Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 15.02.2006

OVG Koblenz: öffentliche sicherheit, gefahr, unverletzlichkeit der wohnung, schwere des grundrechtseingriffs, schwerer eingriff, durchsuchung, gesundheit, zustand, wahrscheinlichkeit, brandschutz

OVG
Koblenz
15.02.2006
8 A 11500/05.OVG
Baurecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
...
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
wegen baupolizeilicher Verfügung
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 15. Februar 2006, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch
Richter am Verwaltungsgericht Bender
ehrenamtlicher Richter Zimmermeister Perscheid
ehrenamtliche Richterin Hausfrau Herr
für Recht erkannt:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 27.
Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine Bauzustandsbesichtigung ihres Wohngebäudes.
Sie sind Eigentümer des Grundstücks B... ..., Flurstück Nr. ..., in S..., das mit einem als Wochenendhaus
baurechtlich genehmigten Gebäude bebaut ist. Das Anwesen liegt im Geltungsbereich des
Bebauungsplans „I...“, nach dessen Festsetzungen dort nur Wochenendhäuser, aber keine zu
Dauerwohnzwecken genutzten Wohngebäude zugelassen sind. Seit Beginn der Bebauung dieses
Baugebietes in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden dort bauliche Anlagen - teilweise
abweichend von den Festsetzungen des Bebauungsplans - verändert, erweitert und umgenutzt.
Inzwischen meldeten zahlreiche Anwohner hier ihren Hauptwohnsitz an.
Im Rahmen eines Konzepts der Beklagten zur flächendeckenden Erhebung von baurechtlichen Verstößen
im Baugebiet wurde auch das klägerische Anwesen näher betrachtet. Bei einer Außenbesichtigung wurde
außer einem ungenehmigten Gartenhäuschen festgestellt, dass augenscheinlich die Kellerfenster größer
als genehmigt ausgeführt und davor größere Lichtschächte und Rollläden eingerichtet wurden. Nachdem
sich die Kläger geweigert hatten, ihr Wohnhaus besichtigen zu lassen, gab die Beklagte ihnen mit dem
streitgegenständlichen Bescheid vom 30. September 2003 auf, einen Termin für eine
Bauzustandsbesichtigung zu benennen und zu diesem Termin das Anwesen und die dort vorhandenen
baulichen Anlagen zugänglich zu machen. Zur Begründung führte sie aus, dass aufgrund der bereits
getroffenen Feststellungen hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Kellerräume
baurechtswidrig als Aufenthaltsräume genutzt würden. Insoweit sei die Besichtigung erforderlich, um die
genauen baulichen Zustände abzuklären.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger unter Berufung auf ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit der
Wohnung Widerspruch ein, den der Stadtrechtsausschuss der Beklagten am 15. Juli 2004 zurückwies.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der folgenden
Begründung abgewiesen: Die streitgegenständliche Besichtigung stelle keine Durchsuchung nach Art. 13
Abs. 2 GG dar. Die Besichtigungsanordnung beruhe auf § 59 Abs. 4 Landesbauordnung (LBauO) und sei
zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich, weil
hinreichende Anhaltspunkte bestünden, dass die Kläger unter Verletzung der baurechtlichen
Genehmigungspflicht Kellerräume in Wohnräume umgenutzt hätten. Deswegen bestehe auch die Gefahr
der Verletzung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften zum Brandschutz und zur Eignung von
Aufenthaltsräumen, die den Schutz der hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Menschen
verfolgten. Die Beklagte habe ihr Betretungsrecht weder verwirkt noch sei die Wohnungsbetretung
unverhältnismäßig.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung wenden sich die Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil: Bei
der angestrebten Maßnahme handele es sich um eine gemessen an Art. 13 Abs. 2 GG unzulässige
Durchsuchung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch eine das bloße Betreten einer
Wohnung rechtfertigende dringende Gefahr nur dann gegeben, wenn in allernächster Zukunft zu
befürchten sei, dass ein Schaden für hochrangige Rechtsgüter eintreten werde. Dies sei hier angesichts
der seit Jahren bestehenden Wohnnutzung im B... auch nicht für die von der Beklagten genannten Rechts-
güter Leben und Gesundheit von Menschen zu erwarten. Es komme allenfalls ein für den
Grundrechtseingriff nicht ausreichender formeller Rechtsverstoß wegen einer fehlenden
Baugenehmigung in Betracht. Man habe inzwischen eingeräumt, dass die Kellerräume als Schlafzimmer
genutzt würden. Aufgrund der bereits bestehenden Erkenntnisse sei es der Beklagten ohne weiteres
möglich, eine Nutzungsuntersagungsverfügung zu erlassen, ohne zuvor noch die Wohnung betreten zu
müssen. Schließlich stehe einer Überprüfung, ob sie mit der Nutzung ihres Hauses gegen den
Bebauungsplan verstießen, entgegen, dass einerseits der Bebauungsplan inzwischen funktionslos
geworden sei und andererseits die Beklagte ihre baurechtlichen Eingriffsbefugnisse bezüglich einer
Dauerwohnnutzung im Baugebiet verwirkt habe.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 27. Juni 2005 abzuändern und den
Bescheid der Beklagten vom 30. September 2003 sowie den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid
vom 15. Juli 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens die verwaltungsgerichtliche Entscheidung.
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zur Gerichtsakte gelangten
Schriftsätze und den Inhalt der Verwaltungs- und Widerspruchsakten, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen, denn sie ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom
30. September 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Die für die Anordnung der Bauzustandsbesichtigung einschlägige Rechtsgrundlage des § 59 Abs. 4
Satz 2 LBauO ist zunächst mit höherrangigem Recht vereinbar. Die danach der Bauaufsichtsbehörde
eröffnete Möglichkeit der Betretung einer Wohnung beinhaltet keine Durchsuchung, die nur nach den
engen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 GG zulässig ist. Für den Begriff der
Durchsuchung ist das zweck- und zielgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen
oder zur Ermittlung eines Sachverhalts kennzeichnend. Zweck ist es, dasjenige aufzuspüren, was der
Wohnungsinhaber von sich aus nicht herausgeben oder offen legen will. Die Wahrnehmung behördlicher
Betretungs- und Besichtigungsrechte, wie im vorliegenden Fall, verfolgt gerade nicht den Zweck des
Aufspürens von verborgenen Dingen oder Sachverhalten. Dass beim Betreten durch staatliche Organe
Dinge wahrgenommen werden können, die offen zutage liegen, die der Wohnungsinhaber aber lieber
dem behördlichen Einblick entzogen hätte, genügt nicht für die Annahme einer Durchsuchung. Das gilt
auch, soweit in der Wohnung Vermessungen durchgeführt werden, weil die Behörde hier gerade nicht in
die Geheimsphäre des Wohnungsinhabers eindringt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987,
BVerfGE 75, 318 [327]; BVerwG, Urteil vom 6. September 1974, BVerwGE 47, 31 [37]; OVG Hamburg,
Beschluss vom 23. Oktober 1996, DVBl. 1997, 665; OVG Rh-Pf, Beschluss vom 29. April 2003, NVwZ-RR
2003, 741; Papier in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (Stand August 2002), Art. 13 Rn. 22;
Schenke, in: Steiner (Hrsg), Bes. Verwaltungsrecht, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 1999, Rn. 105).
Das bauaufsichtsbehördliche Betreten einer Wohnung ist als sonstiger Eingriff in das Grundrecht nach Art.
13 Abs. 7 GG zu werten. Da nach § 59 Abs. 4 Satz 2 LBauO entsprechend der verfassungsrechtlichen
Vorgabe die Wohnungsbetretung nur zur Abwehr einer dringenden Gefahr für öffentliche Sicherheit und
Ordnung zulässig ist, wird auch der verfassungsrechtliche Rahmen für die einfachgesetzliche
Ermächtigungsgrundlage ersichtlich eingehalten.
Die im Lichte des Art. 13 Abs. 7 GG auszulegende Ermächtigungsnorm des § 59 Abs. 4 Satz 2 LBauO trägt
die streitgegenständliche Verfügung. Eine dringende Gefahr für öffentliche Sicherheit und Ordnung
besteht vorliegend schon deswegen, weil hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die objektive
Rechtsordnung als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit durch einen Verstoß gegen die baurechtliche
Genehmigungspflicht nach § 61 LBauO verletzt ist. Aufgrund der bei einer Außenbesichtigung
festgestellten Gestaltung der Kellerfenster besteht nämlich der, durch die Einlassung der Kläger
mittlerweile erhärtete Verdacht, dass die Kellerräume zu Aufenthaltszwecken genutzt werden und eine
Umnutzung des genehmigten Wochenendhauses zum Zweck des Dauerwohnens stattgefunden hat.
Diese Nutzungsänderung ist nach § 61 LBauO genehmigungspflichtig.
Bei dieser Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch eine Verletzung der Genehmigungspflicht nach § 61
LBauO handelt es sich auch um eine dringende Gefahr i.S.v. § 59 Abs. 4 Satz 2 LBauO. Nach der in der
Rechtsprechung entwickelten, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nach § 13 Abs. 7 GG
genügenden Definition liegt eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor, wenn
eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für ein hochrangiges Rechtsgut führen wird, wobei
an den Grad der Wahrscheinlichkeit umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je höherwertiger das
betroffene Rechtsgut ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 6. September 1974, a.a.O.; BayVGH, Beschluss
vom 19. Juni 1991 ‑ 2 CS 91.625 -; OVG Bremen, Beschluss vom 25. August 1992, BRS 54, Nr. 213;
Kunig, in: von Münch, GG, 5. Auflage 2000, Art. 13 Rn. 67). Soweit die Kläger demgegenüber vertreten,
eine dringende Gefahr liege erst dann vor, wenn in allernächster Zukunft mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit ein Schaden für ein hochrangiges Rechtsgut erwartet werden müsse (so auch Gornig,
in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 13 Rn. 124), folgt dies nach Auffassung des Senats
nicht aus den von ihnen in Anspruch genommenen verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 Abs. 7
GG. Danach setzt die erforderliche Verhütung einer dringenden Gefahr gerade nicht voraus, dass die
Gefahr bereits konkret eingetreten ist. Vielmehr genügt es, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der
eine dringende Gefahr darstellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Dezember 1964, BVerfGE 17, 232, 251). Mithin
ist eine abstrakte Gefahr ausreichend, so dass auch die behördliche Eingriffsbefugnis zeitlich deutlich
vorverlagert wird. Eine unmittelbar bevorstehende Gefahr, wie sie die Kläger offenbar fordern, ist daher
gerade nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1974, a.a.O.).
Davon ausgehend ist die baurechtliche Genehmigungspflicht nach § 61 LBauO selbst schon ein solch
hochrangiges Rechtsgut, dessen zu befürchtende Verletzung eine Wohnungsbetretung nach § 59 Abs. 4
Satz 2 LBauO grundsätzlich rechtfertigt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Die Genehmigungspflicht als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG
bezweckt wie das öffentliche Städtebaurecht überhaupt den Interessenausgleich zwischen den privaten
Interessen des Bauherrn an der möglichst weitgehenden und ungehinderten baulichen Nutzung seines
Grundeigentums und den öffentlichen Interessen an einer sinnvollen Beschränkung dieser
Nutzungsansprüche zum Wohle der Allgemeinheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, NJW 1991,
3293 und Beschluss vom 6. Dezember 1996, NVwZ-RR 1997, 516). Zur Wahrung dieser öffentlichen
Interessen hat der Gesetzgeber mit dem Genehmigungsvorbehalt einen präventiven Schutz eingerichtet.
Aus den im Genehmigungsverfahren zu prüfenden Voraussetzungen für die Erteilung der
Baugenehmigung (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO) ergeben sich die hierdurch gewahrten hochrangigen
Interessen, sei es an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung oder an der Bausicherheit und damit
letztlich auch am Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen. Eine Verletzung der
Genehmigungspflicht ist daher nicht nur ein formeller Rechtsverstoß, sondern stellt diesen vom Gesetz-
geber für geboten erachteten präventiven Schutz selbst in Frage und begründet damit schon einen
Zustand, der einen Schaden für die so geschützten hochrangigen Rechtsgüter mit einer gemessen an
ihrer Bedeutung hinreichenden Wahrscheinlichkeit befürchten lässt (so auch: BayVGH, Beschuss vom
19. Juni 1991 - 2 CS 91.625 -; OVG Bremen, Beschluss vom 25. August 1992, BRS 54, Nr. 213; OVG
Berlin, Urteil vom 19. August 1977, BRS 32 Nr. 191).
Der präventive Schutz, den die Genehmigungspflicht den genannten Rechtsgütern vermittelt, ist aber nur
dann auch effektiv, wenn die zur Überwachung nach § 59 Abs. 1 LBauO berufende Bauaufsichtsbehörde
mit einem entsprechenden Handlungsinstrumentarium ausgestattet ist, das es ihr ermöglicht, die
Einhaltung der maßgeblichen Schutzvorschriften zu kontrollieren. Hierzu gehört gerade auch die
behördliche Befugnis zur Betretung von Wohnungen nach § 59 Abs. 4 Satz 2 LBauO. Denn dadurch wird
die Behörde erst in die Lage versetzt, sich über Art, Maß und Gestaltung des Bauvorhabens ein
verlässliches Bild zu verschaffen, das sie einer Bewertung der Vereinbarkeit mit den zu schützenden
öffentlichen Belangen und einer Entscheidung über das weitere Vorgehen zugrunde legen kann (vgl.
OVG Bremen, a.a.O., BayVGH, Beschluss vom 19. Juni 1991).
Die Befugnis zum nachträglichen Betreten von Wohnungen bei Verdacht auf illegale Umnutzung ist
insbesondere auch deswegen zumutbar, weil sich andernfalls im Vergleich mit einem rechtmäßig ein
Bauvorhaben durchführenden Bauherrn ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch ergeben würde.
Nach Durchführung eines genehmigten Vorhabens muss ein Bauherr nach § 78 Abs. 2 Satz 2 LBauO
ebenfalls die Besichtigung des Bauzustandes ermöglichen. Dagegen können die Kläger nicht mit Erfolg
einwenden, dass § 78 Abs. 2 Satz 2 LBauO eine Bauzustandsbesichtigung gerade vor Einzug in die
Wohnung und damit vor Aufnahme der Wohnnutzung ermöglichen wolle, indem eine entsprechende
Anzeige des Bauherrn bereits zwei Wochen vor Fertigstellung verlangt werde. Dem ist nämlich
entgegenzuhalten, dass auch beim Umbau einer vorhandenen Wohnung die Pflicht des Bauherrn besteht,
die Besichtigung des Bauvorhabens zuzulassen, auch wenn er dann schon in der Wohnung wohnt. Wäre
demgegenüber also die bloße Verletzung der baurechtlichen Genehmigungspflicht nach § 61 LBauO
nicht ausreichend, um eine Wohnung zu betreten, so wäre der Bauherr, der das baurechtliche
Genehmigungsverfahren umgeht, aufgrund seines rechtswidrigen Handelns im Vergleich zu einem die
Baugenehmigung einholenden Bauherrn privilegiert. Ein solcher Wertungswiderspruch kann nicht mit
dem Geltungsanspruch des Grundrechts aus Art. 13 GG begründet werden.
Genügt damit grundsätzlich die zu befürchtende Verletzung der baurechtlichen Genehmigungspflicht für
die Annahme der dringenden Gefahr, so ist aber im Einzelfall verfassungsrechtlichen Bedenken, dass
nicht jeder formelle Rechtsverstoß eine Wohnungsbetretung rechtfertigen kann (vgl. insoweit Schmidt, in:
Jeromin, LBauO Rheinland-Pfalz, § 59 Rn. 57), durch Beachtung des verfassungsrechtlichen Gebots der
Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Die Wohnungsbetretung ist demnach nur gerechtfertigt, wenn
und soweit die Maßnahme zur Gefahrenabwehr geeignet und erforderlich ist und im angemessenen
Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1974, a.a.O.,
Kunig, in: von Münch, a.a.O., Art. 13 Rn. 64).
Daran gemessen erweist sich die Betretung der klägerischen Wohnung zum Zwecke der
Bauzustandsbesichtigung nicht als unverhältnismäßiger Eingriff in das Wohnungsgrundrecht. Die
Betretung ist unzweifelhaft zur Abwehr der Gefahr einer ungenehmigten baulichen Nutzung geeignet,
denn die Beklagte kann sich hierdurch verlässliche Erkenntnisse über Art und Ausmaß der tatsächlichen
baulichen Nutzung des klägerischen Anwesens verschaffen.
Die Wohnungsbetretung ist aber auch zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich. Insoweit ist nicht
davon auszugehen, dass die Beklagte die erforderlichen Erkenntnisse bereits auf andere Weise erlangt
hat oder erlangen kann. Die tatsächlichen baulichen Zustände des klägerischen Wohngebäudes sind
nicht bereits dadurch geklärt, dass die Kläger eingeräumt haben, im Keller ein Schlafzimmer eingerichtet
zu haben. Dem lässt sich weder mit einer hinreichenden Sicherheit entnehmen, dass das Gebäude im
Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans zu dauerhaften Wohnzwecken genutzt wird,
noch ist festzustellen, dass bei der Umgestaltung der Kellerräume in Aufenthaltsräume die maßgeblichen
bauordnungsrechtlichen Vorschriften über den Brandschutz nach § 15 LBauO und über die Eignung als
Aufenthaltsräume nach §§ 43 und 45 LBauO beachtet wurden. Insbesondere steht nicht fest, dass die
Kellerräume über eine lichte Höhe von 2,60 m im Rohbaumaß verfügen. Wie auch der Bevollmächtigte
der Kläger in der mündlichen Verhandlung einräumen musste, ergibt sich aus den genehmigten
Bauplänen des Hauses gerade, dass die lichte Raumhöhe im Keller nur 2,40 m beträgt. Insoweit besteht
hier noch ersichtlich Klärungsbedarf, ob nach der Umgestaltung der Kellerräume das nach § 43 Abs. 1
LBauO für Aufenthaltsräume zu fordernde Mindestmaß von 2,40 m lichte Höhe eingehalten ist. Die
Betretung der Wohnung der Kläger ist auch erforderlich, um sich die erforderlichen Erkenntnisse mit
hinreichender Sicherheit zu verschaffen. Die Beklagte kann sich hier nicht auf freiwillige Auskünfte der
Kläger selbst verlassen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 19. Juni 1991 - 2 CS 91.625 -).
Auch die weiteren von den Klägern erhobenen Einwände stehen der Verhältnismäßigkeit der
Wohnungsbetretung nicht entgegen. Zwar wäre eine Wohnungsbetretung unverhältnismäßig, wenn schon
jetzt erkennbar ist, dass die damit gewonnenen Erkenntnisse kein weiteres bauaufsichtsrechtliches
Einschreiten mehr rechtfertigen können. Diese Voraussetzungen liegen hier noch nicht vor. Derzeit steht
noch nicht mit der erforderlichen Offensichtlichkeit fest, dass ein bauaufsichtsrechtliches Verfahren
deshalb ausgeschlossen ist, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen oder die Eingriffsbefugnisse
insoweit verwirkt wurden. So lässt sich weder erkennen, dass die maßgeblichen bauordnungsrechtlichen
Vorschriften im Hinblick auf den Brandschutz nach § 15 LBauO und die Eignung von Aufenthaltsräumen
nach § 43 LBauO eingehalten wurden, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ihre
Eingriffsbefugnisse zur Durchsetzung dieser materiellen bauordnungsrechtlichen Vorschriften verwirkt
haben könnte. Ist damit nicht jedwedes bauaufsichtliche Einschreiten von vornherein ausgeschlossen,
kommt es nicht darauf an, ob ein solches Einschreiten auch zur Durchsetzung der planungsrechtlichen
Vorgaben des Bebauungsplans möglich oder nicht vielmehr wegen der behaupteten Funktionslosigkeit
des Plans oder der Verwirkung durch die Beklagte ausgeschlossen ist. Dies zu klären, bleibt der
Beklagten bei ihrer Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen vorbehalten.
Schließlich erweist sich die vorgesehene Bauzustandsbesichtigung auch nicht als unangemessen
schwerer Eingriff in das Grundrecht der Kläger auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Die
Wohnungsbesichtigung soll an einem von ihnen selbst benannten Termin stattfinden, so dass sie sich
darauf einrichten können. Diesem vergleichsweise milden Eingriff stehen die aufgezeigten Gefahren für
die Wahrung der Rechtsordnung gegenüber. Dem können die Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten,
dass angesichts der langjährigen Dauerwohnnutzung im Baugebiet B... eine ernsthafte Bedrohung für die
Gesundheit von Menschen nicht zu erwarten sei. Aus den oben bereits dargelegten Gründen stellt die
Verletzung der Genehmigungspflicht immer einen abstrakt gefährlichen Zustand dar, der sich jederzeit
auch in einem konkreten Schaden für hochrangige Rechtsgüter realisieren kann. Eine solche
Gefahrenlage muss aber nicht deswegen länger hingenommen werden, weil sie sich bisher in der
Vergangenheit nicht in einem Schaden realisiert hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Dr. Held gez. Utsch gez. Bender
Beschluss
...
gez. Dr. Held gez. Utsch gez. Bender