Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.02.2008

OVG NRW: besondere härte, hauptsache, öffentliches interesse, innere medizin, dienstort, verwaltung, erlass, deckung, wohnung, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 2104/07
Datum:
25.02.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 2104/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 4 L 684/07
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der
Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die
nicht erstattungsfähig sind.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 EUR
festgesetzt.
Gründe:
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Die zulässige Beschwerde ist begründet.
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1
VwGO liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Erlass
einer einstweiligen Anordnung erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden
oder drohende Gewalt zu verhindern oder dass die einstweilige Anordnung aus anderen
Gründen nötig erscheint.
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Der Senat entscheidet auf Grund einer Folgenabwägung. Dabei bleibt ungeklärt, ob das
in der Hauptsache zu verfolgende Klagebegehren der Antragstellerin, nämlich
festzustellen, dass sie nicht kraft Gesetzes am 1. Januar 2008 auf den Beigeladenen als
neuen Dienstherrn übergegangen ist, voraussichtlich Erfolg haben wird oder nicht. Eine
solche Vorgehensweise ist geboten, wenn die sich in der Hauptsache stellenden
Rechtsfragen im Rahmen des Eilverfahrens nicht in der Weise vertiefend behandelt
werden können, dass eine zuverlässige Beurteilung der Erfolgsaussichten in der
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Hauptsache möglich erscheint.
Vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 25. Juli 1996 - 1 BvR 640/96 -, ZBR 1996, 334,
vom 27. Mai 1998 - 2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR 1999, 217, und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR
569/05 -, NVwZ 2005, 927.
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Das ist hier der Fall.
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In der Hauptsache wird insbesondere zu prüfen sein, ob das Gesetz zur Eingliederung
der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW (Art. 1 des
Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in NRW vom 30. Oktober 2007,
GVBl NRW, 482 - Eingliederungsgesetz -), dessen § 22 Abs. 1 nach dem Willen des
Gesetzgebers einen Übergang der Antragstellerin auf den Beigeladenen als neuen
Dienstherrn bewirkt haben soll, mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Eine solche
Prüfung erfordert nach derzeitiger Einschätzung eine - dem Hauptsacheverfahren
vorbehaltene - eingehende Befassung mit den folgenden Fragen:
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Der Befugnis des Landesgesetzgebers, den Übergang der Beamten der
Versorgungsverwaltung auf die im Eingliederungsgesetz näher bezeichneten
kommunalen Körperschaften gesetzlich zu bestimmen, könnte § 128 BRRG
entgegenstehen. Diese Vorschrift regelt den Übertritt und die Übernahme von Beamten
bei der Umbildung von Körperschaften und in den Fällen, in denen Aufgaben von einer
Körperschaft auf eine oder mehrere andere Körperschaften übergehen. Ob, wie der
Antragsgegner meint, ein Fall des Art. 125a Abs. 1 GG vorliegt, § 128 BRRG durch
landesrechtliche Vorschriften ersetzt werden kann und durch das Eingliederungsgesetz
ersetzt worden ist, bedarf der näheren Untersuchung. Voraussetzung dafür ist, dass eine
Vorschrift mit dem Inhalt des § 128 BRRG nach den grundgesetzlichen Regelungen
über die Gesetzgebungskompetenz heute nicht mehr als Bundesgesetz erlassen
werden könnte. Dies lässt sich nicht ohne eine vertiefte Auseinandersetzung mit Art. 74
Abs. 1 Nr. 27 GG beantworten, der dem Bund die konkurrierende
Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Statusrechte und -pflichten der Beamten
der Länder überträgt. Was Statusrechte und -pflichten im Sinne dieser Norm sind und ob
die von § 128 BRRG geregelten Sachverhalte hierunter fallen, ist bislang nicht
abschließend geklärt. Bejaht man eine fortbestehende Gesetzgebungskompetenz des
Bundes, ist das Land nur in den engen Grenzen des Art. 125b Abs. 1 GG zur
Gesetzgebung befugt. Unter dieser Voraussetzung wäre zu klären, ob § 128 BRRG
Raum für die durch das Eingliederungsgesetz getroffenen Regelungen lässt.
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Soweit danach noch von Bedeutung, bedarf es weiter der Prüfung, ob die Vorschriften
des Eingliederungsgesetzes, die den gesetzlichen Übergang der Beamten auf die
kommunalen Körperschaften regeln, dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3
GG) folgenden Bestimmtheitsgebot genügen. Danach müssen gesetzliche Tatbestände
so präzise formuliert sein, dass ein Normadressat, weil die Folgen für ihn vorhersehbar
und berechenbar sind, sein Handeln darauf einrichten kann.
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Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 1971 - 1 BvR 775/66 -, BVerfGE 31, 255, und vom
27. November 1990 - 1 BvR 402/87 -, BVerfGE 83, 130.
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Ob das für die in Rede stehenden Regelungen zutrifft, ist nicht unzweifelhaft, weil sich in
der überwiegenden Zahl der erfassten Fälle dem Gesetzestext nicht unmittelbar
entnehmen lässt, welche Beamten auf welche Körperschaften übergehen. Das gilt auch
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für die Gruppe von Beamten, die bei der Bezirksregierung Münster Aufgaben der
Widerspruchs- und Klagebearbeitung nach § 4 Eingliederungsgesetz wahrgenommen
haben. Die Antragstellerin zählt zu dieser Gruppe.
§ 22 Abs. 1 Eingliederungsgesetz sieht vor, dass in diesen Fällen die Beamten auf die
Landschaftsverbände übergehen, "soweit es für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist".
Das wirft die Frage auf, welche Beamten von dem Übergang ausgenommen sein und
welche auf welchen Landschaftsverband übergehen sollen.
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Die in § 22 Abs. 2 Eingliederungsgesetz in Bezug genommenen Regelungen des § 9
Absätze 3 und 4 Eingliederungsgesetz beantworten diese Frage nicht. Allerdings sieht §
9 Abs. 3 Eingliederungsgesetz vor, dass der Personalübergang auf der Grundlage eines
Zuordnungsplans vorbereitet wird. Ein solcher Zuordnungsplan ist vom Ministerium für
Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) erstellt worden und lag zum Zeitpunkt des
Aufgabenübergangs am 1. Januar 2008 vor. In diesem Zuordnungsplan wurden die
einzelnen Beamten namentlich auf bestimmte Aufgabenträger verteilt. Sieht man den
Zuordnungsplan als Konkretisierung des Gesetzestextes, stand im Zeitpunkt des
Aufgabenübergangs fest, welcher Beamte auf welche Körperschaft übergehen sollte.
Dass der Zuordnungsplan alle Bedenken gegen die Bestimmtheit des
Eingliederungsgesetzes auszuräumen vermag, ist damit aber nicht gesagt. Das
Verwaltungsgericht Minden hat in seinem Beschluss vom 28. Dezember 2007 im
Verfahren 4 L 704/07 insoweit angenommen, das Eingliederungsgesetz stelle nicht
sicher, dass der Zuordnungsplan den Betroffenen zugänglich sei. Die Zugänglichkeit sei
nur dann in zumutbarer Weise gewährleistet, wenn die verweisende Norm nicht nur die
in Bezug genommene Regelung nach Gegenstand und Datum ausreichend
kennzeichne, sondern auch die genaue Fundstelle oder Bezugsquelle angebe. Diesen
Anforderungen genüge § 9 Abs. 3 Satz 1 Eingliederungsgesetz nicht. Die Bedenken
des Verwaltungsgerichts Minden sind nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.
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Nicht zweifelsfrei ist in diesem Zusammenhang außerdem, ob eine Maßnahme der
Verwaltung in der gewählten Form in eine gesetzliche Regelung einbezogen werden
und dadurch deren Inhalt mit festlegen darf. Als problematisch erscheint es, dass der
Gesetzgeber einerseits der Verwaltung die Zuordnungen der Beamten im Einzelfall
überlässt, er andererseits diese Entscheidungen aber gleichzeitig durch Einbindung des
Zuordnungsplans in das Eingliederungsgesetz in den Rang eines formellen Gesetzes
erhebt.
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Wird unterstellt, dass die Einbindung des Zuordnungsplans in das
Eingliederungsgesetz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, könnte dessen
ungeachtet der in Bezug genommene Zuordnungsplan seinerseits an Fehlern leiden,
die es möglicherweise ausschließen, ihn als wirksame Grundlage für den
Personalübergang am 1. Januar 2008 anzusehen. Ein solcher Fehler des
Zuordnungsplans könnte, was das Verwaltungsgericht Münster in dem angefochtenen
Beschluss angenommen hat, darin liegen, dass er ohne die erforderliche Zustimmung
des Hauptpersonalrats für den Geschäftsbereich des MAGS zustande gekommen ist.
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Nimmt man an, dass dies zutrifft, ist damit noch nicht geklärt, ob der Zuordnungsplan
möglicherweise als vorläufige Regelung gemäß § 66 Abs. 8 LPVG NRW rechtlich
verbindlich war und aus diesem Grund wirksam in Bezug genommen werden konnte.
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Die nach allem vorzunehmende Folgenabwägung ergibt, dass die begehrte einstweilige
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Anordnung nicht ergehen kann. Die Nachteile, die sich für die Antragstellerin ergäben,
wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass die gesetzliche Regelung
unwirksam und sie deshalb nicht in den Dienst des Beigeladenen übergetreten ist,
überwiegen nicht die Nachteile, die der Erlass einer einstweiligen Anordnung bei einem
Unterliegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit sich brächte.
Erginge die einstweilige Anordnung, hätte die Antragstellerin bei dem Beigeladenen
keinen Dienst zu leisten. Das hätte zur Folge, dass die auf den Beigeladenen nach § 4
Abs. 1 Eingliederungsgesetz übergegangenen Aufgaben insoweit nicht erfüllt würden,
bis Ersatz für die Antragstellerin gefunden wäre. Deren Behauptung, dass bei dem
Beigeladenen kein Bedarf für zwei ärztliche Mitarbeiter bestehe, wird durch die
vorgelegte Kopie eines internen Schreibens des Abteilungsdirektors der Abteilung
"Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt" bei der Bezirksregierung N. vom 24. Mai
2007, das zudem als Entwurf gekennzeichnet ist, nicht belegt. Es ist nicht dargetan,
weshalb die Einschätzungen eines Bediensteten der Bezirksregierung N. zum
tatsächlichen Personalbedarf des Beigeladenen bedeutsam sein sollen. Letzterem sind
die Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der
Kriegsopferversorgung nicht nur insoweit übertragen worden, als sie bisher von der
Bezirksregierung N. erledigt worden sind. Dass die Antragstellerin im Geschäftsbereich
des Beigeladenen zur Erledigung der ihm übertragenen neuen Aufgaben künftig
gebraucht wird, wird daher nicht dadurch in Frage gestellt, dass ihre bisherige Tätigkeit
bei der Bezirksregierung N. zu 90 % aus ärztlichen Beurteilungen im Zusammenhang
mit dem SGB IX bestand. Bei dem Beigeladenen sind zum Teil auch die Aufgaben des
Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung zu erledigen,
die bisher den Versorgungsämtern oblagen. Soweit die Antragstellerin meint, zur
Deckung des bei dem Beigeladenen entstehenden Bedarfs an ärztlichem Personal
könne auf die Bediensteten der aufgelösten Versorgungsämter zurückgegriffen werden,
macht sie letztlich - wie auch mit anderen Argumenten - die Rechtswidrigkeit des
Zuordnungsplans geltend. Dessen Rechtmäßigkeit ist jedoch im Rahmen der
Folgenabwägung ohne Belang.
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Als weitere Folge der einstweiligen Anordnung drohten finanzielle Schäden zu Lasten
der Allgemeinheit. Die Antragstellerin würde - unter Umständen bis zu einer
Entscheidung in der Hauptsache - alimentiert, ohne dass sie beschäftigt werden könnte.
Ihr bisheriger konkreter Arbeitsplatz bei der Bezirksregierung N. ist durch die
Aufgabenverlagerung weggefallen. Ob sie dort möglicherweise auf einem anderen
Arbeitsplatz längerfristig sinnvoll einzusetzen wäre, ist ungewiss, da ein solcher Einsatz
vom Bedarf abhinge. Der Umstand, dass - wie die Antragstellerin vorträgt - ein Teil der
ärztlichen Aufgaben nach wie vor bei der Bezirksregierung N. verbleibt, rechtfertigt nicht
den Schluss, es bestehe dort ein Bedarf für ihre Arbeitsleistung. Sie räumt selbst ein,
dass weiterhin eine ärztliche Kollegin bei der Bezirksregierung N. beschäftigt ist und die
Aufgaben im Übrigen von externen Gutachtern erledigt werden. Auch eine im Wege der
Abordnung ermöglichte Beschäftigung bei einem anderen Dienstherren wäre vom
dortigen Bedarf abhängig und setzte zudem dessen Einverständnis voraus. Außerdem
stellte ein anderweitiger Einsatz der Antragstellerin außerhalb des Geschäftsbereichs
des Beigeladenen - ebenso wie die von ihr vorgeschlagene anderweitige Deckung des
dortigen Personalbedarfs durch externe Gutachter - nur eine Maßnahme zur
Abmilderung der nachteiligen Folgen der einstweiligen Anordnung dar und ist deshalb
für die Folgenabwägung allenfalls von sekundärer Bedeutung. Da eine unterbliebene
Arbeitsleistung nicht nachgeholt werden kann, könnte der entstandene Schaden bei
einem Obsiegen des Antragsgegners in der Hauptsache nachträglich nicht mehr
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ausgeglichen werden. Der Schaden würde noch höher ausfallen, wenn der
Beigeladene für die Antragstellerin eine Ersatzkraft einstellen oder externe Gutachter
beschäftigen und bezahlen müsste, was angesichts des Aufgabenzuwachses auf Grund
des Eingliederungsgesetzes nicht ausgeschlossen werden kann.
Diese Folgen gewinnen mit Blick darauf, dass es sich bei der Zuordnungsentscheidung
nicht um eine nur auf die Antragstellerin bezogene individuelle Personalmaßnahme
handelt, sondern sämtliche Beamte der nordrhein-westfälischen Versorgungsverwaltung
von der Organisationsmaßnahme betroffen sind, zusätzliches Gewicht. Eine
beträchtliche Zahl von Beamten geht bereits derzeit im Wege des Eilrechtsschutzes
gegen den Dienstherrenwechsel nach dem Eingliederungsgesetz vor. Würden alle oder
ein wesentlicher Teil für die Aufgaben der Versorgungsverwaltung nicht mehr zur
Verfügung stehen, so wäre das öffentliche Interesse an einer funktionsfähigen
Versorgungsverwaltung in besonderem Maße gefährdet.
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Demgegenüber entstehen der Antragstellerin bei Ablehnung ihres Begehrens auf
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes keine Nachteile, die ein anderes Ergebnis
der Folgenabwägung rechtfertigen würden. Die Folgenabwägung könnte nur dann zu
ihren Gunsten ausgehen, wenn es für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sich
bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache so behandeln zu lassen, als sei sie auf
den Beigeladenen als neuen Dienstherrn übergegangen. Dieser Maßstab ist anzulegen,
weil die durch das Eingliederungsgesetz zum 1. Januar 2008 bewirkten
organisatorischen Veränderungen, nämlich die Verlagerung der Verwaltungsaufgaben,
ein besonderes öffentliches Interesse an dem sofortigen Übertritt auch der
Antragstellerin auf den Beigeladenen begründen. Dem kann die Antragstellerin
persönliche Belange nur ausnahmsweise entgegenhalten.
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Ein Ausfluss des Beamtenverhältnisses ist es, dass der Beamte seine privaten
Interessen dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung
grundsätzlich unterzuordnen hat und insoweit auch persönliche Beeinträchtigungen, die
sich aus organisatorischen Änderungen ergeben, in einem gewissen Maße hinnehmen
muss. Ausgehend davon wird den persönlichen Belangen des Beamten beispielsweise
im Anwendungsbereich des § 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG nur ausnahmsweise der Vorrang
im vorläufigen Rechtsschutz eingeräumt. Der Beamte kann in diesen Fällen bei offenem
Ausgang der Hauptsache die sofortige Vollziehung der angefochtenen Maßnahme nur
verhindern, wenn sie für ihn besonders schwerwiegende Nachteile mit sich bringt. Aus
der in § 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung
wird hergeleitet, dass bei Versetzungen und Abordnungen generell dem besonderen
öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang eingeräumt ist. Ein entsprechender Maßstab
muss bei einer im Rahmen des § 123 VwGO anzustellenden Folgenabwägung gelten,
wenn das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung einer durch
gesetzliche Regelung angeordneten beamtenrechtlichen Organisationsmaßnahme
positiv festgestellt werden kann.
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Das ist aufgrund der durch das Eingliederungsgesetz zum 1. Januar 2008 angeordneten
und inzwischen umgesetzten organisatorischen Veränderungen in der nordrhein-
westfälischen Versorgungsverwaltung der Fall. Die bislang von den Versorgungsämtern
wahrgenommenen Aufgaben sind nach Maßgabe des Eingliederungsgesetzes auf die
neuen Aufgabenträger übergegangen. Die Sicherstellung der Aufgabenwahrnehmung
setzt deshalb auch den sofortigen Übergang des Personals voraus.
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Der Antragstellerin ist es auch vor dem Hintergrund ihrer persönlichen
Lebensverhältnisse zumutbar, den im Eingliederungsgesetz bestimmten
Dienstherrenwechsel vorläufig gegen sich gelten zu lassen. Besonders
schwerwiegende Nachteile in Bezug auf ihre Besoldungs-, Beihilfe- oder
Versorgungsansprüche sind angesichts der Regelungen des § 23 Abs. 2 und 9
Eingliederungsgesetz nicht zu erwarten. Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft
gemacht, dass es ihr nicht zuzumuten ist, ihren Dienstpflichten bei dem Beigeladenen
bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nachzukommen. Soweit sie den täglichen
Weg zu ihrem neuen Arbeitsplatz in Köln ins Feld führt, liegt die Schwelle dessen, was
einem Beamten noch zugemutet werden kann, vergleichsweise hoch. Insbesondere
Beamte im Dienst des Landes müssen im Hinblick auf die §§ 28, 29 LBG NRW damit
rechnen, dass sich ihr Dienstort verändert. Realisiert sich dieses Risiko für den
Beamten, muss er persönliche Härten grundsätzlich in Kauf nehmen oder ihnen im
Rahmen des Zumutbaren durch Veränderungen seiner privaten Lebensumstände
begegnen. Zwar kann von der Antragstellerin auch für die Dauer des
Hauptsacheverfahrens nicht erwartet werden, die hier in Rede stehende Strecke
zwischen Wohnort und Arbeitsplatz täglich zu bewältigen, wohl aber die
vorübergehende Einrichtung einer zweiten Wohnung am neuen Dienstort. Es bedeutet
für sich genommen keine besondere Härte, sich für einige Zeit regelmäßig nur an den
Wochenenden und den sonstigen arbeitsfreien Tagen am bisherigen Wohnort aufhalten
zu können. Unzumutbare Härten, die eine solche Veränderung der Lebensumstände mit
sich bringen kann, sind weder dargetan noch ersichtlich. Aus der vorgelegten ärztlichen
Bescheinigung der Fachärztin für Innere Medizin Dr. med. T. vom 16. Oktober 2007
ergeben sich derartige Härten nicht. Die für möglich gehaltenen stressbedingten
gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden vor allem im Zusammenhang mit einer
täglichen mehrstündigen Fahrtzeit und dem Wechsel aus dem bisherigen sozialen
Umfeld in neue unbekannte Sozialstrukturen gesehen. Die vorübergehende Einrichtung
einer zweiten Wohnung am Dienstort würde jedoch eine tägliche mehrstündige Fahrt
entbehrlich machen und ließe auch die Aufrechterhaltung privater Kontakte am
bisherigen Wohnort ohne weiteres zu. Die Arbeitsbedingungen und das berufliche
Umfeld sind während eines Arbeitslebens ständig mehr oder weniger starken
Veränderungen unterworfen. Sich auf solche Veränderungen einstellen zu müssen,
stellt keine unzumutbare Härte dar. Der Umstand, dass sich die Antragstellerin laut
Bescheinigung des Dipl. Psychologen und Arztes für Psychotherapeutische Medizin,
Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie X. vom 22. November 2007 in seiner
psychiatrisch/psychotherapeutischen Behandlung befindet, bei ihr eine erhebliche
Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit besteht und ihr Alltags- und
Berufsleben dadurch deutlich beeinträchtigt ist, lässt nicht erkennen, dass eine
vorübergehende zeitweise Trennung vom bisherigen Wohnort zu gesundheitlichen
Beeinträchtigungen führen wird, die die Schwelle der unzumutbaren Härte
überschreiten.
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Auch unzumutbare finanzielle Aufwendungen sind insoweit nicht zu befürchten, da die
Antragstellerin ausweislich der Ausführungen des Antragsgegners in der
Beschwerdebegründung Trennungsentschädigung erhalten wird.
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Ob die Verteilung der Beamten auf die neuen Aufgabenträger möglicherweise mit Blick
auf soziale Gesichtspunkte im Einzelfall angreifbar ist, ist - wie oben bereits ausgeführt -
wegen der hier vorzunehmenden Folgenabwägung nicht entscheidungserheblich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es
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entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst
trägt, da er keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung orientiert sich an den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG,
wobei der sich daraus ergebende Wert im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der
begehrten Entscheidung zu halbieren ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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