Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 17.02.2009

OVG Koblenz: anspruch auf einbürgerung, organisation, ausländer, auskunft, begriff, sport, konkretisierung, ergänzung, verfassungsschutz, behörde

OVG
Koblenz
17.02.2009
7 A 11063/08.OVG
Staatsangehörigkeitsrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn G.,
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Hans Georg Schudell, Kaiserstraße 21, 66111 Saarbrücken,
gegen
die Stadt Worms, vertreten durch den Oberbürgermeister, Marktplatz 2, 67547 Worms,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
wegen Einbürgerung
hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
17. Februar 2009, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl
Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff
beschlossen:
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 5. Mai 2008 werden der Bescheid der
Beklagten vom 29. März 2007 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid des
Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 5. Juni 2007 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den
Kläger einzubürgern.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge hat die Beklagte zu tragen.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger erstrebt seine Einbürgerung. Er ist türkischer Staatsangehöriger, der am 1. Januar 1967
geboren und kurdischer Volkszugehörigkeit ist. Seine Einreise nach Deutschland erfolgte am 4. Februar
1996; in der Folge stellte er einen Asylantrag und wurde mit Bescheid vom 29. Februar 1996 als
Asylberechtigter anerkannt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
Ausländergesetz vorliegen. Im Februar 1998 erhielt der Kläger erstmals eine Aufenthaltserlaubnis, seit
Februar 2006 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis.
Am 28. September 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Einbürgerung und legte eine von
ihm unterschriebene Loyalitätserklärung vor. Mit Schreiben vom 15. November 2006 teilte das Ministerium
des Innern und für Sport der Beklagten mit, dass der Kläger sich zumindest im Jahr 2005 als sogenannter
Frontarbeiter des "Volkskongresses Kurdistans" (KONGRA-GEL) im Gebiet X. betätigt habe. Durch seine
Einbindung als Frontarbeiter in den KONGRA-GEL unterstütze der Kläger nachhaltig eine verbotene
extremistische Organisation. Von ihm gingen somit verfassungsfeindliche Bestrebungen aus.
Der Kläger gab bei einer Vorsprache am 17. Januar 2007 an, er habe von einem Kontakt zur PKK nichts
gewusst. Er habe allenfalls etwas unterschrieben, nämlich dass er für Freiheit und Demokratie eintrete.
Weder habe er für eine Organisation Zeitungen verkauft noch Spenden gesammelt.
Mit Bescheid vom 29. März 2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Einbürgerung ab und stützte sich
dabei im Wesentlichen auf die Auskunft des Ministeriums des Innern und für Sport als
Verfassungsschutzbehörde.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er sich nicht als Frontarbeiter
des KONGRA-GEL betätigt habe. Die Auskunft des Verfassungsschutzes könne er sich nur so erklären,
dass er seinerzeit mit einem Landsmann andere Landsleute und den Kulturverein in X. besucht habe. Es
sei jedoch nicht die Rede von politischer Werbung gewesen. Er sei nie im Besitz von
Informationsmaterialien gewesen und habe auch keine Spenden gesammelt. Er sei lediglich ein paar Mal
mit dem von ihm genannten Landsmann zusammengetroffen und habe mit diesem auch andere
Landsleute besucht. Als er gemerkt habe, dass jener in entsprechender Weise politisch tätig gewesen sei,
habe er keinen Kontakt mehr mit ihm gepflegt.
Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2007 hat der Kläger
sein Begehren durch Klageerhebung weiterverfolgt. Zur Begründung hat er in Ergänzung zu seinem
Vorbringen im Verwaltungsverfahren vorgebracht: Möglicherweise sei er Opfer einer Denunziation
geworden. Der KONGRA-GEL sei nicht von Anfang an als verbotene Organisation behandelt worden. Er
sei erst nach längerer Zeit in die Liste der terroristischen Vereinigungen aufgenommen worden. Davor
habe es Bemühungen aus kurdischen Kreisen gegeben, die Aufnahme in die Liste zu verhindern. Wenn
er sich während der Kampagne durch Unterschriftsleistung dafür ausgesprochen haben sollte, dass der
KONGRA-GEL nicht in die Liste aufgenommen werde, so sei dies nicht als Unterstützung einer
verbotenen Organisation zu werten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. Mai 2008 abgewiesen und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung. Der auf § 10
Staatsangehörigkeitsgesetz ‑ StAG - gestützte Anspruch sei gemäß § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F.
ausgeschlossen, weil tatsächliche Anhaltspunkte bestünden, die den Schluss rechtfertigten, dass der
Kläger Bestrebungen unterstützt habe, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet
seien. Dazu gehöre die Unterstützung einer terroristischen Organisation. Als solche sei die vom Kläger
unterstützte Organisation KONGRA-GEL als Nachfolgeorganisation der PKK anzusehen, welche seit
November 1993 mit einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot belegt sei. Der Kläger habe die
Organisation, wie sich aus der Auskunft des Ministeriums des Innern und für Sport ergebe, die ihrerseits
auf die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg gestützt sei, durch
seine Tätigkeit als Frontarbeiter unterstützt. Dabei folge aus der Auskunft des Landesamtes, dass
Frontarbeiter Personen seien, die sich unterhalb der Funktionärsebene für den KONGRA-GEL
engagierten, und zwar z.B. durch Sammeln von Spenden, Transportieren und Verkauf von Publikationen
bzw. Eintritts- oder Fahrkarten für bzw. zu Veranstaltungen dieser Organisation etc. Die einzelnen
Handlungen, die den Begriff der Frontarbeitertätigkeit ausfüllten, stellten ohne weiteres Unterstützungs-
handlungen im Sinne des Gesetzes dar. Dies gelte für jede einzelne Handlung, so dass offen bleiben
könne, welche der genannten Handlungen vom Kläger konkret vorgenommen worden sei. Zu der
Frontarbeitertätigkeit komme auch noch die dreimalige Teilnahme an internen Versammlungen des vom
KONGRA-GEL dominierten Kurdischen Kulturvereins X., wie dies sich ebenfalls aus den Auskünften des
Landesamtes ergebe. Eingeräumt habe der Kläger auch die Teilnahme an einer Großdemonstration in S.
im Zeitraum 2005/2006. Er habe nicht glaubhaft machen können, dass er sich von der früheren
Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt habe.
Mit der dagegen vom Senat mit Beschluss vom 26. September 2008 zugelassenen Berufung rügt der
Kläger, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, seinem Anspruch stehe der
Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. entgegen. Tatsächliche Anhaltspunkte für die
Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen seien nicht nachgewiesen. Es sei nicht benannt,
welche einzelnen Handlungen ihm vorgeworfen würden, aus denen sich Anhaltspunkte für eine
Frontarbeitertätigkeit ergäben. Ihm werde nicht die Chance gegeben, konkrete Handlungen, aus denen
dies abgeleitet werde, aufzuklären. Grundsätze des rechtlichen Gehörs verlangten, dass die Tatsachen
konkret benannt würden, aus denen die Unterstützungsaktivität gefolgert werde. Es könne nicht sein, dass
dafür eine Aufzählung mit "z.B." und "etc." ausreiche. Es sei auch unzulässig - wie dies allerdings vielfach
Behördenpraxis darstelle - aus einer Betätigung im Rahmen der kurdischen Kulturvereine die
Unterstützung für die PKK herzuleiten.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 5. Mai 2008 die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 29. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2007
zu verpflichten, ihn einzubürgern.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt auf Rückfrage durch den Senat aus, sie könne dem Begehren des Klägers nicht abhelfen, wenn
auch aus den im Verfahren bekundeten Gründen von Seiten der Verfassungsschutzbehörden keine der
Konkretisierung und Ergänzung dienenden Angaben gemacht werden könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen
Verwaltungs- und Widerspruchsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Der Senat kann gemäß § 130a VwGO nach Anhörung der Beteiligten
durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, denn der Kläger hat einen Anspruch auf
Einbürgerung nach § 10 StAG in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung. Maßgeblich ist insoweit
gemäß § 40c StAG der Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrages, hier der 28. September 2006.
Nach dieser Vorschrift sind nämlich für Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden
sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiterhin in ihrer bis zum 28. August 2007 gültigen Fassung anzuwenden,
soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Damit unterliegt die Beurteilung des
Einbürgerungsanspruchs des Klägers namentlich nicht der zu jenem Zeitpunkt erst in Kraft getretenen
Bestimmung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 StAG im Hinblick auf den Nachweis der Kenntnisse der Rechts- und
Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland.
Zwischen den Beteiligten ist im Übrigen nicht umstritten, dass die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1
StAG, was insbesondere den erforderlichen Aufenthaltstitel und die Voraufenthaltszeiten, das
Nichtvorliegen erheblicher Straftaten, die Deutschkenntnisse sowie die Unterhaltsfähigkeit angeht,
vorliegen. Der Senat konnte auch davon absehen, lediglich zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung
zu verpflichten, da es für den Erfolg der Klage auf die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG hier nicht
ankommt, nämlich dass der Bewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Nach § 12
Abs. 1 Satz 1 StAG ist nämlich von den Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG abzusehen, wenn
der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen
Bedingungen aufgeben kann. Dies ist nach Satz 2 der Bestimmung (Nr. 6) anzunehmen, wenn der
Ausländer einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
besitzt, was beim Kläger mit seinem anerkannten Flüchtlingsstatus nach § 51 Abs. 1 Ausländergesetz der
Fall ist.
Entgegen der Auffassung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen und dem Urteil des
Verwaltungsgerichts stehen - was einzig umstritten ist - die Ausschlussgründe des § 11 Satz 1 Nr. 2 und
Nr. 3 StAG a.F., die § 11 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung
entsprechen, dem Begehren des Klägers nicht entgegen. Danach ist die Einbürgerung zwar ausge-
schlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer
Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung
gerichtet sind (Nr. 1) bzw. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er eine Vereinigung
gerichtet sind (Nr. 1) bzw. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er eine Vereinigung
unterstützt, die ihrerseits den Terrorismus unterstützt (Nr. 2 i.V.m. § 54 Nr. 5 Aufenthaltsgsetz). Der
Tatbestand mag erfüllt sein, wenn eine solche Handlungsweise der Unterstützung der Organisation
KONGRA-GEL als Nachfolgeorganisation der verbotenen PKK gelten würde (vgl. dazu Urteil des Senats
vom 4. Juli 2005 - juris; VGH BW, Urteil vom 10. November 2005 - 12 S 1696.05 - juris). Indessen können
vorliegend tatsächliche Anhaltspunkte bzw. Tatsachen, die eine solche Schlussfolgerung tragen, nicht
festgestellt werden. Zwar ist der Begriff der Unterstützungshandlung in diesem Sinne grundsätzlich weit
aufzufassen, nämlich dahin, dass Unterstützung jede Handlungsweise ist, die für die Bestrebungen im
Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist (vgl. BVerwGE 128, 140, 143). Die dies
bezweckende Zielrichtung des Handelns muss dem Ausländer aber regelmäßig erkennbar und ihm daher
zurechenbar sein. In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass im Zusammenhang mit einer
aktiven Beteiligung an Unterstützungshandlungen für die PKK oder in deren Kontext ein
Einbürgerungshindernis dann besteht, wenn sich der vereinsrechtliche Verbotsgrund der Gefährdung der
inneren Sicherheit auch in der Person des Ausländers konkretisiert hat (vgl. Urteil des Senats vom 4. Juli
2005, a.a.O.; vgl. auch BVerwGE 123, 114, 125 zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen). Eine
solche Konkretisierung setzt indessen in einem Mindestmaß eine subjektive Zurechenbarkeit voraus,
ohne dass es dabei auf ein Verschulden ankäme. An einer zurechenbaren Unterstützung in diesem Sinne
fehlt es, wenn der Ausländer lediglich politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation
unterstützt und dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines
Grundrechts auf Meinungsäußerung nach außen vertritt (BVerwG, a.a.O.).
Eine konkrete Handlung, die objektiv eine solche Unterstützungshandlung darstellen und dem
Mindestmaß an subjektiver Zurechenbarkeit genügen würde, kann hier nach tatrichterlicher Würdigung
durch den Senat nicht festgestellt werden. Es genügt nicht, dass die Beklagte in Anlehnung an die
Auskünfte der Verfassungsschutzbehörden dem Kläger eine "Frontarbeitertätigkeit" für den KONGRA-GEL
vorwirft. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg hat in seiner Stellungnahme vom 5.
Februar 2008 lediglich mitgeteilt, genauere Umstände zu der Frontarbeitertätigkeit des Klägers könnten
nicht dargelegt werden. Frontarbeiter seien Personen, die sich unterhalb der Funktionärsebene für den
KONGRA-GEL engagierten, „zum Beispiel durch Sammeln von Spenden, Transportieren und Verkaufen
von Publikationen bzw. Eintritts- oder Fahrkarten für bzw. zu Veranstaltungen dieser Organisation etc“. Bei
ihnen handele es sich also um Personen, die im Gegensatz zu passiven Versammlungsteilnehmern
zumindest aktive Hilfsdienste für den KONGRA-GEL leisteten. Auf Anfrage des Senats gab die Beklagte
mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2008 an, nach Mitteilung des Ministeriums des Innern und für Sport
Rheinland-Pfalz könne weder von dort noch seitens des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-
Württemberg eine Konkretisierung/Ergänzung der gemachten Angaben vorgenommen werden. Diese
Auskünfte reichen nicht, um eine dem Kläger zurechenbare Unterstützungshandlung im oben
dargestellten Sinn anzunehmen.
Bei der dem Kläger vorgeworfenen Frontarbeitertätigkeit handelt es sich um einen komplexen Begriff, der
auf zugrunde liegenden Tatsachen und entsprechende Bewertungen gestützt ist und insoweit das
Resultat eines Subsumtionsvorgangs darstellt. In dieser Hinsicht sind die zur Ausfüllung des Begriffs
dienenden tatsächlichen Anhaltspunkte aber nicht vollständig benannt ("zum Beispiel", "etc.") worden,
geschweige denn einer Beweisführung zugänglich gemacht worden. Anders als das Verwaltungsgericht
annehmen will, ist es nicht unerheblich, ob von der Beklagten die Behauptung aufgestellt wird, der Kläger
habe wenigstens eine der in der Aufzählung beispielhaft genannten Tätigkeiten für den KONGRA-GEL
ausgeführt, die nach der Auffassung der Verfassungsschutzbehörden die Frontarbeitertätigkeit
ausmachen. Auch der Senat hat keine Zweifel, dass etwa das Sammeln von Spenden für den KONGRA-
GEL oder das Transportieren oder Verkaufen von dessen Publikationen oder der Verkauf von Fahrkarten
oder Eintrittskarten für dessen Veranstaltungen für sich allein oder im Zusammenhang die
Frontarbeitertätigkeit belegen könnten. Die Beklagte und letztlich die Verfassungsschutzbehörden haben
aber sowohl im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts als auch auf besondere
Aufforderung durch den Senat im Berufungsverfahren offen gelassen, ob der Kläger eine der in der
Aufzählung konkret benannten Tätigkeiten ausgeführt hat oder aber eine unbenannte Handlung, in der
die Verfassungsschutzbehörden ebenfalls die Merkmale der Frontarbeitertätigkeit als gegeben ansehen.
Diese Zurückhaltung dient letztlich wohl Gründen des Quellenschutzes. Wie der Senat in seinem die
Berufung zulassenden Beschluss vom 26. September 2008 indessen dargelegt hat, wird damit dem
Gericht verwehrt, selbst zu beurteilen, ob die gegebenenfalls nicht in der Aufzählung bezeichneten
Handlungsweisen tatsächlich den Begriff eines Frontarbeiters auszufüllen vermögen oder ob es sich um
Handlungsweisen handelt, die im vorhandenen Kontext etwa einer kurdischen kulturellen Veranstaltung
für den genannten Zurechnungszusammenhang nicht ausreichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der
KONGRA-GEL vor Ort, z.B. in dem hier in Rede stehenden Kulturzentrum in X., in Zusammenhang mit
kurdischen kulturellen Veranstaltungen tätig ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass besonders für
die dem beanstandeten Verhalten des Klägers im Jahre 2005 vorangehenden Zeiträume das Auftreten
der Nachfolgeorganisation der PKK zeitweise von einer nicht leicht einzuordnenden Taktik geprägt war,
einen Kurswechsel hin zu einer zivilgesellschaftlichen Verankerung mit dem Verzicht auf den Kampf um
einen eigenständigen Kurdenstaat geltend zu machen. Dabei wurde auch das Verhältnis zu dem militäri-
schen Arm der Organisation im Dunkeln gelassen. Nach dem Bericht des Verfassungsschutzes
Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2005 etwa (s. dort S. 142) wird durch Unterschriftskampagnen,
Demonstrationen und Festivals versucht, die Aufmerksamkeit auf die Lage der Kurden in den
Siedlungsgebieten zu richten; andererseits dienen diese Veranstaltungen danach dazu, unter den im
Ausland lebenden Kurden die kurdische Kultur am Leben zu erhalten. Angesichts dessen wird mit dem
Offenlassen der Frage, ob der Kläger nicht etwa nur bei anderen Handlungen als den ausdrücklich
genannten aufgefallen ist, dem Gericht die Bewertung unmöglich gemacht, ob tatsächlich eine den
genannten Zurechnungszusammenhang ausfüllende Unterstützungstätigkeit für den KONGRA-GEL vor-
liegt.
Darauf kann nicht im Hinblick auf einen sachtypischen Beweisnotstand der Beklagten und der
Verfassungsschutzbehörden verzichtet werden. Dies ist nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Mai 2008, 6 C 13.07 - juris) schon nicht im Hinblick auf die
Erweislichkeit benannter Tatsachen der Fall. Umso weniger kann von der Benennung der Tatsachen bzw.
der tatsächlichen Anhaltspunkte selbst abgesehen werden. Danach richtet sich nämlich die Beweislast
auch im hier in Rede stehenden Rechtsbereich nach dem Normbegünstigungsprinzip, d.h. die Behörde ist
hier darlegungs- und beweisbelastet für die den Anspruch ausschließenden Umstände. Für die
Tatsachenfeststellung bestrittener Tatsachen gilt insoweit das Regelbeweismaß der vollen richterlichen
Überzeugung nach § 108 Abs. 1 VwGO, selbst wenn sich die Behörde etwa wegen Ver-
traulichkeitszusagen oder aus Gründen des Quellenschutzes aufgrund einer berechtigten Verweigerung
der Aktenvorlage nach Maßgabe des § 99 VwGO in einem sachtypischen Beweisnotstand befindet. Zwar
ist die Beweisführung mittels eines sogenannten schlichten Behördenzeugnisses, d.h. hier einer Auskunft
der Verfassungsschutzbehörden, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Verwaltungsgerichte müssen
indessen den Aussage- und Beweiswert der verschiedenen Bestandteile des Prozessstoffes nach der
inneren Überzeugungskraft der Gesamtheit der in Betracht kommenden Erwägungen bestimmen und sind
in ihrer tatrichterlichen Beurteilung insoweit lediglich an die Denk- und Naturgesetze gebunden und
müssen gedankliche Brüche und Widersprüche vermeiden (vgl. BVerwG, a.a.O.; vgl. auch zu den
Anforderungen bei Zeugen vom Hörensagen BVerfGE 57, 250). Vorliegend stellt sich dem Senat aber
nicht einmal die Frage, ob mit Blick auf die Gesamtheit der zu würdigen Umstände der Beweis hier mit
Hilfe eines "schlichten" Behördenzeugnisses geführt werden könnte. Es fehlt nämlich schon an der
hinreichenden Darlegung von bestimmten tatsächlichen Anhaltspunkten, aus denen sich die
Frontarbeitertätigkeit des Klägers ergeben soll. Wie ebenfalls aus der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts folgt (a.a.O. unter Bezugnahme auf das Urteil vom 3. Dezember 2004,
Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 77), können „schlichte“ Behördenzeugnisse, die sich in pauschalen
Behauptungen erschöpfen und nicht durch die Angabe konkreter, eine Einschätzung der Verlässlichkeit
ermöglichender Tatsachen untermauert werden, dem Tatrichter regelmäßig nicht die volle Überzeugung
von der Wahrheit substantiiert bestrittener Tatsachenbehauptungen vermitteln.
Der Senat hat im Übrigen neben den nicht ausreichenden Hinweisen durch die
Verfassungsschutzbehörden keine weiteren Möglichkeiten der Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht. Eine
Konkretisierung und Ergänzung haben die Behörden trotz des Hinweises des Senats unterlassen. Eine
Aktenanforderung kommt nicht in Betracht, nachdem die Beklagte sich unter Bezugnahme auf die
Stellungnahme der Verfassungsschutzbehörden auf den erforderlichen Quellenschutz berufen hat. Auch
aus den sonstigen Umständen ergeben sich keine ausschlaggebenden Erkenntnisse. Der Kläger hat zwar
im Rahmen seines Asylverfahrens Angaben gemacht, dass er zum Unterstützerkreis der Widerstands-
bewegung in den kurdischen Siedlungsgebieten gehörte und die Kämpfer durch logistische Unterstützung
gefördert hat. Dies gibt indessen keine ausreichenden Hinweise auf eine exilpolitische Betätigung, zumal
die Vorgänge in der Türkei mehr als ein Jahrzehnt zurückliegen. Auch die von ihm zugestandenen
Begebenheiten im Einzelnen reichen zur entsprechenden Ergänzung nicht aus, ebensowenig die sonst
von der Beklagten geltend gemachten Umstände. Die Beklagte hat - gestützt auf die Erkenntnisse der
Verfassungsschutzbehörden - vorgebracht, der Kläger habe an internen Veranstaltungen des
Kulturvereins in X. teilgenommen. Wegen der aufgezeigten Gemengelage ist daraus ohne nähere
Angaben des Charakters der Veranstaltungen schon nicht ersichtlich, ob es um Veranstaltungen ging, die
dem KONGRA-GEL zuzurechnen sind, und insbesondere ob für den Kläger diese Zusammenhänge für
eine Zurechenbarkeit hinreichend erkennbar waren. Dasselbe trifft für eine Großdemonstration in S. mit
tausenden Menschen im Jahr 2005 zu, an der der Kläger teilgenommen hat. Soweit dieser selbst
Berührungen mit der einschlägigen Szene zugestanden hat, beschränkt sich dies auf die Einräumung,
dass er zusammen mit einem Landsmann verschiedentlich den Kulturverein aufgesucht habe, sich
indessen zurückgezogen habe, als er bemerkt habe, dass dieser sich politisch betätigte. Bezogen auf die
von ihm selbst eingeräumte Leistung einer Unterstützungsunterschrift hat die Beklagte allerdings keine
Einzelheiten zu dem Inhalt der Erklärung und den Umständen aufgezeigt. Die daher nicht widerlegbare
Einlassung des Klägers geht dahin, er habe sich für Freiheit und Demokratie einsetzen wollen; dies ist
aber ohnehin von seinem Recht auf Meinungskundgabe gedeckt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der
Kosten auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
gez. Wünsch gez. Dr. Holl gez. Wolff