Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.12.1997

OVG NRW (kläger, firma, vereinigung, abrechnung, approbation, strafbefehl, staatsanwaltschaft, höhe, widerruf, stpo)

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 5516/94
Datum:
05.12.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 A 5516/94
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 4092/93
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der 1936 geborene Kläger, der Mitte 1968 die Approbation als Arzt erhielt, betrieb vom
2. Quartal 1982 an in M. eine Laborarztpraxis. Er ist Ende September 1991 aus der
Praxis ausgeschieden; zu diesem Zeitpunkt endete auch seine Beteiligung an der
Ersatzkassenpraxis und seine Zulassung zur RVO-Kassenpraxis. Gegenwärtig lebt er
mit seiner Familie in den USA.
2
1987 wurde durch Mitteilungen in der Presse bekannt, daß in der Vergangenheit von
etlichen Kassenärzten die Kosten für Radionuklide (radioaktive Stoffe) in nicht
akzeptabler Höhe abgerechnet worden sein sollten und daß die Kassenärztliche
Vereinigung Nordrhein bzw. die Krankenkassenverbände im Rheinland von zahlreichen
Radiologen, Laborärzten und Nuklearmedizinern Kosten für Radionuklide in einem
Gesamtvolumen von ca. 28 Millionen DM für die Zeit von 1983 bis 1986 zurückforderten.
In diesem Zusammenhang leitete die Staatsanwaltschaft W. im Dezember 1987 auch
ein Ermittlungsverfahren (24 a Js 37/87) gegen den Kläger wegen des Verdachts des
Betruges zum Nachteil der Krankenkassen ein. Im Rahmen der Ermittlungen, bei denen
die Wohn- und Geschäftsräume des Klägers und die Geschäftsräume anderer Firmen
durchsucht wurden, ergaben sich u. a. über entsprechende Rechnungen Anhaltspunkte
für geschäftliche Beziehungen zwischen der Praxis des Klägers und einer Firma M. AG
aus C. /Schweiz sowie einer unter der Anschrift der Praxis angegebenen Firma B. L. - B.
GmbH, deren alleinige Gesellschafterin und allein vertretungsberechtigte
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Geschäftsführerin von Mitte 1986 bis Mitte 1988 die frühere Ehefrau des Klägers war. Zu
der letztgenannten Firma gab der Kläger im Laufe des Ermittlungsverfahrens an, Zweck
der Firma, die 1982 auf seine Initiative hin gegründet worden sei, sei es, Reagenzien
und Praxisbedarf kostengünstig einzukaufen, Gutachten zu erstellen und Laborberatung
zu betreiben sowie Geräte zu erwerben und diese gegen Entgelt zur Verfügung zu
stellen. Wegen des gewerblichen Charakters dieser Aktivitäten, der sich "mit
standesrechtlichen Voraussetzungen" nicht habe vereinbaren lassen, sei eine Trennung
von seiner Arztpraxis erforderlich gewesen. U. a. habe die B. auch Radionuklide
eingekauft und diese an seine Laborarztpraxis weiterveräußert. Bezüglich der Firma M.
AG, von der Rechnungen für 1983 bis 1986 an den Kläger in Höhe von mehr als
411.000,-- SFr bekannt waren, ermittelte das Finanzamt für Strafsachen und
Steuerfahndung W. , Steuerfahndungsstelle, daß es sich offensichtlich um eine
Briefkastenfirma handelte. Es sei davon auszugehen, daß es sich bei den
Einkaufsrechnungen der M. AG um Scheinrechnungen gehandelt habe, mit denen
Betriebsausgaben fingiert und Gewinne in die Schweiz unversteuert verlagert worden
seien. Nach weiteren Feststellungen der Staatsanwaltschaft ergab sich, daß die von der
Fa. B. eingekauften radionukliden Stoffe der Praxis des Klägers mit einem höheren
Betrag in Rechnung gestellt worden waren und daß der Kläger sowohl die von der
Firma B. erhaltenen Rechnungen als auch Rechnungen der Fa. M. an die
Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zur Abrechnung und Erstattung gegeben hatte.
Bezüglich der Fa. M. ergaben die Ermittlungen, daß die Firma die dem Kläger in
Rechnung gestellten Lieferungen gar nicht durchgeführt hatte. Über diese Firma seien
lediglich Lieferungen radionuklider Stoffe eines Nuklearmediziners aus T. an den Kläger
weiterberechnet worden, allerdings statt der tatsächlichen Lieferungen in Höhe von ca.
115.000,-- DM in einer Höhe von mehr als 411.000,-- SFr. Der Kläger sei zumindest als
wirtschaftlicher Eigentümer der Firma M. anzusehen, wie sich aus der Tatsache ergebe,
daß er dem Nuklearmediziner aus T. angeboten habe, die Firma als Geldwaschanlage
für andere Einkünfte benutzen zu können.
Gegen den Kläger ordnete das Amtsgericht M. durch Haftbefehl vom 14. Dezember
1988 die Untersuchungshaft an; diese dauerte bis zum 30. Dezember 1988. Im
November 1989 beantragte der Kläger über seine Prozeßbevollmächtigten die
Aufhebung des Haftbefehls. Ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft H. /B. /S.
aus M. habe ergeben, daß sich der Gewinn der Fa. B. aus der Abrechnung von
Radionukliden mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein auf allenfalls ca.
165.000,-- DM belaufe und daß zusammen mit dem behaupteten Schaden bei M. der
Gesamtschaden unter 500.000,-- DM liege und damit nicht, wovon der Haftbefehl
ausgegangen sei, "in Millionenhöhe" bestehe. Das Amtsgericht M. lehnte im Januar
1990 die Aufhebung des Haftbefehls ab; die Beschwerde des Klägers dagegen verwarf
das Landgericht K. im April 1990.
4
Im Juli 1990 wurde der den Kläger betreffende Ermittlungskomplex bei der
Staatsanwaltschaft in mehrere Verfahren aufgeteilt, und zwar u. a. wegen Betruges,
wegen Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit der Übernahme des Labors des
Krankenhauses D. , wegen Verdachts der Falschabrechnung von Laborleistungen (24 a
Js 150/90 - 153/90) und wegen Steuerhinterziehung (24 a Js 152/90); unter dem
Ursprungsaktenzeichen 24 a Js 37/87 verblieb das Verfahren wegen Verdachts des
Abrechnungsbetruges in Verbindung mit Radionukliden. Bis auf die Verfahren 24 a Js
37/87 und 24 a Js 152/90 sind alle Verfahren gem. § 154 StPO eingestellt worden. Im
Oktober 1990 hatte die Staatsanwaltschaft W. für die Jahre 1982 bis 1987 einen
Differenzbetrag von 1.228.520,50 DM zwischen der an den Kläger geleisteten Zahlung
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der Kassenärztlichen Vereinigung und den an den Kläger erfolgten Lieferungen
ermittelt. Im Mai 1991 wurde ein weiteres Ermittlungsverfahren (24 a Js 83/91) gegen
den Kläger eingeleitet wegen des Verdachts des Betruges durch Abrechnung von
eingekauften Fremdleistungen als Eigenleistung; das Verfahren ist ebenfalls eingestellt
worden (§ 154 StPO).
Im Dezember 1991 hob das Amtsgericht M. auf Antrag der Staatsanwaltschaft den
Haftbefehl gegen den Kläger aus dem Dezember 1988 auf. Im Februar 1992
beabsichtigte die Staatsanwaltschaft nach einer Absprache mit dem Verteidiger des
Klägers im Verfahren 24 a Js 37/87 die Einstellung gem. § 153 a StPO aufgrund der
Erwägungen, daß der Kläger sein Fehlverhalten eingeräumt und Einsicht bewiesen und
er inzwischen seine Kassenzulassung zurückgegeben habe, er seine weitere berufliche
Tätigkeit in die USA verlagern wolle und aus diesem Grunde seine Laborpraxis verkauft
habe, wegen der Steuerhinterziehung ein Strafbefehl gegen ihn ergehen und der Kläger
einen mit dem Finanzamt abgesprochenen Steuerbescheid akzeptieren werde, ferner
eine Geldbuße in Höhe von 1.355.344,-- DM beabsichtigt sei und bei Durchführung
eines gerichtlichen Verfahrens damit zu rechnen sei, daß es wegen wesentlicher
Tatteile nicht mehr zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommen werde. Die
Staatsanwaltschaft ging dabei davon aus, daß der Kläger gegenüber der
Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein insgesamt ca. 800.000 DM mehr abgerechnet
hatte, als ihm tatsächlich an Kosten entstanden waren.
6
Im Verfahren 24 a Js 152/90 erließ das Amtsgericht K. am 25. Februar 1992 einen
Strafbefehl, in dem dem Kläger im Zusammenhang mit den Scheinrechnungen der Fa.
M. vorgeworfen wurde, in den Jahren 1983, 1984 und 1986 Einkommenssteuer in Höhe
von 273.198,-- DM hinterzogen zu haben. In dem Strafbefehl wurde gegen den Kläger
eine Gesamtgeldstrafe von 720 Tagessätzen zu je 500,-- DM festgesetzt. Der Strafbefehl
ist nach vom Kläger erklärtem Rechtsmittelverzicht am 16. März 1992 rechtskräftig
geworden. Das Verfahren 24 a Js 37/87 wurde am 5. Mai 1992 durch die
Staatsanwaltschaft gem. § 153 a StPO eingestellt, nachdem der Kläger eine (Rest-
)Geldbuße in Höhe von 1.357.580,-- DM gezahlt hatte.
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Nachdem sie von dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 25. Februar 1992 Kenntnis
erlangt hatte, leitete die Beklagte das Verfahren wegen des Widerrufs der Approbation
des Klägers als Arzt ein und widerrief nach vorheriger Anhörung mit Verfügung vom 2.
Dezember 1992 die Approbation. Aufgrund der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung
sei der Kläger als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs anzusehen. Der Kläger
sei auch unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs, weil er gegenüber der
Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein höhere Kosten für radioaktive Reagenzien als
tatsächlich entstanden in Rechnung gestellt habe. Entgegen der Gebührenordnung
seien nicht die tatsächlichen Kosten für Radionuklide abgerechnet worden, wodurch
gegen die ärztliche Berufspflicht der korrekten Abrechnung verstoßen worden sei. Den
Widerspruch des Klägers dagegen wies die Beklagte durch Bescheid vom 30. März
1993 zurück.
8
Mit seiner am 30. April 1993 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, im
Hinblick auf die mit dem Strafbefehl geahndete Steuerhinterziehung sei der Widerruf der
Approbation nicht gerechtfertigt. Es handele sich strafrechtlich nur um ein Vergehen und
auch nicht um eine Straftat, die unter Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses zwischen
Arzt und Patient begangen worden sei. Davon, daß aufgrund unkorrekter Abrechnungen
bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ein Schaden entstanden sei, könne
9
nicht ausgegangen werden. Aus der Einstellung dieses Ermittlungsverfahrens nach §
153 a StPO könne zu seinen Ungunsten nichts hergeleitet werden. Er habe der
Einstellung des Ermittlungsverfahrens bei gleichzeitiger Bezahlung einer hohen
Geldbuße nur deshalb zugestimmt, um eine lange geplante Position in B. /USA
einnehmen zu können und dort nicht wegen eines längeren Strafverfahrens in der
Bundesrepublik ortsabwesend sein zu müssen.
Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid vom 2. Dezember 1992 und den Widerspruchsbescheid vom 30. März
1993 aufzuheben.
11
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Bescheide
beantragt,
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die Klage abzuweisen.
13
Mit Urteil vom 12. Oktober 1994, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Aufgrund der Steuerhinterziehung sei der
Kläger als unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs anzusehen.
14
Mit seiner am 24. November 1994 eingegangenen Berufung macht der Kläger geltend,
aufgrund des Strafbefehls sei der Widerruf der Approbation nicht gerechtfertigt. Der von
der Beklagten behauptete Umfang der Steuerverkürzung sei falsch. Er habe keine
spezifischen Berufspflichten verletzt, sondern in seiner Eigenschaft als Steuerbürger
rechtsuntreu gehandelt. Er sei an einer schnellen Erledigung des Steuerstrafverfahrens
interessiert gewesen und habe deshalb den Strafbefehl akzeptiert. Die Vorwürfe wegen
Abrechnungsbetruges seien ebenfalls unbegründet.
15
Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu
erkennen.
17
Die Beklagte beantragt unter Hinweis auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und
des Urteils des Verwaltungsgerichts,
18
die Berufung zurückzuweisen.
19
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den
Inhalt ihrer Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im übrigen auf den Inhalt der
Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die o. a. Strafakten.
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Entscheidungsgründe:
21
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
22
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen
Bescheide der Beklagten vom 2. Dezember 1992 und 30. März 1993 sind rechtmäßig.
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Der Widerruf der Approbation hat seine Rechtsgrundlage in § 5 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 3
24
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung - BÄO - in der Fassung der
Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl. I, S. 1218). Danach ist die Approbation zu
widerrufen, wenn der betreffende Arzt sich nach ihrer Erteilung eines Verhaltens
schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur
Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind,
beurteilt sich dabei nach der Sach- und Rechtslage bei Abschluß des
Verwaltungsverfahrens,
vgl. OVG NW, Urteil vom 3. März 1997 - 13 A 4365/94 - m. w. N.; VGH Baden-
Württemberg, Beschluß vom 27. Oktober 1994 - 9 S 1102/92 -, NJW 1995, 804, dazu
BVerwG, Beschluß vom 28. August 1995 - 3 B 7.95 -, Buchholz 418.00, Ärzte, Nr. 91;
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Mai 1989 - 6 A 124/88 -, NJW 1990, 1553,
25
d. h. zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides, der hier vom 30. März
1993 datiert.
26
"Unwürdigkeit" im Sinne der §§ 3, 5 BÄO liegt vor, wenn der Arzt durch sein Verhalten
nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs
unabdingbar nötig ist. "Unzuverlässig" als Arzt ist, wer bei prognostischer Betrachtung
aufgrund einer Würdigung der gesamten Persönlichkeit nicht die Gewähr dafür bietet,
daß er in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen wird.
27
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. August 1995, a.a.O.; Beschluß vom 2. November 1992
- 3 B 87/92 -, NJW 1993, 806; Beschluß vom 19. Januar 1991 - 3 B 75/90 -, NJW 1991,
1557; Urteil vom 15. Dezember 1993 - 6 C 20/92 -, NJW 1994, 1601; OVG NW, Urteil
vom 3. März 1997 - 13 A 4365/94 -, Urteil vom 30. Januar 1997 - 13 A 2587/94 -, Urteil
vom 19. September 1996 - 13 A 477/94, Urteil vom 8. November 1995 - 13 A 3455/93 -.
28
Die Frage der Würdigkeit und Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs
beurteilt sich dabei nicht ausschließlich in Orientierung an dem unmittelbaren Verhältnis
Arzt/Patient. Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO erstreckt sich
nicht nur auf das Verhalten eines Arztes bei der Behandlung der Patienten, also auf den
Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit, sondern erfaßt darüber hinaus alle
berufsbezogenen, d. h. mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem
Zusammenhang stehenden Handlungen und Unterlassungen, und, abhängig von der
Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises.
"Unzuverlässigkeit" und "Unwürdigkeit" können dementsprechend auch Folge von
Straftaten sein, die nicht unmittelbar die ärztliche Pflicht gegenüber Patienten betreffen.
29
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. August 1995, a.a.O.; OVG NW, Urteil vom 19.
September 1996 - 13 A 477/94 -; Urteil vom 8. November 1995 - 13 A 3455/93 -;
Beschluß vom 15. April 1988 - 5 B 239/88 -, MedR 1989, 52; OVG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 9. Mai 1989, a.a.O.
30
Die Ausübung des ärztlichen Berufs und die entsprechende Einschätzung durch die
Öffentlichkeit, auch wenn diese möglicherweise von den Angehörigen der Heilberufe
nicht (mehr) eine in jeder Hinsicht integre Lebens- und Berufsführung erwartet
31
vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 1981 - IX 2309/79 -, MedR
1983, 36; Urteil vom 5. September 1986 - 9 S 1601/95 - NJW 1987, 1502,
32
umfaßt nicht nur eine fachlich beanstandungsfreie Behandlung der Patienten, sondern
auch die Einhaltung der sonstigen ärztlichen Berufspflichten.
33
Nach diesen Kriterien bestehen, abgestellt auf den maßgebenden Zeitpunkt des
Ergehens des Widerspruchsbescheides (März 1993), keine Bedenken gegen die
Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Approbation des Klägers. Auch der Senat kommt
aufgrund eigener Würdigung nach Auswertung des vorliegenden Aktenmaterials,
insbesondere der o. a. Strafakten, zu dem Schluß, daß der Kläger sich eines Verhaltens
schuldig gemacht hatte, aus dem sich jedenfalls seine Unzuverlässigkeit zur Ausübung
des ärztlichen Berufs ergab.
34
Im Rahmen dieser Würdigung kann auch der Komplex, der Gegenstand des - im Mai
1992 nach § 153 a StPO eingestellten - Ermittlungsverfahrens 24 a Js 37/87 der
Staatsanwaltschaft W. war, berücksichtigt werden. Zwar kann aus einer Einstellung
eines Verfahrens nach dieser Vorschrift und auch aus einer dabei abgegebenen
Zustimmungserklärung des Beschuldigten nicht geschlossen werden, die ihm zur Last
gelegte Tat sei in tatbestandlicher Hinsicht nachgewiesen. Dies hat das
Bundesverfassungsgericht,
35
Beschluß vom 6. Januar 1991 - 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530
36
bezüglich einer Verfahrenseinstellung nach Erhebung der Anklage entschieden; es muß
erst recht gelten, wenn - wie hier - eine Anklage noch nicht erhoben worden ist (§ 153 a
Abs. 1 StPO). Aufgrund einer derartigen Verfahrenseinstellung ist es aber weder den
Verwaltungsbehörden noch dem Verwaltungsgericht verwehrt, die im
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und
Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung im Hinblick darauf zu unterziehen, ob
sich daraus hinreichende Schlußfolgerungen für das Vorliegen der Voraussetzungen für
einen Widerruf der ärztlichen Approbation ergeben.
37
Vgl. BVerfG, aaO.
38
Nach Auswertung insbesondere der Strafakten ist der Senat der Überzeugung, daß der
Kläger während des Betreibens seiner Laborarztpraxis in M. gegen seine
Berufspflichten verstoßen hat. Aus den Akten ergeben sich nämliche deutliche
Anhaltspunkte dafür, daß er bei der Abrechnung von Radionukliden gegenüber der
Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein manipuliert hat und auf diese Weise von der
Kassenärztlichen Vereinigung eine höhere Erstattung erhalten hat als ihm tatsächlich
zustand.
39
Zu den spezifischen Berufspflichten eines Arztes gehört auch die korrekte Abrechnung
mit den Krankenkassen. Die den Ärzten in der Gesundheitsversorgung übertragenen
und anvertrauten Aufgaben und Verhaltenspflichten erstrecken sich auch auf das
System und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, in dem einem
frei praktizierenden Kassenarzt hinsichtlich der Abrechnung der Behandlungskosten
eine besondere Vertrauensstellung zukommt. Die Kasse gewährt dem Arzt Sicherheit
für das ihm zustehende Honorar; andererseits muß die Kasse auf eine korrekte
Abrechnung durch den Kassenarzt vertrauen können. Insbesondere bei betrügerischen
Bereicherungen eines Arztes auf Kosten der Kassen, bei denen sich eine mit einem
Hang zur Mißachtung der Rechtsordnung gepaarte schwerwiegende charakterliche
Fehlhaltung offenbart, ist deshalb ein Grund für einen Widerruf der Approbation
40
gegeben.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. August 1995, aaO.; OVG NW, Urteil vom 3. März 1997 -
13 A 4365/94 -; Urteil vom 19. September 1996 - 13 A 477/94 -; Urteil vom 22. März
1994 - 5 A 1559/90 -.
41
Das unkorrekte Verhalten des Klägers gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung
Nordrhein ergibt sich schon daraus, daß der Kläger dort Rechnungen der Firma M. zur
Abrechnung gebracht hat, obwohl diesen nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
tatsächliche Lieferungen nicht, jedenfalls nicht in der abgerechneten Höhe,
zugrundegelegen haben. Auch der Senat geht, zumal der Kläger dem nicht mit
substantiierten Einwendungen entgegengetreten ist, davon aus, daß es sich bei der
Firma M. in der Schweiz um eine Briefkastenfirma gehandelt hat, ohne daß es im
einzelnen darauf ankommt, ob diese Firma allein dem Kläger zuzurechnen ist und in
welchem Maße dieser dort bestimmenden Einfluß hatte. Verifizierbare Anhaltspunkte
dafür, daß den von M. an den Kläger übersandten und von diesem an die
Kassenärztliche Vereinigung zur Abrechnung weitergegebenen Rechnungen
tatsächlich in vollem Umfang auch entsprechende Lieferungen zugrundegelegen haben,
sind den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Dies war lediglich hinsichtlich von
Lieferungen des Dr. F. , T. , an den Kläger in den Jahren 1983 und 1984 der Fall. Diese
Lieferungen, für die Dr. F. auf Veranlassung des Klägers die Rechnungen an die Firma
M. übersandt hatte, beliefen sich aber auf eine Summe von nur ca. 115.000,-- DM,
wovon die Staatsanwaltschaft aufgrund ihrer Ermittlungen ausgegangen ist, bzw. auf nur
ca. 128.000,-- DM, wenn man die in den Strafakten enthaltenen
Rechnungsdurchschriften des Dr. F. an die Firma M. zugrundelegt. Von der Firma M.
sind dem Kläger aber Lieferungen in Höhe von 411.284,-- Sfr in Rechnung gestellt
worden, was bei einem Umrechnungskurs von 125 einen Betrag von 514.105,-- DM
entspricht. Dementsprechend ergibt sich ungeachtet dessen, daß den Rechnungen der
Firma M. im wesentlichen keine Lieferungen zugrunde lagen, schon allein im Hinblick
auf die Lieferungen des Dr. F. , wenn zugunsten des Klägers von dessen Rechnungen
ausgegangen wird, ein Differenzbetrag von ca. 386.000,-- DM, den der Kläger über die
tatsächlich entstandenen Kosten hinaus bei der Kassenärztlichen Vereinigung zur
Abrechnung gebracht hat.
42
Ein Fehlverhalten des Klägers bei der Abrechnung mit der Kassenärztlichen
Vereinigung ergibt sich auch aus dem Zusammenwirken zwischen der von ihm
betriebenen Laborarztpraxis und der Firma B. . Der Kläger hat bei seiner richterlichen
Befragung am 14. Dezember 1988 vor Erlaß des Haftbefehls eingeräumt, daß die B.
eine GmbH sei, die auf seine Initiative als Einkaufsgesellschaft für seine Praxis
gegründet worden sei, und daß im Laufe der Zeit über diese Firma auch Radionuklide
eingekauft worden seien. Der B. seien von den Lieferanten Rabatte eingeräumt worden,
ihm seien aber von B. die Listenpreise in Rechnung gestellt worden, die auch bei
seinen Abrechnungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein
zugrundegelegt worden seien. Seine Bemerkung bei der Befragung, er sehe ein, daß er
sich insoweit nicht richtig verhalten habe, läßt erkennen, daß ihm die diesbezügliche
fehlerhafte Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung bewußt war. Indizielle
Wirkung in dieser Richtung kommt nach Überzeugung des Senats auch dem Umstand
zu, daß der Kläger vor der Einstellung des wegen des Verdachts des
Abrechnungsbetruges geführten Ermittlungsverfahrens die Zahlung einer Geldbuße in
Höhe von 1.357.580,-- DM akzeptiert hat. Die Begleichung einer derart hohen
Geldbuße, der der Kläger unabhängig von den sonstigen finanziellen Verpflichtungen
43
im Zusammenhang mit dem Abschluß der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
zugestimmt hat, kann nur als Eingeständnis seines Fehlverhaltens gewertet werden.
Andernfalls, - d. h. wenn die Vorwürfe wegen eines Abrechnungsbetruges haltlos
gewesen wären - wäre die Hinnahme einer Geldbuße in Millionenhöhe auch vor dem
Hintergrund seines Vorbringens, dies sei geschehen, weil er sich beruflich in den USA
neu habe orientieren wollen, schlechterdings nicht nachvollziehbar.
Aus den in den vorliegenden Akten enthaltenen Zeugenaussagen ergibt sich darüber
hinaus, daß der Kläger einen maßgebenden und bestimmenden Einfluß in der Firma
hatte. So hat der als Geschäftsführer von 1982 bis 1986 bei der Firma B. tätig gewesene
Zeuge S. bei seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung am 8. November 1988
angegeben, er habe in der Firma B. grundsätzlich nach täglich erfolgter Rücksprache
mit dem Kläger entschieden und die nicht die tägliche Arbeit betreffenden
Entscheidungen seien ausschließlich durch den Kläger erfolgt. Nach dieser Aussage
erfolgte auch eine Anweisung des Klägers, Rechnungen an die Firma M. zu begleichen,
und war es auch der Kläger, der Bedenken der in der Firma des Klägers tätigen Herren
S. und D. , des Leiters des Isotopenlabors, gegen zu hohe Rechnungspositionen der
Firma M. mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Monopolstellung derselben, die die
höheren Rechnungsbeträge rechtfertige, ausräumte. Auch der im Labor des Klägers als
Buchhalter beschäftigte Herr N. hat bei seiner Zeugenvernehmung durch die
Staatsanwaltschaft am 14. Dezember 1988 angegeben, der Kläger sei über alle
geschäftlichen Angelegenheiten des Labors und seiner Firmen mit Ausnahme einiger
Kleinigkeiten sehr wohl informiert und "in allen wichtigen Angelegenheiten die
bestimmende Person" gewesen. Dieser Zeuge hat zudem bestätigt, daß die an die
Firma B. gerichteten Rechnungen für Lieferungen von Radionukliden an die
Listenpreise der jeweiligen Lieferfirmen angeglichen und so - also ohne
Berücksichtigung des B. eingeräumten Rabattes - dem Labor des Klägers oder den
anderen Laborgemeinschaften berechnet worden seien. Der durch die
Staatsanwaltschaft vernommene Zeuge P. , der auch in der Firma B. tätig war, hat
ebenfalls bekundet, der Kläger habe in der Firma "die Richtlinien der Politik" bestimmt
und tatsächlich der Firma vorgestanden. Auch dieser Zeuge hat darüber hinaus
bestätigt, daß die Firma B. dem Labor des Klägers Preise in Anlehnung an die
Listenpreise der jeweiligen Lieferfirma berechnet habe und daß insoweit ein
Unterschied zwischen dem Listenpreis und dem tatsächlich von B. gezahlten Preis für
den Einkauf der Radionuklide bestanden habe. Die Bemerkung dieses Zeugen, andere
als das Labor des Klägers seien in bezug auf Radionuklide nicht Kunden der Firma B.
gewesen, läßt außerdem erkennen, daß die Manipulationen bei dem Bezug und der
Abrechnung von Radionukliden dem Kläger zuzurechnen und allein von ihm zu
verantworten sind.
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Vor diesem Hintergrund erscheint das Vorbringen des Klägers sowohl während des
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens als auch in dem den Widerruf der Approbation
betreffenden Verfahren, ein Schaden sei bei der Abrechnung mit der Kassenärztlichen
Vereinigung Nordrhein nicht, jedenfalls nicht in der von der Staatsanwaltschaft
angenommenen Höhe entstanden, als nachträglicher Versuch, sein Fehlverhalten im
Zusammenhang mit diesem Komplex "schönzureden".
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Dies gilt auch bezüglich der gutachterlichen Stellungnahme der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft H. /B. /S. vom 2. November 1989 und der
nachfolgenden Stellungnahme dieser Gesellschaft, die der Kläger der
Schadensermittlung durch die Staatsanwaltschaft entgegengesetzt hat. Das Gutachten
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ist schon deshalb als Nachweis dafür, daß ein (hoher) Schaden bei der
Kassenärztlichen Vereinigung nicht entstanden sei, ungeeignet, weil es die
Rechnungen der Firma M. als bei der Firma B. entstandene Ausgaben ansetzt, obwohl
es sich - wie dargelegt - um Scheinrechnungen gehandelt hat. Das wesentlich aus
betriebswirtschaftlicher Sicht erstellte Gutachten ist zudem auch deshalb ohne
Aussagekraft, weil - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach dem
Gebührenrecht für Radionuklide lediglich die Material- und die Aufbereitungskosten
angesetzt werden konnten, so daß entgegen dem Gutachten für den Ansatz weiterer
Kosten als betriebswirtschaftlich zu berücksichtigende Abzugspositionen kein Raum ist;
dies gilt entsprechend für die weiteren Stellungnahmen der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Auch das Vorbringen des Klägers, die von der Staatsanwaltschaft angenommene
Schadenshöhe im Zusammenhang mit der Abrechnung gegenüber der
Kassenärztlichen Vereinigung sei fehlerhaft, führt nicht zu einer für ihn günstigen
Entscheidung. Die konkrete Höhe der Schadenssumme ist in Verfahren der
vorliegenden Art regelmäßig ohne Belang, da es nicht um Ersatzansprüche, sondern um
eine Würdigung des Verhaltens in bezug auf die Zuverlässigkeit für die Ausübung des
ärztlichen Berufs geht. Im übrigen ergibt sich selbst dann, wenn einerseits mit der
gutachterlichen Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 2. November
1989 davon ausgegangen wird, daß der Kläger vom 2. Quartal 1982 bis einschließlich
3. Quartal 1987 für Radionuklide 3.008.201,70 DM bei der Kassenärztlichen
Vereinigung abgerechnet hat und die Materialkosten der B. für in diesem Zeitraum
abgerechnete Radionuklide mit 1.903.928,-- DM angesetzt werden sowie die von Dr. F.
gelieferten Stoffe nach dessen eigenen Angaben mit 128.112,-- DM in Ansatz gebracht
werden, andererseits aber entsprechend der - erst nach dem hier fraglichen Zeitraum in
1990 - zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und dem Berufsverband
der Deutschen Radiologen und Nuklearmediziner getroffenen Vereinbarung zusätzlich
zu den nachgewiesenen Materialkosten 30 % für Beschaffung und Aufbereitung
angesetzt werden, ein Betrag von ca. 366.000,-- DM (3.008.201,70 DM "Abrechnung
Radionuklide KV durch Labor" minus 1.903.928,-- DM Materialkosten der B. für in
diesem Zeitraum abgerechnete Radionuklide minus 128.112,-- DM tatsächliche
Lieferkosten von Dr. F. plus 30 % Bearbeitungs- und Aufbereitungszuschlag), der vom
Kläger unberechtigterweise bei der Kassenärztlichen Vereinigung geltend gemacht
worden ist. Daß es sich dabei nicht um einen nur unerheblichen Betrag handelt, ist
offenkundig.
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Auch der Umstand, daß die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein gegenüber dem
Kläger auf eine Rückforderung für die Abrechnung der Kosten für radionuklide Stoffe
verzichtet hat, führt nicht dazu, daß in diesem Verfahren das Fehlverhalten des Klägers
im Bereich der Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung außer Betracht
bleiben muß. Die aus welchen Gründen auch immer unterbliebene Rückforderung
ungerechtfertigter Leistungen ändert an dem pflichtwidrigem Abrechnungsverhalten des
Klägers nichts. Im übrigen ist davon auszugehen, daß die Kassenärztliche Vereinigung
zunächst vom Kläger insoweit getäuscht worden ist, als diese, wie er selbst eingeräumt
hat, von ihm nicht darüber informiert worden ist, daß es sich bei der Firma B. um eine
von ihm zwischengeschaltete Firma handelte. Außerdem ist der Verzicht der
Kassenärztlichen Vereinigung auf eine Rückforderung offensichtlich auch dadurch
bestimmt worden, daß der Kläger ab Oktober 1991 nicht mehr als Kassenarzt tätig war
und er im Zusammenhang mit der Einstellung der Ermittlungsverfahren umfangreiche
finanzielle Verpflichtungen übernommen hatte.
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Maßgebende Bedeutung bei der Frage der Würdigkeit und Zuverlässigkeit des Klägers
zur Ausübung des ärztlichen Berufs kommt darüber hinaus - wie bereits das
Verwaltungsgericht ausgeführt hat - der Steuerhinterziehung zu. Der gegen den Kläger
ergangene rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 25. Februar 1992 ist
wegen der Hinterziehung von Einkommenssteuern in den Jahren 1983, 1984 und 1986
in Höhe von insgesamt 273.198,-- DM ergangen. Das mit dem Strafbefehl geahndete
Verhalten des Klägers ist seinem beruflichen Wirkungskreis zuzurechnen und kann
dementsprechend auch bei der Frage der Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen
Berufs berücksichtigt werden. Die Hinterziehung der Einkommenssteuer erfolgte
dadurch, daß der Kläger bei den jährlichen Steuererklärungen die Scheinrechnungen
der Firma M. als Betriebsausgaben geltend machte. Das Zusammenwirken mit der
Firma M. hat, da die vermeintlichen Rechnungen der Firma sich auf Lieferungen an die
vom Kläger betriebene Laborarztpraxis in M. bezogen, eindeutig beruflichen Bezug und
betrifft den Kläger nicht nur - berufsunabhängig - in seiner Eigenschaft als "bloßer
Steuerbürger". Denn zur ordnungsgemäßen Berufsausübung eines Arztes und damit zu
dessen Berufspflichten gehört auch, daß dieser die in Zusammenhang mit seiner
Berufstätigkeit stehenden gesetzlichen Verpflichtungen des Steuerrechts erfüllt. Auf das
von ihm zitierte Urteil des erkennenden Gerichts
49
vom 25. Mai 1993 - 5 A 2679/91 -, MedR 1994, 72
50
kann sich der Kläger demgegenüber schon deshalb nicht berufen, weil sich diese
Entscheidung auf die Frage der W ü r d i g k e i t zur Ausübung des (zahnärztlichen)
Berufs und nicht auf die Frage der - hier relevanten - Frage der Zuverlässigkeit für den
Beruf eines Arztes bezieht.
51
Aus dem Umstand, daß die von ihm begangene Steuerhinterziehung durch Strafbefehl
geahndet worden ist und nicht Gegenstand eines gerichtlichen Strafverfahrens bzw.
eines Strafurteils war, kann der Kläger in diesem Verfahren nichts zu seinen Gunsten
herleiten. Auch wenn das Strafbefehlsverfahren als summarisches Strafverfahren
angesehen werden kann und mit der beschleunigten Verfahrenserledigung durch
Strafbefehl im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Hauptverhandlung Nachteile
bezüglich der Aufklärung des Tatvorwurfs verbunden sein können, so äußert ein
Strafbefehl doch, wenn gegen ihn ein Einspruch nicht geltend gemacht wird, die gleiche
Wirkung wie ein rechtskräftiges Urteil (§ 410 Abs. 3 StPO). Ebenso wie bei einem
Strafurteil wird auch bei einem Strafbefehl der Strafanspruch des Staates verbraucht und
"befriedigt", auch wenn die Überzeugung des ihn erlassenden Richters nicht auf einer
Verhandlung (§ 261 StPO) beruht. Auch in bezug auf einen rechtskräftigen Strafbefehl
gilt deshalb die Erwägung, daß der Betroffene ihm zum Nachteil gereichende
Feststellungen in einer strafgerichtlichen Entscheidung in aller Regel gegen sich gelten
lassen muß, und daß eine Ausnahme von diesem Grundsatz nur anzuerkennen ist,
wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen
Tatsachenfeststellungen gegeben sind.
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Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Mai 1989, aaO.
53
Insbesondere die Tatsache, daß ein Betroffener die Tatvorwürfe im Ermittlungsverfahren
eingeräumt oder - wie hier - einen Strafbefehl widerspruchslos akzeptiert hat, stellt
regelmäßig ein deutliches und nur durch die Darlegung besonderer Gründe
ausräumbares Indiz dafür dar, daß er die ihm hierin vorgeworfenen Taten auch
54
begangen hat. Derartige besondere Gründe sind vom Kläger in diesem Verfahren nicht
geltend gemacht worden. Der Kläger hat sich im Vorfeld des Erlasses des Strafbefehls
und auch in Kenntnis der Höhe der ihm zur Last gelegten Steuerhinterziehung mit dem
Abschluß des Steuerhinterziehungsverfahrens auf diese Art und Weise einverstanden
erklärt und den Strafbefehl, auch in seiner inhaltlichen Ausgestaltung und mit den darin
im einzelnen bezeichneten Tatumständen, durch ausdrücklich erklärten
Rechtsmittelverzicht akzeptiert. Er hat auch im vorliegenden Verfahren die Berechtigung
des Strafbefehls im Grundsatz nicht mit substantiierten Einwendungen in Frage gestellt,
sondern lediglich die Auffassung vertreten, entsprechende Verfehlungen könnten den
Widerruf der Approbation nicht rechtfertigen. Auch seinem Vorbringen, der Umfang der
Steuerverkürzung sei falsch angegeben und die Festsetzung von 720 Tagessätzen
gegen ihn deute auf ein geringeres Gewicht der geahndeten Tat hin, kommt keine
relevante Bedeutung zu. Der Widerruf der Approbation knüpft nämlich nicht an den
Erlaß des Strafbefehls als solchen an, sondern an die ihm zugrunde liegende Tat der
Steuerhinterziehung durch den Kläger. Im übrigen handelt es sich bei den im Strafbefehl
festgesetzten 720 Tagessätzen à 500,-- DM, auch wenn dies der Kläger anders sehen
mag, um ein Strafmaß von erheblichem Gewicht. Schließlich können auch die
Erklärungen des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten für die seinerzeitige
Akzeptanz des Strafbefehls - er habe mit seiner Familie in die USA übersiedeln wollen,
um dort in Zukunft zu arbeiten - nur als - ungeeigneter - Versuch gewertet werden,
dessen Feststellungen nachträglich zu entwerten.
Das dem Kläger vorzuwerfende Fehlverhalten im Zusammenhang mit
Steuerhinterziehungen und der Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung
Nordrhein rechtfertigte, wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, aus der
zeitlichen Sicht der Widerspruchsentscheidung im März 1993 die Prognose, der Kläger
werde auch in Zukunft seinen beruflichen Pflichten nicht in dem gebotenen Maße
nachkommen. Der Kläger hat offenbar unmittelbar nach Aufnahme seiner selbständigen
Berufstätigkeit Mittel und Wege überlegt und gefunden, den finanziellen Gewinn aus
seiner Berufstätigkeit auf nicht legale Art und Weise zu maximieren. Dies gilt nicht nur
im Hinblick auf die Einreichung von Scheinrechnungen und die Hinterziehung von
Steuern, sondern auch im Hinblick auf den Komplex "B. ". Auch wenn es dem Kläger
unbenommen war, eine Handelsfirma für medizinischen Bedarf zu gründen und seine
Laborpraxis von dieser mit Radionukliden beliefern zu lassen, war er aufgrund des auf
wechselseitiges Vertrauen angelegten Verhältnisses mit der Kassenärztlichen
Vereinigung verpflichtet, letzterer nur die ihm tatsächlich entstandenen Kosten in
Rechnung zu stellen, d. h. über die Firma B. erzielte Preisnachlässe für Radionuklide an
die Kassenärztliche Vereinigung weiterzugeben und nicht die Preisnachlässe zu
verschleiern und selbst abzuschöpfen. Das Geflecht von ihm dominierter Firmen, das es
dem Kläger ermöglicht hat, Scheinrechnungen als einkommensmindernd oder den
tatsächlichen Aufwendungen nicht entsprechende hohe Rechnungen bei der
Abrechnung als Kassenarzt geltend zu machen, ist deshalb nur vor dem Hintergrund
eines übersteigerten Gewinnstrebens zu erklären. Das Fehlverhalten des Klägers, das
keineswegs als nur "geringfügig" angesehen werden kann, läßt dementsprechend eine
Neigung des Klägers erkennen, unter Ausnutzung der sich im Rahmen seiner
Berufsausübung bietenden Gelegenheiten seine eigenen wirtschaftlichen Interessen
über alles zu stellen. Die Planmäßigkeit und Dauer seines Vorgehens über einen
längeren Zeitraum hinweg deutet auf den fehlenden Willen des Klägers hin,
Vermögensinteressen anderer bzw. der Versichertengemeinschaft zu achten oder den
Steueranspruch des Staates zu respektieren; sie lassen ferner auch eine deutlich
herabgesetzte Hemmschwelle im Hinblick auf die Begehung von Straftaten erkennen.
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Insgesamt offenbart das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten des Klägers deutliche
charakterliche Schwächen in seiner Persönlichkeitsstruktur. Es läßt eine charakterliche
Veranlagung erkennen, bei der eine kurzfristige Wandlung nicht anzunehmen ist. Dies
gilt auch im Hinblick darauf, daß der Kläger seine Steuerrückstände beglichen und auch
ansonsten im Zusammenhang mit der Einstellung der Ermittlungsverfahren erhebliche
finanzielle Verpflichtungen auf sich genommen hat. Wie bereits das Verwaltungsgericht
ausgeführt hat, handelt es sich dabei um Konsequenzen seines Fehlverhaltens, denen
er ohnehin nicht mit Aussicht auf Erfolg hätte entgehen können. Darüber hinaus sind die
Maßnahmen des Klägers offensichtlich auf den Druck des Ermittlungsverfahrens bzw.
eines bevorstehenden strafrechtlichen Gerichtsverfahrens zurückzuführen. Die Zeit
zwischen dem vom Strafbefehl des Amtsgerichts M. bzw. von dem eingestellten
Ermittlungsverfahren erfaßten Zeitraum und der Widerspruchsentscheidung der
Beklagten im März 1993 war auch noch nicht derart lang, daß allein aufgrund des
Zeitablaufs der Schluß auf die Unzuverlässigkeit des Klägers und deshalb der Widerruf
der Approbation nicht (mehr) gerechtfertigt gewesen wären. Dies gilt erst recht
angesichts der Tatsache, daß die strafrechtlichen Ermittlungen erst im März bzw. Mai
1992 abgeschlossen worden sind und die Beklagte anschließend unverzüglich mit der
in Frage stehenden Maßnahme nach der Bundesärzteordnung reagiert hat. Zudem stellt
der Zeitablauf ohnehin nur einen Faktor unter anderen bei den für die Beurteilung der
Zuverlässigkeit eines Arztes maßgeblichen konkreten Umständen dar.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 16. Juli 1996 - 3 B 44.96 -.
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Daß der Kläger ab Ende September 1991 auf seine Kassenzulassung verzichtet hatte
und aus der Praxis ausgeschieden war, ließ die Notwendigkeit des Widerrufs der
Approbation gleichfalls nicht entfallen, da sich die deutlich gewordenen
Charaktermängel auch bei einer weiteren Tätigkeit als Arzt, in welcher Stellung auch
immer, auswirken konnten.
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War der Kläger somit zum maßgebenden Zeitpunkt unzuverlässig zur Ausübung des
ärztlichen Berufs und ist der Widerruf der Approbation bereits aufgrund dieser
Einschätzung gerechtfertigt, so kann dahinstehen, ob das ihm vorzuwerfende
Fehlverhalten es auch rechtfertigt, ihn im Sinne der §§ 3, 5 BÄO als unwürdig für die
Ausübung des ärztlichen Berufs anzusehen.
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Der Widerruf der Approbation verstößt auch nicht gegen den die Freiheit der Berufswahl
schützenden Art. 12 GG, der auch die Entscheidung über das Ob und die Dauer der
Berufsausübung umfaßt. Das Interesse an der Verhinderung weiterer massiver
Verletzungen von elementaren Berufspflichten, zu denen sowohl die korrekte
Abrechnung von ärztlichen Leistungen, insbesondere gegenüber den
Krankenversicherungsträgern, als auch die Beachtung mit dem Beruf
zusammenhängender Steuerpflichten gehört, hat überragende Bedeutung und
rechtfertigt einen Eingriff in die Berufsfreiheit. Weniger einschneidende Mittel sind nicht
ersichtlich, zumal das Gesetz, anders als beispielsweise bei der Erlaubnis nach § 8
BÄO, keine Möglichkeit der Einschränkung der Approbation vorsieht.
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