Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.06.2010
OVG NRW (verhältnis zwischen, gabe, verhältnis, einzelrichter, bundesverwaltungsgericht, beschwerde, anrechnung, dritter, stelle, annahme)
Oberverwaltungsgericht NRW, 18 E 1722/09
Datum:
10.06.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 E 1722/09
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 7 K 257/09
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe:
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Der Senat entscheidet nach § 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1
RVG durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die angefochtene Entscheidung
von einem Einzelrichter erlassen wurde.
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Die Beschwerde der beigeordneten Rechtsanwältin gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts, mit dem die Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung durch
den Urkundsbeamten vom 5. November 2009 zurückgewiesen wurde, ist nicht
begründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Urkundsbeamte nach § 3 Abs. 4 VV-
RVG die vorgerichtlich wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr
nach Nr. 2300 VV-RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG
angerechnet hat. Dabei ist maßgeblich, dass die Gebühren entstanden sind, bevor mit
Wirkung zum 5. August 2009 § 15a in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt
und § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG neu gefasst wurde. Zu den sich in diesem Zusammenhang
stellenden Rechtsfragen hat das beschließende Gericht mit Beschluss vom 22. Februar
2010 12 E 1740/09 , juris, ausgeführt:
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"Weil das Bundesverwaltungsgericht für die Rechtslage vor Einfügung von § 15a
Abs. 1 RVG durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von
Verfahren in anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer
Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger
Vorschriften (BGBl. 2009 I, S. 2449) und der Neufassung von § 55 Abs. 5 Satz 2
RVG durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 6 des vorgenannten Gesetzes jeweils zum 5. August
2009 (Art. 10) für den Bereich verwaltungsgerichtlicher Verfahren entschieden hat,
dass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG, die in einem
vorangegangenen Verfahren vor der Verwaltungsbehörde angefallen ist, nach
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Maßgabe der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG vor dem Hintergrund des § 162
Abs. 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich anzurechnen ist,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2009 9 KSt 4.08, 9 KSt 4.08 (9 A 3.06) ,
BayVBl. 2010, 30; Bay. VGH, Beschluss vom 21. Oktober 2009 19 C
09.2395 , juris, sowie OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 2008 12 E
165/08 jedenfalls für den Fall dass die Zuziehung des Bevollmächtigten für
das Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt
worden ist,
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kommt es auf die in der Zivilrechtsprechung für die dortigen Verfahren geführte
Diskussion, ob § 15a RVG als bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage
auch auf sog. Altfälle Anwendung findet oder als Änderung des geltenden Rechts
gem. § 60 Abs. 1 RVG für Altfälle keine Anwendung findet,
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vgl. zum Meinungsstand etwa BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 XII ZB
175/07 , juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Dezember 2009 I-10 W
126/09 , juris, jeweils m. w. N.,
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nicht an. Die für den zivilrechtlichen Bereich umstrittene und für die Diskussion
ausschlaggebende Frage nach der bisherigen Rechtslage ist durch die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für den Bereich
verwaltungsgerichtlicher Verfahren nämlich als geklärt anzusehen, so dass einer
früheren anderslautenden Rechtsprechung der Instanzgerichte,
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vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 25. April 2006 7 E 410/06 und vom
14. März 2008 2 E 1045/07 m. w. N.; siehe auch die Nachweise bei Bay.
VGH, Beschluss vom 21. Oktober 2009 19 C 09.2395 ,
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und einer darauf aufbauenden Rechtsprechung zur Behandlung von Altfällen,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. August 2009 2 E 1133/08 ,
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die im Übrigen in der Folgezeit nicht fortgesetzt worden ist, nicht gefolgt werden
kann. Dass das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung
maßgeblich auf den in § 162 Abs. 1 und 2 VwGO zum Ausdruck kommenden
Willen des Gesetzgebers abstellt und diese Regelungen nur den Kostenausgleich
zwischen den Verfahrensbeteiligten regeln, heißt nicht, dass im Verhältnis
zwischen beigeordnetem Anwalt und an die Stelle des Kostenschuldners
tretender Staatskasse etwas anderes gilt. Es ist nach dem Rechtsstand bis zum 5.
August 2009 nämlich nicht ersichtlich, dass die Staatskasse dem beigeordneten
Rechtsanwalt insofern mehr oder weniger zu erstatten hat, als ihm im Verhältnis
der Parteien zueinander geschuldet ist. Erst § 15a Abs. 2 RVG legt fest, dass sich
ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen kann, soweit er den Anspruch auf eine
der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein
Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen
ihn geltend gemacht werden.
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Ist für den Bereich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon auszugehen,
dass bisher die für das vorangegangene Verwaltungsverfahren anfallende
Geschäftsgebühr schon mit ihrer Entstehung nach Maßgabe der Vorbemerkung 3
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Abs. 4 VV-RVG anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens
angerechnet werden musste, hängt die Anwendung des § 15a RVG als
Neuregelung und nicht lediglich als Klarstellung,
vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 21. Oktober 2009, a. a. O.,
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und des mit ihm korrespondierenden § 55 Abs. 5 Satz 3 RVG n. F. davon ab, ob
die Übergangsregelung in § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG greift.
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Insoweit ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 11. August 2009 4 E 1609/08 ,
wobei aber das Ergebnis der Prüfung im Hinblick auf die Annahme, es
handele sich bloß um eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage, offen
gelassen wird; von vornherein offen gelassen: OVG NRW, Beschluss vom 31.
August 2009 2 E 1133/08 ."
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Dem schließt sich der Senat an. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist hier auf die
Rechtslage vor dem 5. August 2009 abzustellen, weil die später beigeordnete
Rechtsanwältin bereits vor der Rechtsänderung unbedingt Klage erhoben hat, also
schon mit der die in Rede stehenden Gebühren auslösenden Tätigkeit beauftragt war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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