Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 26.09.2006

OVG Koblenz: amnestie, einfriedung, vertrauensschutz, materialien, erneuerung, kunst, verwirkung, zustand, behörde, stahl

OVG
Koblenz
26.09.2006
8 A 11031/06.OVG
Baurecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
****Herrn Dr. ***********************, ************, ***************,
- Kläger und Antragsteller -
Prozessbevollmächtigter: Kanzlei Voigt, Augustusweg 105, 01445 Radebeul,
gegen
die Verbandsgemeinde Dahner Felsenland, vertreten durch den Bürgermeister, Schulstraße 29,
66994 Dahn,
- Beklagte und Antragsgegnerin -
wegen Beseitigungsanordnung und Zwangsmittelandrohung
hier: Zulassung der Berufung
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
26. September 2006, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß
Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom
13. Juni 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 1.500 € festgesetzt.
G r ü n d e
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Außenbereichsgrundstücke, die ohne nachweisbare Genehmigung
seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit einem ehemaligen Jagdhaus sowie weiteren
baulichen Anlagen bebaut sind. Die ebenfalls aus dieser Zeit stammende, ursprünglich aus Maschendraht
mit Holzpfosten bestehende Einfriedung der Grundstücke hat der Kläger in den letzten Jahren auf weiten
Strecken unter Beibehaltung von Verlauf und Höhe in kunststoffummantelten Maschendrahtzaun unter
teilweisem Einsatz kunststoffummantelter Stahlpfosten ausgeführt. Das Verwaltungsgericht hat eine
diesbezügliche Beseitigungsverfügung des Beklagten mit der Begründung bestätigt, die Erneuerung
wesentlicher Teile der Einfriedung unter Verwendung verrottungsbeständigen Materials stelle eine
Substanzverbesserung dar, die den aus der so genannten Pirmasenser Amnestie folgenden
Vertrauensschutz des Klägers auf den Bestand dieser Einfriedungsteile entfallen lasse. Hiergegen ist
auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens nichts zu erinnern.
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist schon nicht in einer den
Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Der Kläger behauptet
insoweit lediglich, die Vorinstanz habe den Ersatz der Einfriedungsteile zu Unrecht als
substanzverbessernd und nicht lediglich als substanzerhaltend angesehen. Der Vorwurf eines bloßen
Subsumtionsfehlers erfüllt hingegen nicht die Anforderungen an die Darlegung der Divergenz. Denn
damit wird kein Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung herausgearbeitet und einem
widersprechenden Rechtssatz aus der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts gegenübergestellt.
2. Der Senat teilt auch nicht die vom Kläger geäußerten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Der Ersatz erheblicher Teile (nach Feststellungen des Beklagten ca. 235 m; s. Bl. 312 der
Verwaltungsakte) eines amnestierten, an Holzpfählen befestigten, ungeschützten Maschendrahtzaunes
aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch einen kunststoffummantelten Zaun unter
teilweisem Einsatz kunststoffummantelter Stahlpfosten überschreitet nach zutreffender Auffassung der
Vorinstanz die Grenze amnestieunschädlicher Substanzerhaltungsmaßnahmen im Sinne des
Senatsurteils vom 08. September 1989 (– 8 A 93/88 -). Nach dieser Entscheidung bleibt der auf die
Duldung des „Bestandes in seinem derzeitigen Zustand“ beschränkte Vertrauensschutz der Pirmasenser
Amnestie hinter dem durch eine Baugenehmigung vermittelten Bestandsschutz zurück. Daraus folgt
zugleich, dass Maßnahmen, die den Bestandsschutz einer Baugenehmigung entfallen lassen würden,
keinesfalls durch die Pirmasenser Amnestie gedeckt sein können. Solche Maßnahmen hat der Kläger
aber vorliegend durchgeführt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Erneuerung wesentlicher
Teile des Drahtgeflechts einer Einfriedung (anders als das bloße Flicken schadhafter Stellen) wegen der
damit einhergehenden Beseitigung bestandsgeschützter Bausubstanz nicht mehr durch eine bestehende
Baugenehmigung gedeckt ist (s. VGH BW, BRS 60 Nr. 139, Nds. OVG, Urteil vom 26. Juli 1996 – 1 L
3849/93 -, juris; VGH BW, NuR 1992, 329). Führt daher die Erhaltungsmaßnahme an einer Einfriedung
dazu, dass für wesentliche Teile derselben die Identität zwischen amnestierter und erneuerter
Bausubstanz verloren geht und gleichsam ein „Ersatzbau“ errichtet wird, so erweist sie sich ohne weiteres
auch als amnestieschädlich (s. Senatsbeschluss vom 04. Februar 2003 – 8 A 11981/02 -, S. 5 BA für einen
dem vorliegenden vergleichbaren Fall). Dies gilt um so mehr, wenn der „Ersatzbau“ aus Materialien
ausgeführt wird, die im Verhältnis zur amnestierten Bausubstanz eine Substanzverbesserung bewirken,
wie dies beim Einsatz kunststoffummantelter Zäune und Zaunpfähle aus kunststoffummanteltem Stahl im
Vergleich zu einem an Holzpfählen befestigten ungeschützten Maschendrahtzaun der Fall ist. Der
Einwand des Klägers, ungeschützte Drahtgeflechte seien auf dem deutschen Markt nicht mehr erhältlich,
rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Pirmasenser Amnestie begründet für Schwarzbauten keine
„ewige“ Bestandsgarantie, sondern schützt sie nur soweit und solange, wie ihre Substanz im amnestierten
Bestand erhalten werden kann. Ist dies wegen fortgeschrittenen Verfalls und fehlender Verfügbarkeit zur
bloßen Ausbesserung erforderlicher Materialien nicht mehr möglich, verliert der Vertrauensschutz seinen
Gegenstand.
Entgegen der Auffassung des Klägers führt auch die langjährige bloße Kenntnis des Beklagten von der
Existenz der illegalen baulichen Anlage nicht zur Verwirkung der Einschreitensbefugnis (s. schon OVG
RP, AS 15, 324, 326). Die von ihm zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom
05. August 1991, Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 35) enthält keine gegenteilige Aussage. Nach
dem Hinweis, dass die Verwirkung bauaufsichtlicher Einschreitensbefugnisse sich nach nicht revisiblem
Landesrecht richtet, führt das Gericht vielmehr wie folgt aus:
„Ohnedies genügt für die Annahme der Verwirkung in aller Regel nicht nur die Kenntnis von einem
rechtswidrigen Zustand, sondern es muss ein Verhalten der Behörde hinzutreten, das bei dem
Verpflichteten das berechtigte Vertrauen entstehen lässt, die Behörde werde aus überlegten Gründen von
ihren Befugnissen keinen Gebrauch machen.“
Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die
Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
gez. Dr. Held gez. Schauß gez. Utsch