Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 04.05.1999

OVG NRW (antrag, festsetzung, wiedereinsetzung in den vorigen stand, höhe, partei, auszahlung, finanzierung, chancengleichheit, betrag, auslegung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 5 A 5684/97
Datum:
04.05.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 A 5684/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 23 K 11387/96
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr die Aufhebung des der
Beigeladenen erteilten Festsetzungsbescheides vom 5. Februar 1997
über einen Betrag von 48.494,94 DM hinaus begehrt wird.
Im übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen - einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen - tragen die Klägerin zu 1/2
sowie die Beklagte und die Beigeladene zu je 1/4.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Am 16. Januar 1996 ging bei der (damaligen) Präsidentin des Deutschen Bundestages
ein Schreiben des Bundesschatzmeisters der Beigeladenen vom 11. Januar "1995" mit
folgendem Wortlaut ein:
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"Betr.: Antrag auf Abschlagszahlung nach § 21 Parteiengesetz
3
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
4
gemäß Parteiengesetz beantrage ich für die Freie Demokratische Partei sowohl für die
Bundespartei wie auch für die 16 Landesverbände die Abschlagszahlungen gemäß
Parteiengesetz.
5
Die Zahlungen für die Bundespartei wollen Sie bitte auf das Konto ...... überweisen
lassen.
6
Die in der Anlage für jeden Landesverband einzeln beigefügten Anschriften,
Bankverbindungen und Kontonummern bitte ich den Landtagen im Rahmen Ihrer
Mitteilung nach § 21 Parteiengesetz zu übermitteln.
7
Mit freundlichen Grüßen"
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Dem Schreiben waren die angeführten Anlagen mit den Anschriften und
Bankverbindungen der 16 Landesverbände beigefügt.
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Wegen der Befürchtung, daß das Schreiben "vom 11. Januar 1996 einen Tag nach
Ablauf der gesetzlichen Frist eingegangen sei", beantragte der Bundesschatzmeister
der Beigeladenen mit Schreiben vom 24. Januar 1996 unter Vorlage eidesstattlicher
Versicherungen von Mitarbeitern der Bundesgeschäftsstelle der Beigeladenen sowie
dienstlicher Erklärungen der diensthabenden Boten der F.D.P.-Bundestagsfraktion die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach Überprüfung der Angelegenheit teilte die
Präsidentin des Deutschen Bundestages dem Bundesschatzmeister der Beigeladenen
mit Bescheid vom 6. Februar 1996 u.a. mit, der - auf die im Jahre 1996 möglichen
Abschlagszahlungen für den Bundesverband und für die 16 Landesverbände der Partei
gerichtete - Antrag vom 11. Januar 1996 sei noch fristgerecht eingegangen. Der
Bescheid endete mit dem Hinweis, daß über die auf Landesebene zu gewährenden
Abschlagszahlungen an die Landesverbände die hierfür zuständigen Präsidentinnen
und Präsidenten der Landesparlamente entsprechend unterrichtet würden.
10
Ende März 1996 setzte zwischen der Beigeladenen und der Präsidentin des Deutschen
Bundestages ein Schriftwechsel hinsichtlich der Rechenschaftsberichte der
Beigeladenen ein. Dabei ging es im wesentlichen um Fragen der Ausweisung der
Mitgliedsbeiträge nach § 26 Abs. 5 ParteiG.
11
Am 27. September 1996 ging mit einem auf den 30. September 1996 datierten
Anschreiben der Rechenschaftsbericht der Beigeladenen für das Jahr 1995 bei der
Beklagten ein.
12
Am 7. Oktober 1996 erstellte der Referatsleiter PD 2 (Partei-enfinanzierung) nach
Gesprächen mit der Schatzmeisterei der Beigeladenen einen Vermerk zu den
Rechtsfolgen betreffend die "Versäumung der Antragsfrist nach § 19 Abs. 1 ParteiG auf
Festsetzung und Auszahlung der staatlichen Mittel". Er kommt zu dem Ergebnis, daß es
die Beigeladene versäumt habe, für das Jahr 1996 einen (fristgemäßen) Antrag auf
Festsetzung und Auszahlung der staatlichen Mittel nach § 19 Abs. 1 ParteiG zu stellen.
Der Vermerk stützt sich auf die Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen sowie die
vom Verwaltungsgericht Köln durch das rechtskräftige Urteil vom 28. Februar 1996 - 23
K 22/95 - bestätigte Rechtsansicht, daß der Antrag auf Abschlagszahlung nicht
gleichzeitig auch als Antrag auf Festsetzung gedeutet werden könne.
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Ebenfalls am 7. Oktober 1996 erteilte der dienstvorgesetzte Leiter der Unterabteilung
Parlamentsdienste - Unterabteilungs- leiter - dem Referatsleiter PD 2 Weisungen "für
die Bearbeitung und Behandlung von Anträgen auf Festsetzung und/oder Auszahlung
von Parteifinanzierungsmitteln": Anschreiben, Nachrichten, Begleitvermerke u.ä., die der
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Verwaltung im Verkehr mit politischen Parteien zugingen, seien im Zweifel stets
zugunsten des Absenders auszulegen. Unklare Ausdrucksweisen, Weglassungen oder
Büroversehen seien mit Rücksicht auf den grundlegenden Sachverhalt zu beurteilen,
daß die Parteien in aller Regel gewillt seien, die ihnen gesetzlich zustehenden
Finanzierungsmittel rechtzeitig, vollständig und in der jeweils günstigsten zeitlichen
oder beitragsmäßigen Aufteilung zu beantragen. Zum Beispiel zeige das
Antragsschreiben der Beigeladenen vom 11. Januar 1996 nicht den Willen, auf Teile der
zustehenden Finanzierung zu verzichten. Vielmehr sei davon auszugehen, daß nach
"Einübung" im Anschluß an die Rechtsänderungen nunmehr im Sinne einer Routine der
Eindruck entstanden sei, es genüge, die regelmäßigen Abschläge zu beantragen, an
die sich dann alles weitere im Sinne einer Schlußabrechnung anschließen würde.
In einem weiteren - an den Unterabteilungsleiter gerichteten - Vermerk vom 23. Oktober
1996 hielt der Referatsleiter PD 2 an seiner Auffassung fest, der Beigeladenen könnten
für 1996 keine staatlichen Mittel ausgezahlt werden. Ein schriftlicher Festsetzungsantrag
sei bis zum 30. September 1996 - auch nach eigenem Bekunden der Schatzmeisterei
der Beigeladenen - nicht gestellt worden, sondern nur ein Antrag auf
Abschlagszahlungen. Eine Festsetzung staatlicher Mittel zugunsten der Beigeladenen
würde deshalb eine diametrale Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis bedeuten,
deren Richtigkeit durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 28.
Februar 1996 bestätigt worden sei.
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Unter dem 28. Oktober 1996 unterrichtete der Unterabteilungsleiter die Präsidentin des
Deutschen Bundestages darüber, daß mit dem Schreiben der Beigeladenen vom 11.
Januar 1996 alles Notwendige wie im Vorjahr habe beantragt werden sollen, und zwar
in zusammengefaßter und vereinfachter Form. Bei diesem Versuch der Vereinfachung
seien allerdings Ungenauigkeiten unterlaufen, die im Kontrast zu dem sehr formellen
Schreiben des Vorjahres vom 10. Januar 1995 stünden. Die vom Gesetz geforderte
Schriftlichkeit liege jedoch im Ergebnis vor, wenn man die etwas mißglückten
Formulierungen auf das eigentlich Gewollte hin untersuche und insbesondere die
Bezeichnungen "nach § 21 Parteiengesetz" und "gemäß Parteiengesetz" hinreichend
würdige.
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Mit Schreiben vom 31. Oktober 1996 teilte der Unterabteilungsleiter sodann der
Schatzmeisterei der Beigeladenen mit, nach Durcharbeitung der Akten habe der
Sachverhalt rekonstruiert und festgestellt werden können, daß keine Fristversäumnis
und kein verspäteter Antrag vorgelegen habe, weil er schon längst existiert habe. Dies
alles habe aber für das Referat Parteienfinanzierung Mühe gemacht. Er sehe auch, daß
die diesbezüglichen Bestimmungen überreguliert seien und in einem gewissen
Mißverhältnis zu Sinn und Zweck der Parteienfinanzierung stünden. Solange dies so
sei, sollten Anträge zukünftig so detailliert und in der Form eindeutig eingereicht werden,
daß sie gewissermaßen automatisch den entsprechenden Vorschriften des gesetzlich
festgelegten Verfahrens zugeordnet werden könnten.
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Unter dem 2. Dezember 1996 erstattete der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten im
Auftrag der Präsidentin des Deutschen Bundestages eine "Gutachtliche Äußerung zur
Frage der Rechtzeitigkeit des Antrages der Beigeladenen auf Festsetzung und
Auszahlung der staatlichen Mittel nach § 19 ParteiG für das Jahr 1996". Diese kommt zu
dem Ergebnis, der Antrag der Beigeladenen vom 11. Januar 1996 sei mißverständlich
formuliert und lasse mehrere Ausdeutungen zu. Er bedürfe deshalb der Auslegung
anhand der für Anträge von Beteiligten an einem Verwaltungsverfahren in
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Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Grundsätze. Eine solche am Willen, dem
Interesse und der Zielsetzung orientierte, aber gleichzeitig vom objektiven Gehalt
ausgehende Auslegung führe zu dem Ergebnis, daß mit dem Antrag nicht nur die
Leistung von Abschlagszahlungen, sondern auch die Festsetzung und Auszahlung im
Sinne des § 19 ParteiG beantragt worden sei. Auch die Sicht des Empfängerhorizonts
führe zu dieser Auslegung.
Mit Bescheid vom 4. Dezember 1996 setzte die Präsidentin des Deutschen
Bundestages für die Beigeladene auf den Antrag vom 11. Januar 1996 gemäß § 19 Abs.
2 ParteiG Mittel für das Jahr 1996 in Höhe von 12.374.046,47 DM vorläufig fest.
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Die Berechnung und endgültige Festsetzung der staatlichen Finanzierung für das Jahr
1996 gegenüber allen anspruchsberechtigten Parteien - u.a. auch gegenüber der
Klägerin und der Beigeladenen - erfolgte durch Bescheide der Präsidentin des
Deutschen Bundestages vom 5. Februar 1997. Für die Parteien ergab sich unter
Berücksichtigung ihres jeweiligen Wähler- und Zuwendungsanteils ein
Gesamtanspruch in Höhe von 321.196.301,13 DM. Unter Berücksichtigung der
absoluten Obergrenze von 230.000.000,-- DM (§ 18 Abs. 2 ParteiG) entfiel davon auf die
Beigeladene ein Betrag in Höhe von 12.388.104,49 DM, auf ihren Bundesverband ein
Anteil von 10.481.057,49 DM. Die Bescheide enthielten den Hinweis, daß sie bis zur
Bestandskraft aller auf der Gesamtberechnung fußenden Bescheide unter Vorbehalt
stünden. Die für 1996 festgesetzte staatliche Parteienfinanzierung wurde der
Beigeladenen in vollem Umfang ausgezahlt.
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Mit ihrer bereits am 23. Dezember 1996 zunächst gegen die vorläufigen
Festsetzungsbescheide erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht: Die
Beigeladene habe 1996 zwar Anträge auf Abschlagszahlungen gestellt, es aber
versäumt, die endgültige Festsetzung zu beantragen. Der Beigeladene sei damit für das
Jahr 1996 das gleiche Mißgeschick unterlaufen wie ihr selbst und wie verschiedenen
anderen Parteien in den Vorjahren. In all diesen Fällen habe die Beklagte die
Auffassung vertreten, ein Antrag auf Abschlagszahlungen umfasse nicht den Antrag auf
endgültige Festsetzung. Diese Rechtsauffassung sei auch durch das
Verwaltungsgericht Köln - 23 K 22/95 - bestätigt worden. In Anwendung dieser sonst in
allen Fällen vertretenen Rechtsauffassung hätte die Beklagte auch im Falle der
Beigeladenen die Vergabe staatlicher Mittel der Parteienfinanzierung ablehnen müssen.
Dies habe der Referatsleiter Parteienfinanzierung der Beklagten auch mit vorbildlicher
Klarheit in verschiedenen Vermerken dargelegt. Seine Rechtsauffassung sei im Fall der
Beigeladenen aber offenbar politisch nicht erwünscht gewesen. Daher habe man ein
externes Gutachten eines renommierten Verwaltungsrechtlers eingeholt, das allerdings
als Gefälligkeitsgutachten einzustufen sei. Aus den Verwaltungsvorgängen der
Beklagten folge unzweideutig, daß die Entscheidung, der Beigeladenen staatliche Mittel
zukommen zu lassen, bereits festgestanden habe, bevor das Gutachten vom 2.
Dezember 1996 vorgelegen habe. Die Entscheidung der Beklagten, einen
begünstigenden Verwaltungsakt zugunsten der Beigeladenen in Höhe von rund 12,4
Millionen DM zu erteilen, bedeute eine evident rechtswidrige Mißachtung der übrigen
Parteien und eine krasse Verletzung der Chancengleichheit der politischen Parteien.
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Die Klägerin hat nach Erlaß der endgültigen Festsetzungsbescheide vom 5. Februar
1997 beantragt,
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1. den der Beigeladenen erteilten Festsetzungsbescheid vom 5. Februar 1997 über
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einen endgültigen staat- lichen Teilfinanzierungsbetrag in Höhe von 12.388.104,49 DM
aufzu- heben,
2. die Beklagte unter Abänderung ihres der Klägerin gegenüber erteilten
Festsetzungsbescheides vom 5. Fe- bruar 1997 zu verpflichten, für die Klägerin einen
zusätzlichen Betrag an staatlicher Teilfinanzierung in Höhe von 48.494,94 DM
festzusetzen.
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Die Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen: Die Klage sei nur zulässig, soweit sie sich gegen den der
Klägerin selbst erteilten Bescheid richte. Die Klage sei insoweit aber unbegründet, da
die Beigeladene den erforderlichen Antrag auf Festsetzung staatlicher Finanzierung
gestellt habe, wie sich aus den Ausführungen im Gutachten vom 2. Dezember 1996 im
einzelnen ergebe. Im übrigen sei die Klage unzulässig, soweit sie auf den an die
Beigeladene gerichteten Bescheid ziele. Die Klägerin sei nicht "Dritte" im Verfahren
zwischen Beklagter und Beigeladener. Nicht jeder Bescheid, den die Beklagte im
Rahmen der Parteienfinanzierung erlasse, sei ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung.
Hierfür finde sich kein Anhaltspunkt im Parteiengesetz. Den §§ 18 ff. ParteiG lasse sich
in Anwendung der sogenannten Schutznormtheorie nicht entnehmen, daß durch den
Festsetzungsbescheid gegenüber einer Partei gleichzeitig auch in subjektive Rechte
einer anderen Partei eingegriffen werde. Das Gesetz lege in § 18 ParteiG im einzelnen
fest, welcher Betrag der einzelnen Partei zufließen könne. Irgendeine Abhängigkeit
dieses Geldflusses von der Festsetzung gegenüber einer anderen Partei bestehe nicht.
Selbst wenn sich die Berechnung der Gesamtsumme als fehlerhaft erweise, weil z.B.
eine Partei zu Unrecht mit einbezogen worden sei, sei damit nur ein Berechnungsfaktor
falsch, so daß die Gesamtsumme unter Ausschaltung des Fehlers neu ermittelt werden
müsse. Der gesetzlichen Regelung könne nicht entnommen werden, daß über die
Richtigstellung des Fehlers hinaus der Verwaltungsakt unmittelbar in Rechte der
anderen Parteien eingreife. Hieran ändere sich nichts, wenn die Gesamtsumme der
gestellten Anträge die absolute Obergrenze überschreite. Erweise sich der Ansatz einer
Partei als fehlerhaft, müsse sie aus der Gesamtsumme ausscheiden, was die Ansprüche
der anderen Parteien rechnerisch erhöhe. Dem sei durch Abänderung der ihnen
erteilten Bescheide zu entsprechen. Es sei dann Sache der Beklagten, aus einer
solchen Entscheidung gegebenenfalls die notwendigen Konsequenzen gegenüber der
Beigeladenen gemäß § 48 VwVfG zu ziehen.
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Soweit sich die Klägerin auf den Grundsatz der Chancengleichheit berufe, trage auch
dies den Klageanspruch nicht. Die jetzige Regelung der Parteienfinanzierung gehe von
der Position der jeweiligen Partei selbst aus. An die Stelle der
Wahlkampfkostenerstattung und damit einer die Chancengleichheit möglicherweise
berührenden Finanzierung sei durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 9. April 1992 der Grundsatz getreten, daß der Staat nicht gehindert sei, den
Parteien Mittel für die Finanzierung der ihnen allgemein nach dem Grundgesetz
obliegenden Tätigkeiten zu gewähren. Auch unter Einbeziehung der absoluten
Obergrenze zeige die jetzige Regelung, daß sie die Frage der Chancengleichheit der
Parteien nicht berühre. Die §§ 18 ff. ParteiG regelten lediglich Ansprüche der einzelnen
Parteien, sie bildeten aber kein Gesamtgefüge, das in sich einen zusätzlichen Anspruch
auf Chancengleichheit enthalte.
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Die Beigeladene hat vorgetragen: Ihr Antrag vom 11. Januar 1996 sei zwar
mißverständlich formuliert. Aufgrund der im "Betreff" erfolgten Bezugnahme auf § 21
ParteiG habe aber eine Auslegung dahingehend zu erfolgen, daß sie mit diesem Antrag
die gesamte Finanzierung des Jahres 1996 habe abgewickelt wissen wollen. Ferner
folge aus der Vorlage ihres Rechenschaftsberichts 1995 am 27. September 1996, der für
die Abschlagszahlungen ohne jede Bedeutung sei, daß sie von einem
ordnungsgemäßen Antrag auf endgültige Festsetzung ausgegangen sei. Jedenfalls sei
aufgrund ihrer Korrespondenz mit der Bundestagsverwaltung wegen der Ausweisung
der Mitgliedsbeiträge in den Rechenschaftsberichten ein Hinweis der Beklagten zu
erwarten gewesen, daß ihr Antrag vom 11. Januar 1996 nur auf Abschlagszahlungen
bezogen werde. Sollte sie, die Beigeladene, keinen wirksamen Antrag auf Festsetzung
gestellt haben, könne sich die Beklagte dennoch nicht auf die Fristversäumung berufen,
weil dies gegen Treu und Glauben verstoße. Ihr stehe ein Anspruch auf staatliche
Finanzierung zu, den sie auch regelmäßig und fristgerecht beantragt habe. Sie habe zu
keinem Zeitpunkt Anlaß zu der Annahme gegeben, daß sie erstmals keinen
entsprechenden Antrag habe stellen wollen. Die Parteien hätten einen
verfassungsrechtlichen Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung, der durch ein
einfaches Gesetz, das eine Ausschlußfrist normiere, nicht zu Fall gebracht werden
könne.
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Das Verwaltungsgericht Köln hat durch Urteil vom 19. November 1997 den der
Beigeladenen erteilten Festsetzungsbescheid vom 5. Februar 1997 über einen
endgültigen staatlichen Teilfinanzierungsbetrag in Höhe von 12.388.104,49 DM
aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung ihres der Klägerin erteilten
Festsetzungsbescheides vom selben Tage verpflichtet, für die Klägerin einen weiteren
Betrag an staatlicher Teilfinanzierung in Höhe von 48.494,94 DM festzusetzen; auf die
Entscheidungsgründe wird verwiesen.
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Auf die Anträge der Beklagten und der Beigeladenen hat der Senat durch Beschluß vom
20. Februar 1998 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 19.
November 1997 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs.
2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Mit Beschluß vom selben Tag hat der Senat in dem
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes 5 B 128/98 (NJW 1998, 1909) in
Abänderung des Beschlusses der Vorinstanz vom 10. Dezember 1997 den Antrag der
Klägerin abgelehnt, der Beklagten aufzugeben, von der Beigeladenen die ihrem
Bundesverband für das Jahr 1996 gewährten Mittel zur staatlichen Teilfinanzierung der
Parteien in Höhe von 10.481.057,49 DM unverzüglich vorläufig - bis zur endgültigen
Klärung der Rechtmäßigkeit des an die Beigeladene gerichteten
Festsetzungsbescheides vom 5. Februar 1997 - zurückzufordern. Eine
Verfassungsbeschwerde der Klägerin gegen diesen Beschluß blieb erfolglos (BVerfG,
Beschluß vom 27. Mai 1998 - 2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR 1999, 217).
31
Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens im wesentlichen vor: Die verwaltungsgerichtliche Auslegung des Antrages
der Beigeladenen vom 11. Januar 1996 werde weder dem erkennbaren Willen der
Antragstellerin noch den Regelungen der §§ 18 ff. ParteiG gerecht. Insbesondere
vernachlässige sie entscheidend verfassungsrechtlich gebotene Überlegungen. Die
Auszahlung staatlicher Mittel an die Parteien erfolge nicht nur in deren Interesse. Die
Zuwendungspraxis unterscheide sich insoweit grundlegend von derjenigen im Bereich
des Subventions- oder Sozialrechts. Es gehe nicht um herkömmliche staatliche
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Leistungsverwaltung oder um die Gewährleistung des Existenzminimums oder anderer
Rechtspositionen zugunsten des Einzelnen. Die von der Klägerin zitierten
Entscheidungen aus dem Subventions- oder Sozialrecht sowie aus sonstigen
Bereichen, in denen staatliche Genehmigungen oder Ressourcen kontingentiert
würden, seien deshalb ohne Aussagekraft. Mit ihnen werde die entscheidende
Besonderheit des vorliegenden Verfahrens übergangen. Mit der Staatsfinanzierung der
Parteien werde deren Funktionsfähigkeit im Interesse des demokratischen
Willensbildungsprozesses insgesamt aufrechterhalten. Die Parteien seien für das
demokratische Gemeinwesen von übergeordneter Bedeutung. Als Mittler zwischen
gesellschaftlicher und staatlicher Willensbildung komme ihnen eine zentrale Aufgabe für
die Funktionsfähigkeit der Demokratie im modernen Staat zu. Dieser Aufgabe versuche
das Bundesverfassungsgericht mit seinem austarierten System von Anforderungen an
die Finanzierung der Parteien im Urteil vom 9. April 1992 gerecht zu werden. Der
erforderlichen und angestrebten Mittlerfunktion zwischen gesellschaftlichem und
staatlichem Bereich entspreche eine Balance zwischen staatlicher Finanzierung
einerseits und privater bzw. gesellschaftlicher Förderung andererseits. Die Antragsfrist
stehe zu diesem austarierten Gleichgewicht in einem unübersehbaren
Spannungsverhältnis. Ihr komme eine über die bloße Verwaltungsfunktion - die
Zusammenstellung der Berechnungsgrundlagen für die Mittelverwendung -
hinausgehende Aufgabe nicht zu. In das beschriebene System trage sie jedoch ein
"Element des Zufalls" hinein, das einem ausgewogenen und unbeeinflußten
Meinungswettbewerb im politischen Willensbildungsprozeß entgegenwirken könne. Die
Auslegung des Antrags habe all dies zu berücksichtigen. Sie müsse insbesondere der
Tatsache Rechnung tragen, daß es anders als im Bereich sonstiger
Leistungsverwaltung hier im Interesse des Gemeinwesens liege, Anträge
meistbegünstigend auszulegen. Das angefochtene Urteil genüge diesen Anforderungen
nicht.
Die Berufung sei darüber hinaus auch deshalb begründet, weil das Verwaltungsgericht
zu Unrecht davon ausgehe, daß die Klägerin durch den Bescheid zugunsten der
Beigeladenen in ihren eigenen Rechten verletzt sei. Der Festsetzungsbescheid erzeuge
keine unmittelbaren Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin. Die Rechtswirkung der
Einzelfestsetzungen gegenüber den Parteien beschränke sich vielmehr nach der
Konzeption des Parteiengesetzes ausschließlich auf das jeweilige Verfahren und damit
auf den jeweiligen Antragsteller. Auch die Rückwirkung, die eine Überschreitung der
absoluten Obergrenze mit sich bringe, könne deshalb keine Rechtsverhältnisse
zwischen den anspruchsberechtigten Parteien erzeugen. Soweit sich
Berechnungsfehler gegenüber einzelnen Parteien auf die Höhe der Überschreitung der
absoluten Obergrenze auswirkten, sei dies von einer Partei nur im Rahmen ihres jeweils
eigenen Festsetzungsverfahrens geltend zu machen. Eine drittschützende Wirkung der
Vorschriften des § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 ParteiG zur Antragsfrist lasse sich
insbesondere nicht aus einer Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit
herleiten, wie das Verwaltungsgericht dies in der angefochtenen Entscheidung versucht
habe.
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Die Beigeladene trägt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im
wesentlichen vor: Die angefochtene Entscheidung sei schon deshalb rechtsfehlerhaft,
weil Antragserfordernis und Antragsfrist des § 19 Abs. 1 ParteiG verfassungswidrig
seien und deshalb nach § 18 Abs. 4 ParteiG anspruchsberechtigte Parteien nicht von
der staatlichen Finanzierung ausschließen könnten. Den Parteien stehe unmittelbar aus
der Verfassung ein Anspruch auf staatliche Mittel zu. Dieser verfassungsrechtliche
34
Finanzierungsanspruch könne einfachrechtlich nur dann beschränkt werden, wenn
dafür andere mit Verfassungsrang ausgestattete Belange streiten würden und die
Beschränkung zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und den Parteien zumutbar
sei. Diesen Anforderungen genüge das Antragserfordernis nach § 19 Abs. 1 Satz 1
ParteiG nicht, noch weniger die in § 19 Abs. 1 Satz 2 ParteiG angeordnete
Ausschlußwirkung. Es fehle jeweils schon an einem rechtfertigenden gewichtigen
Grund. Zudem seien beide Maßnahmen nicht erforderlich, weil sich die verfolgten
Zwecke durch mildere Mittel ebenso effektiv erreichen ließen. Auch stehe die Regelung
im Widerspruch zu den sonstigen gesetzlichen Regelungen im Rahmen der staatlichen
Parteienfinanzierung. Schließlich sei eine Ausschlußwirkung nicht zumutbar. In jedem
Fall sei bei der tatsächlich praktizierten Vergabe staatlicher Mittel an die Parteien der
strikte Grundsatz der Chancengleichheit zwischen den Parteien zu wahren. Die
Chancengleichheit verbiete staatliche Eingriffe in die vorgefundene Wettbewerbslage
zwischen den Parteien. Regelungen, die zwischen Parteien differenzierten und einzelne
Parteien im Ergebnis schlechter stellten, seien nur verfassungsmäßig, wenn für die
Differenzierung gewichtige und zwingende Gründe beständen, die dem strikt zu
verstehenden Prinzip der Chancengleichheit die Waage halten könnten und im übrigen
verhältnismäßig seien. Auch diesen Anforderungen genüge § 19 Abs. 1 ParteiG nicht.
Im übrigen enthalte ihr Schreiben vom 11. Januar 1996 an die Beklagte entweder kraft
Gesetzes oder nach Vornahme der verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung den von
§ 19 Abs. 1 ParteiG geforderten Antrag auf Festsetzung und Auszahlung der staatlichen
Mittel für das Jahr 1996. Die Gewährung von Abschlagszahlungen nach § 20 ParteiG
setze nach den dort enthaltenen Tatbestandsmerkmalen voraus, daß u.a. auch der
Antrag nach § 19 Abs. 1 ParteiG abweichend von der dafür eigentlich geltenden Frist
schon zu diesem Zeitpunkt gestellt sei. Mit dem Tatbestandsmerkmal
"anspruchsberechtigte Partei" "inkorporiere" § 20 Abs. 1 Satz 1 ParteiG das
gleichlautende Tatbestandsmerkmal des § 19 Abs. 2 ParteiG. Eine Partei sei
"anspruchsberechtigt" im Sinne von § 19 Abs. 2 ParteiG erst dann, wenn sie den Antrag
nach § 19 Abs. 1 ParteiG gestellt habe. Dieses gesetzliche Verhältnis zwischen § 19
und § 20 ParteiG führe dazu, daß in dem Antrag auf Gewährung von
Abschlagszahlungen zugleich auch der jedenfalls konkludent gestellte Antrag auf
Festsetzung der staatlichen Mittel zu erblicken sei. Jedenfalls sei die gebotene
Auslegung von Anträgen im Zusammenhang mit staatlicher Parteienfinanzierung
verfassungsrechtlich zugunsten der Parteien vorgeprägt. Selbst die vom
Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung nach einfachrechtlichen Maßstäben
müsse zu dem Ergebnis führen, daß sie mit ihrem Schreiben vom 11. Januar 1996 auch
den Antrag nach § 19 ParteiG gestellt habe. Verpflichtungs- und Anfechtungsklage
müßten schließlich auch schon deshalb abgewiesen werden, weil es an einem
Anspruch der Klägerin auf Zuweisung zusätzlicher Mittel ebenso fehle wie an einer
Verletzung in eigenen Rechten durch den ihr - der Beigeladenen - erteilten
Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 5. Februar 1997.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
36
Die Klägerin beantragt,
37
die Berufungen zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten
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und der Beigeladenen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
Gerichtsakte und die von der Beklagten zum Verfahrenskomplex 5 A 5682/97 bis 5 A
5684/97 vorgelegten Verwaltungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 und 2 zum Verfahren 5 A
5682/97, Beiakten Hefte 1 und 2 zum Verfahren 5 A 5683/97 und Beiakten Hefte 1 bis 3
zum Verfahren 5 A 5684/97) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
41
Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang begründet. Die Klage hat entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts nur zum Teil Erfolg.
42
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, unter Abänderung des
der Klägerin erteilten Festsetzungsbescheides vom 5. Februar 1997 zu deren Gunsten
einen zusätzlichen Betrag an staatlicher Teilfinanzierung in Höhe von 48.494,94 DM
festzusetzen; es hat insoweit den der Beigeladenen erteilten Festsetzungsbescheid vom
5. Februar 1997 zu Recht hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 48.494,94 DM
aufgehoben. Die Aufhebung des Bescheides vom 5. Februar 1997 hinsichtlich des
darüber hinausgehenden Betrages in Höhe von 12.339.609,55 DM ist hingegen zu
Unrecht erfolgt.
43
I. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klage nur teilweise zulässig.
Mangels Klagebefugnis ist sie unzulässig, soweit mit ihr die Aufhebung des der
Beigeladenen erteilten Festsetzungsbescheides über einen Betrag von 48.494,94 DM
hinaus begehrt wird.
44
1. Die Klage ist zulässig, soweit die Klägerin die Festsetzung weiterer Mittel zu ihren
Gunsten in Höhe von 48.494,94 DM begehrt und soweit sie in dieser Höhe die
Mittelfestsetzung zu Gunsten der Beigeladenen anficht.
45
a) Die Klägerin begehrt mit ihrem (Verpflichtungs-)Antrag zu 2. die Festsetzung weiterer
Mittel der staatlichen Parteienfinanzierung für das Jahr 1996 und macht insoweit unter
substantiierter Darlegung einer möglichen Rechtsverletzung geltend, durch eine
fehlerhafte Festsetzung der Mittel in eigenen Rechten aus §§ 18 Abs. 4, 19 Abs. 2, Abs.
6 Parteiengesetz (ParteiG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994
(BGBl. I S. 149) verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Es ist nicht von vornherein
ausgeschlossen, daß sich die von der Klägerin gerügte Versäumung der Antragstellung
durch die Beigeladene zugunsten der Klägerin bei der Berechnung der ihr zustehenden
Mittel auswirkt.
46
b) Soweit die Klägerin mit ihrem (Anfechtungs-)Antrag zu 1. erreichen will, daß der der
Beigeladenen erteilte Festsetzungsbescheid vom 5. Februar 1997 insgesamt
aufgehoben wird, ist sie (nur) hinsichtlich des mit ihrem Verpflichtungsantrag geltend
gemachten Teilbetrages in Höhe von 48.494,94 DM klagebefugt. Insoweit macht sie
eine Verletzung in eigenen Rechten geltend. In Höhe des genannten Teilbetrages ist
der Anfechtungsantrag der Klägerin lediglich Spiegelbild ihres Verpflichtungsantrages
und ergänzt ihn in zulässiger Weise.
47
Der Verwaltungsakt, in dem die Höhe der staatlichen Mittel nach § 19 Abs. 2 ParteiG
48
festgesetzt wird, ist ein Verwaltungsakt, der entgegen der Rechtsauffassung der
Beklagten und der Beigeladenen Rechtswirkungen über den jeweils unmittelbar
Beteiligten hinaus auch gegenüber den anderen Parteien als "Dritten" entfaltet.
Vgl. Morlok, Unnötige Förmelei oder gebotene Formenstrenge?, DVBl. 1999, 277.
49
Die begehrte Begünstigung der Klägerin und die erstrebte Belastung der Beigeladenen
sind "stoffgleich",
50
Laubinger, Der Verwaltungsakt mit Drittwirkung, 1967, S. 29,
51
bzw. "wechselbezüglich",
52
Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 34 ff.
53
Dies folgt daraus, daß der an die Parteien ausgeschüttete Betrag gemäß § 18 Abs. 2
ParteiG durch die Festlegung einer absoluten Obergrenze summenmäßig begrenzt ist.
Aufgrund dieser auch im Jahr 1996 relevanten sog. Deckelung ist die Höhe der Mittel,
die eine Partei erhält, abhängig von der Höhe der Mittel, die an die anderen Parteien
auszuzahlen sind. § 19 Abs. 6 Satz 2 ParteiG bestimmt für den Fall, daß die Summe der
errechneten staatlichen Mittel die absolute Obergrenze überschreitet, daß der Anspruch
der Parteien auf staatliche Mittel nur in der Höhe besteht, der ihrem Anteil an dieser
Summe entspricht. Wegen dieser Wechselbezüglichkeit der den einzelnen Parteien
zustehenden Finanzierungsbeiträge setzt die erfolgreiche Verwirklichung des
Verpflichtungsbegehrens der Klägerin voraus, daß der der Beigeladenen erteilte
Festsetzungsbescheid in gleicher Höhe angefochten wird. Der Anfechtungsantrag der
Klägerin sichert mithin in Verfolgung einer eigenen Rechtsposition die Durchsetzbarkeit
des Verpflichtungsantrages im Erfolgsfalle; er ist - soweit es um den Teilbetrag in Höhe
von 48.494,94 DM geht - darauf gerichtet, daß unter Beachtung und Wahrung der
absoluten Obergrenze des § 18 Abs. 2 ParteiG Finanzmittel in Höhe des Betrages, der
der Klägerin möglicherweise zusätzlich zusteht, zur Verfügung stehen. Entgegen der
Auffassung der Klägerin und des Verwaltungsgerichts bedarf es insoweit nicht der
Anfechtung des gesamten Bescheids. Zwar beruhen die den einzelnen Parteien
erteilten Bescheide auf einer einheitlichen Berechnung. Diese ist aber lediglich Vorfrage
für die Festsetzung der konkreten Finanzierungsmittel.
54
2. Die Klägerin ist hingegen nicht klagebefugt, soweit sie mit ihrem Antrag zu 1. den der
Beigeladenen erteilten Festsetzungsbescheid über den Betrag von 48.494,94 DM
hinaus in der Gesamthöhe von 12.388.104,49 DM angefochten hat. Bestimmt - wie im
Streitfall - das Gesetz nichts anderes, ist eine Klage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur
zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine
Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Für
Anfechtungsklagen hat die Rechtsprechung diese Anforderungen dahin konkretisiert,
daß eine Verletzung eigener Rechte des Klägers durch den angefochtenen
Verwaltungsakt nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren
Betrachtungsweise ausgeschlossen erscheinen darf, so daß sich das Begehren als
unzulässige Popularklage darstellt,
55
Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 1973 - VII C 6.72 -, BVerwGE 44, 1, 3.
56
So liegen die Dinge hier. Die Klägerin macht sich mit ihrem Anfechtungsantrag, soweit
57
er nicht für die eigene Mittelfestsetzung und -auszahlung von Bedeutung ist, zum
Sachwalter einer ordnungsgemäßen Festsetzung der staatlichen Parteienfinanzierung
für das Jahr 1996, ohne in eigenen Rechten betroffen zu sein. Etwas anderes folgt nicht
aus dem durch Art. 3 Abs. 1 GG, 21 Abs. 1 GG und Art. 38 Abs. 1 GG grundgesetzlich
garantierten Recht aller Parteien auf Wahrung der Chancengleichheit.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1996 - 2 BvF 1/65 -, BVerfGE 20, 56 (116); Urteil vom 19.
Juli 1966 - 2 BvE 1/62 und 2/64 -, BVerfGE 20, 119 (133); Beschluß vom 9. März 1976 -
2 BvR 89/74 -, BVerfGE 41, 399 (413); Urteil vom 29. September 1990 - 2 BvE 1, 3, 4/90,
2 BvR 1247/90 -, BVerfGE 82, 322 (337); Urteil vom 9. April 1992 - 2 BvE 2/89 -,
BVerfGE 85, 264 (295); Beschlüsse vom 17. November 1994 - 2 BvR 1/93 -, BVerfGE
91, 262, 269 und - 2 BvR 2, 3/93 -, BVerfGE 91, 276, 286; Beschluß vom 27. Mai 1998 -
2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR 1999, 217, 218, jeweils m.w.N.
58
Die Klägerin selbst ist nicht Adressatin des von ihr angefochtenen Verwaltungsaktes.
Sein Fortbestand hat auf die sie betreffende (Neu-)Festsetzung der Mittel nach § 19 Abs.
2 ParteiG außerhalb ihres Verpflichtungsantrags zu 2. und der für zulässig erachteten
Teilanfechtung zu 1. keinen Einfluß. Eine Verletzung eigener Rechte käme daher nur
dann in Betracht, wenn die möglicherweise fehlerhafte Mittelfestsetzung gegenüber der
Beigeladenen gegen eine Norm verstieße, die nicht ausschließlich im Interesse der
Allgemeinheit erlassen wurde, sondern - zumindest auch - dem Schutz der Interessen
einzelner an dem betreffenden Rechtsverhältnis nicht beteiligter Dritter dient, sog.
drittschützende Norm.
59
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 1968 - VII C 122.66 -, BVerwGE 30, 191, 197 f.;
Urteil vom 23. März 1982 - 1 C 157.79 -, BVerwGE 65, 167, 171; Urteil vom 16. März
1989 - 4 C 36.85 -, BVerwGE 81, 329, 334, jeweils m.w.N.
60
Dagegen genügte nicht eine Verletzung von Normen, durch die der einzelne Dritte nur
aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird, die also reine
Reflexwirkungen haben.
61
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 9. Januar 1991 - 1 BvR 207/87 -, BVerfGE 83, 182, 194;
BFH, Urteil vom 15. Oktober 1997 - I R 10/92 -, NJW 1999, 107, 109, m.w.N.
62
Eine derartige Schutznormverletzung liegt hier nicht vor. Im vorliegenden Fall ist
entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht allgemein die Frage zu beantworten, ob
das Recht der Parteien auf Chancen- und Wettbewerbsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG
und 21 GG als Schutznorm von Verfassungsrang generell dritten Parteien unmittelbar
die Möglichkeit eröffnet, Mittelfestsetzungen konkurrierender Wettbewerber anzufechten.
Dies mag im Einzelfall, etwa bei einer offenkundig willkürlichen Mittelvergabe, der Fall
sein. Im übrigen ist von folgendem auszugehen: Das Recht der politischen Parteien auf
Chancengleichheit ergibt sich aus der Bedeutung, die der Freiheit der Parteigründung
und dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie zukommen. Es gilt nicht
nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung und den
Wettbewerb der Parteien um die Erlangung von Spenden. Es gilt schließlich namentlich
für die Gewährung staatlicher Finanzierungshilfen an die Parteien.
63
Vgl. BVerfG, Urteil vom 9. April 1992, a.a.O., S. 297.
64
In letzterem Bereich hat der verfassungsrechtliche Anspruch der Parteien auf
65
Chancengleichheit seine einfachgesetzliche Konkretisierung und Ausgestaltung durch
die Vorschriften der §§ 18 ff. ParteiG erfahren.
Vgl. zum Anwendungsvorrang des einfachen Rechts bei der Ermittlung des konkreten
Schutzbereichs Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 42 Rdnr. 383 f.
66
In Anwendung dieser Vorschriften ist vorliegend von entscheidungserheblicher
Bedeutung, ob die Mittelfestsetzung gegenüber der Beigeladenen deshalb rechtswidrig
ist, weil es an einem nach § 19 Abs. 1 Satz 1 ParteiG gebotenen Antrag der
Beigeladenen auf Festsetzung fehlt. Dagegen steht außer Rede, daß die Beigeladene
im übrigen materiell anspruchsberechtigt wäre. Dem Antragserfordernis nach § 19 Abs.
1 Satz 1 ParteiG kommt jedoch - wie die Beklagte und die Beigeladene im Ergebnis
zutreffend dargelegt haben - eine drittschützende Wirkung nicht zu. § 42 Abs. 2 VwGO
geht grundsätzlich vom Bild einer materiellen Betroffenheit des Klägers aus.
Verfahrensrechte begründen regelmäßig keinen subjektiven (Dritt-)Rechtsschutz.
Ausnahmsweise kann sich die Klagebefugnis auch aus einem Verfahrensverstoß
ergeben, wenn eine dem Schutz des Klägers dienende Norm des
Verwaltungsverfahrensrecht verletzt worden ist. Von solcher Qualität ist eine
Verfahrensvorschrift aber nur dann, wenn sie nicht nur der Ordnung des
Verfahrensablaufs, insbesondere einer umfassenden Information der
Verwaltungsbehörde, dient, sondern dem betroffenen Dritten in spezifischer Weise und
unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, selbständig durchsetzbare
verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren will, sei es im Sinne eines Anspruchs auf
die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens überhaupt, sei es im Sinne eines
Anspruchs auf die ordnungsgemäße Beteiligung an einem (anderweitig) eingeleiteten
Verwaltungsverfahren. Die Frage, ob eine solche verfahrensrechtliche Rechtsposition
im Rahmen einer konkreten gesetzlichen Regelung anzunehmen ist, beantwortet sich
dabei nicht nach der Art und Beschaffenheit desjenigen materiellen Rechts, auf das sich
das vorgeschriebene Verwaltungsverfahren bezieht, sondern allein nach der
Zielrichtung und dem Schutzzweck der Verfahrensvorschrift selbst. Aus ihrem
Regelungsgehalt muß sich ergeben, daß die Regelung des Verwaltungsverfahrens mit
einer eigenen Schutzfunktion zugunsten einzelner ausgestattet ist, und zwar in der
Weise, daß der Begünstigte unter Berufung allein auf einen ihn betreffenden
Verfahrensmangel, d.h. ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache,
die Aufhebung bzw. den Erlaß einer verfahrensrechtlich gebotenen behördlichen
Entscheidung gerichtlich soll durchsetzen können.
67
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1973 - IV C 50.71 -, BVerwGE 44, 235, 240;
Urteil vom 15. Januar 1982 - 4 C 26.78 -, BVerwGE 64, 325, 331 f.
68
In Anwendung dieser Grundsätze hat die höchstrichterliche Rechtsprechung einen
derartigen Drittschutz bislang nur bei bestimmten "absoluten Verfahrensrechten"
69
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 4 C 7.88 -, BVerwGE 87, 62
70
und bei "relativen Verfahrensrechten" angenommen, die eine Klagebefugnis (nur) im
Zusammenhang mit einer materiellen Rechtsbetroffenheit des Klägers begründen
können.
71
Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1986 - 7 C 29.85 -, BVerwGE 75, 285, 291
f.; vgl. weiter Schmidt-Preuß, a.a.O., S. 520 ff.; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-
72
Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 73 f.
Das Antragserfordernis nach § 19 Abs. 1 Satz 1 ParteiG läßt sich diesen Kategorien
nicht zuordnen. Es dient weder nach seinem Wortlaut noch nach seiner Bedeutung für
das Festsetzungsverfahren dem Schutz Dritter; es soll vielmehr vorrangig in Verbindung
mit der Ausschlußfrist die Beklagte in die Lage versetzen, ab einem bestimmtem
Zeitpunkt die Mittel der staatlichen Teilfinanzierung gegenüber der antragstellenden
Partei nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 18 ff. Partei festzusetzen.
73
Vgl. auch Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer
Gesetze vom 28. September 1993, BT-Drs. 12/5774, S. 14.
74
Soweit die Norm darüber hinaus auf eine zügige Auszahlung der staatlichen Mittel an
alle Parteien zielt, ist dieser Schutzzweck der Norm hier nicht berührt, da die Klägerin
die auf sie entfallenden Mittel fristgerecht erhalten hat.
75
Das Antragserfordernis bezweckt im übrigen nicht - wie dies für Verfahrensrechte mit
Drittschutz charakteristisch ist -
76
vgl. Wahl/Schütz, a.a.O., § 42 Abs. 2 Rdnr. 78
77
vorgezogenen Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren und räumt daher "Dritten" auch
keine Anhörungs- oder Beteiligungsrechte ein. Antragserfordernis und Antragsfrist
bestehen insgesamt nicht im Interesse unbeteiligter dritter Parteien, sondern lösen ihnen
gegenüber bloße Reflexwirkungen aus.
78
II. Die Klage ist demgegenüber zulässig - wie dargelegt - und auch begründet, soweit
sie auf eine weitergehende Zahlung staatlicher Mittel gerichtet ist.
79
Die Klägerin kann nach §§ 18 ff. ParteiG über den mit Bescheid der Beklagten vom 5.
Februar 1997 festgesetzten Betrag hinaus weitere Mittel staatlicher Parteienfinanzierung
für das Jahr 1996 in Höhe von 48.494,94 DM beanspruchen (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO).
80
1. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 ParteiG gewährt der Staat den Parteien Mittel als
Teilfinanzierung der allgemein ihnen nach dem Grundgesetz obliegenden Tätigkeit.
Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Mittel bilden nach § 18 Abs. 1 Satz 2 ParteiG
der Erfolg, den eine Partei bei den Wählern bei Europa-, Bundestags- und
Landtagswahlen erzielt, die Summe ihrer Mitgliedsbeiträge sowie der Umfang der von
ihr eingeworbenen Spenden. Dabei erhalten die Parteien gemäß § 18 Abs. 3 ParteiG
jährlich im Rahmen der staatlichen Teilfinanzierung einen bestimmten festgelegten
Betrag für die auf sie entfallenden Stimmen sowie für die Zuwendungen, die sie erhalten
haben. Ein Anspruch besteht gemäß § 18 Abs. 4 ParteiG nur für die Parteien, die nach
dem endgültigen Wahlergebnis der letzten Wahl einen bestimmten Prozentsatz - bei
einer Europa- oder Bundestagswahl 0,5 vom Hundert - der für Listen abgegebenen
gültigen Stimmen erreicht haben. Nach § 18 Abs. 5 Satz 1 ParteiG darf die Höhe der
staatlichen Teilfinanzierung bei einer Partei die Summe ihrer jährlich selbst
erwirtschafteten Einnahmen nicht überschreiten (relative Obergrenze). Die Summe der
Finanzierung aller Parteien darf gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 ParteiG die in § 18 Abs. 2
ParteiG normierte absolute Obergrenze von 230.000.000,-- DM nicht überschreiten.
Schließlich sind Festsetzung und Auszahlung der Mittel von den Parteien nach § 19
81
Abs. 1 Satz 1 ParteiG schriftlich bis zum 30. September des laufenden Jahres zu
beantragen. Hiervon ausgehend kann die Klägerin unstreitig den mit Bescheid der
Beklagten vom 5. Februar 1997 zu ihren Gunsten festgesetzten Betrag für das Jahr 1996
beanspruchen.
Darüber hinaus steht ihr der mit dem Verpflichtungsantrag geltend gemachte weitere
Betrag in Höhe von 4.900,87 DM zu, weil die Beklagte die Beigeladene zu Unrecht in
die staatliche Finanzierung für das Jahr 1996 einbezogen hat. Die Beigeladene hat den
nach § 19 Abs. 1 Satz 1 ParteiG erforderlichen Antrag auf Festsetzung der staatlichen
Mittel für das Jahr 1996 nicht bis zum 30. September 1996 gestellt, so daß sie bei der
Mittelfestsetzung und -auszahlung für das Jahr 1996 "unberück-sichtigt" bleibt (§ 19
Abs. 1 Satz 2 ParteiG). Sie war damit nicht anspruchsberechtigt im Sinne des § 19 Abs.
2 und Abs. 3 ParteiG. Als spiegelbildliche Rechtsfolge erhöht sich der der Klägerin
gemäß § 19 Abs. 6 Satz 2 ParteiG zustehende Anteil an der absoluten Obergrenze von
230.000.000,-- DM um die von ihr begehrte Summe von 48.494,94 DM.
82
Diesem Begehren steht die Regelung des § 23 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 ParteiG nicht
entgegen. Sie bestimmt nur für den - hier nicht einschlägigen - Fall, in dem eine andere
Partei endgültig ihrer Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung nicht nachgekommen
ist, daß die Festsetzungen und Zahlungen an die übrigen Parteien unverändert bleiben.
Welche Gründe den Gesetzgeber zu dieser Regelung im einzelnen veranlaßt haben,
läßt sich den Materialien nicht entnehmen.
83
Vgl. BT-Drucksache 12/6090, S. 9, 20 ff.
84
Offenkundig sollte sichergestellt werden, daß nicht zu einem derart späten Zeitpunkt das
gesamte Festsetzungsverfahren wieder aufgegriffen werden muß. Der Vorschrift läßt
sich jedenfalls ein allgemeiner Rechtsgedanke, der auch auf die hier allein
interessierende Fallkonstellation des § 19 Abs. 1 ParteiG entgegen der ständigen Praxis
der Beklagten zu übertragen wäre, nicht entnehmen.
85
2. Zur Überzeugung des Senats steht in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht
fest, daß die Beigeladene den nach § 19 Abs. 1 Satz 1 ParteiG - einer
verfassungsgemäßen Verfahrensregelung - erforderlichen (jährlichen) Antrag auf
Festsetzung und Auszahlung der Mittel für 1996 nicht gestellt hat, ohne daß es auf die
von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Beweis gestellten
Tatsachen ankommt. Die Beigeladene hat unstreitig einen ausdrücklich auf
"Festsetzung" der Mittel für 1996 gerichteten Antrag - wie sie dies noch im Jahre 1995
getan hatte - nicht gestellt. Ein solcher Antrag kann auch nicht in ihrem Schreiben vom
11. Januar 1996 gesehen werden, das sich nach seinem - eindeutigen - Wortlaut
ausschließlich auf die Beantragung von Abschlagszahlungen bezog. Dieser Antrag
nach § 20 Abs. 2 ParteiG auf Gewährung von Abschlagszahlungen nach § 20 Abs. 1
ParteiG enthielt weder von Gesetzes wegen zugleich den Antrag auf Festsetzung und
Auszahlung nach § 19 Abs. 1 ParteiG, noch läßt er sich - auch unter Berücksichtigung
der damaligen Praxis der Beklagten zur Behandlung von Anträgen nach § 20 Abs. 1
ParteiG - in dieser Hinsicht auslegen. Dagegen sprechen auch die sonstigen
tatsächlichen Umstände. Im einzelnen ist von folgendem auszugehen:
86
a) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist weder das in § 19 Abs. 1 Satz 1
ParteiG verankerte Antragsprinzip noch die Antragsfrist des § 19 Abs. 1 Satz 2 ParteiG
verfassungswidrig, soweit durch diese Regelungen die nach § 18 Abs. 4 ParteiG
87
anspruchsberechtigten Parteien von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen
werden. Selbst wenn - was vorliegend keiner Klärung bedarf - ein Leistungsanspruch
der Parteien auf staatliche Finanzierung über die Institutsgarantie des Art. 21 GG hinaus
unmittelbar aus der Verfassung herzuleiten wäre, würden Antragserfordernis und
Antragsfrist nicht unverhältnismäßig in ein solches Recht eingreifen. Die Antragsfrist
dient dem Zweck, die Festsetzung und Auszahlung der staatlichen
Parteienfinanzierungsmittel in einem für alle Beteiligten zumutbaren Zeitraum
abzuschließen. Das Antragserfordernis und die Antragsfrist dienen zudem - wie der
Unterabteilungsleiter Parlamentsdienste des Deutschen Bundestages in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat - dem sinnvollen Ziel, bis zu dem
vorgeschriebenen Zeitpunkt einen genauen Überblick über die angemeldeten
Ansprüche zu erlangen; im Hinblick auf die Beachtung der absoluten Obergrenze ist die
Beantragung der Ansprüche unverzichtbar. Der Ausschluß von nicht fristgemäß
beantragten Ansprüchen ist durch den rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit
und des Rechtsfriedens gerechtfertigt.
Vgl. dazu auch BVerfG, Beschluß vom 15. Dezember 1982 - 2 BvR 893/79 -, NJW 1984,
2148; Beschluß vom 8. Oktober 1985 - 1 BvL 17, 19/83 -, BVerfGE 70, 278.
88
Das Gesetz stellt auch keine unzumutbaren Anforderungen an den Antrag, der lediglich
einmal jährlich bis zum 30. September schriftlich zu stellen ist. Es handelt sich insoweit
nicht - wie die Beklagte meint - um ein "Element des Zufalls", sondern um eine
verfassungsgemäße Verfahrensausgestaltung hinsichtlich des "Wie" der staatlichen
Parteienfinanzierung, die der Beklagten die ordnungsgemäße Mittelgewährung und -
vertei-lung überhaupt erst ermöglicht. Sie ist nicht allein deshalb verfassungswidrig, weil
es die Beigeladene - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - aus allein von ihr zu
vertretenden Gründen versäumt hat, einen den Anforderungen des § 19 Abs. 1 ParteiG
genügenden Antrag für das Jahr 1996 zu stellen.
89
b) Der Antrag der Klägerin nach § 20 Abs. 2 ParteiG auf Abschlagszahlungen nach § 20
Abs. 1 ParteiG umfaßt nicht schon von Gesetzes wegen zugleich den Antrag auf
endgültige Festsetzung und Auszahlung der staatlichen Mittel nach § 19 Abs. 1 ParteiG.
90
Vgl. VG Köln, Urteil vom 28. Februar 1996 - 23 K 22/95 -; VG München, Urteil vom 18.
Dezember 1996 - M 24 K 95.404 -.
91
Insoweit ist unerheblich, ob eine derartige gesetzliche Regelung möglich oder sogar
sinnvoll wäre, weil eine Partei, die Abschlagszahlungen beansprucht, regelmäßig auch
den Willen haben wird, die endgültige Festsetzung anzustreben, um die durch
Abschlagszahlungen gewährten Mittel endgültig behalten zu dürfen.
92
Vgl. zu Reformüberlegungen Bericht der Kommission unabhängiger Sachverständiger
zur Parteienfinanzierung vom 17. März 1999, S. 51 ff.
93
Es bedarf ferner keiner Erwägung, ob und welchen Sinn es machen kann, daß eine
Partei ausschließlich einen Antrag auf Abschlagszahlungen stellt. Maßgeblich ist
vielmehr, daß der Gesetzgeber in der geltenden Gesetzesfassung das
Festsetzungsverfahren nach § 19 ParteiG einerseits und die Modalitäten der
Abschlagszahlung nach § 20 ParteiG andererseits hinsichtlich des Verfahrens
einschließlich der Antragsfristen sowie der materiellen Voraussetzungen getrennt
geregelt hat und daß er jedes dieser beiden Verfahren durch einen gesonderten Antrag -
94
§ 19 Abs. 1 und § 20 Abs. 2 ParteiG - eingeleitet wissen will. Das Parteiengesetz
schreibt für die endgültige Festsetzung und Auszahlung der Mittel in § 19 ParteiG
einerseits sowie für die Gewährung von Abschlagszahlungen in § 20 ParteiG
andererseits zwei getrennte Verwaltungsverfahren mit unterschiedlichen Antragsfristen
vor. Auch die materiellen Voraussetzungen der Mittelfestsetzung unterscheiden sich,
denn die Gewährung von Abschlagszahlungen hängt von den Festsetzungen des
Vorjahres ab, während die endgültige Festsetzung die Wahlergebnisse im laufenden
Jahr sowie Zuwendungen nach Maßgabe des § 18 Abs. 3 ParteiG berücksichtigt. In
diesem Zusammenhang kann die Beigeladene nicht mit Erfolg geltend machen, § 20
Abs. 1 Satz 1 ParteiG greife mit dem Tatbestandsmerkmal "anspruchsberechtigte Partei"
das gleichlautende Tatbestandsmerkmal des § 19 Abs. 2 ParteiG auf und setze damit
letztlich voraus, daß im Zeitpunkt der Beantragung von Abschlagszahlungen bereits der
Antrag nach § 19 Abs. 1 ParteiG gestellt sei. § 20 Abs. 1 ParteiG geht zwar davon aus,
daß die Parteien regelmäßig am Finanzierungsprozeß teilnehmen. Das
Normverständnis der Beigeladenen würde aber den unterschiedlichen
Fristbestimmungen in § 19 und § 20 ParteiG jede Grundlage entziehen. Es würde
zudem unberücksichtigt lassen, daß mit "Anspruchsberechtigung" in § 20 Abs. 1 ParteiG
eine voraussichtliche Berechtigung gemeint ist, wie sich unmittelbar aus § 20 Abs. 3
ParteiG ergibt, der den Fall regelt, daß "ein Anspruch nicht entstanden ist". Etwas
anderes folgt ferner nicht aus der Überlegung, die Festsetzung nach § 19 Abs. 2 ParteiG
trete lediglich an die Stelle einer vierten Abschlagszahlung. Diese Sichtweise wird
weder der gesetzlichen Systematik noch dem Sinn des Festsetzungsverfahrens gerecht.
Der Gesetzgeber hat - in erster Linie - ein Festsetzungsverfahren nach Maßgabe des §
19 ParteiG vorgesehen und lediglich zusätzlich im Vorgriff auf die zu erwartenden
Parteienfinanzierungsmittel die Möglichkeit eröffnet, drei Abschlagszahlungen zu
beantragen. Mit der Festsetzung nach § 19 Abs. 2 ParteiG wird - unter Anrechnung der
Abschlagszahlungen - die Gesamtsumme für das Kalenderjahr abschließend
festgesetzt und zugleich der Restbetrag ausgezahlt. Hierdurch ist die Unterscheidung
zwischen den Abschlagszahlungen auf der einen und der endgültigen Festsetzung der
Mittel auf der anderen Seite nicht aufgegeben, sondern lediglich die notwendige
Verzahnung hergestellt. Mit der Differenzierung hat der Gesetzgeber schließlich, wie
das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, die schon im Parteiengesetz in der vor
dem 1. Januar 1994 geltenden Fassung verankerte Unterscheidung zwischen
Festsetzung und Abschlagszahlungen ohne erkennbare Änderungsabsicht
übernommen, wenn auch die damalige Wahlkampfkostenerstattung in der Sache anders
ausgestaltet war.
c) Nach seinem objektiven Erklärungsinhalt kann das Schreiben vom 11. Januar 1996
aus Empfängersicht auch nicht dahin ausgelegt werden, daß die Beigeladene, die im
Jahre 1995 sorgfältig zwischen den beiden Anträgen unterschieden hatte, neben dem
Antrag auf Abschlagszahlungen zugleich einen Antrag auf Festsetzung und Auszahlung
der staatlichen Mittel nach § 19 Abs. 1 ParteiG stellen wollte. Das Schreiben vom 11.
Januar 1996 läßt einen solchen Willen der Beigeladenen nicht erkennen. Weder dem
Wortlaut des Schreibens noch den Begleitumständen ist ein solcher Erklärungsinhalt zu
entnehmen. Der Wortlaut des Schreibens weist - ungeachtet seiner verkürzten
Formulierungen - eindeutig und ausschließlich auf das Begehren der Beigeladenen hin,
Abschlagszahlungen erhalten zu wollen. Sowohl im Betreff des Schreibens als auch im
Text selbst ist allein von Abschlagszahlungen die Rede. Demgegenüber enthält das
Schreiben an keiner Stelle auslegungsfähige Hinweise oder Formulierungen, die Anlaß
zu der Annahme eines Antrages nach § 19 Abs. 1 ParteiG für das Jahr 1996 geben
könnten. Indizien für einen Festsetzungsantrag lassen sich auch nicht darin erblicken,
95
daß in dem Schreiben vom 11. Januar 1996 von "Abschlags-zahlungen nach § 21
ParteiG" bzw. von der Bitte um Übermittlung der Anschriften pp. der Landesverbände
"im Rahmen Ihrer Mitteilung nach § 21 ParteiG" die Rede ist. § 21 ParteiG regelt sowohl
für die Mittel nach § 18 ParteiG als auch für die Abschlagszahlungen nach § 20 ParteiG
das Verfahren der Bereitstellung von Bundesmitteln und das Auszahlungsverfahren. Im
Zusammenhang mit den beigefügten Anlagen konnte die Erwähnung des § 21 ParteiG
im Schreiben vom 11. Januar 1996 nur dahin verstanden werden, daß auf das
Auszahlungsverfahren für die beantragten Abschlagszahlungen hingewiesen wurde.
Für dieses Verständnis spricht auch die Formulierung "Abschlagszahlungen nach § 20,
jeweils i.V.m. § 21 ParteiG" in den Anlagen. Allein der Umstand, daß das
Auszahlungsverfahren für Abschlagszahlungen und (endgültig) festgesetzte
Parteifinanzierungsmittel gleich geregelt ist, rechtfertigt kein anderes
Auslegungsergebnis. Dasselbe gilt, soweit in dem Schreiben vom 11. Januar 1996 die
allgemeine Formulierung "gemäß Parteiengesetz" verwandt wird. Diese Auslegung wird
schließlich auch durch weitere Begleitumstände gestützt. Der Zeitpunkt der
Antragstellung der Beigeladenen Mitte Januar 1996 sowie der nachfolgende Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Blick auf die mögliche Versäumung der für
die erste Abschlagszahlung des Jahres 1996 maßgeblichen Antragsfrist (15. Januar
1996, vgl. § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 ParteiG) weisen darauf hin, daß allein
das Begehren auf Abschlagszahlungen nach § 20 Abs. 1 ParteiG im Blick war.
d) Auch das weitere Geschehen bis zum Ablauf der Frist des § 19 Abs. 1 Satz 1 ParteiG
am 30. September 1996 läßt nicht die Auslegung zu, daß die Beigeladene auf der
Grundlage und in Ergänzung ihres Antrages auf Abschlagszahlungen den notwendigen
Festsetzungsantrag nach § 19 Abs. 1 ParteiG gestellt hat.
96
(1) Ein Antrag der Beigeladenen nach § 19 Abs. 1 ParteiG auf Festsetzung kann
zunächst nicht in ihrem Ende März 1996 einsetzenden Schriftwechsel mit der Beklagten
über die von ihr beabsichtigte Änderung der Ausweisung der Mitgliedsbeiträge nach §
26 Abs. 5 ParteiG in künftigen Rechenschaftsberichten erblickt werden. Diese
Korrespondenz stand in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem
Festsetzungsverfahren für das Jahr 1996, sondern befaßte sich allgemein mit
grundsätzlichen Fragen der ordnungsgemäßen Erstellung der Rechenschaftsberichte.
Sie wurde eingeleitet durch die Ankündigung der Wirtschaftsprüfer der Beigeladenen im
Schreiben vom 25. März 1996, die Mitgliedsbeiträge in Zukunft in geänderter Form
ausweisen zu wollen. Der Schriftwechsel bezog sich auch in der Folgezeit
ausschließlich auf Gesichtspunkte, die der Vorschrift des § 26 Abs. 5 ParteiG
zuzuordnen sind. Dies gilt entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch für das
Schreiben der Beigeladenen vom 30. August 1996. Die Beklagte wies die Beigeladene
in diesem Schreiben allein mit Blick auf die Anforderungen, die § 26 Abs. 5 ParteiG an
den Rechenschaftsbericht stellt, allgemein auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen
§ 26 Abs. 5 ParteiG und die gesetzlichen Auswirkungen für das Festsetzungsverfahren
hin. In keinem Schreiben der Beigeladenen oder ihrer Wirtschaftsprüfer finden sich
Formulierungen oder Hinweise, die Anlaß zu der Annahme geben, daß mit diesen
Schreiben (zugleich) der Antrag nach § 19 Abs. 1 ParteiG habe gestellt werden sollen.
97
(2) Auch die Vorlage des Rechenschaftsberichts für das Jahr 1995 am 27. September
1996 mit dem auf den 30. September 1996 datierten Anschreiben ist unter
Berücksichtigung aller Umstände kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, daß die
Beigeladenen einen Festsetzungsantrag gestellt hat. Das Anschreiben der
Beigeladenen hat keinen auf einen Antrag nach § 19 Abs. 1 ParteiG gerichteten
98
objektiven Erklärungsinhalt. Es erschöpft sich in dem Hinweis, daß der
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1995 überreicht wird und enthält im übrigen allein die
Bitte um Überlassung von 25 Exemplaren der Bundestagsdrucksache, in der die
Rechenschaftsberichte der Parteien veröffentlicht werden. Allenfalls die Vorlage des
Rechenschaftsberichts selbst könnte unter Berücksichtigung des Vorlagedatums ein
Indiz dafür sein, daß die Beigeladene - auch - dem Erfordernis nach § 19 Abs. 1 ParteiG
Rechnung tragen wollte und ihm zumindest - konkludent - entsprochen hat. Die Vorlage
des Rechenschaftsberichts läßt jedoch trotz seiner Bedeutung für das
Festsetzungsverfahren nach §§ 19 Abs. 3 und 4, 23 Abs. 4 ParteiG und der in diesen
Vorschriften normierten Verzahnung zwischen der Erfüllung der Vorlagepflicht und der
Mittelfestsetzung keinen hinreichenden Rückschluß auf die hier allein interessierende
Frage zu, ob die Beigeladene mit der Übergabe am 27. September 1996 zumindest
konkludent - auch - einen Antrag nach § 19 Abs. 1 ParteiG gestellt hat. Dieser
Rückschluß wäre nur möglich, wenn der Rechenschaftsbericht ausschließlich
Bedeutung für das Festsetzungsverfahren nach § 19 ParteiG hätte und die Vorlage
allein im Hinblick auf dieses Verfahren erfolgt wäre. Dies ist nicht der Fall. Die Vorlage
des Rechenschaftsberichts ist in seinem objektiven Erklärungsinhalt neutral. Mit der
Vorlage des Rechenschaftsberichts erfüllen die Parteien ihre in Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG
normierte verfassungsrechtliche Verpflichtung, über die Herkunft und Verwendung ihrer
Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft abzulegen. Diese Verpflichtung
ist einfachgesetzlich in § 23 ParteiG normiert und besteht unabhängig davon, ob ein
Anspruch auf staatliche Finanzierung gegeben ist oder auch nur geltend gemacht wird.
Nach § 23 Abs. 1 ParteiG haben die Vorstände der Parteien über die Herkunft und
Verwendung der Mittel, die ihrer Partei innerhalb eines Kalender(Rechnungs-)jahres
zugeflossen sind, sowie über das Vermögen der Partei zum Ende des Kalenderjahres in
einem Rechenschaftsbericht öffentlich Rechenschaft zu geben. Der Präsident des
Deutschen Bundestages prüft, ob der Rechenschaftsbericht den Vorschriften der §§ 23
bis 31 ParteiG entspricht und nimmt das Ergebnis der Prüfung in seinen Bericht nach §
23 Abs. 5 ParteiG auf. Daneben und unabhängig von dieser Vorlagepflicht nach Art. 21
Abs. 1 Satz 4 GG i.V.m. § 23 ParteiG hat der Rechenschaftsbericht - auch - Bedeutung
für das Festsetzungsverfahren nach § 19 ParteiG. Die Gleichsetzung der Vorlage des
Rechenschaftsberichts mit einem konkludenten Antrag auf staatliche Mittel würde
zudem die unterschiedlichen Rechtsfolgen bei Versäumung der Antragsfrist nach § 19
Abs. 1 Satz 1 ParteiG einerseits und bei der verspäteten Abgabe des
Rechenschaftsberichts nach § 23 Abs. 4 ParteiG andererseits negieren und das
gesetzliche Antragserfordernis des § 19 Abs. 1 Satz 1 ParteiG praktisch leerlaufen
lassen. Schließlich sprechen auch die Auslegungspraxis der Beklagten und die
entsprechende Verkehrsauffassung gegen eine konkludente Antragstellung. Wie der
Unterabteilungsleiter Parlamentsdienste des Deutschen Bundestages in der
mündlichen Verhandlung dargelegt hat, werden allein die Beantragung von
Abschlagszahlungen (ohne Hinweis auf § 21 ParteiG) sowie die Vorlage des
Rechenschaftsberichts kurz vor Ablauf der Antragsfrist am 30. September regelmäßig
nicht dahin verstanden, daß ein Antrag auf Festsetzung nach § 19 Abs. 1 ParteiG
gestellt wird, zumal der Gesetzgeber die Frist "30. September" auch in § 23 Abs. 2 Satz
3 ParteiG normiert hat. Diese Auffassung vertritt die Beklagte im übrigen auch in dem
entsprechend gelagerten, derzeit noch beim Verwaltungsgericht Köln anhängigen
Verfahren der Klägerin - 23 K 164/96 -.
e) Der Senat verkennt nicht, daß im Rahmen des Auslegungsprozesses und mit Blick
auf das Auslegungsergebnis auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte zu
berücksichtigen sind. So haben die Beklagte und die Beigeladene zu Recht auf die
99
besondere verfassungsrechtliche Stellung der - auf staatliche Finanzmittel
angewiesenen - Parteien als Mittler zwischen gesellschaftlicher und staatlicher
Willensbildung sowie auf ihre Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen
hingewiesen. Zu bedenken ist ferner, daß es für die Beigeladene um Finanzmittel in
Millionenhöhe geht, auf die sie zur Erfüllung ihrer verfassungsgemäßen Aufgaben
angewiesen ist und die sie schon aus diesem Grund regelmäßig beantragt wissen will.
Selbst wenn aus diesen Gründen ihr Antrag vom 11. Januar 1996 "meistbegünstigend"
auszulegen wäre, so sind dem doch Grenzen gesetzt, die mit der Auslegung, die der
Beklagte in seinem Schreiben vom 31. Oktober 1996 vorgenommen hat, überschritten
werden. Diese Grenzen ergeben sich zum einen - wie vorliegend - aus der
Auslegungsfähigkeit eines - eindeutigen - Antrages. Sie sind zum anderen durch das
Verfassungsrecht selbst, nämlich durch das Recht der politischen Parteien auf
Chancengleichheit und das Gebot des Staates, dieses Recht gegenüber allen Parteien
strikt und formal zu handhaben, vorgegeben. Die Beklagte hat in den Jahren 1994 und
1995 in ständiger Praxis Anträge nach § 19 Abs. 1 ParteiG einerseits und § 20 Abs. 2
ParteiG andererseits zutreffend unterschieden und diese Auffassung zu Lasten mehrerer
Parteien - einschließlich der Klägerin - in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vertreten
(vgl. Urteil des VG Köln vom 28. Februar 1996 - 23 K 22/95 -) und vertritt sie noch heute
(vgl. Verfahren VG Köln - 23 K 164/96 -). Vor diesem Hintergrund widerspricht es dem
Gebot einer strikten und formalen Gleichbehandlung der Parteien, wenn sie diese
Praxis nicht gleichermaßen im (laufenden) Festsetzungsverfahrens der Beigeladenen
ihrer Entscheidung zugrundelegt. Die Beklagte ist an ihre Praxis der Auslegung und
Behandlung der Anträge gebunden. Sie kann diese nur aus wichtigem Grund ändern,
wofür hier zur Überzeugung des Senats nichts ersichtlich ist. Ob es die auf dem Gebiet
der staatlichen Parteienfinanzierung zu beachtenden Verfassungsgrundsätze gebieten,
Änderungen nur nach öffentlicher Vorankündigung für die Zukunft vorzunehmen,
vgl. Morlok, a.a.O., S. 281,
100
um nicht nur Mißbrauch auszuschließen, sondern auch dem Verdacht parteipolitischer
Begünstigung den Boden zu entziehen, bedarf hier keiner Entscheidung.
101
f) Von einem fristgerecht gestellten Festsetzungsantrag der Beigeladenen ist schließlich
nicht deshalb auszugehen, weil die Beklagte Beratungspflichten gegenüber der
Beigeladenen verletzt hätte und die Beigeladene deshalb im Ergebnis so zu stellen
wäre, als ob sie den Antrag fristgerecht gestellt hätte. Ob eine etwaige Verletzung
behördlicher Beratungspflichten nach § 25 VwVfG im vorliegenden Zusammenhang
überhaupt einen derartigen (Erfüllungs-)Anspruch begründen könnte, ist zweifelhaft.
Eine Übertragung des vom Bundessozialgericht entwickelten und in ständiger
Rechtsprechung vertretenen sog. (sozialrechtlichen) Herstellungsanspruchs
102
- vgl. BSG, Urteile vom 12. Oktober 1979 - 12 RK 47/77 - BSGE 49, 76, 77 ff., vom 25.
August 1993 - 13 RJ 27/92 -, BSGE 73, 56, 59 f., vom 11. November 1993 - 7 RAr 8/93 -,
BSGE 73, 204, 210 und vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 23/95 -, BSGE 79, 168, 171 ff. -
103
auf das allgemeine Verwaltungsverfahren als Erfüllungsanspruch bei fehlerhafter
behördlicher Beratung ist bislang in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung
allgemein nicht anerkannt.
104
Vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Dezember 1995 - 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 = NJW
1997, 71, 75, und vom 18. April 1997 - 8 C 38.95 -, NJW 1997, 2966; vgl. auch
105
Pietzner/Müller, VerwArch 1994, 603, 611 ff.; Stelkens/ Kallerhoff, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 25 Rdnr. 15 und 17 m.w.N.
Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Herstellungsanspruch in einem Bereich
außerhalb eines Sozialrechtsverhältnisses in Betracht kommen könnte und ob hierzu
das Verfahren nach §§ 18 ff. ParteiG zu rechnen wäre, bedarf hier keiner Entscheidung.
Denn die Beklagte hat die ihr obliegenden Pflichten nach § 25 VwVfG im Hinblick auf
die Antragstellung der Beigeladenen nach § 19 Abs. 1 ParteiG nicht verletzt. Nach
dieser Vorschrift soll die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von
Anträgen oder die Berichtigung von Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich oder
nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder
gestellt worden sind. Eine allgemeine behördliche Belehrungspflicht besteht danach
nicht. Ob und gegebenenfalls welche Hinweise die Behörde zu geben hat, hängt
vielmehr insgesamt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Diesen
Anforderungen hat die Beklagte gegenüber allen Parteien, auch gegenüber der
Beigeladenen im konkreten Einzelfall Rechnung getragen. Alle Parteien sind im Jahr
1994 mit einem Rundschreiben vom 30. August 1994 auf die Auswirkungen der
Neufassung des Parteiengesetzes einschließlich der zu beachtenden Fristen
hingewiesen worden; dieses Rundschreiben, das in seinem letzten Absatz ausdrücklich
auf die Frist des § 19 Abs. 1 ParteiG und die Rechtsfolgen einer Fristverletzung
hinweist, war nochmals dem "Bericht über die Rechenschaftsberichte 1993 sowie über
die Entwicklung der Finanzen der Parteien gemäß § 23 Abs. 5 des Parteiengesetzes"
der Präsidentin des Deutschen Bundestages vom 30. April 1996 im Anhang III als
Anlage 1 beigefügt.
106
Vgl. BT-Drucksache 13/4503, S. 133, 136; BT- Drucksache 13/8888, S. 70 f.
107
In diesem Bericht, den alle Parteien im Mai 1996 in je einem Exemplar erhalten haben,
wurde zudem ausdrücklich auf die schwerwiegenden Folgen der Fristversäumnis, u.a.
unter Hinweis auf das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Köln im Verfahren
der Partei "Die Republikaner" vom 28. Februar 1996 - 23 K 22/95 - aufmerksam
gemacht, in dem es - wie vorliegend - um die Frage ging, ob der Antrag auf
Abschlagszahlungen nach § 20 ParteiG auch den Antrag nach § 19 Abs. 1 ParteiG
umfaßt.
108
Vgl. BT-Drucksache 13/4503, S. 53; vgl. auch BT-Drucksache 13/8888, S. 71.
109
Darüber hinaus hatte die Beklagte der Beigeladenen im Jahre 1996 auf deren
ausdrückliche Bitte hin die Prozeßkorrespondenz in dem vorgenannten Verfahren zur
Verfügung gestellt.
110
Die Beklagte hat gegenüber der Beigeladenen auch nicht deshalb eine Hinweispflicht
verletzt, weil davon auszugehen wäre, daß die Stellung des erforderlichen Antrags nach
§ 19 Abs. 1 ParteiG für sie - die Beklagte - offensichtlich nur versehentlich unterblieben
ist. § 25 VwVfG begründet nicht eine allgemeine Verpflichtung der Behörde, einem
Antragsteller, der seine Angelegenheit selbst nachlässig betreibt, in jedem Fall zum
Erfolg zu verhelfen.
111
Vgl. VGH Kassel, Urteil vom 25. Februar 1985 - VIII OE 30/82 -, NVwZ 1985, 915;
Stelkens/Kallerhoff, a.a.O., § 25 Rdnr. 32.
112
Die Beklagte ist ihren Hinweis- und Beratungspflichten grundsätzlich dadurch
nachgekommen, daß sie alle Parteien einschließlich der Beigeladenen - wie bereits
ausgeführt - allgemein unterrichtet hat. Eine weitergehende Verpflichtung der Beklagten
gegenüber der Beigeladenen ergab sich hier nicht aus dem Geschehensablauf im Jahre
1996. Der Antrag vom 11. Januar 1996 ließ - soweit er sich ausschließlich auf die
Beantragung von Abschlagszahlungen bezog - aus sich heraus kein Versehen
erkennen. Weiterhin hatte die Beigeladene nicht der Interpretation der Beklagten im
Bescheid vom 6. Februar 1996 widersprochen, daß mit dem Antrag vom 11. Januar
1996 "die im Jahre 1996 möglichen Abschlagszahlungen beantragt" sind. Auch in der
Folgezeit verhielt sich die Beigeladene bis zum Fristablauf am 30. September 1996 zu
keinem Zeitpunkt so, daß sich für die Beklagte das Vorliegen eines Versehens
aufdrängen mußte. Weder dem Schriftwechsel hinsichtlich der Ausweisung der
Mitgliedsbeiträge nach § 26 Abs. 5 ParteiG noch dem Eingang des
Rechenschaftsberichts am 27. September 1996 war für die Beklagte mit Evidenz zu
entnehmen, daß die Beigeladene den erforderlichen Antrag für die Festsetzung der
staatlichen Mittel nach § 19 Abs. 1 Satz 1 ParteiG noch nicht gestellt hatte.
113
3. Die Klägerin hat mithin einen Anspruch auf Festsetzung eines weiteren Betrages an
staatlicher Teilfinanzierung für das Jahr 1996 in Höhe von 48.494,94 DM unter
gleichzeitiger Aufhebung des der Beigeladenen erteilten Festsetzungsbescheides vom
5. Februar 1997 in Höhe dieses Betrages.
114
Ob die Beigeladene die ihr danach verbleibenden staatlichen Mittel für 1996 endgültig
behalten kann, war im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht zu entscheiden; eine
entsprechende Prüfung ist der Beklagten vorbehalten.
115
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 3, 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO; die
Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
116
Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache zuzulassen. Sie wirft bislang höchstrichterlich nicht geklärte
entscheidungserhebliche Rechtsfragen auf, die die staatliche Parteienfinanzierung auf
der Grundlage der §§ 18 ff. ParteiG betreffen und deren Beantwortung im allgemeinen
Interesse liegt.
117