Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.03.2002

OVG NRW: anschlussbeschwerde, versicherung, immatrikulation, einschreibung, hochschule, grundrecht, form, sozialstaatsprinzip, mitgliedschaft, fakultät

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 1/02
Datum:
01.03.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 1/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 15 NC 141/01.ZM
Tenor:
Der Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Beschwerde und die
Anschlussbeschwerde der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens und des
Anschlussbeschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner und die
Antragstellerin je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren und das
Anschlussbeschwerdeverfahren auf 3.000 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der auf den Zulassungsgrund aus §§ 124 Abs. 2 Nr. 4, 146 Abs. 4 i.V.m. § 194 Abs. 2
VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im
Verwaltungsprozess gestützte Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der
Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Dem Antragsgegner fehlt bereits das für die Geltendmachung eines jeden Rechtsmittels
notwendige allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist jedenfalls gegenwärtig im
Streitverhältnis zwischen dem Antragsgegner und der Antragstellerin nicht mehr
gegeben, weil dem Antragsgegner aus der angegriffenen einstweiligen Anordnung des
Verwaltungsgerichts in Bezug auf die Antragstellerin kein Rechtsnachteil mehr droht.
Ein solcher wäre zwar in der Verpflichtung des Antragsgegners zur Zulassung der
Antragstellerin zum Zahnmedizinstudium mit dem Ziel ihrer Einschreibung zu sehen. In
dem Zusammenhang versteht der Senat wie der Antragsgegner die Maßgabe ii. des
erstinstanzlichen Tenors dahin, dass nicht der Zulassungsausspruch von der Vorlage
einer eidesstattlichen Versicherung abhängig sein soll, sondern die Immatrikulation.
Eine Abhängigkeit bereits des Zulassungsausspruchs von der eidesstattlichen
Versicherung machte wenig Sinn; vielmehr wird der Zulassungsausspruch obsolet,
wenn nicht innerhalb einer gesetzten Frist die Immatrikulation des ausgelosten und ggf.
nachgerückten Bewerbers erfolgt.
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Der Antragsgegner ist aber nach dem Inhalt der einstweiligen Anordnung des
Verwaltungsgerichts zur Immatrikulation der Antragstellerin nicht verpflichtet, weil diese
die vorgeschriebene eidesstattliche Versicherung nicht vorgelegt hat und auch nicht
vorlegen kann. Nach Maßgabe ii. hätte sie zu versichern, dass sie weder einen
endgültigen noch einen vorläufigen Studienplatz in einem der dem Auswahlverfahren
der ZVS unterliegenden Studiengang an einer anderen Hochschule im Bundesgebiet
erlangt ... hat. Die Formulierung "erlangt ... hat" ist dahin zu verstehen, dass der
Studienbewerber rechtlich in der Lage war, den ihm zugefallenen anderweitigen
Studienplatz anzutreten, selbst wenn er im Zeitpunkt der eidesstattlichen Versicherung
diesen Platz bereits aufgegeben hat. Nur eine derartige Interpretation wird dem Zweck
der Maßgabe gerecht, der darin liegt, in der gegenwärtigen Mangelsituation in harten nc-
Studiengängen angesichts der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Studienplätze eines
Studiengangs an verschiedenen Hochschulen einerseits eine alsbaldige Ausnutzung
vorhandener Ausbildungskapazität zu bewirken und andererseits zu verhindern, dass
der an mehreren Studienorten im Bundesgebiet Ausbildungskapazität aufdeckende und
zugelassene Bewerber diese Plätze blockiert und sich erst nach gewisser Zeit für einen
ihm "genehmen" Ort entscheidet mit der Folge, dass Gerichte und Hochschulen bis
dahin die noch besetzbaren Plätze nicht kennen und zum Nachrücken anstehende
Konkurrenzbewerber unnötig lange warten müssen.
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Gegen die sinnvolle und zumutbare sowie der Rechtsprechung des Senats
entsprechende Maßgabe, die die Antragstellerin mit der Anschlussbeschwerde angreift,
hat der Senat keine rechtlichen Bedenken. Sollte der Antragsgegner die Antragstellerin
wider Erwarten gleichwohl eingeschrieben haben, wäre sie jedenfalls nicht durch die
einstweilige Anordnung, sondern durch eigenes Handeln beschwert und geschähe ihr,
weil sie es so wollte, nach althergebrachtem Rechtsgrundsatz kein Unrecht.
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Auf die Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung von der Rechtsprechung des
Senats und auf die Frage, ob die Antragstellerin als Nicht-Deutsche einen
Zulassungsanspruch (Anordnungsanspruch) in der Form der Teilhabe an der
Auswahlchance in Bezug auf auszukehrende verdeckte Studienplätze hat, kommt es
mithin entscheidungserheblich nicht an. Allerdings sei auf folgendes hingewiesen: Der
Zulassungsanspruch im beschriebenen Sinne folgt nach gefestigter Rechtsprechung
aus dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20
Abs. 3 GG und dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Auf Art. 12
Abs. 1 GG kann sich die Antragstellerin gegenwärtig nicht berufen, weil sie von der
Möglichkeit zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft noch keinen Gebrauch
gemacht hat. Aus § 65 ff. HG dürfte sich ein Zulassungsanspruch grundsätzlich nicht
herleiten lassen. Die §§ 65 ff. HG regeln die Einschreibung, d. h. den Akt der Erlangung
der Mitgliedschaft der Studierenden in der Hochschule (vgl. § 11 Abs. 1 HG) bei
gleichzeitiger interner Zuordnung des eingeschriebenen Mitglieds zu einem
Studiengang oder einem Fachbereich (Fakultät). Die Studienzulassung durch die ZVS
oder die Hochschule stellt dagegen die Beseitigung eines Zugangshindernisses in
einem bestimmten Studiengang i.S.d. § 68 Abs. 1 Buchst. a) i.V.m. § 65 Abs. 2 Satz 1
HG dar. Das Nichtvorliegen eines Zugangshindernisses, hier der fehlenden Zulassung,
begründet bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen einen Anspruch des Studierenden
auf Einschreibung. Aus dem bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eventuell
bestehenden Einschreibungsanspruch kann sich jedoch denknotwendig kein Anspruch
auf Zuerkennung der anderen Einschreibungsvoraussetzung ergeben. Zu den
Voraussetzungen eines Zulassungsanspruchs im beschriebenen Sinne verhalten sich
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die §§ 65 ff. HG schon deshalb nicht, weil der Hochschulgesetzesgeber grundsätzlich
von der Richtigkeit der für nc-Studiengänge normativ festgesetzten Zulassungszahlen
ausgeht und deshalb eine Normierung von Zulassungsvoraussetzungen für jenseits der
normativen Kapazitätfestsetzung liegende Studienplätze nicht in seinen Willen
aufgenommen hat.
Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin hat ebenfalls keinen Erfolg.
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Dabei kann die Statthaftigkeit dieses gesetzlich nicht geregelten Rechtsmittels im
Zulassungsverfahren offen bleiben. Denn jedenfalls setzt die - hier unselbständige -
Anschlussbeschwerde eine anhängige Beschwerde des Prozessgegners voraus. Eine
solche liegt hier jedoch nicht vor. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht
zugelassen und das Zulassungsantragsverfahren setzt sich nicht als Beschwerde fort,
so dass letztere nicht anhängig ist und entsprechend § 124a Abs. 2 VwGO die
erstinstanzliche Entscheidung rechtskräftig ist. Die unselbständige Beschwerde ist vom
Schicksal der sog. Hauptbeschwerde abhängig; ist letzere unzulässig, gilt dies auch für
die Anschlussbeschwerde. Ist eine Hauptbeschwerde überdies nicht anhängig, fehlt der
Anschlussbeschwerde die Grundlage und ist sie dann bereits nicht statthaft.
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