Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.10.2003
OVG NRW: bebauungsplan, ausschluss, offene bauweise, öffentliche bekanntmachung, landschaft, lebensmittel, gemeinde, gebäude, beschränkung, gestaltung
Oberverwaltungsgericht NRW, 10a D 71/01.NE
Datum:
09.10.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10a Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10a D 71/01.NE
Tenor:
Der Bebauungsplan Nr. 43 W "N. straße " der Stadt X. ist nichtig.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Antragsteller wenden sich mit dem Normenkontrollantrag gegen den
Bebauungsplan Nr. 43 W "N. straße " der Antragsgegnerin.
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Sie sind als Rechtsnachfolger der verstorbenen B. T. Eigentümer der in der Flur 25 der
Gemarkung X. gelegenen zusammenhängenden Flurstücke 798 und 799, die innerhalb
des Geltungsbereichs des angegriffenen Bebauungsplans liegen. Die Flurstücke sind
mit gewerblichen Gebäuden bebaut, in denen ein Groß- und Einzelhandel für Getränke
betrieben wird.
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Das insgesamt 11 ha umfassende Plangebiet liegt im südwestlichen Siedlungsbereich
des Ortsteils Alt-X. . Im Norden weist es lediglich eine Breite von 40 m auf. Die
Plangebietsgrenze ist dort identisch mit der nördlichen Grenze des in der Flur 25 der
Gemarkung X. gelegenen Flurstücks 27, an das sich nördlich der N. platz anschließt.
Die östliche Plangebietsgrenze folgt - ausgehend von der nordöstlichen Ecke des
Flurstücks 27 - der N. straße nach Süden bis etwa 25 m über die Straße "An M. " hinaus,
die die N. straße in Ost-West-Richtung kreuzt. Dort verschwenkt die Plangebietsgrenze
über die N. straße hinweg um etwa 40 m nach Osten, um dann erneut in südliche
Richtung abzuknicken. Ungefähr 270 m südlich trifft sie erneut auf die N. straße , kreuzt
sie, verläuft zunächst an deren westlichen Rand rund 20 m nach Norden und dann -
nach einem nahezu rechtwinkligen Knick - etwa 380 m nach Westen, wo die südliche
und die westliche Plangebietsgrenze in einem spitzen Winkel zusammenlaufen. Das
Plangebiet erreicht hier in Ost-West-Richtung seine maxi-male Ausdehnung von rund
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430 m, während die maximale Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung bei ungefähr 760 m
liegt. Die westliche Plangebietsgrenze verläuft sodann mit kleineren Versprüngen in
nördlicher Richtung bis zur nordwestlichen Ecke des eingangs erwähnten Flurstücks 27.
Die im Plangebiet gelegenen Flächen sind überwiegend bebaut. Westlich der N. straße
sind vor allem gewerbliche Nutzungen vorhanden. Nördlich der Straße "An M. ", die das
Plangebiet in Ost-West-Richtung durchschneidet, befinden sich die derzeit ungenutzten
Gebäude einer ehemaligen britischen Kaserne (L. Baracks). Entlang der westlichen
Plangebietsgrenze verläuft eine derzeit stillgelegte Eisenbahnstrecke. Nordwestlich des
Plangebiets liegt das ehemalige Betriebsgelände des Stahlwerks C. , das überwiegend
als Gewerbegebiet überplant ist. Außerdem sind dort zwei Sondergebiete für
Baustoffgroßhandel beziehungsweise Lebensmitteleinzelhandel festgesetzt. Im
Südwesten schließt sich der Außenbereich an das Plangebiet an. Im Südosten - durch
Freiflächen vom Plangebiet getrennt - ist auf der Grundlage weiterer Bebauungs-pläne
das Neubaugebiet X. mit derzeit etwa 3.000 Bewohnern entstanden. Nach Ausnutzung
aller Baurechte ist dort mit einer Bewohnerzahl von 6.000 zu rechnen.
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Der Flächennutzungsplan, der im Parallelverfahren entsprechend geändert wurde (67.
Änderung), stellt das Plangebiet als gemischte beziehungsweise gewerbliche
Bauflächen sowie - zu einem geringen Teil - als Grünfläche dar. Die Genehmigung der
67. Änderung des Flächennutzungsplans durch die Bezirksregierung Münster wurde am
24. August 2000 öffentlich bekannt gemacht.
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Die im Plangebiet zur baulichen Nutzung vorgesehenen Flächen sind überwiegend als
Gewerbegebiet (GE) festgesetzt. Lediglich im äußersten Norden des Plangebiets und
am südöstlichen Rand - östlich der N. straße - setzt der Plan Mischgebietsflächen mit
einer Größe von etwa 0,45 beziehungsweise 0,65 ha fest.
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Für sämtliche Gewerbegebietsflächen gelten folgende Festsetzungen: Zulässig sind
maximal drei Vollgeschosse. Die Grundflächenzahl liegt bei 0,8 und die
Geschossflächenzahl bei 2,4. Die Dachneigung kann im Bereich zwischen 0° und 45°
gewählt werden. Die Wandhöhe darf 11 m und die Firsthöhe 12,50 m nicht übersteigen.
Auf der Mischgebietsfläche im nördlichen Randbereich des Plangebiets ist offene -
maximal zweigeschossige - Bauweise mit einer Grundflächenzahl von 0,4 und einer
Geschossflächenzahl von 0,8 zugelassen. Die zulässige Dachneigung liegt zwischen
30° und 35°, die maximale Wandhöhe bei 7 m und die maximale Firsthöhe bei 11 m.
Die Festsetzungen für die Mischgebietsflächen am südöstlichen Rand des Planbereichs
weichen davon ab. Dort sind nur Einzel- und Doppelhäuser mit maximal zwei
Vollgeschossen, einer Grundflächenzahl von 0,4 und einer Geschossflächenzahl von
0,8 zulässig. Die Dachneigung muss zwischen 40° und 45° liegen. Die Wandhöhe ist
auf 4 m und die Firsthöhe auf 10,50 m begrenzt. Die überbaubaren Grundstücksflächen
sind für alle Teilbaugebiete durch Baugrenzen bestimmt. Die Erschließung des
Plangebiets erfolgt über die N. straße , die Straße "An M. " sowie eine etwa 130 m lange
Stichstraße, die von der letztgenannten Straße aus nach Norden führt und in einer
Wendeanlage endet. Die genannten Straßen sind - soweit sie innerhalb des
Plangebiets verlaufen - als öffentliche Verkehrsflächen festgesetzt. Für das Flurstück
321, das unmittelbar nördlich der Straße "An M. " zwischen der N. straße und der
Stichstraße liegt, ist die Anlegung von Ein- und Ausfahrten entlang der N. straße und
entlang der Straße "An M. " verboten. Das gleiche Verbot gilt für beide Seiten der
öffentlichen Verkehrsfläche, die ausgehend von der N. straße die Mischgebietsflächen
im südöstlichen Teil des Plangebiets durchschneidet. Am östlichen beziehungsweise
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südöstlichen Rand dieser Mischgebietsflächen ist - lediglich unterbrochen durch die
letztgenannte Verkehrsfläche - ein 3 m breiter Geländestreifen als "Fläche zum
Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen
(Landschaftshecke)" festgesetzt. Mit derselben Festsetzung ist ein 5 m breiter und knapp
300 m langer Geländestreifen belegt, der - ausgehend von der südwestlichen Ecke des
Plangebiets - entlang der südlichen Plangebietsgrenze nach Osten verläuft. Dieser
Geländestreifen ist zugleich als Grünfläche festgesetzt. Am südwestlichen Rand des
Plangebiets weist der Bebauungsplan zwischen dem vorerwähnten Geländestreifen
und der Straße "An M. " eine im Süden bis zu 65 m breite Fläche als "Fläche mit
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und
sonstigen Bepflanzungen" mit der Bezeichnung "Landschafts-hecke" aus.
Die Gewerbegebietsflächen sind im Hinblick auf die mit der Planung beabsichtigte
Nutzungsstruktur des Plangebiets gegliedert und dementsprechend mit GE N1 und GE
N2 bezeichnet (textliche Festsetzung I. 1. 2.1). Die Gliederung orientiert sich an der
Abstandsliste zum Abstandserlass 1998, die auszugsweise auf die Planurkunde
aufgedruckt ist. Die textliche Festsetzung I. 1. 2.1 enthält folgenden Zusatz:
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- Ausnahmen
10
Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen bestehender
Anlagen, die durch die Gliederung des Gewerbegebietes unzulässig wären, können
gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden.
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Für die Teilbauflächen gelten verschiedene Nutzungsausschlüsse. So sind in den
Mischgebieten Tankstellen und Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2
BauNVO insgesamt ausgeschlossen (textliche Festsetzungen I. 1. 1.1 und I. 1. 1.3). In
den Gewerbegebieten sind Vergnügungsstätten nicht zulässig (textliche Festsetzung I.
1. 2.3).
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Die textliche Festsetzung I. 1. 1.2, die sich mit dem Ausschluss beziehungsweise der
Beschränkung des Einzelhandels in den Mischgebieten befasst, lautet wie folgt:
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Ausschluss von Nutzungen im Mischgebiet (gemäß § 1 Abs. 9 in Verbindung mit § 1
Abs. 5 BauNVO)
14
- Zentrenrelevanter Einzelhandel
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Nicht zulässig sind Einzelhandelsbetriebe und sonstige Gewerbebetriebe mit
Verkaufsflächen für den Verkauf an letzte Verbraucher, wenn das angebotene Sortiment
ganz oder teilweise den nachstehenden Warengruppen zugeordnet ist: 1.
Lebensmittel/Getränke 2. Drogerie/Kosmetik/Haushaltswaren 3. Bücher/Zeitschriften/
Papier/Schreibwaren/ Büroorganisation 4. Kunst/Antiquitäten 5. Baby-/Kinderartikel 6.
Bekleidung/Lederwaren/Schuhe 7. Unterhaltungselektronik/Computer/
Elektrohaushaltswaren 8. Foto/Optik 9. Einrichtungszubehör (ohne Möbel)/Haus- und
Heimtextilien/ Bastelartikel/Kunstgewerbe 10. Musikalienhandel 11. Uhren/Schmuck 12.
Spielwaren/Sportartikel 13. Teppiche (ohne Teppichböden) 14. Blumen 15.
Campingartikel 16. Fahrräder und Zubehör/Mofas 17. Tiere und Tiernahrung/Zooartikel
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- Ausnahmen
17
Ausnahmsweise zulässig sind Verkaufsflächen von Handwerks-, Produktions-,
Dienstleistungs- und Großhandelsbetrieben für den Verkauf an letzte Verbraucher,
wenn sichergestellt ist, dass die Verkaufsfläche dem restlichen Betrieb in ihrer Größe
wesentlich untergeordnet ist.
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Für die Gewerbegebiete lautet die textliche Festsetzung I. 1. 2.2 wortgleich. Sie enthält
zudem folgenden Zusatz:
19
Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen bestehender
Anlagen, die durch den Ausschluss des zentrenrelevanten Einzelhandels unzulässig
wären, können gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden.
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Im Übrigen treffen die textlichen Festsetzungen - soweit sich ihr Inhalt nicht schon aus
den vorstehenden Ausführungen ergibt - Regelungen zur Höhe der baulichen Anlagen,
zur zulässigen Überschreitung der Baugrenzen durch untergeordnete Gebäude, zur
Zulässigkeit von Nebengebäuden, Stellplätzen und Garagen, zu den Maßnahmen zum
Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft, zur Gestaltung der Dächer nach Form,
Neigung und Farbe, zur Zulässigkeit von Dachaufbauten und Dacheinschnitten, zur
Gestaltung der Standplätze für Abfallbehälter, Garagenvorflächen und Stellplatzflächen
einschließlich ihrer Zufahrten, zur Gestaltung von Einfriedungen nach Art und Höhe
sowie zur Zulässigkeit von Werbeanlagen.
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Das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans nahm im Wesentlichen folgenden
Verlauf: Am 24. November 1997 und - wegen geänderter Planvorstellungen - nochmals
am 9. Dezember 1998 beschloss der Planungs- und Liegenschaftsausschuss des Rats
der Antragsgegnerin, den Bebauungsplan Nr. 43 W "N. straße " aufzustellen. Die
Beschlüsse wurden öffentlich bekannt gemacht. Es wurde ein landschaftspflegerischer
Fachbeitrag erarbeitet. Im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung wurden auf
Beschluss des Ausschusses ein Vorentwurf des Plans ausgelegt und für Anfang
Februar 1999 ein Darlegungs- und Anhörungstermin anberaumt. Zudem erfolgte eine
erste Beteiligung der Träger öffentlicher Belange. Im Oktober 2000 wurde im Auftrag der
Antragsgegnerin von dem in Dortmund ansässigen Planungsbüro K. und L. eine
"Städtebauliche und absatzwirtschaftliche Bewertung alternativer Standorte für
Lebensmittelangebote in Alt-X. " erstellt. In seiner Sitzung am 17. Januar 2001 befasste
sich der Planungs- und Liegenschaftsausschuss mit den eingegangenen Anregungen
der Bürger und der Träger öffentlicher Belange, billigte die von der Verwaltung
vorgeschlagene Behandlung der bis dahin eingegangenen Anregungen und beschloss
im Hinblick auf eine geringfügige Änderung des Planbereichs, den Bebauungsplan Nr.
43 W "N. straße " erneut aufzustellen sowie den Planentwurf mit den auf Grund der
Anregungen vorgenommenen Änderungen öffentlich auszulegen. Die
Aufstellungsbeschlüsse vom 24. November 1997 und vom 9. Dezember 1998 hob er
auf. Die Bekanntmachung dieses Beschlusses erfolgte am 25. Januar 2001, die
öffentliche Auslegung des Planentwurfs in der Zeit vom 2. Februar bis einschließlich 5.
März 2001. Die Träger öffentlicher Belange wurden erneut beteiligt. Der Rat befand am
26. April 2001 über die im Laufe der Offenlegung eingegangenen Anregungen der
Bürger und der Träger öffentlicher Belange und beschloss den Bebauungsplan Nr. 43 W
"N. straße " als Satzung sowie die Begründung dazu. Die öffentliche Bekanntmachung
des Satzungsbeschlusses erfolgte am 17. Mai 2001.
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Die Rechtsvorgängerin der Antragsteller hat am 23. Juli 2001 den Normenkontrollantrag
gestellt.
23
Die Antragsteller tragen vor, die textliche Festsetzung I. 1. 1.1 sei unbestimmt und
fehlerhaft. Sie lasse nicht erkennen, für welche Flächen des Mischgebiets der
Ausschluss von Tankstellen und Vergnügungsstätten gelten solle. Der Hinweis auf die
überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägten Teile des Gebietes sei aus sich
heraus nicht verständlich. Es bedürfe vielmehr einer Berücksichtigung der bereits
vorhandenen Bebauung, deren Nutzung sich anhand des Bebauungsplans nicht
feststellen lasse. Was die Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und
Landschaft angehe, lasse sich aus den Planaufstellungsunterlagen nicht ersehen, dass
die Kompensationsmaßnahmen tatsächlich realisiert würden. Es fehle insoweit an
bindenden Verpflichtungen. Bei der Gliederung der Gewerbegebiete entsprechend der
Abstandsliste 1998 habe der Rat übersehen, dass innerhalb des Plangebiets bereits
verschiedene Gewerbebetriebe ansässig seien. Deren Emissionsverhalten hätte in
Einzelfallprüfungen analysiert und in die Abwägung eingestellt werden müssen. Die
Notwendigkeit solcher Einzelfallbetrachtungen ergebe sich aus der Stellungnahme des
Staatlichen Umweltamtes L. vom 16. Februar 1999, in der auf das vorhandene
Speditionsunternehmen, die Schreinerei, die Kunstschmiede und einen
Schlossereibetrieb hingewiesen worden sei. Wegen des geringen Abstandes von
weniger als 100 m zu benachbarten Wohngebieten seien unzumutbare Belästigungen
für die Bewohner dieser Gebiete nicht auszuschließen. Es hätte möglicherweise
zusätzlicher Festsetzungen zum Lärmschutz - etwa einer Lärmkontingentierung -
bedurft. Die Mischgebietsfestsetzung im südöstlichen Randbereich des Plangebiets
stelle sich als "Etikettenschwindel" dar, denn dort solle in Wirklichkeit ausschließlich
Wohnbebauung zugelassen werden. Die festgesetzten überbaubaren
Grundstücksflächen seien typisch für ein Wohngebiet und nicht für ein Mischgebiet.
Ursprünglich habe der Planentwurf an dieser Stelle auch ein allgemeines Wohngebiet
vorgesehen. Da die für ein solches Wohngebiet zu beachtenden Immissionsrichtwerte
jedoch nicht hätten eingehalten werden können, habe sich der Rat für ein Mischgebiet
mit geringerem Schutzanspruch entschieden, wobei selbst die in einem Mischgebiet
zulässigen Lärmpegel überschritten würden. Der Ausschluss von
Einzelhandelsnutzungen in den Mischgebieten durch die textliche Festsetzung I. 1. 2.2
sei im Hinblick auf ihren - der Antragsteller - Grundbesitz abwägungsfehlerhaft. Der dort
betriebene Groß- und Einzelhandel mit Getränken aller Art beabsichtige - was im
Aufstellungsverfahren bereits vorgetragen worden sei - eine Erweiterung des Sortiments
um Lebensmittel. Eine solche Sortimentserweiterung sei zur Standortsicherung
zwingend notwendig. Mit diesen individuellen Belangen habe sich der Rat nicht
auseinander gesetzt, sondern lediglich auf allgemeine städtebauliche Belange
verwiesen. Er habe aufgezeigt, dass die vorhandene Zentrenstruktur des in vier
räumlich voneinander getrennte Stadtteile gegliederten Siedlungsraumes gestärkt
werden solle. Mit dieser Zielsetzung setze sich der Rat in Widerspruch, wenn er unter
stadtentwicklungspolitischen Gesichtspunkten die Etablierung eines
Nahversorgungsangebotes im Neubaugebiet X. zulasse wolle. Er habe in dem für das
angrenzende Gebiet beschlos-senen Bebauungsplan zentrenrelevanten Einzelhandel
zugelassen, obwohl der betroffene Bereich deutlich weiter vom Zentrum entfernt sei, als
ihr - der Antragsteller - Grundbesitz. Zudem basiere der Ausschluss des
zentrenrelevanten Einzelhandels auf einem unzutreffenden Sachverhalt. Er stütze sich
auf die Untersuchung des Planungsbüros K. und L. von Oktober 2000, die - aus im
Einzelnen dargelegten Gründen - weder vollständig noch brauchbar sei. Die
Untersuchung sei allein von dem Wunsch geprägt, den Standort des ehemaligen
Stahlwerkes C. dem Standort N. straße vorzuziehen. Mit der textlichen Festsetzung I. 1.
2.2 werde der auf ihrem - der Antragsteller - Grundbesitz betriebene Groß- und
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Einzelhandel auf den Bestand gesetzt. Dies widerspreche der in der
Bebauungsplanbegründung zum Ausdruck gekommenen Intention des Rates, wonach
durch verbindliches Planungsrecht die bestehende Wohn- und Gewerbe-bauung
gesichert und ihr eine bestimmte Ergänzung ermöglicht werden solle. Der Rat habe
erkannt, dass der Ausschluss zentrenrelevanten Einzelhandels zur Existenzgefährdung
vorhandener Betriebe führen könne, lasse den sich daraus ergebenden Konflikt aber
ungelöst. Die Ausnahmeregelung, wonach im Zusammenhang mit bestimmten
Betriebsarten der Verkauf von zentrenrelevanten Sortimenten auf Verkaufsflächen, die
dem übrigen Betrieb größenmäßig wesentlich untergeordnet seien, ermöglicht werde,
beseitige die Existenzgefährdungen für die vorhandenen Betriebe nicht. Die
zugelassene "wesentlich untergeordnete Verkaufsfläche" für zentrenrelevante
Sortimente reiche für eine zur Standort- sicherung erforderliche Abrundung des
Kernsortiments nicht aus. Der Rat hätte die den vorhandenen Betrieben durch die
Festsetzung drohende Existenzver-nichtung im Einzelfall untersuchen und in die
Abwägung einstellen müssen. Die Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft
sowie ihrer Kompensation sei fehlerhaft. Die Eingriffe, die die Bebauung des am
nördlichen Rand des Plangebiets festgesetzten Mischgebiets und die Anlegung der
Stichstraße darstellten, seien nicht in den landschaftspflegerischen Fachbeitrag
eingeflossen, obwohl der Rat sämtliche durch den Plan ermöglichten Eingriffe habe
ausgleichen wollen. Auch sei die Altlastenproblematik nicht hinreichend abgearbeitet
worden. Vor dem Satzungsbeschluss sei das Bundes-Bodenschutzgesetz in Kraft
getreten, wonach der Plangeber die Bodenfunktionen im Plangebiet hätte ermitteln und
berücksichtigen müssen. Die bloßen Stellungnahmen der Fachbehörden im
Aufstellungsverfahren reichten insoweit nicht aus. Für eine eingehende
Bodenuntersuchung habe nach der Stellungnahme des Staatlichen Umweltamtes L.
hinsichtlich der Altstandorte eines Apparatebaubetriebs und einer Tankstelle Anlass
bestanden. Dies gelte auch für das früher militärisch genutzte Gelände nördlich der
Straße "An M. ", wo die Briten ebenfalls eine Tankstelle betrieben hätten. Trotz der
Anhaltspunkte für vorhandene Bodenverunreinigungen sei die sich daraus
möglicherweise ergebende bodenrechtliche Konfliktsituation gar nicht erst ermittelt
worden. Die Festsetzung des Gewerbegebietes GE N2 nördlich der Straße "An M. "
rücke zu nah an die Wohnbebauung östlich der N. straße heran. Der Rat, der mit der
Gliederung Nutzungskonflikte zwischen Gewerbe und Wohnnutzung habe vermeiden
wollen, habe übersehen, dass der für Betriebe der Abstandsklasse VII der Abstandsliste
1998 einzuhaltende Abstand von 100 m gegenüber der Wohnbebauung östlich der N.
straße unterschritten werde. Schließlich sei auch die textliche Festsetzung I. 1. 2.3 mit
Fehlern behaftet. Bei einer Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO handele es sich nicht
um eine Gebietsfestsetzung, sodass sie sich auf bestimmte Anlagen beziehen müsse.
Gleichwohl habe der Rat sie pauschal auf sämtliche Gewerbegebietsflächen erstreckt.
Die fragliche Festsetzung sei auch unbestimmt, denn der Bebauungsplan gebe nicht
vor, auf welchen Umfang die danach zulässigen Ausnahmen beschränkt seien.
Die Antragsteller beantragen,
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den Bebauungsplan Nr. 43 W "N. straße " der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären.
26
Die Antragsgegnerin beantragt,
27
den Antrag abzulehnen.
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Sie trägt vor, die textliche Festsetzung I. 1. 1.1 habe zum Ziel, den überwiegend durch
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Wohnnutzung geprägten Bestand zu schützen. Da eine Prägung der neu geplanten
Mischgebietsflächen noch nicht zu bestimmen sei, könne das angestrebte Ziel nur
dadurch erreicht werden, dass sowohl die im Mischgebiet nach § 6 BauNVO allgemein
zulässigen als auch die nur ausnahmsweise zulässigen Vergnügungsstätten
ausgeschlossen würden. Die durch die Planung erforderlich gewordenen
Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft seien bereits vor der
Aufstellung des Bebauungsplans vorgenommen worden. Es seien im Voraus als Teil
einer größeren Aufforstung Ausgleichsflächen in Absprache mit der unteren
Landschaftsbehörde des Kreises W. angelegt worden. Weiterer Verpflichtungen habe es
nicht bedurft. Auch die Bilanzierung von Eingriffen und Ausgleichsmaßnahmen sei
korrekt. Im Bereich des am nördlichen Rand des Plangebiets festgesetzten
Mischgebiets habe der Vorgängerplan 3 WCD eine Verkehrsfläche vorgesehen.
Demgegenüber stelle die Überplanung als Mischgebiet mit einer Grundflächenzahl von
0,4 aus ökologischer und landschaftspflegerischer Sicht keine Verschlechterung dar.
Die für die Stichstraße in Anspruch genommene Fläche habe ebenfalls im
Geltungsbereich des Vorgängerplans 3 WCD gelegen und sei als Fläche für
Großgewerbe festgesetzt gewesen. Nach dieser Festsetzung hätte die Fläche -
einschließlich Garagen und Stellplätze - vollständig versiegelt werden können, was
nach dem hier in Rede stehenden Bebauungsplan nicht möglich sei, sodass es auch
insoweit keines zusätzlichen Ausgleichs bedurft habe. Die im Plangebiet vorhandenen
Gewerbebetriebe seien bei der Abwägung hinreichend berücksichtigt worden. So habe
das Staatliche Umweltamt L. Bedenken gegen die Festsetzung eines allgemeinen
Wohngebiets östlich der N. straße geäußert. In Abstimmung mit dem Staatlichen
Umweltamt sei eine Lösung erarbeitet worden, die unter Berücksichtigung der
gesamtplanerischen Belange dem Immissionsschutz ausreichend Rechnung trage. Statt
des Wohngebiets sei ein Mischgebiet festgesetzt worden. In einem Mischgebiet sei der
Wohnnachbarschaft mehr zuzumuten als in einem Wohngebiet. Ein
"Etikettenschwindel" sei insoweit nicht gegeben. Eine ausgewogene qualitative und
quantitative Durchmischung von Wohn- und Gewerbebebauung sei auf den
angesprochenen Mischgebietsflächen möglich. Der Plangeber sei nicht ermächtigt, ein
quantitatives Verhältnis von Wohnen und Gewerbe im Bebauungsplan festzusetzen.
Der Schallschutz sei im Aufstellungsverfahren ausreichend berücksichtigt worden. Die
Überschreitung des zulässigen Lärmpegels durch den zu erwartenden Verkehrslärm sei
so gering, dass auf die Festsetzung von Schallschutzmaßnahmen habe verzichtet
werden können. Der Abstandserlass stelle eine verwaltungsinterne Weisung an die
Staatlichen Umweltämter dar, die für die Träger der Bauleitplanung nicht verbindlich sei.
Bei Einhaltung der Abstände nach der Abstandsliste sei im Allgemeinen ein
ausreichender Schutz der Wohnbevölkerung vor schädlichen Immissionen
sichergestellt. Die Gemeinden könnten allerdings bei der Abwägung den
Immissionsschutz in gewissem Maße zurückstellen und die Abstände verringern. Das
Gewerbegebiet GE N2 nördlich der Straße "An M. " halte von der Wohnbebauung einen
Abstand von 94 m ein. Dagegen seien vom Staatlichen Umweltamt L. keine Bedenken
geäußert worden. Den Interessen der Antragsteller sei durch die Festsetzung von
Ausnahmen gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO, die einen erweiterten Bestandsschutz
gewähre, genügt. Die Zulassung von Ausnahmen nach dieser Vorschrift liege im
Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, der ein gewisser Spielraum für die Zukunft bleiben
müsse. Eine Berücksichtigung aller Eventualitäten könne im Zeitpunkt der
Planaufstellung nicht erfolgen. Ein Lebensmittelmarkt auf dem Grundbesitz der
Antragsteller wäre nicht der angrenzenden Wohnbebauung östlich der N. straße
zuzuordnen, da er von dieser Wohnbebauung durch den früheren Sportplatz der Briten
getrennt wäre. Er könne deshalb nicht zur Verbesserung der wohnungsnahen
Grundversorgung führen. Hinsichtlich der Altlastenproblematik seien alle notwendigen
Untersuchungen vorgenommen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der den Bebauungsplan betreffenden Aufstellungsvorgänge (Beiakten
Heft 1 bis 3), des Auszugs aus dem Flächennutzungsplan sowie der
Bebauungsplanurkunde ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.
32
Hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags bestehen keine Bedenken. Insbeson- dere
sind die Antragsteller antragsbefugt. Die Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz
1 VwGO ist regelmäßig gegeben, wenn sich - wie hier - der Eigentümer eines
Grundstücks, das im Plangebiet liegt, gegen eine bauplanerische Fest-setzung wendet,
die unmittelbar sein Grundstück betrifft und damit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG
den Inhalt des Grundeigentums bestimmt.
33
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 1998 - 4 CN 6.97 -, BRS 60 Nr. 44 = BauR 1998,
S. 740.
34
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
35
Der angegriffene Bebauungsplan ist mit materiellen Fehlern behaftet.
36
Während die nach § 1 Abs. 3 BauGB erforderliche städtebauliche Rechtfertigung für die
Aufstellung des Bebauungsplans als solche nicht in Frage steht, ist sie im Hinblick auf
die Festsetzung der Mischgebietsflächen am südöstlichen Rand des Plangebiets zu
verneinen. Auch die einzelnen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung müssen
nämlich - für sich betrachtet - dem Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit gemäß § 1
Abs. 3 BauGB genügen.
37
Durch die Festsetzung eines Baugebiets legt der Plangeber fest, welche Arten von
baulichen Nutzungen in dem von der Festsetzung erfassten Gebiet zulässig sein sollen.
Durch die Festsetzung einer der im Katalog der §§ 2 bis 11 BauNVO enthaltenen
Gebietsarten - an die der Plangeber bei der Auswahl gebunden ist - werden in dem
Baugebiet nicht nur die in der Baunutzungsverordnung der jeweiligen Gebietsart
zugeordneten Nutzungen zugelassen. Vielmehr ergibt sich aus der im jeweiligen Absatz
1 der §§ 2 bis 11 BauNVO festgeschriebenen allgemeinen Zweckbestimmung der
einzelnen Gebietsart die der Baugebietsfestsetzung zu Grunde liegende planerische
Zielsetzung. Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der
Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Setzt
der Plangeber ein Mischgebiet fest, muss er das gesetzlich vorgesehene
gleichberechtigte Miteinander von Wohnen und Gewerbe auch wollen oder zumindest
als sicher voraussehen, dass sich in dem fraglichen Gebiet eine solche Durchmischung
einstellt. Wenn er hingegen ein Miteinander von Wohnen und Gewerbe in Wahrheit gar
nicht anstrebt oder wenn eine solche Entwicklung wegen der vorhandenen Bebauung
oder aufgrund sonstiger Festsetzungen im Bebauungsplan faktisch nicht zu erreichen
ist, stellt die Festsetzung des Mischgebietes einen "Etikettenschwindel" dar und ist
städtebaulich nicht gerechtfertigt.
38
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. September 2002 - 7a D 118/00.NE -.
39
Hier spricht alles dafür, dass der Rat das fragliche Mischgebiet ausschließlich
festgesetzt hat, um den Schutzanspruch der betroffenen Flächen herabzusetzen und
eine Verträglichkeit mit der vorhandenen Gewerbenutzung in der Nachbarschaft
herbeizuführen, ohne in Wirklichkeit von seinem früheren Planziel, auf den Flächen
vornehmlich Wohnbebauung zu ermöglichen, abzurücken. Für eine wirkliche
Umorientierung vom ursprünglich geplanten allgemeinen Wohngebiet in Richtung
Mischgebiet spricht hingegen nichts. Insbesondere hat der Rat die übrigen
Festsetzungen, die für das ursprünglich gewollte allgemeine Wohngebiet gedacht
waren und die dem Charakter eines solchen Gebiets auch entsprechen, nur hinsichtlich
der zulässigen Wandhöhe unwesentlich geändert. Einem Wohngebiet entsprechen
insbesondere die Beschränkung auf Einzel- und Doppelhäuser und die bauliche
Ausnutzbarkeit der Grundstücke. Die nach dem Bebauungsplan maximal zulässigen
Grund- und Geschossflächenzahlen liegen mit 0,4 beziehungsweise 0,8 deutlich unter
dem, was gemäß der Tabelle in § 17 Abs. 1 BauNVO in Mischgebieten zulässig ist
(GRZ 0,6 und GFZ 1,2). Auch die durch Baugrenzen vorgegebene maximal zulässige
Bautiefe von 14 m dürfte sich für die Ansiedlung von Gewerbebetrieben als hinderlich
erweisen. Zwar sind in dem fraglichen Bereich zwei Vollgeschosse zulässig, doch ist
die Wandhöhe auf 4 m begrenzt, sodass das zweite Vollgeschoss nur im Dachgeschoss
mit geneigten Dachflächen angelegt werden kann. Für die Mischgebietsfläche im
nördlichen Teil des Plangebiets, die von vornherein als solche geplant war, gelten
andere Festsetzungen. Dort gilt offene Bauweise, eine Begrenzung der Wandhöhe auf 7
m und eine maximale Bautiefe von 20 m. In der Bebauungsplanbegründung heißt es:
"Die gemischten Bauflächen des Planbereichs werden ihrer Eigenart beziehungsweise
der angestrebten Nutzung entsprechend als Mischgebiete (MI) festgesetzt." Die
Begründung für die ursprünglich beabsichtigte Festsetzung eines allgemeinen
Wohngebiets lautete entsprechend. Nach allem weist alles darauf hin, dass der Rat auf
den als Mischgebiet festgesetzten Teilbauflächen im südöstlichen Teil des Planbereichs
kein Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO
entwickeln wollte, sondern mit der Mischgebietsfestsetzung nur eine "Lösung" des im
Aufstellungsverfahrens erkannten Immissionskonfliktes gesucht hat.
40
Für den nahezu vollständigen Ausschluss von Einzelhandel mit den in den textlichen
Festsetzungen I. 1. 1.2 und I. 1. 2.2 aufgelisteten Warensortimenten liegen keine
hinreichenden städtebaulichen Gründe vor.
41
Wenn - wie hier - Einzelhandel mit ausgewählten Warensortimenten im Hinblick auf
seine "Zentrenschädlichkeit" ausgeschlossen werden soll, bedarf es konkreter Angaben
dazu, weshalb jegliche Form von Einzelhandel der besagten Art - würde er im
betroffenen Baugebiet angesiedelt - die gewachsenen Einzelhandelsstrukturen in den
Zentren der Gemeinde unabhängig von der Art und dem Umfang des jeweiligen
Warenangebots schädigen würde. Auch der Einzelhandelserlass 1996 geht davon aus,
dass das Anbieten der darin als zentrenrelevant bezeichneten Warensortimente
regelmäßig nur dann negative Auswirkungen auf die Zentrenstruktur einer Gemeinde
erwarten lässt, wenn es überdimensioniert an nicht integrierten Standorten erfolgt. In der
Begründung des Bebauungsplans heißt es in diesem Zusammenhang lediglich, da
"zusätzliche Verkaufsflächen innenstadtrelevanter Einzelhandelsbranchen in den
gewerblich genutzten Randbereichen sich städtebaulich schädlich auf die Ortskerne als
Einzelhandelsstandorte auswirken würden, wird von der Möglichkeit des § 1 Abs. 9 in
42
Verbindung mit § 1 Abs. 5 BauNVO Gebrauch gemacht und der zentrenrelevante
Einzelhandel im Gewerbegebiet und im Mischgebiet ausgeschlossen." Weiter wird
ausgeführt, "die Sicherung des Einzelhandels in den Ortskernen, die Bindung einer
möglichst hohen Kaufkraft in den Einkaufsbereichen und somit die Stärkung der
Funktionsfähigkeit und die Erhaltung der Attraktivität der Ortskerne sind besondere
städtebauliche Anliegen. Sie rechtfertigen die vorgenannten Maßnahmen auf der
Grundlage des § 1 Abs. 5 BauNVO in Verbindung mit § 1 Abs. 9 BauNVO."
Inwieweit es zur Erreichung der benannten Ziele der in den textlichen Festsetzungen I.
1. 1.2 und I. 1. 2.2 getroffenen Regelungen im Einzelnen bedarf, geht aus diesen
pauschalen Formulierungen, mit denen zum einen eine undifferenzierte Behauptung
aufgestellt und zum anderen eine bloße Zielsetzung beschrieben wird, nicht hervor. Die
Untersuchung von K. und L. aus dem Jahr 2000 gibt für die städtebauliche
Erforderlichkeit der konkreten Einzelhandelsbeschränkung schon deshalb nichts her,
weil sie sich nur mit der städtebaulichen und absatzwirtschaftlichen Bewertung von
Standorten für Lebensmittelangebote befasst und auf die übrigen ausgeschlossenen
Warengruppen von vornherein nicht übertragbar ist. Auch der Einzelhandelserlass, der
laut Bebauungsplanbegründung "als Grundlage zur Erarbeitung der Festsetzungen zum
Ausschluss von Einzelhandel" gedient hat, bietet - wie oben bereits ausgeführt - für die
gewählte umfassende Beschränkung des Einzelhandels unter dem Gesichtspunkt der
"Zentrenschädlichkeit" keine ausreichende Handhabe. Abgesehen davon ist in der
Bebauungsplanbegründung nur von "zentrenrelevantem Einzelhandel" die Rede,
obwohl die in den besagten Festsetzungen aufgelisteten Warengruppen auch die im
Einzelhandelserlass als "nahversorgungsrelevanten Sortimente" bezeichneten
Warengruppen umfassen. Zu deren "Zentrenschädlichkeit" verhält sich die
Bebauungsplanbegründung nicht.
43
Soweit der Ausschluss von Einzelhandel mit den besagten Warengruppen auch damit
begründet wird, dass "der Gewerbestandort in seiner peripheren Lage der Ansiedlung
produzierender Gewerbe vorbehalten werden" solle, trägt diese Begründung die
Einzelhandelsbeschränkung ebenfalls nicht. Abgesehen davon, dass sie wohl nicht auf
den die Mischgebiete betreffenden Einzelhandelsausschluss zugeschnitten ist, weil sich
jedenfalls die östlich der N. straße befindlichen Mischgebietsflächen wegen der
begrenzten baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke kaum für die Ansiedlung
produzierenden Gewerbes eignen, kann zwar unter Umständen ein vollständiger
Einzelhandelsausschluss für Gewerbe- und Industriegebiete mit dieser Zielsetzung
gerechtfertigt werden, nicht aber ein Einzelhandelsausschluss, der - wie hier - nur
bestimmte Warengruppen erfasst. Da beispielsweise Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen,
Möbeln sowie Bau-, Heimwerker- und Gartenbedarf genehmigungsfähig ist, ist die
Festsetzung erkennbar ungeeignet, das erklärte Ziel zu erreichen, zumal auch andere
flächenintensive Nutzungen wie Tankstellen, Lagerhäuser, Speditionen oder Anlagen
für sportliche Zwecke in den als Gewerbegebiet festgesetzten Teilbaugebieten
allgemein zulässig sind, die nicht dem produzierenden Gewerbe zugerechnet werden
können. Der Aussage, die Gewerbeflächen dem produzierenden Gewerbe vorbehalten
zu wollen, liegt mithin kein schlüssiges Plankonzept zu Grunde.
44
Die in den textlichen Festsetzungen I. 1. 1.2 und I. 1. 2.2 enthaltenen gleichlautenden
Ausnahmeregelungen , wonach Verkaufsflächen von Handwerks-, Produktions-,
Dienstleistungs- und Großhandelsbetrieben für den Verkauf an letzte Verbraucher
ausnahmsweise zulässig sind, wenn sichergestellt ist, dass die Verkaufsfläche dem
restlichen Betrieb in ihrer Größe wesentlich untergeordnet ist, sind unbestimmt.
45
Zwar können textliche Festsetzungen in einem Bebauungsplan auch mit unbestimmten
Rechtsbegriffen getroffen werden, wenn sich ihr näherer Inhalt unter Berücksichtigung
der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren Willens des Normgebers erschließen
lässt,
46
vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 4 NB 3.95 -, BRS 57 Nr. 26 = BauR
1995, S. 662,
47
doch fehlt es hier gerade an der Bestimmbarkeit des Festsetzungsinhalts.
48
Wie der Begriff "wesentlich untergeordnet" zu verstehen ist, erschließt sich weder aus
der Bebauungsplanbegründung noch aus anderen Quellen. In der
Bebauungsplanbegründung heißt es, die Festsetzung einer festen Größe verbiete sich
auf Grund der Verschiedenartigkeit der Einzelhandelstätigkeit sowie der sehr
unterschiedlichen Zentrenrelevanz des möglichen Warenangebotes, sodass sich das
städtebaulich Vertretbare nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls
bestimmen lasse. Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs "wesentlich
untergeordnet" sind mit dieser Begründung nicht dargetan. Soweit der Rat weiterhin
ausführt, es werde von einer "Kappungsgrenze" von 50 qm Verkaufsfläche
ausgegangen, damit eine Verkaufsstelle in keinem Fall die Marktführerschaft in einem
bestimmten zentrenrelevanten Segment erhalte, ist damit der Begriff der "wesentlichen
Unterordnung" ebenso wenig bestimmbar. Unterordnung kann in diesem
Zusammenhang nur im Verhältnis zur jeweiligen Betriebsfläche bestimmt werden. Mit
einer "Kappungsgrenze", die zudem nicht festgesetzt ist, lässt sich dieses Verhältnis
nicht erfassen. Bei einer Betriebsfläche von weniger als 100 qm wäre eine
Verkaufsfläche von 50 qm, die die "Kappungsgrenze" nicht überschreiten würde,
sicherlich nicht "wesentlich untergeordnet". Im Übrigen erscheint die angenommene
"Kappungsgrenze" mit der dafür gelieferten Begründung willkürlich und damit
städtebaulich nicht gerechtfertigt. Um beispielsweise die Marktführerschaft im Segment
Lebensmittel/Getränke zu verhindern, bedarf es keiner Begrenzung der Verkaufsfläche
auf 50 qm.
49
Außerdem fehlt für die textliche Festsetzung I. 1. 2.2 insoweit die Ermächtigungs-
grundlage, als danach Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und
Erneuerungen bestehender Anlagen, die durch den Ausschluss des zentrenrelevanten
Einzelhandels unzulässig wären, gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO ausnahms-weise
zugelassen werden können. Auf die zuletzt genannte Vorschrift lässt sich dieser Teil der
textlichen Festsetzung I. 1. 2.2 nicht stützen. Der Wortlaut der Norm besagt, dass sich
die auf ihrer Grundlage im Bebauungsplan getroffenen Regelungen auf individuell
bestimmte bauliche oder sonstige Anlagen beziehen müssen. Einen solchen
individuellen Bezug weist die hier in Rede stehende textliche Festsetzung nicht auf,
sondern erstreckt sich auf sämtliche als Gewerbegebiet festgesetzten Teilbaugebiete.
50
Der Ausschluss von Vergnügungsstätten in den als Gewerbegebiet festgesetzten
Teilbaugebieten (textliche Festsetzung I. 1. 2.3) ist nicht nachvollziehbar begründet. Das
behauptete Ziel, nämlich den Gewerbestandort produzierenden Betrieben vorbehalten
zu wollen, hat der Plangeber - wie oben bereits dargelegt - nicht konsequent umgesetzt.
Auch der Verweis auf das Entwicklungskonzept "Vergnügungsstätten" der Stadt X. vom
Januar 1990, wonach "eine Verdrängung von Geschäftsflächen geringerer
Mietzahlungsfähigkeit und die negativen Auswirkungen auf Wohn- und Einkaufsumfeld"
51
vermieden werden solle, passt nicht auf die als Gewerbegebiet festgesetzten
Teilbaugebiete, in denen allgemeine Wohnnutzung nicht zulässig und Einzelhandel
weitgehend ausgeschlossen ist.
Die textliche Festsetzung I. 1. 1.1, mit der Tankstellen und die gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 8
BauNVO allgemein zulässigen Vergnügungsstätten in den als Mischgebiet
festgesetzten Teilbaugebieten ausgeschlossen werden, ist ebenfalls nicht ausreichend
städtebaulich begründet. In der Bebauungsplanbegründung heißt es dazu, durch den
Ausschluss solle der überwiegend durch Wohnnutzung geprägte Bestand geschützt
werden. Zunächst ist nicht nachvollziehbar, welcher "überwiegend durch Wohnnutzung
geprägte Bestand" gemeint ist. Innerhalb der als Mischgebiet festgesetzten
Teilbaugebiete sind nach den Eintragungen in der Planurkunde auf den Flächen östlich
der N. straße ein Doppelhaus und auf den Flächen im nördlichen Teil des Plangebiets
ein freistehendes Gebäude vorhanden. Von einer "Prägung" der Flächen durch diese
Gebäude kann kaum die Rede sein. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, weshalb die
Wohnnutzung innerhalb eines als Mischgebiet festgesetzten Baugebiets vor
mischgebietsverträglichen Nutzungen "geschützt" werden muss. Im Mischgebiet sind
Gewerbebetriebe allgemein zulässig, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Damit ist
der zulässige Störgrad von Vorhaben im Mischgebiet vorgegeben. Der Gesetzgeber
geht davon aus, dass bei typisierender Betrachtungsweise auch Tankstellen und
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO regelmäßig keinen
höheren Störgrad aufweisen. Als Korrektiv steht § 15 Abs. 1 BauNVO zur Verfügung, der
im Einzelfall eine Nachsteuerung im Baugenehmigungsverfahren ermöglicht. Diese
Steuerungsmöglichkeit besteht auch im Hinblick auf die zum Teil an die
Mischgebietsflächen angrenzenden Wohnnutzungen. Soweit der Rat mit der textlichen
Festsetzung I. 1. 1.1 diese angrenzenden Wohnnutzungen hat schützen wollen, die sich
vor allem im Norden der östlich der N. straße festgesetzten Mischgebietsflächen
befinden, stellt sich jedenfalls die Frage, weshalb er nicht auch in den Teilbaugebieten,
die als GE N1 festgesetzt sind, Tankstellen ausgeschlossen hat. Diese Teilbaugebiete
liegen nämlich den besagten Wohnnutzungen auf der Westseite der N. straße
unmittelbar gegenüber und sind von ihnen nicht weiter entfernt als die
Mischgebietsflächen.
52
Hinsichtlich der Bestimmtheit der textlichen Festsetzung I. 1. 1.1 bestehen allerdings
entgegen der Auffassung der Antragsteller keine Bedenken. Die Festsetzung ist nicht so
zu verstehen, dass sich die Nutzungsausschlüsse etwa nur auf die Teile der
Mischgebietsflächen beziehen, die überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt
sind. Vielmehr dient die letztgenannte Formulierung lediglich der näheren Bezeichnung
der durch die Festsetzung ausgeschlossenen Vergnügungsstätten entsprechend § 6
Abs. 2 Nr. 8 BauNVO.
53
Der Bebauungsplan weist auch Mängel bei der Abwägung auf.
54
Der Senat kann bei der im Normenkontrollverfahren gebotenen objektiven Prüfung den
Bebauungsplan auch auf solche Abwägungsfehler untersuchen, die der Antragsteller
mit seinem Normenkontrollantrag nicht geltend gemacht hat, denn die Frist des § 215
Abs. 1 Nr. 2 BauGB, wonach Mängel der Abwägung unbeachtlich werden, wenn sie
nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich
gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, ist noch nicht abgelaufen. Die
Unbeachtlichkeit eines Abwägungsfehlers gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB hängt von
zwei Voraussetzungen ab, nämlich dem Fristablauf und dem Nichtvorliegen einer
55
Mängelrüge. Die Frist ist ein entscheidendes Element der Fehlerfolgenregelung. Erst
nach Ablauf der festgelegten Zeit soll, wenn niemand eine Rüge erhoben hat, der an
sich beachtliche Fehler unbeachtlich werden. Bis zum Fristablauf ist die
uneingeschränkte Kontrolle eines Bebauungsplans auf Abwägungsfehler möglich und
im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz auch geboten.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2001 - 10a D 214/98.NE -, m.w.N.
56
Das sich aus § 1 Abs. 6 BauGB ergebende Gebot, die öffentlichen und privaten Belange
untereinander und gegeneinander gerecht abzuwägen, wird verletzt, wenn eine
sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an
Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden
muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich
zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird,
die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des
so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis jedoch genügt, wenn sich die
zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die
Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des
anderen Belangs entscheidet.
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Diesen Kriterien wird die dem Bebauungsplan zu Grunde liegende Abwägung nicht
gerecht.
58
Abwägungsfehlerhaft ist die textliche Festsetzung I. 1. 2.2. Der weitgehende Ausschluss
von Einzelhandelsnutzungen beeinträchtigt in erheblicher Weise die
Nutzungsinteressen der Grundeigentümer, ohne dass - wie oben bereits ausgeführt - für
diese umfassende Nutzungseinschränkung tragfähige Gründe ersichtlich sind. Soweit
die Festsetzung es den Handwerks-, Produktions-, Dienst-leistungs- und
Großhandelsbetrieben ausnahmsweise gestattet, die ausgeschlossenen Warengruppen
auf einer Verkaufsfläche zu betreiben, die dem restlichen Betrieb in ihrer Größe
wesentlich untergeordnet ist, wird damit - ungeachtet der Unbestimmtheit dieser
Ausnahmeregelung - den Nutzungsinteressen der Grundeigentümer schon deshalb
nicht hinreichend Rechnung getragen, weil Einzelhandelsbetriebe von dieser
Ausnahmeregelung ausgeschlossen sind. So sind auf den als Gewerbegebiet
festgesetzten Teilbauflächen beispielsweise Einzelhandelsbetriebe für Bau- und
Heimwerkerbedarf, Gartenartikel und Möbel jedenfalls bis zu einer Geschossfläche von
1.200 qm (§ 11 Abs. 3 BauNVO) zulässig. Diese Branchen müssen aus
Konkurrenzgründen bestimmte Warengruppen als Randsortiment im Angebot haben,
die zu den Warengruppen gehören, die der Rat ausgeschlossen hat. Den Bedarf dieser
Branchen hat der Rat entweder gar nicht gesehen oder er hat ihn jedenfalls ohne
hinreichende Gründe zurückgestellt. Um insoweit die Verkaufsflächenbeschränkung
unter Berücksichtigung der marktüblichen Gegebenheiten abwägungsgerecht gestalten
zu können, hätte der Rat - was nicht geschehen ist - konkrete Untersuchungen anstellen
müssen, um zu ermitteln, bei welchen im Plangebiet zulässigen Einzelhandelsbranchen
die ausgeschlossenen Warengruppen üblicherweise im Rahmen von Randsortimenten
angeboten werden und in welchem Umfang sie angeboten werden. Nur auf der
Grundlage solcher Erkenntnisse kann die Abwägung, ob die Zulassung von
ausgeschlossenen Warengruppen im Rahmen von Randsortimenten marktüblichen
Umfangs mit den städtebaulichen Zielsetzungen zu vereinbaren ist, zu einem gerechten
Ergebnis führen.
59
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. März 2002 - 10a D 48/99.NE - .
60
Ebenso abwägungsfehlerhaft ist, dass die Festsetzung den Verkauf der
ausgeschlossenen Warengruppen auch dann ausschließt, wenn er zwar im
Kernsortiment aber nur in geringem Umfang erfolgen soll. Das bedeutet, dass
beispielsweise ein Kiosk, der den im Gewerbe- oder Mischgebiet Tätigen in geringem
Umfang Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Zeitschriften usw. für die
Versorgung in den Arbeitspausen anbietet, unzulässig ist, obwohl er wegen seines
begrenzten Angebots keinerlei Auswirkungen auf die Einzelhandelsentwicklung in den
Stadtzentren haben kann.
61
Ob die in der textlichen Festsetzung I. 1. 2.1 nach der Abstandsliste des
Abstandserlasses 1998 vorgenommene Gliederung der als Gewerbegebiet
festgesetzten Teilbaugebiete als solche abwägungsgerecht ist, ist fraglich. Der
Umstand, dass der nach der festgesetzten Gliederung von den als GE N2 bezeichneten
Teilbaugebieten gegenüber Wohngebieten zu wahrende Abstand von 100 m im
Hinblick auf die zusammenhängende Wohnbebauung östlich der N. straße nicht
eingehalten wird, macht die Gliederungsfestsetzung allerdings nicht zwangsläufig
abwägungsfehlerhaft. Auch bei Anwendung der Abstandsliste verbleiben planerische
Spielräume. Sie enthält lediglich Empfehlungen, von denen im Einzelfall auf Grund
sachgerechter Abwägung abgewichen werden darf.
62
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Oktober 1996 - 7a D 122/94.NE -.
63
Ob die durch den Plan ermöglichte Unterschreitung des nach der Festsetzung in
Verbindung mit der Abstandsliste erforderlichen Abstandes das Ergebnis einer
sachgerechten einzelfallbezogenen Abwägung ist, erschließt sich aus der
Bebauungsplanbegründung allenfalls bedingt. Auf die ermöglichte Unterschreitung des
an sich einzuhaltenden Abstandes wird nicht konkret eingegangen. Vielmehr heißt es
nur allgemein: "In Abstimmung mit dem Staatlichen Umweltamt L. wurde zur
Vermeidung von allzu großen Beschränkungen der Gewerbebetriebe eine Lösung
erarbeitet, die - unter Berücksichtigung der gesamtplanerischen Belange - hinsichtlich
des Immissionsschutzes Fortschritte gewährleistet, wenn auch im Einzelfall nicht jede
Beeinträchtigung ausgeschlossen werden kann."
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Letztlich bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die im Zusammenhang mit der
Gliederung erfolgte Abwägung sachgerecht war. Ein Abwägungsfehler ist im Hinblick
auf die textliche Festsetzung I. 1. 2.1 jedenfalls insoweit gegeben, als durch die
Gliederung vorhandene Betriebe auf den Bestand gesetzt werden, deren Interessen an
möglichen Erweiterungen, Änderungen und Erneuerungen nicht gewahrt sind, weil die
entsprechende Regelung, die der Rat gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO im Interesse dieser
Betriebe hat treffen wollen, mangels individuellen Bezugs keine Wirkung entfaltet.
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Ob - wie die Antragsteller vortragen - ein Abwägungsfehler im Hinblick auf die im
Rahmen des Aufstellungsverfahrens möglicherweise unterlassenen
Bodenuntersuchungen gegeben ist, kann angesichts der vorstehend festgestellten
Mängel des Bebauungsplans offen bleiben. Dies gilt auch für die von den Antragstellern
aufgeworfenen Fragen, ob die Durchführung der für die Eingriffe in Natur und
Landschaft festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen, die außerhalb des Plangebiets
vorgenommen werden sollen, ausreichend gesichert ist und ob die erstellte Eingriffs-
und Ausgleichsbilanz zutrifft.
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Schließlich lässt der Senat offen, ob dem bereits im Aufstellungsverfahren geäußerten
Interesse der Antragsteller, den auf ihrem Grundbesitz betriebenen Getränkehandel um
das Sortiment Lebensmittel zu erweitern, im Rahmen der Abwägung - beispielsweise
durch eine entsprechende Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO - hätte Rechnung
getragen werden müssen, um die Existenz des Betriebes dauerhaft zu sichern.
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Nach allem ist der Bebauungsplan Nr. 43 W "N. straße " nichtig. Insoweit ist es ohne
Bedeutung, ob die beschriebenen und nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB beachtlichen
Abwägungsmängel sowie der eine oder andere sonstige Fehler eventuell durch ein
ergänzendes Verfahren behoben werden können (§ 215a Abs. 1 Satz 1 BauGB). Der
Bebauungsplan ist jedenfalls nichtig, weil die textlichen Festsetzungen I. 1. 1.2 und I. 1.
2.2, mit denen der Einzelhandel im gesamten Plangebiet weitgehend ausgeschlossen
wird, unabhängig von den angesprochenen Abwägungsmängeln fehlerhaft sind. Die
Behebung dieser Fehler durch ein ergänzendes Verfahren kommt nicht in Betracht, da
sie die Grundzüge der Planung berühren. Dem Plangeber kam es ersichtlich darauf an,
den Einzelhandel im Plangebiet weitgehend einzuschränken. Würden die betreffenden
Festsetzungen isoliert aufgehoben, wäre ein wesentliches Planungsziel verfehlt und es
würde für den Planbereich eine planungsrechtliche Situation entstehen, die der
Plangeber so nicht gewollt hat.
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Aus demselben Grund ist es auch nicht möglich, den Bebauungsplan nur hinsichtlich
der fehlerhaften Festsetzungen für nichtig zu erklären.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in
Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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