Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.07.2007
OVG NRW: ukraine, staatsangehörigkeit, gleichheit im unrecht, verordnung, geburt, bundesarchiv, wahrscheinlichkeit, gewissheit, republik, widerruf
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 836/05
Datum:
12.07.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 836/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 10 K 1048/02
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Zur
Begründung macht sie geltend, sie habe die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt
von ihrem Vater erworben. Dieser wiederum habe seine deutsche Staatsangehörigkeit
von seinem Vater, dem Großvater väterlicherseits der Klägerin, erworben. Der Großvater
habe die deutsche Staatsangehörigkeit nach der Verordnung über die Verleihung der
deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste der Ukraine
eingetragenen Personen vom 19. Mai 1943, RGBl. I S. 321, erlangt. Soweit hierfür die
Eintragung nachzuweisen sei, werde diese durch eine Reihe von Indizien belegt.
3
Wegen des Sachverhalts im übrigen und des gerichtlichen Verfahrens in der ersten
4
Instanz wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Gerichtsbescheids Bezug genommen.
Wegen des Sachvortrags der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf Blatt 104 - 106,
109, 110, 112 - 117, 146 - 150 und 182 - 185 der Gerichtsakte verwiesen.
5
Die Klägerin beantragt,
6
den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem erstinstanzlichen
Klageantrag zu erkennen.
7
Die Beklagte stellt im Berufungsverfahren keinen Antrag. Sie ist der Auffassung, dass
die erforderliche Eintragung in die Volksliste nicht nachgewiesen sei.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
9
II.
10
Über die Berufung kann gem. § 130a VwGO durch Beschluss entschieden werden, weil
der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und die Durchführung einer
mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a Satz 1 VwGO). Die
Beteiligten sind hierzu nach § 130a Satz 2 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO mit
gerichtlicher Verfügung vom 21. März 2007 und mit weiterer gerichtlicher Verfügung vom
4. Juni 2007 angehört worden.
11
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die
Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist.
12
Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 24. Juni 2004 ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die
Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung eines
Staatsangehörigkeitsausweises. Sie hat nicht nachgewiesen, dass sie deutsche
Staatsangehörige ist.
13
Ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit von ihrem Vater gemäß § 4 Abs. 1
RuStAG vom 22. Juli 1913, RGBl. S. 583, in der im Zeitpunkt der Geburt der Klägerin
(1982) geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Reichs- und
Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 20. Dezember 1974 (RuStAÄndG 1974), BGBl. I S.
3714, ist nicht nachgewiesen. Es kann zu Lasten der insoweit beweispflichtigen
Klägerin,
14
vgl. BVerwG. Urteil vom 27. Juli 2006
15
- 5 C 3.05 -, DVBl. 2007, 194 ff.,
16
nicht mit dem erforderlichen, vernünftige Zweifel ausschließenden Grad an
Wahrscheinlichkeit,
17
vgl. zu diesem Maßstab: BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2006 - 5 C 3.05 -, a.a.O.,
18
davon ausgegangen werden, dass der am 4. September 1955 geborene und
zwischenzeitlich verstorbene Vater der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Geburt deutscher
Staatsangehöriger gewesen ist. Für eine Einzeleinbürgerung des Vaters der Klägerin
vor ihrer Geburt ist nichts ersichtlich. Dass der Vater der Klägerin die deutsche
Staatsangehörigkeit von seinem Vater, dem Großvater der Klägerin, durch Geburt nach
§ 4 Abs. 1 RuStAG in der im Zeitpunkt seiner Geburt (1955) geltenden
Ursprungsfassung vom 22. Juli 1913, RGBl. S. 583, erlangt hat, ist ebenfalls nicht
nachgewiesen. Eine Einzeleinbürgerung des Großvaters der Klägerin ist nicht belegt.
Unterlagen über eine Einbürgerung des Großvaters, wie etwa eine
Einbürgerungsurkunde, sind nicht auffindbar. Entsprechendes gilt für einen Erwerb der
deutschen Staatsangehörigkeit nach § 1 Abs. 1 Buchstabe f) des Gesetzes zur
Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (StAngRegG) vom 22. Juli 1955, BGBl. I
S. 65, i.V.m. der Verordnung über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an
die in die Deutsche Volksliste der Ukraine eingetragenen Personen vom 19. Mai 1943,
RGBl. I S. 321. Auch der erforderliche konstitutive Eintrag
19
- vgl. BVerwG. Urteil vom 27. Juli 2006
20
- 5 C 3.05 -, a.a.O. -
21
des Großvaters der Klägerin in diese Liste ist nicht - etwa durch Vorlage eines
Volkslistenausweises - belegt.
22
Die ersatzweise für die Eintragung angeführten Indizien,
23
Ansässigkeit des Großvaters im Jahr 1941 innerhalb des Reichs-kommissariats Ukraine
(C. , nordöstlicher Teil des Rayon Q. ),
24
Ausbleiben von Zwangsmaßnahmen, die ansonsten gegen "Fremd-völkische" oder
"deutschstämmige unverbesserliche Renegaten" durchgeführt wurden,
25
Aussiedlung des Großvaters, der Großmutter und wohl auch einiger Familienmitglieder -
nicht jedoch des erst 1955 geborenen Vaters der Klägerin - über Ungarn und Polen
nach Deutschland in die Stadt X. , wobei allerdings der Zeitpunkt der Umsiedlung nicht
eindeutig ist
26
Archivbescheinigung des Ministeriums des Innern der Republik Kasachstan vom 10.
Februar 1993: 1941 und damit deutlich vor dem Erlass der Volkslistenverordnung
Ukraine,
27
Archivbescheinigung des Ministeriums für innere Angelegenheiten der Ukraine vom 12.
Juli 2001: 1944,
28
Antrag des Großvaters auf Aufnahme als Aussiedler vom 15. April 1991: 1944,
29
handschriftlich auf "5/10-90" datierter, nicht unterschriebener, maschinenschriftlicher
Lebenslauf des Großvaters: 1942 nach Ungarn (maschinenschriftliche Datumsangabe
mit einer handschriftlich über der 2 angebrachten 3), 1942 nach Deutschland
(maschinenschriftliche Datumsangabe mit einer handschriftlich über der 2 angebrachten
4),
30
Repatriierung 1945 in die Sowjetunion,
31
sind weder für sich genommen noch in der Gesamtschau geeignet, dem Senat über eine
nicht quantifizierbare Wahrscheinlichkeit hinaus die Gewissheit oder zumindest eine
nach der Lebenserfahrung der Gewissheit gleichkommende oder vernünftige Zweifel
Einhalt gebietende Wahrscheinlichkeit für eine Eintragung des Großvaters der Klägerin
in die Volksliste Ukraine zu vermitteln.
32
Diesen Umständen käme unter zusätzlicher Berücksichtigung der Bandbreite der hier
für die Aussiedlung anzunehmenden Zeitpunkte (1941 oder 1942 oder 1943 oder 1944)
nur dann eine schlüssige Indizwirkung zu, wenn
33
im Reichskommissariat Ukraine auch bereits vor dem Inkrafttreten der
Volkslistenverordnung und zwar seit 1941 eine umfassende Erfassung und Eintragung
der deutschen Volkszugehörigen erfolgt wäre und
34
die Volkslistenerfassung in dem Sinne Grundlage der Evakuierungen gewesen wäre,
dass ausschließlich und vorrangig Eingetragene evakuiert worden wären.
35
Von einer umfassend durchgeführten Überprüfung und Erfassung der volksdeutschen
Wohnbevölkerung kann indes auch unter Berücksichtigung des Vermerks des Leiters
der Einwandererzentralstelle in Litzmannstadt vom 22. September 1943 nicht
ausgegangen werden. Auch lässt sich nicht feststellen, dass ausschließlich oder
vorrangig die in der Volksliste Ukraine Eingetragenen evakuiert worden sind.
36
Vgl. BVerwG. Urteil vom 27. Juli 2006
37
- 5 C 3.05 -, a.a.O.
38
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin in Kopie vorgelegten
Strafurteil des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik aus dem
Jahr 1963 - 1 Zst (I) 1/63 - gegen den damaligen Staatssekretär im Bundeskanzleramt
Globke. Dabei kann dahinstehen, ob und ggf. inwieweit mit Blick auf die seinerzeit in der
DDR gewährleisteten rechtsstaatlichen Garantien derartigen Gerichtsurteilen ein
Aussagewert zukommt. Denn - bezeichnenderweise - finden sich in den Darstellungen
des Gerichts keinerlei nachprüfbare zeitgeschichtliche Quellen zum tatsächlichen
Ablauf und Umfang der Volkslistenerfassung im Reichskommissariat Ukraine und zum
Zusammenhang zwischen der Volkslistenerfassung und den Evakuierungen, so dass
den Ausführungen kein über eine Parteibehauptung hinausgehender Beweiswert
zuzumessen ist.
39
Soweit unter Bezugnahme auf die Stellungnahme vom 2. Mai 2007 von Dr. Ingo Haar
von der Universität Wien geltend gemacht wird, es habe in der Ukraine ein mehrfach
überprüftes Verfahren gegeben, und darüber hinaus habe es hinsichtlich der bis Ende
1944 in den Lagern der Volksdeutschen Mittelstelle zusammengeführ- ten
Volksdeutschen aus der Ukraine ein Überprüfungsverfahren gegeben, welches
entweder die deutsche Staatsangehörigkeit auf der Basis der Volkslistenverordnung
bestätigt habe oder allenfalls zur Verleihung der Staatsbürgerschaft auf Widerruf geführt
habe, dieser Widerruf jedoch nicht erfolgt sei, ist dies hier nicht geeignet, eine
schlüssige Indizwirkung dahingehend zu begründen, dass der 1913 geborene
40
Großvater väterlicherseits der Klägerin tatsächlich in eine der Abteilungen der Volksliste
Ukraine eingetragen worden ist.
Aus der in Bezug genommenen Stellungnahme von Dr. Haar lassen sich schon
konkrete Anhaltspunkte für eine lückenlose Erfassung und Eintragung deutscher
Volkszugehöriger in die Volksliste Ukraine, wie sie für eine schlüssige Indizwirkung
erforderlich sind, nicht gewinnen. Abgesehen davon, dass auch Dr. Haar keinerlei
nachprüfbare zeitgeschichtliche Quellen für die von ihm aufgestellten Behauptungen
angegeben hat, hat er in seiner Stellungnahme selbst eingeräumt, dass eine lückenlose
Erfassung aller Personen, die die Kriterien der Volksliste Ukraine erfüllten, nicht
stattgefunden hat. So sollen nach seinen Angaben die "Schwarzmeerdeutschen" bis
Ende 1943 nicht erfasst worden sein, des weiteren habe "ein geringer Teil der zu
erfassenden Deutschen mit dem Zusammenbruch der Frontlinien 1943 und dem
Rückzug der deutschen Truppen nicht mehr oder nur unvollständig registriert werden"
können und schließlich habe ein "zahlenmäßig geringer Teil der auf dem Land
lebenden Volksdeutschen in der Ukraine von den eingerichteten Kommissionen der
DVL nur schwer erfasst" werden können. Soweit die Klägerin hierzu ergänzend vorträgt,
es sei nicht ausgeschlossen, dass entsprechende "Nacherfassungen" erfolgt seien,
stellt das den Befund einer nur lückenhaften Erfassung schon deshalb nicht
durchgreifend in Frage, weil es sich insoweit um eine durch nichts belegte Vermutung
handelt.
41
Schon angesichts dieser - pauschal - beschriebenen Erfassungslücken ist die
Stellungnahme von Dr. Haar nicht geeignet, dem Senat über eine nicht quantifizierbare
Wahrscheinlichkeit hinaus die Gewissheit oder zumindest eine nach der
Lebenserfahrung der Gewissheit gleichkommende oder vernünftigen Zweifeln Einhalt
gebietende Wahrscheinlichkeit für eine lückenlose Erfassung zu vermitteln. Auf eine
Quantifizierung der Erfassungslücken kommt es dafür nicht an.
42
Abgesehen davon sind konkrete Zahlenangaben bzw. sonstige Belege für eine
Quantifizierung der Erfassungslücken der Stellungnahme nicht beigefügt. Vielmehr regt
Dr. Haar am Ende seiner Stellungnahme selbst an: "Ein Gutachten sollte Aufschluss
darüber geben, nach welchen besonderen oder allgemeinen Kriterien die
Staatsbürgerschaft in der Ukraine vergeben wurde, wo die DVL Ukraine aufgrund des
Zusammenbruchs der Fronten nicht zum Einsatz kam und welche Personen
43
(oder Personengruppen) aus welchen regionalen Zusammenhängen nicht der
Registrierung zugeführt werden konnten oder gar nicht erst zur Registrierung kamen".
Damit wird offenbar, dass nachprüfbare, substantiierte und belastbare Erkenntnisse
hinsichtlich des Grades der im Reichskommissariat Ukraine durchgeführten Erfassung
der dort ansässigen Volksdeutschen nicht vorliegen und - abgesehen von der
eingeräumten Tatsache, dass eine lückenlose Erfassung tatsächlich nicht erfolgt ist - die
Bestimmung und die Quantifizierung der nicht erfassten Personengruppen (die
"Schwarzmeerdeutschen", "geringer Teil", "zahlenmäßig geringer Teil") letztlich auf
vagen Vermutungen beruht.
44
Die damit vorliegenden Darlegungs- und Substantiierungsdefizite wiegen umso
schwerer, als das Reichskommissariat Ukraine keinen statischen Gebietsbestand
aufwies, sondern erst im September 1942 unter Einbeziehung der ostwärts des Dnjepr
gelegenen Gebiete der ehemaligen Oblaste Dnjepopetrowsk und Saporoshje die größte
Ausdehnung nach Osten erreichte, jedoch schon im Laufe des Jahres 1943 Zug um Zug
45
zurückerobert wurde.
Vgl. etwa:
46
http://de.wikipedia.widearea.org./wiki/Reichskommissariat_Ukraine.
47
Das Zeitfenster, in dem auf der Grundlage der erst unter dem 19. Mai 1943 erlassenen
Volkslistenverordnung Ukraine in dem vorgenannten Gebiet eine Erfassung der
verbliebenen Volksdeutschen durchgeführt und eine zur deutschen Staatsangehörigkeit
(ggf. auf Widerruf) führende Eintragung vorgenommen werden konnten, ist daher relativ
eng bemessen gewesen, so dass auch deshalb die u.a. durch das schnelle
Zurückweichen der Frontlinie bedingten Lücken der Erfassung in der Ukraine nicht ohne
weiteres als völlig unwesentlich angesehen werden können. Denn die Sowjetarmee
hatte bereits bis zum 30. September 1943 den gesamten Unterlauf des Dnjepr von
Gomel bis Saporoshje erreicht und den Dnjepr nördlich Kiew sowie südlich
Krementschug sogar schon überschritten. Im Dezember 1943 hielt die deutsche Front
nur noch bei Mogilew, südlich Kiew und im Mündungsgebiet von Nikopol bis Cherson.
Anfang 1944 waren nur noch die Kreisgebiete Brest, Kobryn und Pinsk im
Generalbezirk Wolhynien-Podolien unbesetzt.
48
Zum letzteren vgl.
49
http://de.wikipedia.widearea.org./wiki/Reichskommissariat_Ukraine -; zum Frontverlauf
Anfang Oktober 1943 vgl. etwa Putzger, Historischer Weltatlas, 103. Aufl. 2006, S. 183;
zu den Kämpfen der Heeresgruppe Süd um die Dnjepr-Linie vom 24. September bis 31.
Dezember 1943 (mit Darstellung u. a. der Frontverläufe vom 25. September, 10. Oktober
und 2. November 1943) vgl. ferner Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Das
Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 8: Die Ostfront 1943/44, 2007, Karte
Seite 352.
50
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die durch die schnellen und
massiven Vorstöße der Sowjetarmee bedingten Erfassungslücken durch das von der
Klägerin angeführte Prüfungsverfahren ausgeglichen worden sind und deshalb
innerhalb des verbliebenen Zeitfensters eine umfassende Erfassung der Volksdeut-
schen in der Ukraine erfolgen konnte. Aufgrund der Kriegsgeschehnisse gelangten
nämlich bereits seit Januar 1943, mithin deutlich vor dem Inkrafttreten der
Volkslistenverordnung Ukraine, Umsiedler aus der Ukraine in den Warthegau und nach
Wolhynien. Aus Wolhynien wurden diese Personen infolge Vorrückens der
sowjetischen Truppen im Spätsommer 1943 ebenfalls in den Warthegau bzw. ins
Altreichsgebiet umgesiedelt.
51
Vgl. Bundesarchiv, Stellungnahme vom 2. Juni 1970
52
- 9165 a/53 -.
53
Damit hatten bereits Personen die Ukraine verlassen, bevor die Volkslistenverord-nung
Ukraine in Kraft getreten war und das angeblich hierauf beruhende
Überprüfungsverfahren auf diese Personen Anwendung finden konnte. Hierzu könnte
auch schon der Großvater väterlicherseits der Klägerin gehört haben. So weisen die
Archivbescheinigung des Ministeriums des Innern der Republik Kasachstan vom 10.
Februar 1993 als Umsiedlungszeitpunkt das Jahr 1941 und der maschinen-schriftliche
54
Lebenslauf des Großvaters für die Umsiedlung nach Ungarn die Jahre 1942 oder 1943
auf.
Abgesehen davon fehlt es an jeglicher Konkretisierung des behaupteten "mehrfach vom
Reichssicherheitshauptamt, dem Reichsinnenministerium, dem SD, der Volksdeutschen
Mittelstelle der SS und der EWZ-Lodz" implementierten und von diesen Institutionen
überprüften Verfahrens der "Deutschen Volksliste (DVL)". Nach Dr. Haar soll dies schon
allein durch einen Blick in die rechtlichen Regelungen der Volkslistenverordnung
bestätigt werden. Diese enthält jedoch keine konkretisierenden Verfahrensregelungen,
geschweige denn Regelungen des behaupteten mehrfachen
55
Überprüfungssystems durch die o.g. Stellen.
56
Soweit mit den Ausführungen,
57
"Hier bekannten sich zur Gruppe der Volksdeutschen ohnehin nur Familien, die in den
Augen des NS-Regimes ganz eindeutig deutsch waren. Hinzu kam die religiöse
Differenz der deutschen Minderheit, die in der Regel nicht jüdisch, römisch- katholisch
oder griechisch bzw. russisch-orthodox waren. Insofern wurden die Verhältnisse, was
die deutsche Herkunft anbelangte, aus der Sicht der VoMi viel klarer als im besetzten
Polen eingeschätzt",
58
trotz der kriegsbedingten Unwägbarkeiten eine einfachere, zügigere und damit
umfassende Erfassung der Volksdeutschen in der Ukraine im Rahmen des behaupteten
Prüfungsverfahrens suggeriert werden soll, kann dem schon wegen der insoweit
bestehenden Konkretisierungsdefizite nicht gefolgt werden.
59
Es ist allerdings bekannt, dass die Volksliste Ukraine gegenüber der Deutschen
Volksliste in den eingegliederten Ostgebieten modifiziert zur Anwendung kam. Die
gemäß Verordnung vom 4. März 1941, RGBl. I S. 118, in den eingegliederten
Ostgebieten eingerichtete Deutsche Volksliste (DVL) wurde auf Weisung des
Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums (RKFV) vom 8. September
1942 durch Verordnung des Reichskommissars für die Ukraine (RKU) vom 15.
September 1942, VOBl. RKU I S. 111, in der Ukraine eingeführt. Die "sinngemäße
Anwendung" der durch Erlass des ehemaligen Reichsministers des Innern vom 13.
März 1941 (Ie 5152/41-5000 Ost) festgelegten Richtlinien, nach welchen vier
Abteilungen vorgesehen waren, erwies sich jedoch als nicht praktikabel. Die auf dem
Lande ansässigen Volksdeutschen lebten in fast rein deutschen Dörfern (mit Ausnahme
des Generalbezirks Shitomir), während die Volksdeutschen in den Städten nahezu
völlig russifiziert waren. In Beratungen des Reichsministers des Innern mit dem RKFV,
der Volksdeutschen Mittelstelle und dem Reichsministerium für die besetzten
Ostgebiete (RmbO) wurde die vom RKU durchgeführte direkte Übernahme der DVL
zwar formell beibehalten, inhaltlich aber abgewandelt. Die Veränderungen fanden in
den am 7. Dezember 1942 vom RKU erlassenen "Richtlinien über die Durchführung der
Aufnahme der Volksdeutschen in die Deutsche Volksliste" ihren Niederschlag. Danach
wurden in die Gruppe I "alle von zwei rein deutschen Elternteilen abstammenden
Deutschen, die noch in Sprache und Haltung ihr Deutschtum bewahrten,"
aufgenommen. Eingetragen in die Gruppe II wurden "alle Deutschen und der
fremdvölkische Ehepartner sowie die aus dieser Mischehe stammenden Kinder", wenn
das Bekenntnis zum "Deutschtum" erklärt wurde. Die Gruppe III galt offenbar
vornehmlich für die Volksdeutschen in den Städten. In diese Gruppe sollten eingereiht
60
werden die "reinblütigen Deutschen" mit überwiegend oder ganz nichtdeutscher
Haussprache, Deutschstämmige in Mischehen, in denen der "fremdvölkische" Teil sich
durchgesetzt hatte und die "Mischlinge" mit "deutschem Blutanteil", sofern sie nicht in
die Gruppe II aufgenommen worden waren. Von der Einrichtung einer vierten Gruppe -
ähnlich der Abteilung IV der DVL in den eingegliederten Ostgebieten - wurde
abgesehen.
Vgl. Bundesarchiv, Stellungnahme vom 10. November 1970 - 9165 a/53 -.
61
Angesichts dieser Kategorien, die eine umfassende Überprüfung der Abstammung
sowie der sonstigen familiären Umstände erforderten, kann von einer grundsätzlich
einfacheren Erfassung nicht ausgegangen werden. Die mit der Umsetzung dieser
Richtlinie verbundenen komplexen Probleme und Schwierigkeiten bestätigen dies. So
verzögerten technische und juristische Schwierigkeiten, wie Abstammungsnachweis,
Überprüfung der rassischen und erbbiologischen Merkmale, Interpretationen des
sowjetischen Eherechts und Personalmangel bei den DVL- Zweigstellen die
Durchführung des Volkslistenverfahrens. Bis zum 8. Oktober 1943 waren nur 800
Volksdeutschen aus Saporoshje die DVL-Ausweise ausgehändigt worden. In einer
Besprechung am 19. Oktober 1943 stellte der Vertreter der Volksdeutschen Mittelstelle
fest, dass Ausweise an "reine Ukrainer" ausgefolgt worden sind. Das Reichsministerium
für die besetzten Ostgebiete teilte am 3. Februar 1944 dem RKFV mit, vom Abschluss
des Volkslistenverfahrens könne noch nicht gesprochen werden. Damit war auch die
Durchführung der Verordnung vom 19. Mai 1943 über die Verleihung der deutschen
Staatsangehörigkeit in Frage gestellt.
62
Vgl. Bundesarchiv, Stellungnahme vom 10. November 1970 - 9165 a/53 -.
63
Hieraus wird offenkundig, dass entgegen den - ohnehin unsubstantiierten - Ausfüh-
rungen von Dr. Haar bis Ende 1943/Anfang 1944 weder von einem implementierten,
mehrfachen Überprüfungssystem noch von einer geordneten sowie einer umfassenden
Erfassung aller Volksdeutschen ausgegangen werden kann; offenkundig ist danach
auch, dass Personen in die Volksliste eingetragen worden sind, die als "reine Ukrainer"
nicht einmal ansatzweise die Voraussetzungen für eine Eintragung erfüllten.
64
Ebenso ist danach die - wiederum nicht belegte - Behauptung, das Gros des DVL-
Verfahrens sei 1943/44 abgeschlossen gewesen, nicht nachzuvollziehen. Infolge der
Veränderung der militärischen Situation musste die Abwicklung des Volkslistenver-
fahrens gemäß der DVL Ukraine vielmehr verlegt werden. Angesichts des schnellen
Vorrückens der sowjetischen Truppen verwundert es daher nicht, dass unter den
Flüchtlingen aus der Ukraine, die Aufnahme im Bezirk Bialystok, im
Generalgouvernement und in den eingegliederten Ostgebieten gefunden hatten,
Personen waren,
65
- die in die DVL aufgenommen worden waren und damit einen Ausweis erhalten hatten,
66
- Personen, die in die DVL aufgenommen worden waren, jedoch keinen Ausweis
erhalten hatten,
67
- Personen, die bereits erfasst worden waren, deren Unterlagen jedoch verloren
gegangen waren und auch
68
- Personen, die noch gar nicht erfasst worden waren.
69
Vgl. Bundesarchiv, Stellungnahme vom 10. November 1970 - 9165 a/53 -.
70
Danach kann weder von einer umfassend durchgeführten noch von einer abge-
schlossenen Erfassung sämtlicher Volksdeutschen - und nur der Volksdeutschen - in
der Ukraine ausgegangen werden.
71
Dies wird durch die Bezugnahme der Klägerin auf die Literaturquelle Meir Buchs-
weiler, Volksdeutsche in der Ukraine am Vorabend und Beginn des Zweiten Weltkriegs
- ein Fall doppelter Loyalität?, Schriftenreihe des Minerva Instituts für deutsche
Geschichte Universität Tel Aviv, Bd. 07, 1984, bestätigt. Auf S. 353 des von der Klägerin
vorgelegten Auszugs heißt es: "Wegen des Rückzugs erhielt ein erheblicher
(Hervorhebung durch den Senat) Teil der Volksdeutschen die deutsche
Staatsangehörigkeit schon nicht mehr in der Ukraine; viele bekamen sie dann während
des Aufenthalts im Warthegau". Viele Volksdeutsche bekamen danach die deutsche
Staatsangehörigkeit - wenn überhaupt - erst im Warthegau, viele aber eben auch dort
nicht.
72
Angesichts dieses tatsächlichen Vollzugs erweist sich der Hinweis der Klägerin auf die
Verordnung des Oberbefehlshabers der 11. Armee über den Schutz der Volksdeutschen
in der Ukraine vom 15. August 1941 als unergiebig. Es mag durchaus sein, dass
genaue Vorstellungen darüber bestanden, wo Volksdeutsche ansässig waren. Die von
der Klägerin bemühte Indizwirkung ergibt sich jedoch in erster Linie nicht aus
Vorstellungen, sondern aus dem tatsächlichen Vollzug des Volkslistenverfahrens, der
wie oben im einzelnen dargelegt, den von der Klägerin - zudem unsubstantiiert -
aufgestellten Behauptungen entgegensteht. Entsprechendes gilt für den Verweis der
Klägerin auf die Abhandlung von Ingeborg Fleischhauer, Das Dritte Reich und die
Deutschen in der Sowjetunion, und die dort referierte "Anweisung des Reichsministers
des Innern I StaR 5264/44/4160 GR T 81, R 265, F 2384029f. Der hieraus ersichtliche
Wille, "einwandfrei deutschstämmige Personen und Fremdstämmige, die als völlig
eingedeutscht anzusehen sind", zu einem Antrag auf Eintragung in die Deutsche
Volksliste zu zwingen, gibt auch nicht ansatzweise Aufschluss darüber, wie dieser Wille
trotz des schnellen Vormarsches der sowjetischen Truppen in der Ukraine tatsächlich
umgesetzt worden ist. Abgesehen davon spricht der Umstand, dass, wie oben dargelegt,
unter den Flüchtlingen aus der Ukraine, die Aufnahme im Bezirk Bialystok, im
Generalgouvernement und in den eingegliederten Ostgebieten gefunden hatten,
Personen waren, die noch gar nicht erfasst worden waren, ersichtlich gegen die
behauptete umfassende Erfassung der Volksdeutschen.
73
Ebenso kann danach nicht festgestellt werden, dass die Volkslistenerfassung in dem
Sinne Grundlage der Evakuierungen gewesen wäre, dass ausschließlich oder vorrangig
Eingetragene evakuiert worden wären.
74
Vgl. hinsichtlich der insoweit fehlenden Indizwirkung auch: BVerwG, Urteil vom 27. Juli
2006 - 5 C 3.05 -, a.a.O.
75
Dafür, dass bei den sich anschließenden Überprüfungen der aufgenommenen
Flüchtlinge aus der Ukraine, bei der die EWZ für die Durchführung des Volkslisten-
verfahrens herangezogen werden sollte, die Verleihung der Staatsbürgerschaft jedoch
dem RKU vorbehalten blieb, sämtliche aufgenommenen Volksdeutsche tatsächlich
76
noch eingebürgert worden sind, gibt es ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte.
Diesbezügliche Zahlenangaben lassen sich hierzu nicht ermitteln,
vgl. Bundesarchiv, Stellungnahme vom 10. November 1970 - 9165 a/53 -;
77
die von der Klägerin angeführte Literaturstelle, wonach viele Volksdeutsche im
Warthegau die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hätten, spricht im Übrigen
deutlich dagegen.
78
Der Umstand, dass nach den Ausführungen von Dr. Haar die bereits erfolgten Ein-
bürgerungen der Volksdeutschen aus der Ukraine nur geprüft und nicht, oder nur zu
einem geringen Teil neu vergeben worden seien, steht dem nicht entgegen, da sich die
Ausführungen lediglich auf die zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen, nicht aber
die auf die noch offenen Fälle etwa der Personen, deren Unterlagen verloren gegangen
waren oder der Personen, die noch gar nicht erfasst worden waren, beziehen.
79
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass in Bezug auf den Großvater väterlicherseits der
Klägerin nichts dafür ersichtlich ist, dass dieser an den von der Klägerin behaupteten
Überprüfungsverfahren in der Ukraine teilgenommen oder Ende 1944 in den Lagern der
Volksdeutschen Mittelstelle mit anderen Volksdeutschen zusammengeführt und dort -
mit welchem Ergebnis? - überprüft worden ist; vielmehr bleibt, wie oben dargelegt,
schon der zutreffende Zeitpunkt (1941, 1942, 1943 oder 1944) der Umsiedlung des
Großvaters väterlicherseits der Klägerin offen.
80
Auch nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere
zum Vertriebenen- und Asylrecht entwickelten Grundsätzen des Beweisnotstandes,
welche es zulassen, bei einem unverschuldeten Beweisnotstand, in dem sich etwa
Bewerber um einen Vertriebenenausweis vielfach befinden, in großem Umfang auch
Tatsachen festzustellen, die nur vom Antragsteller vorgetragen sind, sofern die zur
Entscheidung berufene Stelle dem Vortrag des Antragstellers glaubt, ergibt das Vor-
bringen der Klägerin keine ausreichend verlässlichen Anhaltspunkte für die Eintragung
ihres Großvaters in die Volksliste Ukraine. Die genannten Grundsätze betreffen nur die
Überzeugung von der Wahrheit von Parteivorbringen, nicht aber die Einschätzung des
quantitativ-statistischen Wahrscheinlichkeitsgrades behaupteter Tatsachen und
ermöglichen es, eigenen Erklärungen der beweisbelasteten Partei größere Bedeutung
beizumessen, als dies sonst in der Prozesspraxis der Fall ist, und den Beweiswert einer
Aussage im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu beurteilen.
81
Vgl. BVerwG. Urteil vom 27. Juli 2006
82
- 5 C 3.05 -, a.a.O.
83
Da im vorliegenden Fall keinerlei persönliche Erkenntnisse über den tatsächlichen
Hergang der Eintragung des Großvaters der Klägerin in die Volksliste Ukraine
vorgetragen sind, greifen die Grundsätze des Beweisnotstandes nicht ein.
84
In Ermangelung der Darlegung konkreter, substantiierter Anhaltspunkte, die
demgegenüber und gegenüber der der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht
zugrundeliegenden Erkenntnislage die Annahme der Klägerin stützen, es sei eine
umfassende Erfassung und Eintragung sämtlicher Volksdeutscher in der Ukraine in die
Volksliste Ukraine erfolgt, diese sei Grundlage der Evakuierungen gewesen und die
85
vorgenommenen Eintragungen seien nachträglich nicht oder nur bei einer geringen
Anzahl von Personen abgeändert worden, und in Ermangelung eines in Bezug auf den
Großvater der Klägerin schlüssig dargelegten individuellen Umsiedlungsschicksals ist
der Senat nicht gehalten, in eine Beweiserhebung einzutreten und etwa die auf den
Seiten 2 und 3 des Schriftsatzes vom 14. Mai 2007 sowie die auf Seite 3 bzw. in der
Anlage des Schriftsatzes vom 28. Juni 2007 bezeichneten Übersichten, Sammellisten,
Literaturstellen und Archive - ins Blaue hinein - auszuwerten.
Soweit die Klägerin beantragt hat, Sachverständigengutachten zu den Fragen
einzuholen,
86
ob die deutschen Volkszugehörigen im Gebiet des ehemaligen Reichskommissariats
Ukraine auch ohne Eintragung in die Deutsche Volksliste die deutsche
Staatsangehörigkeit mit der Eingliederung erworben haben,
87
ob aufgrund des Schicksals der Klägerin, namentlich des Schicksals des Vaters der
Klägerin und dessen Eltern davon auszugehen ist, dass eine Eintragung in die
Deutsche Volksliste erfolgt ist,
88
ob und unter welchen Umständen der Großvater der Klägerin durch die Deutsche
Volksliste Ukraine, durch die Einwandererzentralstelle oder durch alternative
Erfassungen und Listen der Sonderkommandos oder durch andere Behörden des
Deutschen Reiches als Volksdeut-scher erfasst worden ist und ggf. damit als in die
Deutsche Volksliste aufgenommen galt oder die deutsche Staatsangehörigkeit
anderweitig erworben hat,
89
ist der Senat aus Gründen des Prozessrechts daher nicht gehalten, diesen Anträgen zu
entsprechen. Der Beweisantrag stellt sich - auch in der durch die Bennennung von Dr.
Haar als Sachverständigen konkretisierten Fassung - nach wie vor als unzu-lässiger
Ausforschungsbeweisantrag dar, der erst zur Ermittlung derjenigen tatsächlichen
Umstände führen soll, die vorzubringen der Klägerin obliegt. Entsprechendes gilt für den
sinngemäßen Antrag im Schriftsatz vom 14. Mai 2007,
90
Beweis darüber zu erheben, dass aus dem Kriegsschicksal, dem Herkunftsort und der
Art und Weise, wie die Betroffenen ins Reich gekommen sind, rückgeschlossen werden
kann, ob die maßgeblichen Vorfahren durch die Deutsche Volksliste der Ukraine erfasst
waren oder nicht.
91
Der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) bedeutet nicht, dass Darlegungs-,
Substantiierungs- und Konretisierungsdefizite im Vorbringen der Beteiligten vom Gericht
zu beheben sind.
92
Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises folgt
auch nicht aus § 40a Abs. 1 StAG, da sie nicht Deutsche ohne deutsche Staatsan-
gehörigkeit i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG nach ihrem Großvater väterlicherseits gewesen ist.
Ein deutscher Volkszugehöriger, der - wie der Großvater der Klägerin - vor dem
Inkrafttreten des Grundgesetzes in das Gebiet des Deutschen Reichs nach dem Stand
vom 31. Dezember 1937 gelangt ist, hat nicht i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG "Aufnahme"
gefunden, wenn er sich - wie der Großvater der Klägerin - dort am 24. Mai 1949 nicht
mehr aufhielt.
93
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2003
94
- 1 C 35.02 -, BVerwGE 119, 172 ff.; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde
hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20. Juli 2004 - 2 BvR 436/04 -
nicht zur Entscheidung angenommen.
95
Schließlich ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Sollten auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2006
96
- 5 C 3.05 -, a.a.O., noch Ungleichbehandlungen wegen divergierender
Verwaltungspraxis in einzelnen Bundesländern auftreten, weil dort für
Inlandsantragsteller lediglich auf die Ansässigkeit im Reichskommissariat Ukraine und
die Erfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Deutschen Volksliste
Ukraine, nicht jedoch auf die tatsächliche Eintragung abgestellt wird, um vom Erwerb
der deutschen Staatsangehörigkeit auszugehen - wofür allerdings keine Referenzfälle
benannt worden sind -, führte dies gleichwohl nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs.
1 GG und den hierüber geschützten Anspruch auf Rechtsanwendungsgleichheit.
Hierbei kann es sich allenfalls um eine unzutreffende Gesetzesauslegung und damit um
eine unrichtige Entscheidung handeln. Von Verfassungs wegen besteht jedoch kein
Anspruch auf Gleichheit im Unrecht und Fehlerwiederholung.
97
Vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. November 1988 - 1 BvR 1298/88 -,
98
HFR 1989, 683 ff.
99
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
100
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
101
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1
und 3 GKG.
102
103