Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 21.08.2008

OVG Koblenz: eltern, haushalt, jugendhilfe, nacht, verpflegungskosten, kostenbeitrag, beratung, unterhaltspflicht, mensch, sicherstellung

OVG
Koblenz
21.08.2008
7 A 10443/08.OVG
Jugendhilferecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der Stadt Pirmasens, vertreten durch den Oberbürgermeister, Am Exerzierplatz, 66953 Pirmasens,
– Klägerin und Berufungsklägerin –
gegen
den Landkreis Südwestpfalz, vertreten durch den Landrat, Unterer Sommerwaldweg 40,
66953 Pirmasens,
– Beklagter und Berufungsbeklagter –
wegen Jugendhilfe (Kostenerstattung)
hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz
aufgrund der Beratung vom 21. August 2008, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch
Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Stahnecker
ehrenamtliche Richterin Hauswirtschaftsmeisterin Seiler
ehrenamtlicher Richter Elektromeister Thomas
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13.
März 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erstattung des im Zeitraum 1.Februar bis 30. September 2006 an
Frau K. gezahlten "Verpflegungsgeldes" für die Wochenend- und Ferienaufenthalte ihres Sohnes M. in
ihrem Haushalt.
Auf Antrag der seinerzeit in Pirmasens wohnhaften Frau K., die für ihren am 11. April 1996 geborenen
Sohn M. allein sorgeberechtigt ist, hatte ihr die Klägerin mit Bescheid vom 31. August 2004 ab diesem Tag
gemäß § 34 SGB VIII Hilfe zur Erziehung ihres Sohnes in Form von Heimerziehung in einer Einrichtung in
W. (Landkreis Südwestpfalz) bewilligt. M. hielt sich indessen an zwei bis drei Wochenenden pro Monat
sowie zeitweilig während der Schulferien auch im Haushalt seiner Mutter auf. Dieser wurden von der
Klägerin jeweils Fahrtkosten für das Abholen und Zurückbringen ihres Sohnes sowie Verpflegungsgeld in
Höhe von 6,90 € (= 1/30 des monatlichen Regelsatzes von 207,00 €/M) für jeden ganzen Tag, den M. im
Elternhaus verbrachte, sowie von 3,45 € für die Hin- und Rückfahrttage ausbezahlt.
Am 1. Februar 2006 verzog Frau K. nach L. (Landkreis Südwestpfalz). Mit Schreiben vom 13. April 2006
bat die Klägerin deshalb den Beklagten um Übernahme des Falles in eigene Zuständigkeit, setzte die
bisherigen Leistungen aber zunächst fort. Nachdem der Beklagte den Fall geprüft und zum 1. Oktober
übernommen hatte, bat ihn die Klägerin mit Schreiben vom 23. November 2006 um die Erstattung ihrer
Aufwendungen für M. im Zeitraum 1. Februar bis 30. September 2006 in Höhe von 25.972,23 €. Bis auf in
diesem Betrag enthaltenes "Verpflegungsgeld" in Höhe von 405,83€ entsprach der Beklagte im Januar
2007 dieser Bitte.
Daraufhin hat die Klägerin am 12. Oktober 2007 Klage erhoben und geltend gemacht, bei der Bewilligung
von Heimerziehung im Sinne von § 34 SGB VIII sei gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch der
notwendige Lebensunterhalt des Kindes oder Jugendlichen sicherzustellen. Hierzu gehörten nach der
Kommentierung von Schellhorn/Fischer/Mann auch die Kosten zur Ermöglichung des Umgangs mit den
Eltern einschließlich der Verpflegungskosten. Dies gelte zufolge eines Urteils des Verwaltungsgerichts
Dresden vom 19. November 2004 jedenfalls dann, wenn die Eltern diese Kosten nicht aufbringen
könnten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. März 2008 abgewiesen und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt: Für die Übernahme von Verpflegungskosten im Elternhaus im Rahmen von § 39
Abs. 1 Satz 1 SGB VIII könne § 37 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII sprechen, wonach der Träger der öffentlichen
Jugendhilfe bei der Gewährung von Heimerziehung durch begleitende Beratung und Unterstützung
darauf hinwirken solle, dass die Beziehung des Kindes zur Herkunftsfamilie gefördert werde. § 37 Abs. 1
Satz 3 SGB VIII erlaube aber lediglich eine fachliche, keine finanzielle Unterstützung. Entscheidend gegen
eine Übernahme häuslicher Verpflegungskosten im Rahmen von § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII spreche der
Wortlaut dieser Bestimmung, der den Umfang der danach zu erbringenden Leistung eindeutig auf den
Unterhalt des Kindes außerhalb des Elternhauses begrenze. Verpflegungskosten innerhalb des
Elternhauses gehörten dazu nicht. Die Annahme, anderes müsse jedenfalls dann gelten, wenn die Eltern
Sozialleistungsempfänger seien, komme schon im Gesetz nicht zum Ausdruck. Zudem sei in der
sozialgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter derartigen Umständen für die Verpflegung im
Elternhaus Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch gewährt werden könnten. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestehe nämlich bei Besuchen eines Kindes bei seinem
umgangsberechtigten Elternteil eine zeitweise (temporäre) Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3
Nr. 4 SGB II. Zwar möge diese Rechtsfigur in der Verwaltungspraxis noch nicht allgemein vertraut sein und
deshalb die Sicherstellung auch häuslicher Verpflegungskosten im Rahmen von § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB
VIII wirkungsvoller und sachnäher erscheinen. Derartige Zweckmäßigkeitserwägungen rechtfertigten aber
keine mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht vereinbare Gesetzesauslegung.
Daraufhin hat die Klägerin die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zu deren
Begründung geltend gemacht: Das Verwaltungsgericht sehe den Begriff "außerhalb des Elternhauses" zu
eng. Werde Heimerziehung gewährt, also Hilfe nicht nur an einem Teil des Tages, sondern vollständig
außerhalb des Elternhauses geleistet, so sei gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch der volle Unterhalt
zu leisten, zu dem die Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts gehörten. Wie § 37 Abs. 1 Satz 3 SGB
VIII zeige, gehöre die Förderung des Umgangs mit den Eltern zur Erziehung des Kindes außerhalb des
Elternhauses dazu. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei auf den vorliegenden Fall nicht
ohne weiteres übertragbar. Vorrangig sei zudem zu entscheiden, ob gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII
auch die häusliche Verpflegung sicherzustellen sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. März 2008
den Beklagten zu verurteilen, an sie 405,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatzseitdem12.Oktober2007zuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, die
Verwaltungspraxis, Kosten der Verpflegung im Elternhaus nicht nach § 39 Abs. 1 Satz 1, sondern
gegebenenfalls durch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites oder Zwölftes Buch
sicherzustellen, habe in seinem Bereich noch nicht zu Problemen geführt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf einen Ordner Verwaltungsakten des Beklagten
verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung des von ihr im Zeitraum 1. Februar bis 30. September
2006 an Frau K. zum Ausgleich ihrer diesbezüglichen Aufwendungen bei Wochenend- und
Ferienaufenthalten ihres Sohnes M. in ihrem Haushalt gezahlten "Verpflegungsgeldes" gemäß § 89c Abs.
1 Satz 1 SGB VIII. Nach dieser Bestimmung sind zwar diejenigen Kosten, die ein örtlicher Träger im
Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten,
der durch den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Diese Voraussetzungen sind
erfüllt, da der Beklagte durch den Umzug von Frau K. in den Landkreis Südwestpfalz am 1. Februar 2006
für die Heimerziehung ihres Sohnes M. im Sinne von § 34 SGB VIII zuständig geworden ist, diese Leistung
aber erst ab dem 1. Oktober 2006 fortgesetzt hat, sodass die Klägerin gemäß § 86c Satz 1 SGB VIII
solange zur Gewährung dieser Leistung verpflichtet blieb. Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die
aufgewendeten Kosten jedoch nur zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften des
Sozialgesetzbuches Achtes Buch entspricht. Dies war bezüglich der Zahlung des "Verpflegungsgeldes"
an Frau K. nicht der Fall. Insbesondere war die Klägerin hierzu nicht etwa gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB
VIII verpflichtet, wonach dann, wenn Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGB
VIII geleistet wird, auch der "notwendige Unterhalt" des Kindes oder Jugendlichen "außerhalb des
Elternhauses" sicherzustellen ist.
Allerdings benötigte M. im Zeitraum 1.Februar bis 30. September 2006 für die Wochenend- und
Ferienaufenthalte bei seiner Mutter Geldmittel, um auch dort verpflegt werden zu können, und hatte mithin
auch insoweit Bedarf an "Unterhalt" im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.
Sollten diese Wochenend- und Ferienaufenthalte bloße Kontakte im Rahmen der beiderseitigen
Ausübung des Umgangsrechts im Sinne von § 1684 Abs. 1 BGB gewesen sein, so wäre zu deren
Ausübung des Umgangsrechts im Sinne von § 1684 Abs. 1 BGB gewesen sein, so wäre zu deren
Finanzierung zwar eigentlich M.s Mutter verpflichtet gewesen, ohne dass dies von M.s Anspruch auf
Gewährung von Unterhalt im Sinne von §§ 1601 ff. BGB umfasst gewesen wäre; die Pflicht eines
umgangsberechtigten Elternteils, die Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts mit seinem
minderjährigen Kind zu tragen, besteht neben seiner etwaigen Unterhaltspflicht und unabhängig von
dieser (vgl. nur BGH, Urteil vom 9. November 1994 – XII ZR 206/93 – NJW 1995, 717 f.). Fehlen indessen
einem umgangsberechtigten Elternteil – wie hier M.s Mutter – die finanziellen Mittel zur Ausübung des
Umgangsrechts, so steht zufolge der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch nicht etwa diesem
ein Anspruch auf dahingehende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites oder Zwölftes Buch zu,
son- dern allein seinem minderjährigen Kind (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R
– FEVS 58, 289 [294 ff.]). Gleiches gilt, wenn sich ein umgangsberechtigter Elternteil – weshalb auch
immer – nicht um die Pflege des Umgangs mit seinem Kind kümmert und deshalb die Initiative zu
Umgangskontakten und zu deren Finanzierung allein bei diesem bzw. bei dem anderen Elternteil liegt
(vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.Oktober 2002 – 12 E 658/00 – NJW 2003, 2257).
Sollten hingegen die Wochenend- und Ferienaufenthalte M.s bei seiner Mutter im Zeitraum 1.Februar bis
30. September 2006 über bloße Umgangskontakte im Sinne von § 1684 Abs. 1 BGB hinausgegangen
sein, wofür angesichts der diesbezüglichen Vereinbarungen anlässlich der Hilfeplan-Fortschreibung am
14. Juni 2005 (vgl. S. 69 f. VA) einiges spricht, und hätte diese dann die Kosten von M.s Verpflegung
während seiner Aufenthalte bei ihr im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht im Sinne von §§ 1601 ff. BGB tragen
müssen, wäre sie nicht als Empfängerin von Arbeitslosengeld II leistungsunfähig im Sinne von § 1603
Abs. 1 BGB gewesen, so hätte M. auch in diesem Fall gemäß § 7 Abs. 2 und 3 Nr. 4 sowie § 9 Abs. 1 und 2
SGB II einen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch gehabt.
Jedoch musste die Klägerin als gemäß § 86c Satz 1 SGB VIII weiterhin leistungsverpflichtete Trägerin der
öffentlichen Jugendhilfe diesen Unterhaltsbedarf deshalb nicht decken, weil die Kosten für die
Verpflegung M.s im Haushalt seiner Mutter, also im Elternhausangefallen sind, gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1
SGB VIII der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen aber nur außerhalb des
Elternhausessicherzustellen ist(so auch Kunkel in LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 39 Rn.2 und Mrozynsky,
SGB VIII, 4. Aufl. 2004, § 39 Rn. 2; a.A.: VG Dresden, Urteil vom 19. November 2004 – 6 K 2607/03 – juris
Rn. 17 f. sowie Fischer in Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. Aufl. 2007, § 39 Rn. 12 und Stähr in
Hauck/ Noftz, SGB VIII, Loseblatt, Stand November 2006, § 39 Rn. 15). Entgegen der Annahme der
Klägerin kann § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht dahin verstanden werden, dass dann, wenn eine Hilfe
über Tag und Nacht und nicht etwa nur für einen Teil des Tages außerhalb des Elternhauses gewährt
wird, auch der Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen im Sinne dieser Vorschrift vollständig und
ausnahmslos sicherzustellen ist. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zählt nämlich auf der Tatbestandsseite
verschiedene Hilfemöglichkeiten auf, die zum Teil in Tagesgruppen, in Tageseinrichtungen oder in
anderen teilstationären Einrichtungen, zum Teil aber auch in Vollzeitpflege, in Einrichtungen über Tag und
Nacht oder in sonstigen Wohnformen geleistet werden. Auf der Rechtsfolgenseite ordnet § 39 Abs. 1 Satz
1 SGB VIII für alle diese Hilfemöglichkeiten übereinstimmend und nicht etwa nach Hilfeformen
differenzierend die Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe an, neben der Gewährung einer
der genannten Hilfen auch den notwendigen Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen "außerhalb des
Elternhauses" sicherzustellen. Die Wortfolge "außerhalb des Elternhauses" bezieht sich mithin allein
darauf, wo der sicherzustellende Unterhaltsbedarf anfällt, und nicht darauf, welche Hilfe geleistet wird und
wo. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt also nicht darauf ab, ob "ein zeitweiser Aufenthalt im Elternhaus
Bestandteil des pädagogischen Konzepts ist", ferner "umschreibt" die Wortfolge "außerhalb des
Elternhauses" somit nicht etwa "lediglich die Hilfeart", bei deren Gewährung zugleich der Unterhalt des
Kindes oder Jugendlichen sicherzustellen ist (so aber jeweils Stähr, a.a.O.). Der Unterhaltsbedarf des
Kindes oder Jugendlichen kann folglich bei allen in § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten teil- wie
vollstationären Hilfemöglichkeiten nur dann berücksichtigt werden, wenn er außerhalb des
Elternhauses,nicht aber im Elternhausbesteht.
Dieses Verständnis von § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII findet seine Bestätigung in § 94 Abs. 4 SGB VIII.
Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn Leistungen über Tag und Nacht erbracht werden und sich der
junge Mensch nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten bei einem nach §§ 91 ff. SGB VIII
Kostenbeitragspflichtigen aufhält, dessen tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht auf den
Kostenbeitrag anzurechnen. Zum einen trägt damit diese Regelung dem Umstand Rechnung, dass die
Pflicht eines umgangsberechtigten Elternteils, die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts zu tragen,
nicht Teil seiner etwaigen Unterhaltspflicht im Sinne von §§ 1601 ff. BGB sind. Zum anderen stellt § 94
Abs. 4 SGB VIII sicher, dass bei über Umgangskontakte hinausgehenden und damit unterhaltsrechtlich
relevanten Aufenthalten des jungen Menschen beim Unterhalts- sowie gemäß §§ 91 ff.
Kostenbeitragspflichtigen letzterer nicht in doppelter Weise durch einen Kostenbeitrag in voller Höhe und
die in seinem Haushalt durch die Aufenthalte des jungen Menschen entstehenden zusätzlichen Kosten
belastet wird (insoweit zutreffend Stähr, a.a.O., § 94 Rn. 17). Diese Regelung wäre indessen überflüssig,
wenn bereits im Rahmen der Sicherstellung des Unterhaltes des Kindes oder Jugendlichen gemäß § 39
Abs. 1 Satz 1 SGB VIII "den Eltern ein Betrag gezahlt" werden müsste, "der anteilig für die Dauer des
Besuchs dem angemessenen Unterhaltsaufwand entspricht" (so aber ebenfalls Stähr, a.a.O., § 39 Rn. 15);
letzteres würde bei gleichzeitiger Anrechnung der im Rahmen von Besuchsaufenthalten des jungen
Menschen tatsächlich erbrachten Betreuungsleistungen auf den Kostenbeitrag gemäß § 94 Abs. 4 SGB
VIII sogar zu einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten, zudem aber auch nicht gerechtfertigten und
damit gleichheitssatzwidrigen Besserstellung von kostenbeitragspflichtigen Elternteilen führen, in deren
Haushalt sich ein junger Mensch trotz vollstationärer Jugendhilfeleistungen in unterhaltsrechtlich
relevantem Umfang aufhält.
Schließlich ist es entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts Dresden (a.a.O., Rn. 18 a.E.) auch
nicht etwa erforderlich, die Übernahme der Verpflegungskosten im Elternhaus deswegen als von der
gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bestehenden Pflicht des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zur
Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des Kindes oder Jugendlichen umfasst anzusehen, weil
"andernfalls … eine Förderung der Beziehung des Kindes zu seiner Herkunftsfamilie, die ihm gemäß § 37
Abs. 1 Satz 3 SGB VIII obliegt, in den Fällen faktisch erschwert oder sogar unmöglich (wäre), in denen die
Eltern des Kindes nicht über die (da)für … erforderlichen finanziellen Mittel verfügen". Wie nämlich oben
bereits aufgezeigt wurde, steht dann, wenn die für Umgangskontakte oder für darüber hinausgehende
unterhaltsrechtlich relevante Aufenthalte im elterlichen Haushalt erforderlichen Mittel seitens der Eltern
bzw. eines Elternteils nicht aufgewendet werden können oder sollen, ihrem bzw. seinem minderjährigen
Kind ein Anspruch auf dahingehende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites oder Zwölftes
Buch zu. Zwar kann über diesen Anspruch je nach den Umständen des Einzelfalles ein weiterer
Leistungsträger entscheiden müssen, der bislang noch keine Sozialleistungen an die Eltern bzw. den
Elternteil oder an das Kind erbringt. Bloße Zweckmäßigkeitserwägungen zur Vermeidung solcher
"verwaltungsunfreundlichen Mehrfachzuständigkeiten" rechtfertigen jedoch keine Auslegung einer
Gesetzesbestimmung gegen ihren ausdrücklichen Wortlaut (vgl. auch BSG, a.a.O, S. 297). Hierauf hat
schon das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen, auf dessen diesbezügliche Ausführungen deshalb
ergänzend Bezug genommen wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
VRinOVG Wünsch ist wegen
Urlaubs an der Beifügung
ihrer Unterschrift verhindert
gez. Wolff gez. Wolff gez. Dr. Stahnecker