Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 21.08.2002

OVG Koblenz: berufliche erfahrung, scheidung, behörde, wehr, zusammenlegung, quelle, bundespersonal, auflösung, vertretung, kauf

Beamtenrecht
OVG
Koblenz
21.08.2002
10 B 10918/02.OVG
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Bewerbung um eine Beförderungsstelle
hier: einstweilige Anordnung
hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
21. August 2002, an der teilgenommen haben
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Gansen
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 28. Mai
2002 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.591,99 € festgesetzt.
G r ü n d e
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich im Hinblick auf die in der
Beschwerdeschrift dargelegten Gründe (vgl. hierzu § 146 Abs. 4 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung –
VwGO -) nicht als fehlerhaft. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes vielmehr zu Recht abgelehnt, weil sich die von der Antragsgegnerin getroffene
Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Leistungsgrundsätze des § 8 Abs. 1 Satz 2 des
Bundesbeamtengesetzes – BBG – als rechtmäßig erweist.
Der Antragsteller kann dem zunächst nicht mit Erfolg entgegenhalten, die der Auswahlentscheidung in
erster Linie zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen der Bewerber deckten unterschiedliche
Beurteilungszeiträume ab. Dabei ist schon zweifelhaft, ob ein unterlegener Bewerber in einem Verfahren
der vorliegenden Art überhaupt Einwendungen gegen die dienstliche Beurteilung eines anderen – hier
des erfolgreichen Mitbewerbers – erheben kann. Jedenfalls aber hätte der Antragsteller, um mit seinem
Einwand durchdringen zu können, darlegen müssen, dass er im Falle der Erstellung dienstlicher
Beurteilungen, die denselben Zeitraum abdecken, besser als der Beigeladene hätte beurteilt werden
müssen. Hieran fehlt es jedoch. Der Senat hält ein solches Beurteilungsergebnis unabhängig davon auch
für unwahrscheinlich, nachdem die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen jetzt schon eine leicht
bessere Tendenz aufweist.
Auf der Grundlage der als gleich oder zumindest annähernd gleich zu wertenden dienstlichen
Beurteilungen hat die Antragsgegnerin sich bei ihrer Auswahlentscheidung nach den zutreffenden
Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf weitere Kriterien stützen können. Hierbei musste sie
keineswegs, wie der Antragsteller meint, maßgeblich auf seine bisherige Verwendungsbreite abstellen.
Vielmehr durfte sie die Tatsache ausschlaggebend sein lassen, dass der Beigeladene auf dem hier
betroffenen Gebiet der Beschaffung über eine größere berufliche Erfahrung verfügt. Der Umstand, dass
die Antragsgegnerin in der Ausschreibung kein entsprechendes spezielles Anforderungsprofil aufgestellt
hat, hindert nicht, im Rahmen der konkreten Auswahlentscheidung gleichwohl auf diesen – unzweifelhaft
leistungsbezogenen – Gesichtspunkt maßgeblich zurückzugreifen; die seitens des Antragstellers
behauptete Widersprüchlichkeit lässt sich insofern nicht feststellen.
Dass aber der Beigeladene, der bei der Standortverwaltung W.... immerhin bereits seit dem 1. Januar
1999 ununterbrochen im Bereich der Beschaffung tätig ist, auf diesem Gebiet gegenüber dem
Antragsteller, der in diesem Bereich lediglich im Rahmen seiner mehr als 20 Jahre zurückliegenden
Einweisungsphase – und damals auch nur für ein halbes Jahr – tätig war, einen deutlichen
Erfahrungsvorsprung für sich in Anspruch nehmen kann, liegt auf der Hand und bedarf daher keiner
vertieften Ausführungen.
Ist der Beigeladene mithin für den hier zu besetzenden Beförderungsdienstposten rechtsfehlerfrei als
gegenüber dem Antragsteller besser geeignet eingestuft worden, kann Letzterer die ausgeschriebene
Stelle, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat, auch nicht in seiner Eigenschaft als
Schwerbehinderter für sich in Anspruch nehmen.
Die „vorsorglich“ erhobene Rüge der Besetzung der Auswahlkommission greift schon deshalb ins Leere,
weil nach dem glaubhaften Vorbringen der Antragsgegnerin eine solche Kommission für das vorliegende
Verfahren überhaupt nicht eingerichtet worden ist.
Der Antragsteller kann schließlich nicht mit Erfolg geltend machen, die vorliegende Auswahlentscheidung
sei ohne die nach § 76 Abs. 1 Nr. 3 des Bundespersonalvertretungsgesetzes – BPersVG – erforderliche
Beteiligung der Personalvertretung getroffen worden. Eine solche Beteiligung war vorliegend nicht durch-
führbar, weil bei der betroffenen Dienststelle, der Wehrbereichsverwaltung West, zu dem maßgeblichen
Zeitpunkt der Auswahlentscheidung vom 21. März 2002 eine Personalvertretung nicht bestand. Dies
beruht ausschließlich darauf, dass die Wehrbereichsverwaltung West als eigenständige Behörde erst zum
1. Januar 2002 entstanden ist, und zwar als Ergebnis einer Zusammenlegung der Wehr-
bereichsverwaltungen III und IV. Mit deren Auflösung zum 31. Dezember 2001 erloschen zeitgleich auch
die bei ihnen jeweils vorhandenen Personalvertretungen, weshalb für deren Beteiligung ab dem 1. Januar
2002 von vornherein kein Raum mehr war. Der gleichwohl unmittelbar im Vorfeld der Auswahlentschei-
dung durchgeführten informellen Erörterung mit dem früheren Personalrat kommt vor diesem Hintergrund
keinerlei Rechtswirkung zu; sie bewegt sich vielmehr in einem rein informellen Raum.
Die Möglichkeit, dass wie hier ab dem 1. Januar 2002 bei der Wehrbereichsverwaltung West übergangs-
weise ein „personalvertretungsfreier“ Zustand besteht, liegt notwendigerweise dem BPersVG zugrunde.
Anders als das rheinland-pfälzische Landespersonalvertretungsrecht (vgl. dort § 124 des
Landespersonalvertretungsgesetzes – LPersVG -) kennt das BPersVG jedoch keine Bestimmung, die für
den Fall von Verwaltungsreformmaßnahmen die Personalvertretung für eine Übergangszeit sicherstellt.
Folglich muss hier de lege lata davon ausgegangen werden, dass im Fall der Umbildung oder Neubildung
von Behörden bis zur Wahl und anschließenden Konstituierung neuer Personalvertretungen eine Phase
bestehen kann, in der eine Personalvertretung nicht vorhanden ist. Mittelbar folgt dies auch aus der
Regelung des § 27 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG, die ausdrücklich von der Möglichkeit ausgeht, dass in einer
Dienststelle kein Personalrat bestehen kann und die für diesen Fall eine Wahl zum Personalrat außerhalb
der regelmäßigen Personalratswahlen vorsieht.
Lässt das BPersVG mithin zu, dass in einer derartigen Ausnahmesituation in einer Behörde
vorübergehend kein Personalrat besteht, folgt daraus zugleich, dass der Dienstherr währenddessen
diejenigen Maßnahmen, die er im Rahmen seines Organisationsermessens für angezeigt hält – unter
anderem auch Personalmaßnahmen – ohne eine Personalratsbeteiligung treffen kann. Das vom
Gesetzgeber in Kauf genommene vorübergehende Fehlen einer Personalvertretung darf die Kontinuität
des Verwaltungshandelns in dem betroffenen Verwaltungsbereich nicht in Frage stellen.
Im Hinblick auf die durch das BPersVG sonst vorgesehenen Beteiligungsrechte ließe sich eine in einer
derartigen Ausnahmesituation ohne die Mitwirkung des Personalrats getroffene Entscheidung nur im Falle
des Missbrauchs angreifen, welcher vor allem denkbar ist, wenn der Zeitpunkt der Wahl der neuen
Personalvertretung ungebührlich hinausgeschoben oder wenn der Zeitpunkt der konkreten
Auswahlentscheidung zielgerichtet mit Blick auf die noch nicht bestehende Personalvertretung festgelegt
worden sein sollte. Für beides bietet der vorliegende Fall keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr spricht alles
dafür, dass sowohl die - einen organisatorischen Vorlauf erfordernde – Terminierung der
Personalratswahlen auf den 17. und 18. April 2002 als auch die am 21. März 2002 getroffene Entschei-
dung über die Besetzung des mit Ausschreibungsschluss vom 8. Februar 2002 ausgeschriebenen
Beförderungsdienstpostens sachgerechtem Verwaltungshandeln entsprechen.
Die Antragsgegnerin ist auch nicht verpflichtet gewesen, den neuen Personalrat nach dessen für Mai
2002 vorgesehener Konstituierung im Nachhinein zu beteiligen. Eine Notwendigkeit hierzu hat deshalb
nicht bestanden, weil die mit der gesetzlichen Festlegung der Mitbestimmung verfolgten Zwecke
nachträglich nicht mehr zu erreichen gewesen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 15. November 1995, PersV 1996, 453), der der Senat folgt, kann
der Personalrat nur dann wirksam die rechtlichen und sozialen Interessen der Beschäftigten vertreten,
wenn er rechtzeitig vor der Durchführung der Maßnahme beteiligt wird. Ist eine derartige Beteiligung bis
dahin aber – wie hier – ausnahmsweise nicht möglich gewesen, kann den dadurch in das Verfahren
womöglich nicht eingeführten Belangen durch eine formelle Nachholung dieser Beteiligung nicht mehr
effektiv Rechnung getragen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 4 Satz 2, 14 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GKG.
gez. Steppling gez. Hennig gez. Dr. Gansen