Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2006
OVG NRW: gegen die guten sitten, treu und glauben, behörde, verwaltung, ermessen, datum, erwerb
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 4629/05
Datum:
11.09.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 4629/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 10 K 2468/04
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
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Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln i.S.v. § 124 Abs. 2
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Nr. 1 VwGO. Es vermag die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ablehnung des
Wiederaufgreifens des Verfahrens nach § 51 Abs. 5 VwVfG sei ermessensfehlerfrei
erfolgt, nicht in Frage zu stellen.
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Grundsätzlich handelt eine Behörde nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie eine erneute
Sachentscheidung ablehnt, selbst wenn zwischenzeitlich ein Wandel der
Rechtsauffassungen eingetreten sein sollte. Auch für die im Zulassungsantrag
angesprochene Dauerverwaltungsakte gilt nichts anderes, es sei denn, dem
anzuwendenden Recht ist eine andere gesetzliche Wertung zu entnehmen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2003 - 2 A 4004/02 -, m. w. N.
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Eine gesetzgeberische Wertung, aus der sich eine gesetzliche Verpflichtung zum
Wiederaufgreifen abgeschlossener vertriebenenrechtlicher Aufnahmeverfahren ergeben
könnte, haben die Kläger nicht angeführt und ist auch nicht ersichtlich.
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Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Wiederaufgreifen nur dann, wenn das
Aufrechterhalten des bestandskräftigen Verwaltungsaktes schlechthin unerträglich wäre
oder Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit
des Erstbescheides als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und
Glauben erscheinen lassen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2003, a. a. O., m. w. N.
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Derart gewichtige Gesichtspunkte liegen nicht vor. Der Ablehnungsbescheid vom 7.
Juni 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1995 ist
entgegen der Auffassung der Kläger nicht offensichtlich rechtsfehlerhaft ergangen. Die
Frage, ob Berufsoffiziere der ehemaligen sowjetischen Sicherheitsorgane wegen ihrer
Berufstätigkeit vom Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft ausgeschlossen sind, war
zum damaligen Zeitpunkt in der Rechtsprechung nicht geklärt. Die Beklagte hat
Berufsoffiziere, die, wie der Kläger zu 1., im Ministerium für Innere Angelegenheiten tätig
waren, als vom Ausschlusstatbestand des § 5 BVFG erfasst angesehen. Angesichts des
offen formulierten, durch auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe
gekennzeichneten Tatbestandes des § 5 BVFG kann eine solche Verwaltungspraxis
zumindest nicht als völlig unvertretbar angesehen werden. Die für die Auslegung der
Norm zwischenzeitlich maßgeblich gewordene und die Rechtsauffassung der
Verwaltung zum Teil korrigierende Rechtsprechung ist erst im Laufe der folgenden
Jahre ergangen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1997 - 9 C 27.96 -; Urteile vom 18. März 1999 - 5 C
5.99 - und 5 C 2.99 -, BVerwGE 108,340 ff., jeweils zu der inzwischen aufgehobenen
Vorschrift des § 5 Nr. 1 d BVFG; zu § 5 Nr. 2b BVFG: BVerwG, Urteil vom 29. März 2001
- 5 C 24.00 -, Buchholz 412.3 § 5 BVFG Nr. 5.
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Soweit die Kläger geltend machen, die Beklagte würde mit Blick auf die
Aufnahmeverfahren als Massenverfahren grundsätzlich ein Wiederaufgreifen ablehnen,
hat das Verwaltungsgericht bereits darauf hingewiesen, dass diese Behauptung jeder
Begründung entbehre. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, auf welche Tatsachen
sich diese Behauptung stütze. Diesbezügliche Tatsachen sind auch im
Zulassungsverfahren nicht vorgebracht worden; vielmehr zeigt der von den Klägern
selbst angeführte Beispielsfall im Verfahren Q. , F. - VG Minden 8 K 437/03 -, dass die
Beklagte durchaus Verfahren wiederaufgreift. Dass dieser Beispielsfall mit dem hier zu
entscheidenden Fall in den entscheidungserheblichen Umständen übereinstimmt und
sich daher unter dem Aspekt des Art. 3 Abs. 1 GG das Ermessen der Beklagten auf Null
verengt hat, ist in der Begründung des Zulassungsantrags nicht substantiiert dargelegt.
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Vor dem Hintergrund des Vorstehenden ist nicht erkennbar, inwieweit die Rechtssache
besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Der insoweit geltend
gemachte Zulassungsgrund (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.
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Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO) zu. Die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Ermessensbetätigung und eine
Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen des § 51 Abs. 5 VwVfG sind in der oben
zitierten Rechtsprechung geklärt. Die Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung im
Einzelfall entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 1984
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- 8 B 56.84 -, NVwZ 1985, 265.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4
VwGO).
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