Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.01.2009
OVG NRW: öffentliche sicherheit, bebauungsplan, gebäude, bunker, belichtung, bahn, stadt, grundstück, vorrang, eigentümer
Oberverwaltungsgericht NRW, 10 B 1687/08
Datum:
19.01.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 B 1687/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 5 L 920/08
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 16. Oktober 2008 wird
zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge - für das erstinstanzliche
Verfahren unter Abänderung von Ziffer 2 des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2008 - auf 5.000,- EUR
festgesetzt.
Gründe:
1
I.
2
Der Antragsteller wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung
für die Errichtung eines Bürohauses auf einem vorhandenen Hochbunker.
3
Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks C. ,
C1.--------straße 9. Die C1.--------straße geht in östlicher Richtung von der vierspurigen
V.-----------straße ab. Etwas nördlich der Einmündung der C1.--------straße liegt zwischen
den Richtungsfahrbahnen das etwa 170 m lange und bis zu 30 m breite Baugrundstück
(C. , Gemarkung X. , Flur 6, Flurstücke 393 und 8). Dort befindet sich ein im 2. Weltkrieg
errichteter, runder Hochbunker mit einer Höhe von ca. 21 m, der unter Denkmalschutz
steht. In dem seit dem 8. März 1982 rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 490 ist das
Baugrundstück bis auf den Bunker, der als Gemeinbedarfsfläche festgesetzt ist, als
öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesen.
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Das Umfeld des Plangebiets ist nach der Planbegründung, die von dem Antragsteller
insoweit nicht in Frage gestellt worden ist, durch eine heterogene Bebauung geprägt. Im
Westen und Norden grenzen Kerngebietsflächen mit Büro-, Dienstleistungs- und
Verwaltungsflächen an. Die östliche Seite der V.-----------straße ist danach als
Mischgebiet anzusehen, das aus einer Mischung von Einzelhandel, Dienstleistung und
einem hohen Wohnanteil besteht. Hinter der Randbebauung an der V.-----------straße
befindet sich weiter nach Osten überwiegend Wohnnutzung.
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Zur Verwirklichung des Vorhabens der Beigeladenen stellte die Stadt C. für eine
Teilfläche des Bebauungsplans Nr. 490 den Bebauungsplan Nr. 849 "V.----------- straße
/P. -Straße" neu auf. In dem Bebauungsplan, dessen Geltungsbereich sich auf das
Baugrundstück und angrenzende öffentliche Verkehrsflächen der V.------ -----straße
beschränkt, ist das Baugrundstück als Kerngebiet ausgewiesen. Der Plan sieht ein
turmförmiges Gebäude auf dem vorhandenen Bunker sowie eine Stellplatzanlage mit
zwei Ebenen vor. Der Satzungsgeber hat die Höhe der Bausegmente zwingend
festgesetzt und ihre Lage jeweils mit Baulinien bestimmt. Der Bebauungsplan ist am 14.
Dezember 2007 öffentlich bekannt gemacht worden.
6
Am 22. Juli 2008 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Baugenehmigung
für die Errichtung eines 15-geschossigen Bürohauses mit insgesamt ca. 5.100 m²
Nutzfläche als Aufstockung des Hochbunkers sowie einer Stellplatzanlage mit 117
Stellplätzen. Nach den genehmigten Bauvorlagen soll auf dem Bunker ein turmartiges
Gebäude errichtet werden, dass aus drei gegeneinander gedrehten Bausegmenten mit
jeweils fünf Geschossen und eiförmigem Grundriss besteht und eine Gesamthöhe von
ca. 90 m erreicht.
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Gegen die Baugenehmigung hat der Antragsteller am 31. Juli 2008 vor dem
Verwaltungsgericht Klage erhoben, mit der er unzumutbare Beeinträchtigungen durch
das ca. 60 m von seinem Grundstück entfernt gelegene Bauvorhaben geltend macht.
Einen gleichzeitig gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der
Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2008 abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
8
II.
9
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
10
Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen, auf deren Prüfung der Senat gemäß
§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass der Beschluss des
Verwaltungsgerichts im Ergebnis zu ändern ist. Die der Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung vom 22. Juli 2008 verstößt nicht gegen Vorschriften des
Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts, die auch dem Schutz des Antragstellers zu
dienen bestimmt sind.
11
Die in der Beschwerdebegründung geltend gemachten Rügen führen zu keinem
anderen Ergebnis. Das Bauvorhaben entspricht den Festsetzungen des - nicht
offensichtlich unwirksamen - Bebauungsplans Nr. 849 "V.-----------straße / P1. -Straße
(1.). Es verstößt zu Lasten des Antragstellers nicht gegen das Rücksichtnahmegebot
(2.). Auch die übrigen Einwände der Beschwerde greifen nicht durch (3.).
12
1.
13
Nach § 30 Abs. 1 BauGB ist im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans
ein Bauvorhaben zulässig, wenn es den Festsetzungen des Plans nicht widerspricht
und die Erschließung gesichert ist. Vorhaben, die im Einklang oder jedenfalls nicht im
Widerspruch zu den Festsetzungen eines gültigen Bebauungsplans stehen, sind
insoweit rechtmäßig, greifen nicht rechtswidrig in Rechte eines Dritten ein und können
daher nicht auf nachbarlichen Antrag hin aufgehoben werden.
14
Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Loseblattkommentar, Stand: 1.
Dezember 2008, § 74 Rn. 103 f.
15
Die Bausenate des OVG NRW gehen in Verfahren auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung grundsätzlich von
der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Bebauungsplans aus, wenn dieser nicht
offensichtlich unwirksam ist.
16
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Dezember 2006 - 7 B 2193/06 -, BRS 70 Nr. 181,
vom 24. November 2008 - 7 B 955/08 - und vom 12. April 2007 - 10 B 113/07 -.
17
Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Änderung der bisherigen Ausweisung des
Vorhabensgrundstücks durch den Bebauungsplan Nr. 490 von Gemeinbedarfsfläche
bzw. öffentliche Verkehrsfläche in Kerngebiet begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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Der Satzungsgeber hat von der Festsetzungsmöglichkeit einer abweichenden
Bauweise nach § 22 Abs. 4 BauNVO in nicht zu beanstandener Weise Gebrauch
gemacht. Er hat die Höhe der Bausegmente des geplanten turmartigen Gebäudes
gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 BauNVO zwingend festgesetzt
und die Lage der einzelnen Bausegmente jeweils mit Baulinien gemäß § 23 Abs. 2 Satz
1 BauNVO genau bestimmt. Hierdurch hat er eine von § 22 Abs. 1 und 2 BauNVO
abweichende Bauweise bestimmt. Diese Regelung genügt auch ohne Nennung des §
22 Abs. 4 BauNVO dem Bestimmtheitsgebot planerischer Festsetzungen, da sich aus
der Kombination der vorgegebenen zwingenden Höhe und der Baulinie, auf der gebaut
werden muss, die Lage und Größe des Baukörpers eindeutig ergibt und nicht dem
Belieben des Baubewerbers überlassen bleibt.
19
Wegen des Vorrangs des Bauplanungsrechts führt diese Festsetzung dazu, dass nach §
6 Abs. 1 Satz 2 a) BauO NRW die Einhaltung von Abstandflächen nicht erforderlich ist.
Dessen war sich der Satzungsgeber bewusst. Den Wegfall der Abstandflächen hat er in
seine Abwägung eingestellt.
20
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2005 - 4 BN 21.05 -, BRS 69 Nr. 92; OVG NRW,
Urteil vom 19. November 1996 - 10a D 161/93.NE -; zum Vorrang des
Bauplanungsrechts vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 1994 - 4 B 53.94 -,
BRS 56 Nr. 65, und vom 12. Januar 1995 - 4 B 197.94 -, BRS 57 Nr. 131; OVG NRW,
Urteil vom 22. August 2005 - 10 A 3611/03 -, BRS 69 Nr. 91; Beschluss vom 17. Juli
2008 - 7 B 195/08 -, BauR 2008, 2033.
21
Der von dem Antragsteller geltend gemachte Verstoß gegen das Abwägungsgebot des
§ 1 Abs. 7 BauGB liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind bei der Aufstellung von
Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander
gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine sachgerechte
22
Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung der Belange nicht
eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die
Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den
von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur
objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so
gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur Planung
berufene Gemeinde im Widerstreit der verschiedenen Belange für die Bevorzugung des
einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs
entscheidet.
Vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 - IV C 50.71 -, BRS 28 Nr. 4.
23
Ein offensichtlicher Verstoß gegen diese Grundsätze ist nicht erkennbar. Die Stadt C.
hat die von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belange zutreffend
ermittelt. Sie hat festgestellt, dass sich die Errichtung eines turmartigen Bürogebäudes
auf dem vorhandenen Hochbunker mit einer Gesamthöhe von ca. 90 m zwischen den
Richtungsfahrbahnen der V.-----------straße in erheblicher Weise auf die umgebende
Bebauung, insbesondere die östlich des Plangebietes gelegene Wohnbebauung
auswirken kann.
24
Zum notwendigen Abwägungsmaterial gehören im vorliegenden Verfahren wegen der
festgesetzten abweichenden Bauweise insbesondere die Belange, die sonst durch das
Abstandflächenrecht gewahrt werden.
25
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. November 1996 - 10a D 161/93.NE -.
26
Dies hat der Plangeber berücksichtigt. Er ist umfassend der Frage nachgegangen, ob
und in welchem Umfang der Bebauung auf beiden Seiten der V.-- ---------straße Licht,
Luft und Sonne durch die Festsetzung der abweichenden Bauweise genommen wird.
Hierzu hat er eine Verschattungsstudie erstellen lassen, die insbesondere die
Auswirkungen auf die Belichtung der östlich benachbarten Wohn- und Geschäftshäuser
untersucht. Sie kommt zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass sich die
Besonnungsdauer im Vergleich zu der bereits heute durch den Hochbunker
bestehenden Situation bzw. zu einer Bebauung unter Beachtung der Abstandsflächen in
der offenen Bauweise nicht wesentlich verschlechtern wird. Die Studie verhält sich zwar
nur zu den Auswirkungen auf die unmittelbar an der V.--- --------straße gelegenen
Gebäude. Ihre Ergebnisse können jedoch entgegen der Ansicht des Antragstellers auch
auf die weiter entfernt an der C1.--------straße gelegenen Hausgrundstücke übertragen
werden.
27
Im Planaufstellungsverfahren sind weiter die Auswirkungen des Vorhabens in Bezug
auf den Brandschutz, die Beeinträchtigung von Aussichtsmöglichkeiten, die Schaffung
unerwünschter Einsichtnahmen sowie die ausreichende Belichtung und Durchlüftung
untersucht und die hierzu im Aufstellungsverfahren eingegangenen Stellungnahmen
gewürdigt worden. Wesentliche und unzumutbare Beeinträchtigungen sind nicht
festgestellt worden. Den Belangen der benachbarten Grundstückseigentümer an einer
möglichst uneingeschränkten Besonnung und Belichtung ihrer Gebäude sowie einer
unbeeinträchtigten Grundstücksnutzung hat der Satzungsgeber das öffentliche Interesse
an einer Ausbildung des Turms als Stadtmarke auf dem zu erhaltenden Hochbunker
sowie einer Weiterentwicklung des Büroflächenmarkts durch Schaffung attraktiven
Büroraums und einer Nutzungsintensivierung in dem Nahversorgungszentrum X1. U.
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gegenüber gestellt. Der Rat hat der Wirtschaftsentwicklung und der städtebaulichen
Weiterentwicklung den Vorrang gegenüber den privaten Belangen eingeräumt. Dieses
Ergebnis ist mit den oben dargestellten Abwägungsgrundsätzen vereinbar.
Den Einwand des Antragstellers, es würden zuwenig Stellplätze geschaffen, hat der Rat
mit der nachvollziehbaren Begründung zurückgewiesen, angesichts der
überdurchschnittlich guten Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln seien
bauordnungsrechtlich 88 bis 117 Stellplätze erforderlich. Diese könnten in der
geplanten Stellplatzanlage geschaffen werden. Zusätzliche Belastungen der Straßen in
der näheren Umgebung durch vorhabenbezogenen Parksuchverkehr seien nicht zu
erwarten.
29
Das Bauvorhaben der Beigeladenen, für den die Antragsgegnerin am 22. Juli 2008 die
angefochtene Baugenehmigung erteilt hat, entspricht im Wesentlichen den
Festsetzungen des Bebauungsplans. Für eine Unterschreitung der zwingend
festgesetzten Höhe des Technikaufbaus von 192,00 m ü NHN um 2,31 m und eine
Überschreitung der festgesetzten Höhe von 103,00 m ü NHN im Bereich der
Stellplatzanlage um ca. 0,70 m durch die Brüstung der Parkpalette hat der
Antragsgegner mit Bescheid vom 23. Juni 2008 jeweils gemäß § 31 Abs. 2 BauGB eine
Befreiung erteilt. Dass der Antragsteller durch diese Befreiungen in nachbarlichen
Belangen berührt sein könnte, ist nicht erkennbar und wird mit der Beschwerde auch
nicht geltend gemacht.
30
2.
31
Das Vorhaben der Beigeladenen verletzt nicht zu Lasten des Antragstellers das
Rücksichtnahmegebot. Ein nachbarlicher Abwehranspruch gegen eine mit den
Planfestsetzungen übereinstimmende Baugenehmigung unter Berufung auf das Gebot
der Rücksichtnahme besteht im Allgemeinen nicht, weil dieses bereits in den einen
rechtsgültigen Bebauungsplan voraussetzenden Abwägungsvorgang eingeflossen sein
muss, wodurch es gleichsam aufgezehrt wird. Festsetzungen eines Bebauungsplans
können durch das in § 15 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme nur ergänzt,
nicht aber korrigiert werden. Zudem ist § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO im Hinblick auf das
Maß der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung grundsätzlich nicht
anwendbar.
32
Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 1995 - 4 C 3.94-, BRS 57 Nr. 175 und vom 6.
Oktober 1989 - 4 C 14.87 -, BRS 49 Nr. 188; Beschlüsse vom 11. Juli 1983 - 4 B 123.83
- Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54 und vom 27. Dezember 1984 - 4 B 278.84 -,
BRS 42 Nr. 183; ; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Februar 2005 - 10 B 1269/04 -, BRS
69 Nr. 89, vom 21. Dezember 2006 - 7 B 2193/06 -, a.a.O., und vom 24. November 2008
- 7 B 955/08 -.
33
Die von dem Antragsteller mit der Beschwerde wiederholt vorgetragenen
Einwendungen bezüglich einer Unzumutbarkeit des Vorhabens im Hinblick auf seine
Höhe, seine Masse, seinen Schattenwurf und seinen geringen Abstand zur
benachbarten Bebauung sind bereits im Planaufstellungsverfahren geltend gemacht
worden und waren Gegenstand der Abwägungsentscheidung. Der Satzungsgeber hat
ein den Festsetzungen entsprechendes Vorhaben als zumutbar angesehen. Diese wohl
abgewogene Entscheidung darf nach den vorstehenden Grundsätzen nicht über § 15
Abs. 1 BauNVO korrigiert werden.
34
Ob diese Erwägung auch für den geltend gemachten Mangel an Stellplätzen zu gelten
hat, kann offen bleiben. Jedenfalls liegt insoweit ein Verstoß gegen das
Rücksichtnahmegebot nicht vor. Es lässt sich nicht feststellen, dass mit dem Vorhaben
eine Verschärfung der Verkehrssituation für Nachbargrundstücke, die durch Straßen-
und Parksuchverkehr situationsvorbelastet sind, verbunden ist und die sich hieraus
ergebende Gesamtbelastung die Eigentümer der Nachbargrundstücke bei Abwägung
aller Belange unzumutbar trifft.
35
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Juli 1998 - 11 A 7238/95 -, BRS 60 Nr. 123; Beschlüsse
vom 9. März 2007 - 10 B 2675/06 -, BauR 2007, 1550, vom 15. November 2005 - 7 B
1823/05 -, BRS 69 Nr. 168, und vom 31. August 2000 - 10 B 1052/00 -, juris.
36
Die in den genehmigten Bauvorlagen vorgesehene Herstellung von 117 Stellplätzen ist
für das Vorhaben der Beigeladenen ausreichend bemessen (vgl. § 51 Abs. 1 BauO
NRW und Nr. 51.11 VV BauO NRW sowie Ziffer 2.1 der Richtzahlen für den
Stellplatzbedarf). Die Richtzahlen für den Stellplatzbedarf sind als auf gesicherter
Erfahrungsgrundlage beruhende Anhaltspunkte bzw. als sachverständig festgestellte
Erfahrungswerte weiterhin von Bedeutung.
37
Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Loseblattkommentar, Stand: 1. Dezember
2008, § 51 Rn. 40 f.
38
Nach Ziffer 2.1 der Richtzahlen ist für Büro- und Verwaltungsräume ein Stellplatz je 30 -
40 m² Nutzfläche vorzusehen, wobei die Mindestzahl bei einer - hier unzweifelhaft
gegebenen - überdurchschnittlich guten Erreichbarkeit des Vorhabens mit öffentlichen
Verkehrsmitteln um bis zu 30 % gemindert werden kann (Nr. 51.11 VV BauO NRW).
Dem entspricht bei einer genehmigten Bürofläche von 5.100 m² ein Bedarf von 90 bis
119 Stellplätzen.
39
Aus der Begründung der Beschwerde ergeben sich keine Gesichtspunkte für eine
unzumutbare Belastung der Nachbarschaft durch eine zu geringe Stellplatzzahl. Der
Antragsteller stellt der Bedarfsermittlung lediglich eigene Abschätzungen gegenüber,
die in den genehmigten Bauvorlagen keine Grundlage finden. Auch der Einwand, dass
eine Anbindung an die U-Bahn nicht nur eine Entlastung vom Stellplatzbedarf bringe,
weil U-Bahn-Benutzer in der Umgebung von U-Bahn- Haltestellen parkten, vermag eine
durch das Vorhaben bedingte unzumutbare Gesamtbelastung nicht zu begründen.
40
3.
41
Aus den vorstehenden Gründen liegt auch der behauptete Verstoß gegen die
bauordnungsrechtliche Stellplatzpflicht gemäß § 51 Abs. 1 BauO NRW nicht vor.
Abgesehen davon kann der Antragsteller aus dieser Vorschrift kein Abwehrrecht
herleiten. Die genannte Vorschrift hat keinen drittschützenden Charakter. Die
Verpflichtung des Bauherrn, bei der Errichtung von Anlagen, bei denen
Kraftfahrzeugverkehr zu erwarten ist, Stellplätze und Garagen zu schaffen, soll vielmehr
verhindern, dass der öffentliche Verkehrsraum über den Gemeingebrauch hinaus durch
das Abstellen von Fahrzeugen belastet und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdet
wird. Sie dient daher ausschließlich und allein dem Schutz öffentlicher Interessen.
42
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 1994 - 11 B 1511/94 -, BRS 56 Nr. 159; Urteile
43
vom 10. Juli 1998 - 11 A 7238/95 -, BRS 60 Nr. 123, und vom 15. November 1995 - 7 A
2950/94 -.
Auf die Ausführungen in der Beschwerde zur Tiefe der Abstandfläche kommt es nicht
an, weil das Vorhaben aufgrund der vorrangigen planungsrechtlichen Festsetzungen
des Bebauungsplans keine Abstandflächen auslöst.
44
Schließlich beruft sich der Antragsteller zu Unrecht auf die Verletzung eines
Gebietserhaltungsanspruchs. Abgesehen davon, dass auch die weiteren
Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht vorliegen, scheitert der Anspruch schon
daran, dass sich das Grundstück des Antragstellers und das streitgegenständliche
Vorhaben planungsrechtlich nicht in demselben Baugebiet befinden.
45
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
46
Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Danach ist
der Streitwert nach dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers an dem Verfahren
zu bemessen; dieses schätzt der Senat im Hinblick auf die geltend gemachten
Beeinträchtigungen der Wohnnutzung seines Grundstücks auf einen Betrag von
10.000,- EUR, der im Hinblick auf den Charakter des Verfahrens als Eilverfahren zu
halbieren ist.
47
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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