsimmissions- und Ammoniakprognose nachgewiesen, dass es im Bereich der
nächstgelegenen Wohnbebauung nicht zu erheblichen Geruchsbelästigungen komme.
Weiterhin seien keine relevanten Lärmimmissionen im Sinne der TA Lärm und der
Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) zu erwarten. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht eine
Einordnung als Dorfgebiet nach Nr. 6.1 b der TA Lärm vorgenommen und auf dieser Grundlage die
Einhaltung der Werte festgestellt. Hinsichtlich des Verkehrslärms sei auszuführen, dass der An- und
Ablieferverkehr auf einer öffentlich gewidmeten Straße stattfinde und insofern die
Verkehrslärmschutzverordnung Anwendung finden könne. Der hier maßgebliche … Weg sei auch eine für
den öffentlichen Verkehr gewidmete Straße.
Die Beigeladenen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie treten dem Berufungsvorbringen ebenfalls umfassend entgegen. Die von dem Senat eingeholte
schalltechnische Immissionsprognose bestätige die bisher im Genehmigungsverfahren vorgelegten
Gutachten und fachlichen Stellungnahmen, wonach von dem genehmigten Betrieb der Beigeladenen
keine Richt- bzw. Grenzwertüberschreitung der Lärmimmissionen für die Kläger zu erwarten. Weiterhin sei
auf Grundlage des Gutachtens des Ingenieurbüros R... und des Sachverständigen Prof. S… davon
auszugehen, dass die ermittelten Geruchsbelastungen nicht ein Volumen einnähmen, das zu einer
relevanten Beeinträchtigung führen würde. Im Übrigen sei bei dieser Form von Immissionen zu
berücksichtigen, dass diese nicht die Genehmigungsunfähigkeit des Vorhabens zur Folge hätten, sondern
allenfalls zu einer Nachregelung auf der Ebene von zusätzlichen Nebenbestimmungen zu der
Genehmigung nach Maßgabe des Bundesimmissionsschutzgesetzes Anlass geben könnten. Denn
Geruchsimmissionen können durch entsprechende technische Vorrichtungen und Filteranlagen – dies
gelte jedenfalls bei einer Biogasanlage – bis auf null reduziert werden.
Mit Beschluss vom 12.03.2009 (1 B 10069/09.OVG) hat der Senat die aufschiebende Wirkung der
Anfechtungsklage der Kläger gegen den Genehmigungsbescheid vom 29.07.2005 unter Abänderung des
Beschlusses vom 16.01.2008 (1 B 11353/07.OVG) aufgehoben und damit die Vollziehbarkeit des
Bescheides wiederhergestellt.
Der Senat hat am 29.05.2009 und 07.10.2009 in der Sache mündlich verhandelt und die
Sachverständigen ihre Gutachten erläutern lassen. Hinsichtlich der einzelnen Äußerungen wird auf das
Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Der Vertreter des Beklagten hat auf Anregung des
Senats und im Einvernehmen mit den übrigen Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 29.05.2009
den Genehmigungsbescheid vom 29.07.2005 dahingehend geändert, dass statt wie nach der bisherigen
Regelung „nachwachsende Rohstoffe (Getreide)“ nur „Getreidekörner“ statt der in Spalte 2 aufgeführten
Stoffe („Garten- und Parkabfälle…“), nur „Grasschnitt“ verwendet werden darf und im Übrigen die
Regelung zur Schweinegülle unverändert bleibe. Für Transporte über dem … Weg dürfen nach dieser
Neuregelung darüber hinaus 4 cbm-Tankwagen nicht mehr verwendet werden.
Der Senat hat den Beteiligten auf deren Anregung zur Gewährung rechtlichen Gehörs und weiteren
Aufklärung des Sachverhalts die Möglichkeit gegeben, schriftlich Fragen an die Gutachter zu richten und
diese bis zum 12.06.2009 schriftlich bei dem Gericht einzureichen.
Der Gutachter K... hat auf Anforderung des Senats eine erneute Berechnung unter Berücksichtigung des
Ergebnisses der mündlichen Verhandlung – insbesondere der Abänderung des
Genehmigungsbescheides – vorgenommen, die er unter dem 10.06.2009 vorgelegt hat. Die
Beantwortung der von den Beteiligten gestellten Fragen erfolgte in dem Ergänzungsgutachten
(gutachtliche Stellungnahme) vom 13.08.2009. Der Sachverständige Prof. S... hat sich unter dem
14.07.2009 umfangreich zu den Fragen der Beteiligten geäußert, der Sachverständige P… mit Schreiben
vom 23.07.2009.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten
Verwaltungs- und Widerspruchsakten sowie Planungsunterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg. Der
Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 29.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
22.11.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Verfahrensrechts. Die Anwendung des sogenannten vereinfachten Verfahrens nach § 19 BImSchG
begründet vorliegend schon deshalb keine Verletzung von Rechten der Kläger, weil der Beklagte die
Genehmigung der Biogasanlage und der Erweiterung der Schweinemast von 560 auf 2.200 Mastplätze
zutreffend in zwei getrennte immissionsrechtliche Verfahren aufgespalten hat.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 4. BImSchV gilt § 19 BImSchG für die in Spalte 2 des Anhangs genannte
Anlagen. Die hier genehmigte Biogasanlage ist im Anhang der Verordnung unter Ziff. 8.6. in Buchstabe b,
2. Spalte aufgeführt, so dass gemäß § 19 Abs. 1 BImSchG das vereinfachte Verfahren anwendbar ist. Dem
können die Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass es sich bei der erweiterten Schweinemast und
der Biogasanlage um eine einheitliche Anlage nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b der 4. BImSchV handele. Die
von ihnen insofern vorgebrachten Argumente einer technisch, funktional und rechtlich untrennbaren
Verbindung verfangen nicht:
Eine willkürliche Trennung zu Lasten der Kläger liegt nicht vor, da es sich technisch und rechtlich um zwei
eigenständige Anlagen und nicht um eine gemeinsame Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV
handelt. Zwar verlangt die baurechtliche Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB einen
Zusammenhang beider Betriebe, der vorliegend bereits durch die vorhandende Schweinemast hergestellt
wird. Immissionsrechtlich besteht eine solche Verbindung gerade nicht, wie schon die unterschiedlichen
Genehmigungserfordernisse und die unterschiedliche Zuordnung der Biogasanlagen einerseits und der
Schweinemastanlage mit einer Größe von 2.200 Mastplätzen andererseits in dem Anhang zur 4. BImSchV
zeigen (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 16.05.2006, 7 ME 6/06, RdL 2006, 212). Es handelt sich entgegen
der Auffassung der Kläger daher gerade nicht um Anlagen „derselben Art“ i. S. v. § 1 Abs. 3 der 4.
BImSchV. Die baurechtliche Verknüpfung der Anlagen über das Erfordernis einer Privilegierung nach § 35
Abs. 1 Nr. 6 BauGB sowie ein abgestimmtes Nutzungskonzept machen aus selbständigen und
unterschiedlichen Anlagen keine einheitliche Anlage im Sinne des Immissionsschutzrechts.
Überdies ist im Hinblick auf den geringen energetischen Ertrag von Schweinegülle für einen
ordnungsgemäßen Betrieb der Biogasanlage technisch auch keinesfalls die Erweiterung der
Schweinemast erforderlich, wie der Gutachter K... überzeugend bereits in seiner ersten Aufstellung der
Biogaserträge (s. Tabelle 5, S. 22 des Gutachtens vom 15.04.2008) aufgezeigt hat. Insbesondere könnte
hiernach der erforderliche Eintrag an Getreide nur um etwa 5 % verringert werden. Die gleichwohl
vorhandenen wirtschaftlichen Gründe für eine Erweiterung der Mast sind indessen für die hier
erforderliche immissionsrechtliche Betrachtung ohne Bedeutung. Dementsprechend ist die Genehmigung
des Landkreises ................... vom 27.11.2006 für eine erweiterte Schweinemast mit 2.200 Mastplätzen
hinsichtlich der Beurteilung der Biogasanlage auch insoweit nicht von Belang. Insbesondere führt die dort
normierte Bedingung der Vollziehbarkeit der Biogasanlage (Ziffer I, 1.) nicht zu einer technischen
Verbundenheit, sondern garantiert lediglich, dass die anfallende Gülle auch im Falle der Erweiterung der
Schweinemast einer Verstromung zugeführt werden kann.
Durch die Erteilung einer immissionsrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19
BImSchG statt in einem Verfahren nach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung werden im Übrigen
Dritte nicht in eigenen Rechten verletzt. Gegenteiliges folgt nicht aus europarechtlichen Vorgaben,
insbesondere nicht aus Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie). Die Klage Dritter kann
deshalb nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung führen, wenn das fehlerhafte
Verfahren zu einer Verletzung deren eigener materieller Rechte geführt hat (vgl. ausführlich Urteil des
Senats vom 29.10.2008, DVBl 2009, 390 m.w.N. in Abgrenzung zu OVG RP, Beschluss vom 25.01.2005, 7
B 12114/04.OVG), was indessen vorliegend gerade nicht der Fall ist. Eine förmliche
Umweltverträglichkeitsprüfung war vor diesem Hintergrund für die Errichtung der Biogasanlage weder
einfachgesetzlich vorgeschrieben (vgl. Anlage 1 zum UVPG, BGBl. I 2005, 1772) noch
gemeinschaftsrechtlich gefordert. Für die Erweiterung des Schweinemastbetriebes auf 2.200 Mastplätze
ist dagegen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden, die hier indessen auf der
Grundlage der vorherigen Ausführungen nicht zum Streitgegenstand des Verfahrens gehört.
2.
Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG RP verankerten Bestimmtheitsgrundsatzes. Hinreichende Bestimmtheit
eines Verwaltungsaktes bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung für die Beteiligten so
vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach richten können
und auch die mit der Angelegenheit befassten Behörden den Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen
oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen können. Ein Dritter kann sich auf die Verletzung
dieses Gebots jedoch nur dann mit Erfolg berufen, wenn sich die Bestimmtheit auf einen
Regelungsbereich auswirkt, der für die Gewährleistung seiner subjektiven Rechtspositionen von
Bedeutung ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.09.1995, BRS 57 Nr. 162 und Beschluss vom
30.05.2005, BauR 2005, 1459 ff.).
Vor diesem Hintergrund greifen die auch zweitinstanzlich vorgetragenen umfassenden Vorbehalte gegen
die Bestimmtheit des streitgegenständlichen Bescheides nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat hierzu
bereits zutreffend ausgeführt, dass die Bestimmtheit der Anlagenkonzeption in dem notwendigen und
hinreichenden Maße gegeben ist, insbesondere drittschützende Rechte der Kläger nicht verletzt werden.
Die Genehmigung vom 29.07.2005 sowie der Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006 nehmen Bezug auf
die Antragsunterlagen des Büros R..., die in dem Zeitraum vom 17.08.2004 und 25.07.2005 vorgelegt bzw.
ergänzt worden sind. Danach ist die Anlagenkonzeption der Biogasanlage durch die Planung präzise
vorgegeben und es sind die Stoffe festgelegt worden, die in der Biogasanlage maximal im Jahr verarbeitet
werden dürfen, nämlich insgesamt 6.600 t Schweinegülle, 5.950 t Getreide und 100 t Abfälle aus der
Landespflege.
Ist damit die Obergrenze hinreichend definiert, so ergab zudem die von dem Senat durchgeführte
Beweisaufnahme, dass der vorgenannte Input nicht mit dem genehmigten Aggregat verwertet werden
kann. Der Gutachter ... hat in seinem Gutachten vom 15.04.2008 (u.a. Tabelle 5, Seite 22 – „Biogaserträge
praxisorientiert“) eingehend dargelegt, dass die im Bescheid genannten Input-Mengen in der
genehmigten Anlage nicht verstromt werden können, da in einem Blockheizkraftwerk mit 500 kWh
Leistung bei einem Auslastungsgrad von 100 % maximal 4.380.000 kWh, tatsächlich aber bei realistischer
Auslastung von 91 % nur etwa 4.000.000 kWh Stromerzeugung möglich sind. Demzufolge könne die
genehmigte Input-Menge (insbesondere 5.950 t Getreidekörner und 100 t Grasschnitt) in einem 500 kW-
Blockheizkraftwerk nicht verstromt werden. Dieser Berechnung legt er zutreffend die Formel –500 kW/h x
24 h/d x 365 d/Jahr– für die Kapazitätsermittlung (vgl. S. 19 des Gutachtens) zugrunde.
In den mündlichen Verhandlungen am 29.05. und 07.10.2009 hat der Gutachter diese Angaben bestätigt
und ausgeführt, dass die genehmigte Input-Menge ein größeres Blockheizkraftwerk erfordern würde. Dies
liegt zur Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit den beauftragten Gutachtern daran, dass im
ursprünglichen Genehmigungsverfahren eine elektrische Leistung von 1 MW festgelegt worden war,
während im späteren Verfahren diese Leistung auf 0,5 MW im Hinblick auf den Privilegierungstatbestand
nach § 35 Abs. 1 Nr. 6d BauGB reduziert worden ist. Durch diese aus dem Verlauf des
Genehmigungsverfahrens zu erklärende überhöhte Festsetzung der Input-Mengen können die Kläger
jedoch keine Verletzung ihrer Rechte herleiten. Wie bereits ausgeführt, darf durch die installierte
elektrische Leistung der Anlage 0,5 MW nicht überschritten werden, so dass verbindlich festgeschrieben
ist, wie viel Strom maximal in der Anlage erzeugt werden darf. Damit ist jedoch zugleich technisch bedingt
festgelegt, dass mit dem genehmigten Aggregat auch nur diese Menge Strom erzeugt werden kann. Dass
die Beigeladenen entgegen der Anregung des Senats in der mündlichen Verhandlung an den maximal
festgesetzten Mengen festgehalten haben, erscheint aus sachlichen Gründen zwar nicht nachvollziehbar,
stellt jedoch nicht die Rechtmäßigkeit der Anlagengenehmigung insgesamt in Frage und führt
insbesondere nicht zur einer Verletzung der Rechte der Kläger, da sich der erforderliche Input aus der
Kapazität des genehmigten Aggregats ohne weiteres errechnen lässt.
Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass nicht klar sei, ob
sich der Betrieb der Biogasanlage auf einen Schweinemastbetrieb mit 2.200 (geplante Erweiterung) oder
560 (Bestand) Tieren beziehe. Dieser Umstand hat – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend
ausgeführt hat – im Ergebnis keine Auswirkungen auf die genehmigte Anlagenkonzeption der
Biogasanlage und ist von daher für die Bestimmtheit der Genehmigung ohne Belang. Insbesondere hat
auch der Gutachter K... plausibel dargelegt, dass wegen der geringen energetischen Leistung von Gülle
maximal nur eine Differenz von jährlich 202.428 KW/h bei einer Gesamtenergieleistung von 3.983.922
KW/h entsteht (vgl. Gutachten K..., Tabelle 5, S. 22), so dass insoweit von vorrangigem Interesse ist, dass
in jeder Betriebsvariante die Gülle vollständig dem Verfahren der Biogaserzeugung zur Verfügung gestellt
wird. Dies ist für den hier zunächst maßgeblichen Ist-Betrieb (560 Mastplätze mit Biogasanlage) so
offenkundig, dass es keiner weiteren Ausführungen bedarf; aber auch in den Zielbetrieben mit 2.220
Mastplätzen kann auf der Grundlage der Gutachten hiervon ohne weiteres ausgegangen werden. Ein
drittschutzrelevantes Problem der Bestimmtheit des Genehmigungsbescheides kann jedenfalls nicht
daraus resultieren, dass die Biogasanlage auch mit einer erweiterten Genehmigung zur Tierhaltung des
verbundenen Betriebes funktionsfähig wäre. Gegenteiliges zu fordern geht ersichtlich über das System
des zu gewährenden Drittschutz hinaus. Der weitere Vortrag der Kläger zu Variationen beim
Verkehrsaufkommen beruht im Wesentlichen auf einer rechtlichen Fehleinschätzung der Tragweite des
Bestimmtheitsgebots. Eine immissionsrechtliche Prüfung beinhaltet eine Verkehrsprognose auf der
Grundlage einer möglichst realitätsnahen Darstellung der Betriebsabläufe. Eine Genehmigung oder
zumindest Nachvollziehbarkeit quasi jedes einzelnen Transports kann offensichtlich im
immissionsrechtlichen Verfahren nicht verlangt werden, da dies die Genehmigungsunfähigkeit jedes
größeren Vorhabens zur Folge haben würde.
Der Beklagte hat darüber hinaus auf Anregung des Senats zur näheren Bestimmung der Inputstoffe der
geplanten Biogasanlage in der mündlichen Verhandlung die Anlage 1 zum Genehmigungsbescheid vom
29.07.2005 dahingehend geändert, dass statt wie nach der bisherigen Regelung „nachwachsende
Rohstoffe (Getreide)“ nur „Getreidekörner“ und statt der in der Spalte 2 aufgeführten Stoffe („Garten- und
Parkabfälle…“), nur „Grasschnitt“ verwendet werden darf. Damit sind der Beklagte und die Beigeladenen
dem Anliegen der Kläger insoweit in der größtmöglichen Weise entgegengekommen. Eine weitere
Differenzierung war rechtlich zugunsten der Kläger offensichtlich nicht geboten.
3.
Beweisaufnahme auch nicht gegen nachbarschützende immissionsschutzrechtliche Bestimmungen. Nach
den §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG darf eine Genehmigung nur erteilt werden, wenn
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche
Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Unter für
die Nachbarschaft schädlichen Umwelteinwirkungen sind alle Immissionen im Sinne von § 3 BImSchG zu
verstehen, die für die Nachbarn nach Art, Ausmaß und Dauer unzumutbar sind. Was zumutbar ist, richtet
sich u.a. nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit
und Schutzbedürftigkeit der Umgebung, wobei wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale
Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend sind (st. Rspr. des BVerwG, vgl. etwa Urteil vom
21.05.1976, BVerwGE 51, 38; Urteil vom 29.04.1988, BVerwGE 79, 254; Urteil vom 30.04.1992,
NJW 1992, 2779; Urteil vom 24.09.1992, NJW 1993, 342). Die Beantwortung der Zumutbarkeitsfrage
verlangt eine einzelfallbezogene Interessenbewertung, wobei ein objektiver Maßstab anzuwenden ist und
zur Konkretisierung immissionsschutzrechtlicher Grundanforderungen Verwaltungsvorschriften und
technische Regelwerke heranzuziehen sind.
a.
Biogasanlage entstehende Verkehrslärmbelastung nicht festzustellen.
Maßgebliche Regelung ist Ziff. 7.4. Abs. 2 der TA Lärm i.V.m. den Regeln der
Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV). Hiernach sollen Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs
auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 Metern von dem Betriebsgrundstück in
Gebieten nach Nummer 6.1c bis f TA Lärm durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich
vermindert werden, soweit sie u.a. den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die
Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen und die Immissionsgrenzwerte der
Verkehrslärmschutzverordnung erstmals oder weitergehend überschritten werden.
Der Vortrag der Kläger, Ziff. 7.4. Abs. 2 TA Lärm könne keine Anwendung finden, weil es keinen
erforderlichen fließenden Verkehr gebe, in den sich der zusätzliche Verkehr einordnen könne, ist
zurückzuweisen. Entscheidend für die Frage, ob Verkehrsgeräusche der Anlage gemäß Ziff. 7.4. Abs. 1 TA
Lärm unmittelbar zuzuordnen sind oder gemäß Absatz 2 bis 4 nur eingeschränkt in die Beurteilung
einbezogen werden, ist zunächst der Entstehungsort der Geräuschemissionen entweder auf öffentlichen
Verkehrsflächen oder auf nicht-öffentlichen Flächen. Im Allgemeinen ist damit die Werks- oder
Betriebsgrenze maßgeblich (vgl. Feldhaus, Kommentar zum Bundesimmissionsschutzrecht, B.3.6, Rn.
40ff).
Dabei ist grundsätzlich der durch die Nutzung einer baulichen Anlage bedingte Zu- und Abgangsverkehr
dieser auch dann zuzurechnen, wenn er auf der öffentlichen Verkehrsfläche im Bereich der baulichen
Anlage stattfindet (BVerwG, Urteil vom 27.08.1998, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr 190). Für die
Beurteilung der Zumutbarkeit des vom Zu- und Abgangsverkehr ausgehenden Lärms ist die
Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) dann nicht anwendbar, wenn es sich um von üblichen
Verkehrsgeräuschen unterscheidbare Betriebsgeräusche handelt (Feldhaus, Kommentar zum
Bundesimmissionsschutzrecht B.3.6, Rn. 40ff). Dies hat der Gutachter P... in Umsetzung der Vorgaben des
Senats umfassend berücksichtigt, so dass insofern auf den Inhalt dieser Darstellungen verwiesen werden
kann (siehe u.a. S. 41 ff des Gutachtens vom 01.10.2008).
Es gibt aber auch im Übrigen keinen plausiblen Grund, warum die 16. BImSchV über Ziff. 7.4. Abs. 2 TA
Lärm vorliegend hinsichtlich des Anlieferverkehrs keine Anwendung finden sollte. Der Umstand, dass der
… Weg bisher angeblich kaum befahren werde, kann nicht die Anwendbarkeit der Regelung, die für
öffentliche Verkehrsflächen außerhalb des Anlagenbereichs allgemein Gültigkeit beansprucht, in Frage
stellen. Zudem hat der Gutachter P... bei seiner Verkehrszählung durchaus eine messbare Vorbelastung
festgestellt. Darüber hinaus kann nicht ernstlich in Frage gestellt werden, dass es sich bei den
transportbedingten Geräuschen vor dem Grundstück der Kläger um Verkehrsgeräusche und nicht um
Betriebsgeräusche der Biogasanlage handelt.
Der Gutachter hat auf dieser Grundlage in seiner Ausarbeitung und den nachfolgenden Stellungnahmen
eindeutig die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte bestätigt. Er kam zu dem Ergebnis, dass im
Zusammenhang mit dem Ziel- und Quellverkehr des Betriebs auf dem … Weg und der …straße davon
auszugehen sei, dass der Tagesimmissionsgrenzwert von 59 dB(A) für Wohngebiete entsprechend der
16. BImSchV an allen Immissionspunkten sicher eingehalten werde, was auch bei einer Verdoppelung
des Verkehrsaufkommens durch den Betrieb B… gelte. Nach der zusammenfassenden Darstellung auf S.
51 ergäben die im Zusammenhang mit dem Ziel- und Quellverkehr des Betriebes auf dem … Weg und auf
der …straße zu erwartenden Verkehrsgeräuschimmissionen gemäß Auflistung Gutachten K... in
Überlagerung mit dem schon vorhandenen Verkehr aus dem Ortsbereich (Zählwerte mit erhöhtem
Verkehrsaufkommen wegen Baustelle) für den Maximalansatz (Getreideernte, Zielbetrieb 1) einen
zumutbaren Gesamtbeurteilungspegel, der in Tabelle 11 ausgeführt ist. Darin ist dargestellt, dass etwa auf
dem … Weg … (Grundstück der Kläger des Verfahrens 1 A 10872/07.OVG) der Wert von 54 db(A) und auf
dem … Weg … (Grundstück der Kläger) von 30 db(A) zur Tageszeit nicht überschritten wird. Da auch
während der Getreideerntezeit der Tagesimmissionsgrenzwert von 59 dB(A) für Wohngebiete
entsprechend der Verkehrslärmschutzverordnung eingehalten werde, seien organisatorische
Maßnahmen im Sinne der TA-Lärm nicht erforderlich.
Mit den hiergegen vorgebrachten Einwänden vermögen die Kläger nicht durchzudringen. Das Gutachten
ist nachvollziehbar in seinen Erhebungen und plausibel in den vorgenommen Bewertungen.
Insbesondere können die auf der Grundlage der ersten mündlichen Verhandlung u.a. mit Schriftsatz vom
08.06.2009 vorgebrachten weiteren Einwendungen und Fragen der Kläger sowie der Kläger des
genannten Parallelverfahrens (Ende der 30 km/h-Zone, angeblich höheres Gesamtaufkommen des
Verkehrs) nicht zu anderen Ergebnissen führen. Der Gutachter P... hat zuletzt in seiner dem Gericht unter
dem 23.07.2009 vorgelegten Stellungnahme die Ermittlung des durch die Biogasanlage sowie den
erweiterten Mastbetrieb verursachten Fahrzeug- bzw. Verkehrslärms nochmals eingehend und
nachvollziehbar dargestellt. An mehreren Stellen hat der Gutachter bekräftigt, dass es sich stets um
Maximalannahmen handele, so dass selbst bei einer deutlichen Erhöhung von Fahrten durch die
alternativen Berechnungen der Gärreste- und Getreidetransporte die Tagesimmissionsgrenzwerte von 59
dB(A) bei jeder Genehmigungsvariante (auch bei 50 km/h) sicher eingehalten werden. Dementsprechend
sind derzeit auch keine organisatorischen Maßnahmen nach der TA Lärm erforderlich und war den
weiteren Beweisanregungen und –anträgen der Kläger angesichts sicher eingehaltener Grenzwerte nicht
weiter nachzugehen. Im Hinblick auf die im Bereich des Grundstücks der Kläger im Betzinger Weg schon
lagebedingt deutliche günstigere Lärmbelastung und die damit einhergehende offensichtliche Einhaltung
der Immissionsgrenzwerte bedarf es hierzu keiner weiteren Ausführungen. Rein ergänzend kann insofern
auf die weiteren Darstellungen im Verfahren 1 A 10872/07.OVG verwiesen werden.
b.
maßgeblichen Ziff. 6 der TA Lärm auf der Grundlage der Beweisaufnahme ebenfalls sicher
auszuschließen.
Der maßgebliche Beurteilungspegel nach der TA Lärm ist abhängig von der Gebietsqualität. Vorliegend
ist nach Auskunft der Stadt M........... vom 28.05.2009 (Herr Heilmayer, Stadtverwaltung M...........,
Fachbereich 3 – Bauen) im Bereich des Grundstücks der Kläger der Bebauungsplan „In der vorderen
Cond – 1. Änderung und Ergänzung“ maßgeblich, der ein allgemeines Wohngebiet und
Gemeinbedarfsflächen festlegt. Schon von daher kann dem Grundstück der Kläger keine Schutzwürdigkeit
eines reinen Wohngebiets zugebilligt werden.
In Bereichen, wo Gebiete unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit zusammentreffen, ist zudem die
Grundstücksnutzung mit einer spezifischen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, die u.a. dazu führt, dass
der Belästigte Nachteile hinnehmen muss, die er außerhalb eines derartigen Grenzbereiches nicht
hinzunehmen brauchte. Das führt nicht nur zur Pflichtigkeit dessen, der Belästigungen verbreitet, sondern
auch – im Sinne der „Bildung einer Art von Mittelwert“ – zu einer die Tatsachen respektierenden
Duldungspflicht derer, die sich in der Nähe von – als solche legalen – Belästigungsquellen ansiedeln.
(vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1975, BVerwGE 50, 49 – Tunnelofen; BayVGH, Urteil vom 27.11.2006, 15
BV 06.422).
Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme (objektivrechtlich) stellt, hängt nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 22.06.1990, ZfBR 1990, 293) wesentlich von
den jeweiligen Umständen ab. Maßgebend ist u.a. Art und Ausmaß der schutzwürdigen Stellung des
Rücksichtnahmebegünstigten. Dessen Schutzbedürfnis ist gegen die ihrerseits schutzwürdigen Interessen
des Bauherrn mit der Fragestellung abzuwägen, was dem einen und dem anderen nach Lage der Dinge
billigerweise "zuzumuten" ist. Bei der Interessenabwägung dürfen bestehende Vorbelastungen nicht
außer Betracht bleiben. Was von einem genehmigten Betrieb legal an Belastungen verursacht wird und
sich auf eine vorhandene Wohnbebauung auswirkt, kann deren Schutzwürdigkeit mindern.
Dementsprechend sind die Lage des Grundstücks der Kläger in der unmittelbaren Grenze zum
Außenbereich und der bereits seit Jahrzehnten vorhandene Schweinemastbetrieb bei den
Zumutbarkeitserwägungen zu berücksichtigen.
Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht danach die Lage des Grundstücks der Kläger am
Rande des Außenbereichs eher für eine Schutzwürdigkeit entsprechend derjenigen eines Dorfgebietes;
andererseits muss berücksichtigt werden, dass es insbesondere der Betrieb der Beigeladenen ist, der
dem angrenzenden Gebiet das landwirtschaftliche Gepräge gibt, sodass es sachgerecht erscheint,
vorliegend einen Mittelwert zwischen Dorfgebiet und allgemeinem Wohngebiet zu bilden.
Der Gutachter P... ist vor diesem Hintergrund in seinem Gutachten vom 01.10.2008 zu dem Ergebnis
gelangt, dass bei dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen die Immissionsrichtwerte der TA
Lärm für ein allgemeines Wohngebiet von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) bei jeder
Genehmigungsvariante sicher eingehalten würden (S. 49). Zwar ergäben sich „in Überlagerung der zu
erwartenden Geräuschimmission der Biogasanlage und erweiterten Mastbetrieb mit dem vorhandenen
Betrieb“ gemäß Tabelle 10 (S. 50) Beurteilungspegel, die deutlich über dem bisherigen Stand lägen. Der
Tages- und Nachtimmissionsrichtwert eines allgemeinen Wohngebietes von 55 bzw. 40 dB(A) werde aber
auch hier sicher eingehalten.
Der Gutachter führt weiter aus (S. 44), dass bei derBetriebsbeschreibung des landwirtschaftlichen
Betriebes B… Angaben mitgeteilt worden seien, die eine Maximalsituation kennzeichneten, die nicht
täglich zu erwarten sei. Daher korrespondiere die Fahrzeuganzahl insofern nicht mit dem
Fahrzeugaufkommen des Gutachtens K.., die aus Mittelwerten aus dem jährlichen Verkehrsaufkommen
errechnet worden seien und keine Spitzentage im Sinne der TA-Lärm darstelle. Bei Zugrundelegung
eines maximalen Betriebsablaufs kommt der Gutachter bei den Immissionspunkten zu dem
Beurteilungspegel, die er in Tabelle 6 (S. 46) dargestellt hat. Der Höchstwert wird hier am Wohnhaus der
Kläger, Betzinger Weg 12, mit 44 db(A) tags und 23 db(A) nachts angegeben, so dass bereits bei
Zugrundelegung eines allgemeinen Wohngebietes alle Grenzwerte der TA Lärm sicher eingehalten
wurden.
Die hiergegen vorgetragenen Einwendungen konnten keine ernstlichen Zweifel an den gutachterlichen
Feststellungen begründen. Der Gutachter hat zur Überzeugung des Senats in seinen ausführlichen
Stellungnahmen (zuletzt unter dem 23.07.2009, Bl. 714-727 GA) die aufgekommenen Fragen auch zu
diesem Themenkomplex umfassend und erschöpfend beantwortet und im Ergebnis weitere
Berechnungen für nicht erforderlich erachtet. Dem schließt sich der Senat an, da erhebliches Vorbringen
hiergegen nicht erbracht wurde.
c.
Biogasanlage nach Maßgabe der Genehmigung vom 29.07.2005 – werden die Kläger zur Überzeugung
des Senats auch nicht von erheblichen Geruchsimmissionen betroffen. Dabei hat die Erweiterung der
Schweinemast jedenfalls hier außer Betracht zu bleiben, weil sie Gegenstand einer gesonderten
Genehmigung ist und die Geruchsimmissionen nicht der Biogasanlage unmittelbar zugeordnet werden
können.
Für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen aus Biogaskraftwerken fehlen
rechtsverbindliche Konkretisierungen. Eine sachgerechte Orientierungshilfe für die Beurteilung der
Zumutbarkeit der mit einer Schweinehaltung verbundenen Immissionen kann die VDI-Richtlinie 3471
bieten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.07.1998, NVwZ 1999, S. 63). Werden die sich aus ihr ergebenden
Mindestabstände eingehalten, stellt dies ein Indiz dafür dar, dass durch die Schweinezucht keine für die
Nachbarn unzumutbaren Emissionen ausgelöst werden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.05.2003, 22 A
5565/00, juris). Eine unmittelbare Anwendung für Biogasanlagen kommt indessen wegen der insoweit
fehlenden Vergleichbarkeit nicht in Betracht.
Auch die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) kann schon mangels normativer Wirkung keine unmittelbare
Anwendung finden. Bei der GIRL handelt es sich um ein von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für
Immissionsschutz (LAI) entwickeltes (s. BT-Drs. 15/3600, S. 305), in einigen Bundesländern – jedoch nicht
in Rheinland-Pfalz – als Verwaltungsvorschrift eingeführtes Regelwerk zur Ermittlung der Zumutbarkeit
von Geruchsimmissionen (vgl. zuletzt OVG RP, Urteil vom 04.07.2006, 8 C 11709/05.OVG; vgl. auch
Beschluss vom 15.06.2005, 8 A 10548/05.OVG). Vor diesem Hintergrund einer bisher fehlenden
normativen Wirkung der GIRL ist die Frage der Erheblichkeit dieser Immissionen im gerichtlichen
Verfahren primär anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten,
wobei die GIRL einen wichtigen Orientierungspunkt darstellen kann, jedoch für das Gericht in seinen
inhaltlichen Aussagen nicht bindend ist. Bei dieser Einzelfallbeurteilung kommt es maßgeblich auf die
Situation an, in die die Grundstücke (hier diejenigen der Klägers und der Beigeladenen) gestellt sind und
ob prognostisch eine unzumutbare Geruchsimmission für die Kläger zu erwarten ist.
Dabei ist auch in diesem Zusammenhang zu beachten, dass in den Bereichen, in denen Baugebiete von
unterschiedlicher Qualität und unterschiedlicher Schutzwürdigkeit zusammentreffen, die
Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet ist, die unter anderem
dazu führt, dass der Belästigte Nachteile hinnehmen muss, die er außerhalb eines derartigen
Grenzbereiches nicht hinzunehmen brauchte (BVerwG, Urteil vom 12.12.1975, BVerwGE 50, 49). Da der
Außenbereich dazu dient, privilegierte Vorhaben wie etwa landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen
(vgl. NdsOVG, Beschluss vom 14.03.2007, RdL 2007, 145), müssen Eigentümer von Wohnhäusern im
Randgebiet zum Außenbereich mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen. Insofern ist ihre
Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit gegenüber einer Wohnnutzung, die sich inmitten einer Ortslage
befindet, deutlich herabgesetzt.
Vor diesem Hintergrund ist in der Gesamtschau der dem Senat vorliegenden Gutachten und
sachverständigen Stellungnahmen nicht damit zu rechnen, dass die Kläger auf ihrem Grundstück
unzumutbaren Geruchsimmissionen durch die Biogasanlage ausgesetzt wären.
Dies ergibt sich zunächst, worauf das Verwaltungsgericht bereits hingewiesen hat, aus der im
Genehmigungsverfahren vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme „Geruchsgutachten und
Ammoniakprognose für die Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebes B…, ...................“ des
Ingenieurbüros ... vom Januar 2004. Hierin ist im Hinblick auf die Erweiterung der Schweinemast auf
2.200 Mastplätze ausgeführt, dass auf keiner Beurteilungsfläche mit geschlossener Wohnbebauung eine
Wahrnehmungshäufigkeit von 0,10 (entsprechend 10 % der Jahresstunden) erreicht oder überschritten
werde und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch
Ammoniakimmissionen vorlägen. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass die Geruchsimmissionen
westlich der Anlage in einer Entfernung von 150 m lediglich an 7,5 % der Jahresstunden wahrnehmbar
seien. Da das Wohnhaus … Weg … zudem mehr als 300 m von der geplanten Anlage entfernt steht, sah
bereits die Vorinstanz auf dieser Grundlage keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger unzumutbaren
Geruchsimmissionen nach den Regelungen der GIRL ausgesetzt seien. Mit Schreiben vom 08.10.2004
hat der Beigeladene ergänzend mitgeteilt, dass bisher die anfallende Gülle in einem 1006 cbm großen
Güllebehälter gelagert sei, so dass eine verminderte Geruchsbelastung zu erwarten sei.
Der Gutachter Prof. S... ging in seiner Beantwortung der Beweisfrage in dem Gutachten vom 30.12.2008
davon aus, dass bei keiner der vier beauftragten Betriebsvarianten mit letztlich erheblichen
Geruchsimmissionen durch die Biogasanlage zu rechnen sei. Zusammenfassend führte er zwar aus (S.
59), dass die kalkulierten Gesamtgeruchsemmissionen von 66,496 MGE/h (Annahme für den erweiterten
Planzustand II) den ungünstigsten Fall darstellten und um 33,5 % höher seien als die 49,824 MGE/h der
Ausbreitungsrechnung des Büros R.... Insgesamt kommt der Sachverständige jedoch zu dem Schluss,
dass die Annahmen des genannten Ingenieurbüros sowie der genehmigenden Behörde zutreffend
gewesen seien, die Geruchsstoffimmissionen der Biogasanlage bei der Ausbreitungsrechnung
unberücksichtigt zu lassen, da deren Anteil an der Gesamtbelastung bei Nichtberücksichtigung der
Geschlossenheit der Anlage im Hinblick auf den Zielbetrieb mit erweiterter Schweinemast maximal 14 %
betrage.
Der Gutachter Prof. S... hat darüber hinaus unter dem 14.07.2009 ausführlich Stellung genommen. Dabei
hat er zunächst ausgeführt, dass die unterschiedlich betrachteten Input-Mengen hinsichtlich der
Geruchsimmissionen kaum von Bedeutung seien. Auch hinsichtlich der Geruchsimmissionen sei die
Begrenzung des Blockheizkraftwerks auf 500 kW Leistung der limitierende Faktor. Die im vorliegenden
Fall zugelassenen Input-Mengen seien wahrscheinlich dadurch entstanden, dass man ursprünglich von 2
BHKW-Modulen à 536 kW ausgegangen sei und im Folgenden aufgrund der Privilegierungsgrenze des
§ 35 Abs. 1 Nr. 6d BauGB das 2. BHKW aus der Planung genommen und dabei die Input-Mengen einfach
beibehalten habe. Wenn die vom Ingenieurbüro ... angesetzten Gesamtemissionen von 13.840 GE/s (nur
Mastschweinestall mit 2.200 Mastplätzen) zur Überschreitung der Geruchshäufigkeit an den
Immissionspunkten von lediglich 4 bis 6 % führten, so wäre bei isolierter Betrachtung der Biogasanlage
durch den Sachverständigen maximal 7.291 GE/s anzusetzen. Diese Quellstärke entspreche 52,7 % der
vom Ingenieurbüro R... angesetzten Gesamtimmissionen von 13.048 GE/s und wäre damit bereits nicht
geeignet, zu höheren Geruchsimmissionen als 6 % auf dem deutlich näher liegenden dem Grundstück der
Kläger des Parallelverfahrens zu führen, so dass die Werte für das Grundstück der Kläger von der
Belastung her entsprechend niedriger einzustufen sind. Im Hinblick auf die Erheblichkeitsschwellen nach
3.3 GIRL weist der Gutachter darauf hin, dass die Biogasanlage (bei Außerachtlassen der
Geschlossenheit der Anlage) zwar mehr als 2 % zusätzliche Immissionen erzeugen könne, es aber
unwahrscheinlich sei, dass die Berücksichtigung der Biogasanlage bedingten Geruchsimmissionen eine
Grenzwertüberschreitung nach GIRL von 10 % hervorrufen würden. Lege man das vorhandene Gutachten
R.. zugrunde, so ergäben sich aus den ermittelten Wahrnehmungshäufigkeiten Werte von 4 % bis 5,4 %
auf dem Grundstück der Kläger (B……………Weg ..).
Der Sachverständige verweist ergänzend auf eine Vergleichsrechnung der SGD Nord gemäß Schreiben
vom 26.06.2009. Darin sei eine Ausbreitungsberechnung mit den von ihm ermittelten Geruchsfrachten von
2.200 Mastschweinen und der Biogasanlage durchgeführt worden (Tafeln 16 bis 19 Gutachten S...). Die
Wahrnehmungshäufigkeit der Geruchsimmissionen betrage hiernach auf dem Grundstück der Kläger ca. 5
% (grüne Zelle), auf dem Grundstück der Kläger des Parallelverfahrens dagegen 9 % (gelbe Zelle). Sofern
die Vergleichsrechnung der SGD Nord mit den vom Sachverständigen angesetzten Maximalimmissionen
(Gliederungspunkt 5, Tafel 20 des Gutachtens) erfolgt sei, wäre anzumerken, dass die Immissionen der
Biogasanlage in der Realität etwas niedriger ausfallen würden, da die Geschlossenheit der Anlage
unberücksichtigt geblieben sei. Daher würden die Geruchsquellen laut Tafel 18 des Gutachtens 1b
(Lagerung Grünschnitt), 2b (Dosierung Grünschnitt), 3b (Verdrängungsluft Input-Stoffe), 9b (Luftwechsel
BHKW-Raum) in der Realität nicht oder kaum in Erscheinung treten. Es sei dabei zu beachten, dass die
gesamte Biogashalle unter Unterdruck stehe.
Im Falle der Nichterweiterung der Schweinemast sei der Anteil der Biogasanlagengerüche mit 2.332 GE/s
mit 32 % an der Gesamtimmissionsfracht (7.291 GE/s) nicht unerheblich, jedoch insgesamt nicht dazu
geeignet, zu mehr als 6 % Wahrnehmungshäufigkeit an den Immissionspunkten zu führen. Hierzu seien
bekanntermaßen die von R... gerechneten 13.840 GE/s bereits nicht fähig gewesen. Nach Einschätzung
des Sachverständigen (ohne Verifizierung über eine eigene Ausbreitungsberechnung und nur durch
Vergleich mit der Erstrechnung von R... und der von der SGD Nord angefertigten Vergleichsrechnung vom
26.06.2009) liege die Sachlage hier so, dass die Zusatzbelastung durch Gerüche an den
Immissionspunkten um mehr als 2 % betragen werde, der GIRL-Grenzwert von 10 % aber insgesamt
unterschritten bleibe. Er habe bei der Begutachtung alle ihm relevant erscheinenden Geruchsquellen der
Biogasanlage sowie auch der Mastschweinestallung (560 bzw. 2.200 Mastplätze) in zwei Leistungsstufen
hinsichtlich der Tageszunahme der Tiere sorgfältig ermittelt und durch Vergleich der Relationen der
ermittelten Geruchsimmissionen die Beantwortung der Beweisfrage ermöglicht.
Der Beklagte hat in dem genannten Schreiben vom 26.06.2009 mitgeteilt, dass die genannte
Vergleichsrechnung auf der Grundlage der Bestimmungen der TA Luft 2002 und der GIRL 2008 (Fassung
vom 29.02.2008) unter Anwendung des Rechenprogramms AUSTAL 2000 mit den von Prof. S...
ermittelten Geruchsfrachten, der dortigen Geländetopografie sowie den Wetterdaten der Wetterstation
Mendig vorgenommen worden sei. An dem Haus der Kläger werde danach der Immissionswert für Wohn-
/Mischgebiete von 0,10 unterschritten. Die Verwendung der Wetterdaten von Mendig führe im
vorliegenden Fall auch zu einer zutreffenden Prognose. Die Wetterstation Mendig liege in einer offenen,
relativ flachen Landschaft, welche bis an die Ortslage von Hausen heranreiche. Daher sei davon
auszugehen, dass die Windverhältnisse auf dem freien Feld nordöstlich von Hausen denen am Flugplatz
Mendig entsprächen. Deshalb sei es zulässig, die Wetterdaten der Station Mendig für eine Berechnung
der Geruchsimmissionen im Einwirkungsbereich der Anlage zugrunde zu legen. Die Wetterdaten seien
auf eine Anemometerposition 1.000 m nördlich der Anlage übertragen, also auf einen Punkt in der weiten
Feldflur. Lokale Windsysteme (wie z.B. Kaltluftabflüsse), welche in besonderer Weise Immissionen der
Vergärungsanlage zu den Häusern der Kläger tragen könnten, seien aufgrund der Topografie nicht
anzutreffen.
Diese Berechnung der Beklagten ist von den Klägern nicht substantiiert fachlich in Abrede gestellt
worden, so dass sie mit zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden konnte (vgl. auch BayVGH,
Beschluss vom 19.01.2009, 15 CS 08.2980). Hinzu kommt die geschlossene Ausführung der Anlage, die
bei der Begutachtung ... ja außer Betracht geblieben ist. Denn die Geschlossenheit der Anlage ist ein
wesentlicher Faktor für das Ausmaß der letztlich bei den Klägern ankommenden Immissionen. Dabei ist zu
beachten, dass in Ziffer 3.5.2 der Nebenbestimmungen der Genehmigung vom 29.07.2005 dafür Sorge
getragen worden ist, dass Speicherbehälter für geruchsemittierende Stoffe wie Nachgärer,
Hygienisierungsbehälter und Güllevorratsbehälter bei Befüllvorgängen so abzusaugen sind, dass keine
geruchsbeladene Verdrängungsluft nach außen dringt und in der übrigen Zeit ständig Luft abzusaugen ist.
Hierdurch wird sichergestellt, dass die durch die bestimmungsgemäßen Betriebsabläufe entstehenden
Geruchsimmissionen möglichst gering bleiben. Gerade auch vor diesem Hintergrund ist auf der
Grundlage der Beweisaufnahme mit der notwendigen Gewissheit auszuschließen, dass für die Kläger
unzumutbare Geruchsimmissionen bereits bei Annahme eines Grenzwerts der Wahrnehmungshäufigkeit
von 10 % der Jahresstunden entstehen.
Im Übrigen kommt auch dem von dem Gutachter unterstellten Wert von 10 % schon nach der zum
Zeitpunkt der Genehmigung geltenden Fassung der GIRL keine Verbindlichkeit zu. So können vielmehr in
einem (faktischen) Dorfgebiet, das durch praktizierende landwirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung
geprägt ist, auch Gerüche zuzumuten sein, die 15 % der Jahresgeruchsstunden überschreiten (vgl. OVG
NRW, Urteil vom 20.09.2007, BauR 2008, 71). Die Werte nach Nr. 3.1. GIRL (Fassung vom 21.09.2004) für
Immissionen aus landwirtschaftlicher Tierhaltung (Schweine, Rinder) würden dem Begriff dessen, was
unzumutbar im Sinn des
§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO
bzw. im Sinn des
§ 3 Abs. 1 BImSchG
"erheblich" ist,
nicht gerecht (vgl. BayVGH, Urteil vom 17.09.2007, 15 BV 07.142 m.w.N.).
Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat auch für Beurteilung von Gerüchen aus Biogasanlagen
grundsätzlich an, da die Geruchsbelastung im Wesentlichen aus der zugrundeliegenden Tierhaltung
wurzelt und die zu betrachtenden Geruchsimmissionen der Tierhaltung im weiteren Sinne zuzuordnen
sind. Der genannten Kritik Rechnung tragend sieht Tabelle 1 von 3.1. der GIRL 2008 (in der Fassung der
Ergänzung vom 10.09.2008) nunmehr ohnehin für Dorfgebiete einen Wert von 15 % vor, der vorliegend
auf der Grundlage der Begutachtungen ebenso sicher eingehalten werden kann, wie ein Mittelwert aus
Wohn- und Dorfgebiet. Mit der Einordnung von 0,15 für Dorfgebiete wird dem Anliegen Rechnung
getragen, für die in Tabelle der Ziffer 3.1. genannten Gebiete ein gebietsadäquates Immissionsniveau zu
gewährleisten und damit den Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG gesetzeskonform zu
konkretisieren (vgl. hierzu Lang, NuR 2008, 15 m.w.N.).
Nach alledem greift bereits die postulierte Erheblichkeitsschwelle nach 3.3 GIRL schon deshalb nicht ein,
weil bereits der Grenzwert von 10 % nach der GIRL bei Errichtung der Anlage sicher nicht überschritten
würde. Für den hier maßgeblichen Mittelwert zwischen 10 % und 15 % kann dies naturgemäß mit einem
nochmals deutlich erhöhten Grad an Sicherheit angenommen werden.
Den weiteren Sachermittlungsanregungen und dem in der mündlichen Verhandlung am 07.10.2009
gestellten Beweisantrag der Kläger war auf dieser Grundlage nicht mehr nachzugehen. Die fachlichen
Aussagen des Ing.-Büros R..., des Sachverständigen Prof. S... und des Beklagten sind von den Klägern
nicht durch eine eigene sachverständige Stellungnahme erschüttert worden. Die vorhandenen
sachverständigen Begutachtungen und Stellungnahmen bieten damit genügend Grundlage für die
Beurteilung der immissionsrechtlichen Zulässigkeit der streitgegenständlichen Biogasanlage. Eine
unzumutbare Belastung der Kläger mit Geruchsimmissionen kann nach alledem verlässlich
ausgeschlossen werden.
4.
Bestimmungen der VO (EG) 1774/2002. Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass ein
Verstoß gegen Vorschriften der genannten EG-Verordnung vom 03.10.2002 (Hygienevorschriften für nicht
für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte - ABl. L 273 vom 10.10.2002, S. 1-)
nicht ersichtlich ist. Auf die dortigen Ausführungen kann verwiesen werden. Insbesondere ist eine
Verletzung subjektiver Rechte der Kläger auch in zweiter Instanz nicht dargelegt worden ist. Die
Genehmigung wäre daher allenfalls objektivrechtlich zu modifizieren oder gar zu widerrufen, wenn die
Anlage entgegen den EG-Bestimmungen betrieben würde. Dafür bestehen derzeit keine Anhaltspunkte,
so dass sich weitere Ausführungen erübrigen.
5.
nicht privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, weil er nicht genügend eigene oder hinzu gepachtete
Flächen für die Bewirtschaftung zur Verfügung habe, mithin die Biomasse nicht überwiegend aus dem
eigenen Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben stamme. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird eine Biogasanlage vor diesem Hintergrund auch
dann "im Rahmen" eines landwirtschaftlichen Betriebs im Sinne von
§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB
betrieben,
wenn der landwirtschaftliche Betrieb ausschließlich Biomasse erzeugt (BVerwG, Urteil vom 11.12.2008,
DVBl 2009, 382).
Allerdings ist bei den Privilegierungstatbeständen des
§ 35 Abs. 1 BauGB
von gebundenen
Entscheidungen auszugehen, so dass nur bei Vorliegen der jeweiligen tatbestandlichen
Voraussetzungen ein Vorhaben im Außenbereich privilegiert genehmigungsfähig ist. Eine andere Frage
ist, ob sich ein Dritter auf das angebliche Nichtvorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen eines
landwirtschaftlichen Betriebs berufen kann (vgl. hierzu etwa OVG SH, Beschluss vom 31.07.2008, 1 LA
39/08, juris). Der Eigentümer eines Grundstücks im Innenbereich kann gegenüber einer auf dem
Nachbargrundstück im Außenbereich genehmigten Bebauung Rücksichtnahme auf seine Interessen im
Rahmen einer Abwägung mit den Interessen des Nachbarn nur insoweit verlangen, als er über eine
schutzwürdige Abwehrposition verfügt. Eine solche Position erlangt er nicht allein dadurch, dass die auf
seinem Grundstück verwirklichte Nutzung baurechtlich zulässig, das auf dem anderen Grundstück
genehmigte Vorhaben dagegen wegen einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange, die nicht dem Schutz
privater Dritter zu dienen bestimmt sind, unzulässig ist (BVerwG, Urteil vom 28.10.1993, ZfBR 1994, 142).
So verhält es sich hier. Die Kläger können sich insbesondere nicht darauf berufen, ob die Biomasse
überwiegend aus dem Betrieb stammt oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben
und somit privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008, DVBl 2009,
382). Denn die gesetzgeberische Zielsetzung war es primär, überregionale Biomasse- und
Gülletransporte zu vermeiden und dabei eine dezentrale Stromerzeugung zu fördern, nicht aber die
Anlieger vor Immissionen zu schützen. Dies ist oftmals auch nicht möglich da – wie vorliegend – die
Transporte letztlich auf einer Sammelzuwegung gebündelt werden und es im Rahmen der Lärm- Geruchs-
und Abgasimmissionen unerheblich ist, welche überregionalen Routen die Transporter zuvor zurücklegen
mussten, bevor sie das Grundstück des Nachbarn passieren. Die Berufung konnte daher auch insofern
keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht
vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision kann durch
Beschwerde
werden.
Die Beschwerde ist
innerhalb eines Monats
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
elektronischer Form einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Die Beschwerde ist
innerhalb von zwei Monaten
Begründung ist ebenfalls bei dem
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
elektronischer Form einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil
abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden.
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der
Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen
Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl. S. 33) zu übermitteln ist.
Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder eine
Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder eine
sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation erfolgen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,-- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 GKG
i.V.m. Ziff. 19.2. und 9.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).