Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 20.04.2006

OVG Koblenz: öffentliches interesse, beseitigungsverfügung, amnestie, wochenendhaus, umbau, grundstück, vertrauensschutz, ermessensausübung, erlass, einbau

OVG
Koblenz
20.04.2006
8 A 10119/06.OVG
Baurecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der
Frau R.
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Adalbert Heim, Obere Hauptstr. 31, 76889 Kapellen-Drusweiler,
gegen
den
Landkreis Südwestpfalz
, vertreten durch den Landra
, Unterer Sommerwaldweg 40
,
6695
Pirmasen
,
- Beklagter und Berufungskläger -
wegen Beseitigungsanordnung und Zwangsmittelandrohung
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 20. April 2006, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch
Richter am Verwaltungsgericht Bender
ehrenamtlicher Richter Kundendienstleiter Schultheis
ehrenamtliche Richterin Sekretärin Schüler
für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 14. November 2005 wird abgeändert
und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Beteiligten streiten über eine Beseitigungsverfügung betreffend einen Freisitz am Wochenendhaus
der Klägerin.
Die Klägerin ist Eigentümerin des vor 1967 ohne nachweisbare Genehmigung mit einem
Wochenendhaus nebst überdachtem Freisitz bebauten Grundstücks Gemarkung L., Parzelle Nr. ... . Der
Freisitz bestand ursprünglich aus einem mit Plexiglas bedachten, von einer ca. 1 m hohem Holzbrüstung
umgebenen Metallgerüst.
Am 16. Mai 2003 stellte der Beklagte fest, dass der Freisitz unter Erhaltung des Metallgerüsts und der
Holzbrüstung mit Spanplatten und Dachpappe neu eingedeckt sowie durch bodentiefe Glas-
/Kunststoffelemente nebst verglaster Eingangstür geschlossen worden war.
Am 12. August 2003 verfügte der Beklagte unter Ablehnung eines von der Klägerin für das
Wochenendhaus gestellten Bauantrages dessen Beseitigung einschließlich des Freisitzes und eines
ebenfalls auf dem Grundstück vorgefundenen Toilettenhauses. Es handele sich insgesamt um
ungenehmigte, nicht privilegierte Außenbereichsbebauung, die öffentliche Belange beeinträchtige. Die
Schließung des Freisitzes stelle im Blick auf das der sogen. „Pirmasenser Amnestie“ unterfallende
Wochenendhaus eine amnestieschädliche Änderung dar, die das Verlangen nach dessen vollständiger
Beseitigung rechtfertige.
Nachdem der Beklagte am 24. November 2003 die Beseitigungsverfügung hinsichtlich des
Wochenendhauses aufgehoben hatte, wies der Kreisrechtsausschuss den Widerspruch der Klägerin
gegen die Beseitigungsverfügung im Übrigen zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die restliche Beseitigungsverfügung auf die Klage der Klägerin hin
aufgehoben, soweit damit die Beseitigung der Freisitzüberdachung verlangt wird. Hinsichtlich der
Überdachung selbst seien nur amnestieunschädliche Erhaltungsarbeiten vorgenommen worden; die
amnestieschädliche Schließung des Freisitzes rechtfertige aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht
dessen vollständige Beseitigung. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das hiergegen eingelegte
Rechtsmittel der Klägerin blieb ohne Erfolg (s. Senatsbeschluss vom 02. März 2006 – 8 A 10031/06.OVG -
).
Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung der
Beseitigungsverfügung auch hinsichtlich der Freisitzüberdachung. Die Schließung des Freisitzes sei ein
mehr als geringfügiger Eingriff in dessen amnestierte Bausubstanz, so dass dieser nach der
Rechtsprechung des erkennenden Senats und des Bundesverfassungsgerichts ungeachtet einer leichten
Rückbaubarkeit der Wandteile insgesamt zu beseitigen sei.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, das angefochtene Urteil trage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur
Pirmasenser Amnestie Rechnung. Danach bestehe an der Beseitigung amnestierter Gebäude im
Geltungsbereich der Amnestie grundsätzlich kein öffentliches Interesse, das eine Beseitigungsverfügung
rechtfertigen könne. Ein solches Interesse sei nur im Hinblick auf eine Intensivierung des rechtwidrigen
Zustandes durch Funktionsverbesserungen amnestierter Bauten anzuerkennen. Daher habe sich das
Beseitigungsverlangen grundsätzlich auf das Rückgängigmachen der funktionsverbessernden
Maßnahmen zu beschränken. Dies gelte nach dem Wortlaut der verfassungsgerichtlichen Entscheidung
nicht „nur“, sondern „jedenfalls“ dann, wenn diese geringfügig und leicht rückgängig zu machen seien.
Ungeachtet dessen liege schon keine funktionsverbessernde Veränderung des amnestierten Freisitzes
vor, weil dieser bereits seit 1963 im Winter zum Witterungsschutz mit in Holzrahmen gefassten
Plexiglasfenstern versehen worden sei, was dem heutigen Zustand durchaus vergleichbar sei. Auch die
heutigen Glas-/Kunststoffelemente seien nicht zum dauerhaften, sondern nur zum saisonalen Schließen
des Freisitzes bestimmt. Ihr Einbau sei auch leicht rückgängig zu machen, da sie nur auf dem Boden in
Falzvertiefungen eingestellt und oben mit wenigen Flügelmuttern am Dachgestänge befestigt seien.
Überdies habe das Verwaltungsgericht den strittigen Teil der Beseitigungsverfügung auch deshalb zu
Recht aufgehoben, weil es an einer ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens fehle. Die
ursprüngliche Verfügung habe sich auf das gesamte Haus bezogen; nach deren Teilaufhebung fehle es
an Ermessenserwägungen, die geeignet seien, den Restverwaltungsakt zu tragen. Insbesondere bewirke
dieser keine vollständige Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes, da das – nach Ansicht des
Beklagten illegale – Wochenendhaus bestehen bleibe. Des Weiteren existierten in der Gemarkung L. eine
Reihe von unter Geltung des Aufbaugesetzes genehmigten Wochenendhäusern im Außenbereich; 1990
habe der Beklagte die Vergrößerung des ca. 100 m vom Grundstück der Klägerin entfernten, 1951
genehmigten Wohnhauses P. genehmigt. Schließlich sei das Wochenendhaus einschließlich des
Freisitzes bei seiner Errichtung nach § 63 AufbauG genehmigungsfähig gewesen. Dies gelte auch
gegenwärtig, da das Grundstück mittlerweile Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles
sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur
Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Verwaltungs- und
Widerspruchsakten des Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf
ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage auch hinsichtlich der
Freisitzüberdachung abweisen müssen. Denn die diesbezügliche Beseitigungsverfügung des Beklagten
erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nach § 81 Satz 1 LBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung baulicher Anlagen anordnen,
wenn sie im Zeitpunkt des Erlasses der Beseitigungsverfügung gegen baurechtliche oder sonstige
öffentlich rechtliche Vorschriften verstoßen und keinen Bestandsschutz genießen. Dies ist hinsichtlich der
Freisitzüberdachung der Fall.
Bei ihr handelt es sich – ebenso wie bei dem zugehörigen Wochenendhaus – um ein im Außenbereich
der Gemarkung L. gelegenes, nicht privilegiertes Bauvorhaben, das im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB
öffentliche Belange (natürliche Eigenart der Landschaft sowie Verfestigung und Erweiterung einer Splitter-
siedlung; s. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 BauGB) beeinträchtigt und daher bauplanungsrechtlich
unzulässig ist. Soweit die Klägerin in der Berufungserwiderung behauptet, ihr Grundstück liege
mittlerweile im unbeplanten Innenbereich, kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die
Ausführungen in dem zwischen denselben Beteiligten ergangenen Senatsbeschluss vom 02. März 2006 –
8 A 10031/06.OVG -, S. 3f. BA, Bezug genommen werden. Die Auffassung der Klägerin, das Haus nebst
angebautem Freisitz genieße Bestandsschutz, weil es nach der im Zeitpunkt seiner Errichtung geltenden
Vorschrift des § 63 AufbauG zulässig gewesen sei, teilt der Senat nicht. Auch insoweit wird auf die Aus-
führungen im zitierten Beschluss (S. 4 BA) verwiesen.
Auch die Ermessensausübung des Beklagten bei Erlass der Beseitigungsverfügung hält rechtlicher
Überprüfung stand.
Der Einwand der Klägerin, die im Widerspruchsverfahren erfolgte, auf das Wochenendhaus beschränkte
Teilaufhebung der Beseitigungsverfügung habe der auf die Gesamtregelung bezogenen
Ermessensausübung die Grundlage entzogen, greift nicht durch. Gegenstand der Anfechtungsklage ist
gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid
gefunden hat. Im Widerspruchsbescheid hat aber der Kreisrechtsausschuss des Beklagten unter
Ausübung eigenen Ermessens (s. S. 4 des Bescheides) über die Restverfügung hinsichtlich des Freisitzes
und des Toilettenhäuschens entschieden.
Die Auffassung des Kreisrechtsausschusses, an der Beseitigung des gesamten, formell und materiell
illegalen Freisitzes bestehe ein öffentliches Interesse, ist im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen
Überprüfung der Ermessensausübung (§ 114 Satz 1 VwGO) nicht zu beanstanden.
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (s. z.B. AS 15, 324 [325]) handelt die
Bauaufsichtsbehörde angesichts ihres gesetzlichen Auftrages zur Gewährleistung rechtmäßiger Zustände
gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie die Beseitigung einer
formell und materiell baurechtswidrigen Anlage verlangt. Weitergehende Ermessenserwägungen sind
allerdings dann anzustellen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles geeignet sind, das prinzipiell
anzunehmende öffentliche Interesse an der Beseitigung rechtswidriger Bauten zu mindern. Solche
besonderen Umstände können vorliegen, wenn es um die Beseitigung von Schwarzbauten geht, die dem
Geltungsbereich der sogen. Pirmasenser Amnestie unterfallen (s. dazu Senatsurteil vom 08. September
1989 – 8 A 93/88 -). Diese behördliche Duldungserklärung, die sich auf vor dem 01. Juli 1967 im Gebiet
des ehemaligen Landkreises Pirmasens illegal errichtete Außenbereichsbauten bezieht, steht einem
Beseitigungsverlangen hinsichtlich amnestierter Bausubstanz allerdings nicht generell entgegen. Sie
erfordert im Rahmen einer diesbezüglichen Ermessensausübung aber eine Auseinandersetzung mit dem
durch sie geschaffenen Vertrauenstatbestand und eine Prüfung, ob das öffentliche Interesse an der
Herstellung baurechtmäßiger Zustände gegenüber den privaten Belangen, insbesondere dem
Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, überwiegt (Senatsurteil vom 08. September 1989, aaO., S. 10 UA).
Diese erhöhten Anforderungen an die Ermessensbetätigung gelten allerdings dann nicht, wenn der durch
die Duldungserklärung geschaffene Vertrauensschutz durch sogen. amnestieschädliche Änderungen der
baulichen Anlage entfallen ist. Amnestieschädlich sind Änderungen, die über die bloße
Substanzerhaltung hinaus die amnestierten Bauten erweitern oder sonst in ihrem Äußeren oder in ihrem
Bauzustand verändern oder verbessern oder die Funktionsfähigkeit erhöhen (Senatsurteil vom
09. September 1989, aaO., S. 9 UA und auch Urteil vom 29. November 2000 - 8 A 11403/96.OVG -, S. 7
UA). Derartige Änderungen gehen über die Erhaltung des geduldeten Altbestandes hinaus. Sie
verschärfen vielmehr die Beeinträchtigung des Außenbereichs und stellen damit die Grundlage für die
seinerzeit ausgesprochene Duldung in Frage. Solche Änderungen lassen deshalb grundsätzlich den
Vertrauensschutz für die gesamte bauliche Anlage entfallen und rechtfertigen ihre bauaufsichtliche
Behandlung als „reguläre“ Schwarzbauten (s. z.B. Urteil vom 29. November 2000, aaO., zur Beseitigung
eines möglicherweise amnestierten Freisitzes wegen nachträglichen Einbaus eines Kamins). Allenfalls
dann, wenn eine Funktionsverbesserung auf einer geringfügigen, leicht rückgängig zum machenden
baulichen Veränderung beruht, kann sich das öffentliche Interesse an der Beseitigung illegaler Bauten
aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die Rückgängigmachung der funktionsverbessernden
Maßnahme beschränken (s. BVerfG, NVwZ 2005, 203f. und Senatsbeschluss vom 13. Juli 2005 – 8 A
10757/05.OVG -).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann sich die Klägerin nach Umbau des ehemaligen Freisitzes in
einen Wintergarten nicht mehr auf einen durch die Pirmasenser Amnestie vermittelten Vertrauensschutz
hinsichtlich des Freisitzes berufen, so dass der Beklagte dessen vollständige Beseitigung ohne weitere
Ermessenserwägungen und ohne Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangen konnte.
Dem Einwand der Klägerin, der Umbau des Freisitzes stelle schon keine nachträgliche Änderung dar, weil
dieser bereits vor Erlass der Amnestie mittels holzgerahmter, eingestellter und befestigter Plexiglasfenster
saisonal vor den Unbilden der Witterung geschützt worden sei, braucht der Senat nicht weiter
nachzugehen. Denn aus den von den Beteiligten vorgelegten Lichtbildern ergibt sich zweifelsfrei, dass die
vollständige Schließung des Freisitzes durch bodentiefe, isolierverglaste Glas-/Kunststoffelemente, deren
Fensterteile mit Griffen zum Öffnen versehen sind, sowie mit einer vollständig umbauten Glastür (s. Bl. 70
VA) nichts mit einem zum jederzeitigen Aus- und Einbau bestimmten Witterungsschutz gemein hat.
Vielmehr belegen Art und Umfang der Baumaßnahme, dass die Zweckbestimmung des Freisitzes als
Möglichkeit eines regengeschützten Sitzens „im Freien“ dauerhaft zugunsten einer Nutzung als
Wintergarten aufgegeben worden ist.
Eine derartige Änderung ist auch keineswegs geringfügig, sondern verändert sowohl das äußere
Erscheinungsbild als auch die Funktion der amnestierten Bausubstanz nachhaltig. Mag dieser erhebliche
Eingriff in die Bausubstanz des Freisitzes auch – wie der Beklagte durch Teilaufhebung der strittigen
Verfügung anerkannt hat – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einer Beseitigung des im übrigen
unveränderten Wochenendhauses entgegenstehen, so gilt dies entgegen der Auffassung der Vorinstanz
nicht für den Freisitz selbst. Denn auch unter Berücksichtigung der vorzitierten Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts lässt sich der Pirmasenser Amnestie lediglich entnehmen, dass in der Regel
ein öffentliches Interesse an der Beseitigung vor dem 01. Juli 1967 entstandener illegaler
Außenbereichsbauten fehlt. Wird – wie vorliegend - in deren Bestand mehr als nur geringfügig, d.h. mit
nachhaltigen Auswirkungen auf ihre optische und funktionale Identität eingegriffen, so entsteht letztlich ein
„neuer“ Schwarzbau. Dieser ist hinsichtlich des öffentlichen Beseitigungsinteresses nicht anders zu
bewerten wie ein solcher, der autonom, d.h. ohne Rückgriff auf amnestierte Bausubstanz entstanden ist.
Dies gilt unabhängig von der Frage, ob und ggf. wie die identitätsändernden Maßnahmen rückgängig
gemacht werden können.
Ungeachtet dessen ist der vorliegend erfolgte Umbau des Freisitzes entgegen der Auffassung der
Klägerin auch nicht im Sinne des von ihr in Anspruch genommenen, oben zitierten Beschlusses des
Bundesverfassungsgerichts „leicht“ rückgängig zu machen. Die in diesem Beschluss verwendete
Formulierung muss vor dem Hintergrund des der seinerzeitigen Verfassungsbeschwerde zugrunde
liegenden Sachverhalts gesehen werden. Hier hatten sich die Eigentümer darauf beschränkt, an drei das
Terrassendach tragenden Holzstützen eine Vorrichtung anzubringen, „die es erlaubt, zwischen die
Holzpfosten mobile Kunststofffenster einzuhängen“. Von einem derartigen, durch bloßes Aushängen zu
beseitigenden mobilen Wetterschutz unterscheidet sich der von der Klägerin veranlasste Umbau des
Freisitzes zu einem Wintergarten wesentlich. Auf den von ihr selbst eingereichten Lichtbildern ist nämlich
klar ersichtlich, dass er sich nicht auf ein bloßes Einstellen oder Einhängen von Fenstern beschränkt hat.
Vielmehr sind die Glas-/Kunststoffelemente und die Eingangstür des Wintergartens durch mit dem Dach
des Freisitzes verschäumte Platten passgenau und mittels Silikonisolierung (s. Bl. 217 GA) auch winddicht
eingefügt worden, sodass ein vollständig verschlossener Raum entstanden ist. Die Bauteile sind durch
Verschäumen und Verschrauben auch fest und dauerhaft mit der Freisitzüberdachung bzw. deren Stützen
verbunden, können also nicht ohne weiteres abgenommen oder ausgehängt werden (s. dazu auch
Senatsbeschluss vom 13. Juli 2005 - 8 A 10757/05.OVG -, S. 5 BA). Dass sie möglicherweise ohne
nennenswerten Substanzverlust des verwendeten Materials ausgebaut werden können, bedeutet
indessen nicht, dass der Umbau im Sinne der verfassungsgerichtlichen Entscheidung „leicht“ rückgängig
zu machen ist.
Schließlich ist die auf den Wintergarten beschränkte Beseitigungsverfügung auch nicht deshalb
ermessensfehlerhaft, weil sie wegen Fortbestand des Wochenendhauses den rechtswidrigen Zustand auf
dem Grundstück der Klägerin nicht vollständig beseitigt. Auch nach dem von der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung angeführten Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22. August 2005 (BauR
2006, 90ff.) ist eine auf den Anbau an ein illegales Bauvorhaben beschränkte Beseitigungsverfügung
dann ermessensfehlerfrei möglich, wenn hinsichtlich des eigentlichen Bauvorhabens eine aktive Duldung
erfolgt. So liegt der Fall hier hinsichtlich des Wochenendhauses der Klägerin. Der Beklagte hat durch
Aufhebung des hierauf bezogenen Teils der Beseitigungsverfügung hinreichend deutlich zum Ausdruck
gebracht, dass er aus Gründen der Verhältnismäßigkeit den Umbau des amnestierten Freisitzes zum
Wintergarten nicht für ausreichend hält, den durch die Pirmasenser Amnestie vermittelten
Vertrauensschutz für das gesamte Wochenendhaus entfallen zu lassen.
Die Existenz unter Geltung des Aufbaugesetzes genehmigter Außenbereichsbauten in der Gemarkung L.
(s. Bl. 35 GA) führt ebenso wenig wie die Erweiterungsgenehmigung für das bereits 1951 genehmigte
Wohnhaus Pahls (Bl. 51GA) auf Ermessensfehler der Beseitigungsverfügung für den Wintergarten. Nach
der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (s. etwa Urteil des 1. Senates vom 02. Dezember 1999 – 1
A 10091/99.OVG -; ESOVGRP) muss die Bauaufsichtsbehörde beim Einschreiten gegen ein illegales
Außenbereichsvorhaben zur Vermeidung von Willkür jedenfalls dann ein planvolles Eingriffs-, Heilungs-
und Sanierungskonzept befolgen, wenn im Gemarkungsbereich, in dem das beanstandete Vorhaben
liegt, bezüglich der Baurechtmäßigkeit vorhandener Bauten und Anlagen insgesamt eine problematische
Situation besteht. Im Übrigen ist die Bauaufsichtsbehörde nicht verpflichtet, ihren gesamten
Zuständigkeitsbereich im Hinblick auf illegale Bauten regelmäßig zu kontrollieren. Lediglich wenn sie in
einer Vielzahl von Fällen gegen ihr bekannte illegale Vorhaben nicht vorgeht und sich – abweichend von
dieser Verwaltungspraxis – ein Einzelvorhaben herausgreift, kommt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in
Betracht (s. Senatsurteil vom 18. Januar 1995 – 8 A 10295/94.OVG – ESOVGRP). Dass nach Maßgabe
dieser Grundsätze der Erlass der strittigen Beseitigungsverfügung willkürlich gewesen sein könnte, hat die
Klägerin nicht dargelegt. Dem Senat ist aus zahlreichen Verfahren der letzten Jahrzehnte bekannt, dass
der Beklagte gegen amnestieschädlich veränderte Schwarzbauten im Falle ihres Bekanntwerdens ein-
schreitet. Die angeblich in neuerer Zeit erteilte Erweiterungsgenehmigung für das (genehmigte)
Wohnhaus P. belegt keine gegenteilige Verwaltungspraxis des Beklagten. Dass in der Gemarkung L.
unter Geltung des Aufbaugesetzes genehmigte und damit bestandsgeschützte Wochenendhäuser im
Außenbereich existieren, nötigt den Beklagten allein nicht zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes.
Denn der Jahrzehnte alte Bestandsschutz dieser Häuser verbietet ohnehin ein bauaufsichtliches
Einschreiten. Dass in dem ihr Grundstück umgebenden Gemarkungsbereich hingegen mehrere
amnestieschädlich veränderte oder sonstige Schwarzbauten existieren, gegen die der Beklagte nicht ein-
schreitet, lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten aus §§ 167 VwGO, 708ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Dr. Held gez. Utsch gez. Bender
Beschluss
...
gez. Dr. Held gez. Utsch gez. Bender
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