Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 06.07.2001

OVG NRW: fahrzeug, kennzeichen, anzeichen, versicherung, wagen, glaubhaftmachung, offenlegung, erlass, strafanzeige, erwerb

Oberverwaltungsgericht NRW, 16 B 572/01
Datum:
06.07.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 B 572/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 2 L 300/01
Tenor:
Den Antragstellern wird für das Rechtsmittelverfahren
Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin F. aus E. beigeordnet.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien
Rechtsmittelverfahrens zu gleichen Teilen.
G r ü n d e :
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Die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 VwGO
iVm § 114 ZPO und berücksichtigt, dass dem Rechtsmittelbegehren der Antragsteller -
wie die Zulassung der Beschwerde wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der
Entscheidung und die nachfolgende weitergehende Sachverhaltsaufklärung durch den
Senat belegen - nicht von vornherein eine hinreichende Erfolgsaussicht abgesprochen
werden konnte.
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Gleichwohl hält der Senat die Beschwerde mit dem im Rahmen der Zulassung
(weiterhin) sinngemäß verfolgten Antrag der Antragsteller,
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den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen laufende Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 12. Februar
2001 bis zum Ende des Monats der Beschwerdeentscheidung zu gewähren,
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für unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann eine die abschließende Sachentscheidung
vorwegnehmende einstweilige Anordnung auf Gewährung von Sozialhilfe nur ergehen,
wenn der jeweilige Antragsteller glaubhaft macht, dass der geltend gemachte
Hilfeanspruch besteht (Anordnungsanspruch) und dass es im Zeitpunkt der
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gerichtlichen Entscheidung - im Beschwerdeverfahren der Beschwerdeentscheidung -
aus den in § 123 Abs. 1 VwGO aufgeführten besonderen Gründen notwendig ist, dem
Begehren sofort zu entsprechen (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind nicht
gegeben. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft machen können, dass sie für den
streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
haben.
Ob der Anordnungsgrund teilweise im Hinblick darauf zu verneinen ist, dass die
Antragsteller offenbar neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch in vollem Umfang
Taschengeld begehren, kann dahinstehen, weil es insgesamt an der Glaubhaftmachung
eines Anordnungsanspruches fehlt. Denn die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller in der
vorliegend maßgeblichen Zeit ist zweifelhaft geblieben.
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Aus den Vorschriften der §§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG folgt, dass -
wie auch im Sozialhilferecht - derjenige keinen Anspruch auf Leistungen hat, der in der
Lage ist, den Bedarf an notwendigem Lebensunterhalt entweder aus eigenem (bzw. ihm
zurechenbaren) Einkommen oder aus eigenem (bzw. ihm zurechenbaren) Vermögen zu
decken. Da das (Nicht-)Vorhandensein eigener Mittel Tatbestandsmerkmal für den
Anspruch auch auf Mittel nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist, muss der
Hilfesuchende beweisen, dass er seinen Lebensunterhalt nicht durch eigenes oder ihm
zurechenbares Einkommen oder Vermögen sicherstellen kann. Die Nichtaufklärbarkeit
dieses anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmals geht zu seinen Lasten;
Entsprechendes gilt für die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Juli 1996 - 8 B 771/96 -, abgedr. im
Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG, VII zu § 7 Abs. 1 (OVG-Nr. 2), und vom 29.
November 2000 - 16 B 1435/00 -.
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Dabei wird nicht verkannt, dass das Nichtvorhandensein ausreichender finanzieller
Mittel als "negative Tatsache" einem stringenten Beweis in der Regel kaum zugänglich
ist und dass die Zielsetzungen des Asylbewerberleistungsgesetzes verfehlt würden,
wenn der jeweilige Hilfesuchende etwa sichtbare Anzeichen einer dauerhaften
Verarmung vorweisen müsste. Die dargestellte Verteilung der Darlegungs- und
Beweislast bedeutet vielmehr, dass der Hilfesuchende aufgetretene und ihm von der
Sozialhilfebehörde oder dem Gericht vorgehaltene Anzeichen zerstreuen muss, die
gegen eine sozialhilferechtliche Bedürftigkeit sprechen; da es sich dabei in aller Regel
um Gegebenheiten seines persönlichen Lebensumfeldes handelt, wird dem
Hilfebegehrenden damit auch nichts Unmögliches zugemutet.
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Vorliegend sind Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller gegeben, weil sie
wiederholt als Halter bzw. Nutzer von Kraftfahrzeugen in Erscheinung getreten sind und
sie die deswegen entstandenen Anhaltspunkte für das Vorhandensein einsetzbarer
finanzieller Mittel - Einkommen oder Vermögen - nicht in überzeugender Weise zerstreut
haben. Insbesondere kommt in Betracht, dass den Antragstellern aus dem Verkauf eines
Kraftfahrzeuges im Jahr 2000 ein Betrag von 17.000 DM zugeflossen ist, über dessen
Verbleib nichts bekannt ist.
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Zunächst ist nie ausreichend erklärt worden, was es mit der zeitweiligen Zulassung des
Pkw mit dem Kennzeichen E-LR 241 auf den Antragsteller zu 2. im Jahre 1999 auf sich
hatte. Die seinerzeit von der Antragstellerin zu 1. gegenüber dem Antragsgegner
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abgegebene Erklärung, das Auto gehöre ihrer - erwachsenen und verheirateten -
Tochter M. T. , die keine Fahrerlaubnis besitze und die gesamten Kosten trage,
verdeutlicht nicht hinlänglich, warum es auf den Antragsteller zu 2. zugelassen worden
ist. Auch die Einlassung der Frau T. gegenüber dem Sozialamt, sie werde immer von
ihrem Vater in dem besagten Fahrzeug gefahren, erklärt die Zulassung auf den
Antragsteller nicht. Vor allem muss es befremden, dass Frau T. zunächst dem Sozialamt
des Antragsgegners zugesagt hat, Nachweise für die Tragung der Kfz-Kosten durch sie
nachzureichen, sie dies nachfolgend aber ohne überzeugende Begründung verweigerte
und nunmehr in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 3. Juli 2001 angibt, keine
Unterlagen über die Kostentragung mehr finden zu können. Im Übrigen gibt auch die
aktuelle eidesstattliche Versicherung der Frau T. keine Auskunft über die Gründe für die
Anmeldung des Fahrzeugs auf den Namen ihres Vaters; dieser Umstand wird statt
dessen gar nicht mehr erwähnt.
Noch ungereimter stellen sich die Dinge im Hinblick auf das Fahrzeug (Mercedes-Benz)
mit dem Kennzeichen E dar, das im Frühjahr 2000 kurzfristig auf die Antragstellerin zu 1.
zugelassen war. Die hierzu gegebene Erklärung, das Fahrzeug für eine gerade in E.
weilende Cousine aus Berlin, die keine Papiere bei sich gehabt habe, auf den eigenen
Namen angemeldet zu haben, ist schon für sich betrachtet ungewöhnlich und könnte -
vor dem Hintergrund, dass dem Gericht im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO der
anspruchsbegründende Lebenssachverhalt als überwiegend wahrscheinlich vermittelt
werden muss - allenfalls dann zur Glaubhaftmachung genügen, wenn sie sich stimmig
in die zutage getretenen Begleitumstände einfügen würde. Das ist aber nicht der Fall.
Zunächst muss es verwundern, dass einerseits zur Erklärung des der angeblichen
Cousine geleisteten Dienstes auf die familiäre Verbundenheit hingewiesen wird,
andererseits aber nicht einmal die Adresse dieser Verwandten - zumindest die damalige
- angegeben werden kann. Weiter leuchtet es nicht ein, warum die Cousine bei ihrem
nächsten Besuch, über die zwischenzeitlichen "Probleme" der Antragsteller mit dem
Sozialamt wegen der Fahrzeuganmeldung ins Bild gesetzt, sogleich das Fahrzeug an
eine dritte Person veräußert hat - mit der Folge, dass es nicht mehr für die Rückkehr
nach Berlin zur Verfügung stand -, statt die entstandenen Probleme durch eine
Ummeldung des Fahrzeuges auf ihren eigenen Namen zu bereinigen. Anlass zu
weiteren Zweifeln an der Darstellung der Antragsteller gibt das eher zufällige
Bekanntwerden des auf den Namen der Antragstellerin mit der Volkswagen-Bank
geschlossenen Kreditvertrages über mehr als 32.000 DM (einschließlich
Kreditgebühren und Bearbeitungsgebühr) für die Anschaffung des Mercedes-Benz mit
dem Kennzeichen E und der nachfolgenden Strafanzeige der Volkswagen-Bank gegen
die Antragstellerin zu 1. Selbst wenn man sich auf die dem Schriftbild nach nicht ganz
unglaubhafte Erklärung der Antragstellerin zu 1. einlassen wollte, wonach die
Unterschrift auf dem Vertragsformular nicht von ihr stamme - was wohl heißen soll, dass
auch hinter dieser Kreditaufnahme die besagte Cousine aus Berlin stecke -, bleibt doch
unerfindlich, warum die Antragsteller nicht von sich aus die damit zusammenhängenden
polizeilichen Ermittlungen erwähnt haben; gerade im Falle der "Unschuld" der
Antragstellerin hätte die Offenlegung dieses Umstandes ihre Darstellung untermauern
können, von ihrer Cousine beim Erwerb und bei der Veräußerung des Fahrzeuges über
den Inhalt der durch ihre Unterschrift gedeckten rechtlichen Erklärungen getäuscht
worden zu sein. Andererseits spricht für eine Kreditaufnahme durch oder jedenfalls mit
Wissen der Antragstellerin zu 1., dass der Abschluss eines solchen Vertrages ohne die
Vorlage von Personalpapieren kaum vorstellbar ist.
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Weiter rufen auch die - wegen ihres Detailreichtums glaubhaften - Bekundungen des
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Hausmeisters der von den Antragstellern bewohnten Asylbewerberunterkunft erhebliche
Zweifel an der Darstellung der Besitzverhältnisse an dem Mercedes-Benz hervor.
Während die Antragsteller behauptet haben, die Cousine aus Berlin habe den Wagen
nach dem Kauf mit nach Berlin genommen, ist den Bekundungen des Herrn C. zu
entnehmen, dass sich der Wagen auch noch nach der Anmeldung auf die
Antragstellerin zu 1. mehrere Wochen bei der Unterkunft der Antragsteller befunden
habe und vom Antragsteller zu 2. genutzt worden sei.
Zumindest eigentümlich mutet auch an, dass der Antragsteller zu 2. während einer
kurzen Zeit der Trennung von seiner Frau gegenüber dem Sozialamt seine Besorgnis
um seinen auf deren Konto befindlichen "Anteil des Vermögens" mitteilte und seine
Absicht bekundete, seine diesbezüglichen Rechte beim Amtsgericht geltend machen zu
wollen. Das am Folgetag (21. März 2000) auf der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts
E. -S. gefertigte Protokoll über die dem Antragsteller gewährte Beratungshilfe lässt
erkennen, dass dieser mit dem Vermögen einen Erlös aus einem Autoverkauf seiner
Frau in Höhe von 17.000 DM meinte; dieser Betrag entspricht der in dem von der
Antragstellerin - angeblich unwissentlich und auf Veranlassung ihrer Cousine -
unterzeichneten Kaufvertrag genannten Summe.
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Schließlich trägt auch weiterhin der Umstand, dass die Antragsteller erst längere Zeit
nach der Einstellung der Asylbewerberleistungen einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung anhängig gemacht haben, zur Unklarheit über ihre wahren
wirtschaftlichen Verhältnisse bei. Der darauf beruhende Verdacht, dass verschwiegene
Einkünfte bzw. einsetzbare Vermögenswerte die Inanspruchnahme sofortiger
gerichtlicher Hilfe entbehrlich gemacht haben, wird von den Antragstellern nicht
überzeugend entkräftet. Soweit sie zur Erklärung vortragen, ihnen sei zunächst die
genaue Dauer eines Klageverfahrens nicht bekannt gewesen und ihr damaliger
Prozessbevollmächtigter habe 1.000 DM für das Stellen eines Eilantrages gefordert,
wirft das mehr Fragen auf, als beantwortet werden. Denn hierdurch wird deutlich, dass
den Antragstellern der Unterschied zwischen einem Klageverfahren und einem
Eilverfahren bekannt war, so dass es verwundert, wenn sie einerseits mit anwaltlicher
Hilfe zwei Klageverfahren anhängig gemacht haben und diese Klagen eingehend
begründen ließen, sie andererseits aber den - mit geringem Mehraufwand für den
Anwalt verbundenen - zusätzlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz unterließen.
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Es liegt nunmehr bei den Antragstellern, den Antragsgegner durch eine vollständige
Offenlegung ihrer finanziellen Verhältnisse die Prüfung zu ermöglichen, ob und
gegebenenfalls in welcher Höhe eine Hilfebedürftigkeit gegeben ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 188 Satz 2 VwGO sowie auf
§ 159 Satz 1 VwGO iVm § 100 Abs. 1 ZPO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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