Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.04.2008
OVG NRW: öffentlicher zweck, öffentliches unternehmen, vergabeverfahren, öffentliche gewalt, abfallentsorgung, gemeindeordnung, zusammenarbeit, rechtsschutz, kreis, aufgabenbereich
Oberverwaltungsgericht NRW, 15 B 122/08
Datum:
01.04.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15 Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 B 122/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 15 L 1363/07
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 25.000 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e
1
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Rechtsschutzbegehren der
Antragstellerin mit dem im Beschwerdeverfahren weiterverfolgten Antrag,
2
dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, auf seine
Tochtergesellschaft, die Beigeladene, einzuwirken, es vorläufig, bis zu einer
rechtskräftigen Entscheidung über eine noch zu erhebende Unterlassungsklage, zu
unterlassen, abfallwirtschaftliche Tätigkeiten wie die Einsammlung/Übernahme, den
Transport und die Verwertung/Beseitigung von schadstoffhaltigen Abfällen im Gebiet
des Kreises T. aufzunehmen,
3
hat keinen Erfolg. Dieser Antrag verfolgt nach der Klarstellung im Beschwerdeverfahren
auch das Ziel, eine im Verbandsgebiet des Antragsgegners erfolgende Betätigung zu
unterbinden, soweit sie Abfälle betrifft, die im Gebiet des Kreises T. anfallen. Die
Antragstellerin hat das Bestehen des für den Erlass der einstweiligen Anordnung
vorausgesetzten Anordnungsanspruchs (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294
ZPO) nicht glaubhaft gemacht. Die in Rede stehende und dem Antragsgegner
zuzurechende Tätigkeit der Beigeladenen, deren Unterlassung die Antragstellerin
begehrt, verstößt weder gegen § 107 Abs. 4 GO i.V.m. § 107 Abs. 1 Satz 1 GO noch
gegen sonstige drittschützende Vorschriften.
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I. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist zulässig.
5
I. 1 Der Verwaltungsrechtsweg ist ungeachtet der Frage, ob der Prüfung der Zulässigkeit
des beschrittenen Rechtswegs hier nicht bereits die Prüfungssperre des § 17a Abs. 5
GVG entgegensteht,
6
vgl. zur Anwendbarkeit des § 17a Abs. 5 GVG in Eilverfahren: Kopp/Schenke, VwGO,
15. A. 2007, § 41 Rn. 2a m.w.N.,
7
jedenfalls gemäß § 40 Abs. 1 VwGO gegeben. Die vorliegende Streitigkeit ist öffentlich-
rechtlich und nichtverfassungsrechtlicher Art. Die Antragstellerin erstrebt nämlich mit der
beantragten einstweiligen Anordnung eine Regelung in Bezug auf ein öffentlich-
rechtliches Rechtsverhältnis. Der im Hauptsacheverfahren zu verfolgende
Anordnungsanspruch ist ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, gerichtet
darauf, dass der Antragsgegner seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Beigeladene
wahrnehme, damit diese die im Antrag aufgeführten Tätigkeiten unterlasse. Es handelt
sich um einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, weil die Antragstellerin
einen Eingriff in subjektive Rechte durch eine Betätigung der Beigeladenen als
Eigengesellschaft des Antragsgegners bemängelt, deren Zulässigkeit u.a. durch die
kommunalwirtschaftsrechtlichen Vorschriften des § 107 Abs. 1 und 4 GO geregelt wird.
Das Rechtsverhältnis zwischen den Hauptbeteiligten ist somit öffentlich-rechtlich
geprägt, weil durch die kommunalwirtschaftliche Norm allein ein Träger hoheitlicher
Gewalt berechtigt und verpflichtet wird. Insbesondere ist auch der Antragsgegner an die
in § 107 GO enthaltenen Schranken wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit
gebunden. Dies folgt aus § 20 Abs. 1 RVRG, wonach u.a. die Vorschriften der
Gemeindeordnung entsprechende Anwendung finden, soweit nicht in dem Gesetz über
den Regionalverband Ruhr oder auf Grund dieses Gesetzes eine andere Regelung
getroffen ist. Zwar lässt § 20 Abs. 1 RVRG nicht aus sich heraus erkennen, welche
Vorschriften der Gemeindeordnung konkret gemeint sind. Auch die Normüberschrift
"Wirtschaftsführung und Rechnungsprüfung" gibt noch keinen endgültigen Aufschluss
über die in Bezug genommenen Bestimmungen. Die im Laufe des
Gesetzgebungsverfahrens neu gefasste Überschrift des 4. Abschnitts ("Finanzierung der
Verbandsaufgaben, Haushalts- und Wirtschaftsführung, Rechnungsprüfung,
wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigung) und die dafür gegebene
Gesetzesbegründung,
8
vgl. LT-Drs. 13/4902, S. 101,
9
bringen aber zum Ausdruck, dass in § 20 RVRG u.a. auch auf die Vorschriften der
Gemeindeordnung zur wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Betätigung und damit
auch auf § 107 GO verwiesen wird.
10
Vgl. Becker, in: Held u.a., Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Erl. zu § 20
RVRG.
11
I. 2 Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt, denn es ist nicht von vornherein
ausgeschlossen, dass ihr der geltend gemachte Anspruch zusteht. Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats hat der die Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung der
Gemeinden regelnde § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO hinsichtlich des Erfordernisses eines
(dringenden) öffentlichen Zwecks für konkurrierende Wirtschaftsunternehmen
drittschützenden Charakter.
12
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. August 2003 - 15 B 1137/03 -, OVGE 49, 192 ff. =
NWVBl. 2003, 462 = NVwZ 2003, 1520 = DVBl. 2004, 133, und vom 12. Oktober 2004 -
15 B 1873/04 -, OVGE 50, 110 = NWVBl. 2005, 133 = NVwZ 2005, 1211 = DÖV 2005,
301.
13
Dies gilt auch für die seit dem 17. Oktober 2007 geltende Fassung des § 107 Abs. 1
Satz 1 GO (vgl. Art. I Nr. 40 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen
Selbstverwaltung vom 9. Oktober 2007, GV.NRW. 2007, S. 380), die auf Grund der
Bezugnahme in § 107 Abs. 4 GO nunmehr auch subjektive Rechte gegenüber einer das
Gemeindegebiet überschreitenden nichtwirtschaftlichen Betätigung begründet. Durch
die gesetzliche Neuregelung sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit
wirtschaftlicher Betätigungen und diesen teilweise gleichgestellter nichtwirtschaftlicher
Betätigungen der Gemeinden verschärft worden. Insbesondere ist dadurch die
nichtwirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets, um die es im
vorliegenden Fall zumindest teilweise geht, nach Maßgabe von § 107 Abs. 4 GO einem
Teil der Zulässigkeitsschranken des § 107 Abs. 1 Satz 1 GO unterworfen worden. Die
Anwendung der gesetzlichen Neuregelung ist im vorliegenden Fall geboten.
14
I. 3 Zwar kann das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme
verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht zweifelhaft sein, nachdem das
Oberlandesgericht Düsseldorf die bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren VII- Verg.
42 und 43/07 durch Beschlüsse vom 27. Februar 2008 entsprechend § 148 ZPO bis zur
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im vorliegenden Verfahren ausgesetzt hat.
Zur Gewährleistung von Rechtssicherheit für zu erwartende weitere Rechtsstreitigkeiten
vergleichbarer Art bietet der vorliegende Fall aber Anlass, das Verhältnis des
vergaberechtlichen Rechtsschutzes zum verwaltungsgerichtlichen Rechtschutz für die
Konstellationen zu klären, in denen die Unzulässigkeit gemeindlicher wirtschaftlicher
oder nichtwirtschaftlicher Betätigungen nach § 107 GO geltend gemacht wird:
15
Der vergaberechtliche Rechtsschutz vor der Vergabekammer und dem Vergabesenat
des Oberlandesgerichts ist kein einfacheres gerichtliches Verfahren zur Durchsetzung
von durch § 107 GO vermittelten Ansprüchen eines Unternehmens gegen Mitbewerber
in einem Vergabeverfahren. Der umfassende, effektive Schutz der durch § 107 GO
gewährten Rechte der Wirtschaftteilnehmer gegen wirtschaftliche oder
nichtwirtschaftlichen Betätigungen der Gemeinden fällt vielmehr gemäß § 40 Abs. 1
VwGO primär in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der
vergaberechtliche Rechtsschutz beschränkt sich demgegenüber insoweit auf die
Prüfung offenkundiger Rechtsverstöße. Die divergierende Prüfungsdichte ist
Konsequenz jeweils unterschiedlicher Prüfungsmaßstäbe:
16
Den Vorschriften der §§ 97 ff. GWB ist keine ausdrückliche Aussage zu der Frage zu
entnehmen, inwieweit die Beachtung von Normen des Gemeindewirtschaftsrechts
17
im vergaberechtlichen Rechtsschutzverfahren überhaupt zu überprüfen ist. Der
vergaberechtliche Rechtsschutz setzt vielmehr voraus, dass der dortige Antragsteller
durch die Nichtbeachtung einer Bestimmung "über das Vergabeverfahren" in seinen
Rechten verletzt ist, §§ 97 Abs. 7, 107 Abs. 2 GWB. Die kommunalwirtschaftsrechtliche
Norm des § 107 Abs. 1 Satz 1 GO ist nach einhelliger Ansicht keine Bestimmung über
das Vergabeverfahren. Sie ist eine dem materiellen Recht zuzuordnende Vorschrift,
welche die Zulässigkeit wirtschaftlicher - oder aufgrund der Bezugnahme in § 107 Abs.
18
4 GO auch nichtwirtschaftlicher - Betätigungen der Gemeinden betrifft. § 107 GO regelt
damit das Stadium des Marktzutritts unabhängig von der Teilnahme an etwaigen
Vergabeverfahren. Ein Verstoß gegen § 107 Abs. 1 Satz 1 GO wird grundsätzlich auch
nicht mittelbar im Rahmen einer Bestimmung über das Vergabeverfahren zum
Prüfungsgegenstand vergaberechtlicher Rechtsschutzverfahren. Soweit § 97 Abs. 1
GWB inhaltsgleich mit § 2 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A verlangt, dass öffentliche Auftraggeber
sich u.a. Dienstleistungen "im Wettbewerb" zu beschaffen haben, und § 2 Nr. 1 Abs. 2
VOL/A anordnet, dass wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu
bekämpfen sind, erfordern diese Vergabegrundsätze nicht etwa eine Prüfung auch des
§ 107 Abs. 1 Nr. 1 GO. Dies gilt unabhängig davon, ob unmittelbar aus
Vergabegrundsätzen überhaupt konkrete Rechtsregeln abgeleitet werden können.
Allgemein kritisch zur Ableitung konkreter Rechtsfolgen allein aus Vergabegrundsätzen:
Burgi, Die Bedeutung der allgemeinen Vergabegrundsätze Wettbewerb, Transparenz
und Gleichbehandlung, Tagungsband 8. Düsseldorfer Vergaberechtstag 2007, S. 51;
ders., Das Kartellvergaberecht als Sanktions- und Rechtsschutzinstrument bei
Verstößen gegen das kommunale Wirtschaftsrecht ?, NZBau 2003, 539.
19
Jedenfalls ist unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts, zu dessen Zielen der
Schutz der Freiheit des Wettbewerbs gehört, jede Belebung des Wettbewerbs, wie sie
unter Umständen auch vom Marktzutritt der öffentlichen Hand ausgehen kann,
ausdrücklich erwünscht.
20
Vgl. (zu § 1 UWG): BGH, Urteil vom 25. April 2002 - I ZR 250/00 -, VerwRundschau
2002, 426.
21
Deshalb beschränkt sich das wettbewerbliche Prinzip im Kern auf die Forderung, bei
den Beschaffungen zur Bedarfsdeckung der öffentlichen Hand die Kräfte des Marktes
zum Einsatz zu bringen und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge grundsätzlich
mehrere, konkurrierende Bieter zu beteiligen. Eine Beteiligung eines öffentlichen
Unternehmens an einem Vergabeverfahren wird durch den Wettbewerbsgrundsatz
dagegen nicht etwa ausgeschlossen, weil dem Unternehmen aufgrund
gemeindewirtschaftlicher Beschränkungen der Zutritt zu dem in Rede stehenden Markt
untersagt ist.
22
Vgl. Burgi, a.a.O.; Leder, Kohärenz und Wirksamkeit des kommunalen Wirtschaftsrechts
im wettbewerbsrechtlichen Umfeld, DÖV 2008, 173, 176; Faber, Aktuelle Entwicklungen
des Drittschutzes gegen kommunale wirtschaftliche Betätigung, DVBl. 2003, 761, 767;
Heßhaus, Kommunale Wirtschaftsbetätigung und Lauterkeit des Wettbewerbs, NWVBl.
2003, 173, 175; Schink, Wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen, NVwZ
2002, 139; kritisch auch Erichsen, Kommunalrecht des Landes NRW, 2. A. 1997, S. 290
f.; a.A. insbesondere OLG Düsseldorf, u.a. Beschluss vom 17. Juni 2002 - Verg 18/02 -,
NWVBl. 2003, 192, 194 ff.
23
Für eine extensive teleologischen Interpretation des Wettbewerbsgrundsatzes in einem
die Prüfung gemeindewirtschaftrechtlicher Tätigkeitsgrenzen einschließenden Sinne ist
kein Raum. Gegen sie sprechen vielmehr durchgreifende gesetzessystematische
Gründe:
24
Für die Einbeziehung des § 107 GO in den vergaberechtlichen Prüfungskatalog wird im
Wesentlichen vorbebracht, § 97 Abs. 1 GWB solle Wettbewerbsverfälschungen oder
25
wettbewerbswidrige Vergabepraktiken verhindern. Diese könnten in der Art und Weise,
also dem "Wie" der wettbewerblichen Tätigkeit liegen. Wenn ein öffentliches
Unternehmen am Markt tätig sei, obwohl ihm durch eine Gesetzesvorschrift schon der
Marktzutritt als solcher, also das "Ob" untersagt sei, müsse dies ebenfalls als
Wettbewerbswidrigkeit, wenn nicht sogar als die primär zu unterbindende
Wettbewerbsverfälschung anzusehen sein.
Vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., S. 194.
26
Diesem "Erst Recht Schluss" kann mit Blick auf die Gesetzessystematik nicht gefolgt
werden. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung und der korrespondierende
vergaberechtliche Rechtsschutz nach § 97 ff. GWB können sich nur auf die Art und
Weise der Beteiligung der öffentlichen Hand am Wettbewerb beziehen. Davon ist die
allgemeinpolitische und wirtschaftspolitische Frage zu unterscheiden, ob sich die
öffentliche Hand überhaupt wirtschaftlich oder nichtwirtschaftlich betätigen darf und
welche Grenzen ihr insoweit gesetzt sind oder gesetzt werden sollten. Die Lösung
dieser Frage ist Aufgabe des Gemeindewirtschaftsrechts. Ob die darin enthaltenen
Vorgaben eingehalten werden, hat im Streitfall primär die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu
beurteilen, nicht aber die ordentliche Gerichtsbarkeit im Rahmen der ihr übertragenen
Beurteilung von Wettbewerbshandlungen nach dem Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen.
27
Vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2002, a.a.O., S. 427,
28
zur parallelen Problematik im Rahmen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
29
Die Art des Rechtsschutzes hängt danach davon ab, mit welcher Begründung die
Tätigkeit eines kommunalen Unternehmens oder einer kommunalen Einrichtung für
unzulässig gehalten wird. Richtet sich der Angriff bereits gegen den öffentlich- rechtlich
geregelten Marktzutritt, so ist gemäß § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
Gilt der Angriff dagegen der Art und Weise der wettbewerblichen Tätigkeit, so ist
Rechtsschutz nach Maßgabe des Wettbewerbsrechts zu suchen. Die Erstreckung des
vergaberechtlichen Verfahrens auf die Überprüfung gemeindewirtschaftrechtlicher
Betätigungsgrenzen ist dabei auch nicht etwa zur Schließung von Rechtsschutzlücken
erforderlich. Wie oben ausgeführt, hat § 107 Abs. 1 Satz 1 GO nach ständiger
Rechtsprechung des Senates für konkurrierende Wirtschaftsunternehmen
drittschützenden Charakter. Letztere können deshalb vor den Verwaltungsgerichten
effektiven Rechtsschutz gegen eine mit § 107 Abs. 1 Nr. 1 GO unvereinbare Betätigung
der Gemeinden erlangen.
30
Eine Notwendigkeit, die Einhaltung der durch § 107 GO gezogenen Grenzen im
vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zu überprüfen, ergibt sich schließlich nicht
etwa aus § 97 Abs. 4 GWB, wonach Aufträge an leistungsfähige und zuverlässige
Unternehmen vergeben werden. Der Auffassung, die Eignungsprüfung habe sich auch
darauf zu beziehen, ob ein Bieter rechtlich in der Lage sei, die ausgeschriebene
Leistung zu erbringen,
31
vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2005 - VII Verg 91/04 -, GRUR 2006,
224 f.,
32
ist jedenfalls für öffentlich-rechtliche Leistungshindernisse der hier in Rede stehenden
33
Art lediglich unter der Voraussetzung zuzustimmen, dass das Leistungshindernis
offensichtlich ist.
Ebenso hinsichtlich einer möglichen vergaberechtlichen Unzuverlässigkeit: Leimkühler,
Die überörtliche Betätigung von kommunalen Unternehmen - ein Ausschlussgrund im
Vergabeverfahren -,VergabeR 2001, 353, 372; Glahs/Külpmann, Die kommunalrechtlich
unzulässige Betätigung öffentlicher Unternehmen im Vergaberecht, VergabeR 2002,
555, 561. Vgl. zu einer entsprechenden Beschränkung der Überprüfung unter dem
Gesichtspunkt einer Überforderung der nicht fachgerichtlich ausgebildeten
Vergabekammern: Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 19. Oktober 2004 -
120.3-3194.1-60- 08/04 -.
34
Ist die öffentlich-rechtliche Unzulässigkeit einer Betätigung nämlich offensichtlich und
erfordert die dahingehende Feststellung deshalb keine besondere rechtliche Klärung,
dient es der Konzentration und Beschleunigung des Rechtschutzes, wenn dem im
vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren Rechnung getragen wird.
35
Schließlich wird das Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch in Frage gestellt, dass die
Antragstellerin ihr Begehren vor Anrufung des Gerichts nicht zunächst gegenüber dem
Antragsgegner geltend gemacht hat. Ein derartiges Vorgehen war nicht erforderlich, weil
der Anordnungsantrag der Sache nach auf ein Unterlassen dem Antragsgegner
zuzurechnender und bereits eingeleiteter Handlungen der Beigeladenen gerichtet ist.
36
II. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ist aber nicht begründet. Die
Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. §§ 123 Abs. 3
VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
37
Der in einem Hauptsacheverfahren zu verfolgende Anordnungsanspruch setzt voraus,
dass durch den Antragsgegner, dem die Handlungen der Beigeladenen als seiner
Eigengesellschaft zuzurechnen sind, ein rechtswidriger Eingriff in Rechte der
Antragstellerin droht. Diese Voraussetzungen liegen hier weder hinsichtlich des in
Betracht zu ziehenden Eingriffs in Rechte aus § 107 GO in der geltenden
Gesetzesfassung noch hinsichtlich etwaiger sonstiger drittschützender Rechte vor. §
107 GO n.F. ist anwendbar, weil der Antragsgegner sich nicht auf die
Bestandsschutzklausel in Art. XI § 1 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen
Selbstverwaltung vom 9. Oktober 2007 (GV.NRW. S. 380) berufen kann, wonach
wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigungen, die vor dem 19. März 2007 auf der
Grundlage der seinerzeit geltenden Gemeindeordnung aufgenommen wurden,
unbeschadet der erfolgten Änderungen des § 107 GO fortgesetzt werden dürfen.
38
II. 1. Bestandsschutz kommt dem Antragsgegner insoweit nicht zu Gute, weil dieser
(bzw. seine Eigengesellschaft) die in Rede stehende Abfallentsorgungstätigkeit für den
Kreis T. und auf dessen Gebiet in der Vergangenheit nicht ausgeübt hat, sondern sie
nunmehr erstmalig wahrnehmen möchte. Der Begriff der bestandsgeschützten
nichtwirtschaftlichen Betätigungen im Sinne von Art. XI § 1 des oben genannten
Gesetzes kann nicht ohne Berücksichtigung des Gebiets bestimmt werden, in dem diese
Betätigungen ausgeübt wurden. Dies folgt zwingend aus dem Sinn und Zweck der
Bestandsschutzregelung, durch die am Stichtag aufgenommene Betätigungen nicht
dem strengeren Regime der gesetzlichen Neuregelung unterworfen werden sollen.
Dieses bezieht sich insbesondere auch auf die nichtwirtschaftliche Betätigung
außerhalb des Gemeindegebiets, die nunmehr den Schranken des § 107 Abs. 1 Satz 1
39
Nr.1 und 2 GO unterliegt, während sie nach der früheren Rechtslage vollständig aus
dem Anwendungsbereich des § 107 Abs. 1 GO ausgenommen war.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Oktober 2004, a.a.O.
40
Auf der Grundlage der aktuellen Gesetzesfassung ist die Zulässigkeit der
nichtwirtschaftlichen Betätigung außerhalb des (eigenen) Gemeindegebiets jeweils
konkret im Hinblick auf jedes außerhalb des eigenen Gemeindegebiets gelegene
andere Gemeindegebiet zu prüfen, in dem die Betätigung aufgenommen werden soll.
Dies folgt schon daraus, dass u.a. die berechtigten Interessen der betroffenen
kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sein müssen und diese Interessen im
Einzelfall unterschiedlich bewertet werden können. Diese § 107 Abs. 4 GO n. F. zu
Grunde liegende gemeindegebietsspezifische Betrachtung spiegelt sich auch in der
gebotenen Auslegung der Bestandsschutzklausel wider, bei deren Eingreifen § 107
Abs. 4 GO nicht zum Zuge kommt. Danach sind nichtwirtschaftliche Betätigungen auf
dem Gebiet einer anderen Gemeinde bestandsgeschützt nur insoweit, als sie dort
bereits vor dem Stichtag aufgenommen wurden. Dieses Verständnis trägt auch dem
gesetzgeberischen Anliegen Rechnung,
41
vgl. LT-Drs. 14/3979, 169,
42
einen fairen Ausgleich zwischen den divergierenden Interessen von kommunaler
Wirtschaft, privater Wirtschaft und Handwerk anzustreben und Einnahmeverluste der
kommunalen Seite zu vermeiden. Der letztgenannte Gesetzeszweck bestätigt zugleich,
dass lediglich für bereits konkret aufgenommene Betätigungen und die damit bislang
tatsächlich erzielten Einnahmen die Möglichkeit einer Fortsetzung unbeschadet der
Änderungen des § 107 GO eröffnet werden soll. Nichts anderes folgt aus der
Begründung des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform für
dessen Änderungsvorschlag zur Formulierung des Art. 11 § 1 ("die vor dem 19. März
2007 auf der Grundlage der seinerzeit geltenden Gemeindeordnung aufgenommen
wurden" statt wie im Regierungsentwurf "die vor dem 19. März 2007 zulässigerweise
aufgenommen wurden"): Danach,
43
vgl. LT-Drs. 14/4981, S.74,
44
habe die Bestandsschutzregelung keinesfalls ein Einfrieren auf dem Stand am Stichtag
zugelassener und aufgenommener Betätigungen zur Folge. Bestehende Tätigkeiten
könnten in sachlicher und räumlicher Hinsicht durchaus erweitert werden. Hierbei seien
allerdings die Neuregelungen des § 107 GO zu beachten, die keineswegs sinnvolle
Erweiterungsmöglichkeiten ausschlössen oder diese auch nur wesentlich erschwerten.
Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass nach der Auffassung des Ausschusses für
Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform die Erweiterung bestehender
Tätigkeiten in sachlicher und räumlicher Hinsicht nicht bereits durch die
Bestandsschutzklausel garantiert wird.
45
A.A. offenbar Held, in: Held u.a., a.a.O., § 107 GO Anm. 3.1.5.
46
Bei einem gegenteiligen Verständnis wären für entsprechende Erweiterungen nämlich
nicht die nach der Ausschussbegründung zu beachtenden Neuregelungen des § 107
GO einschlägig, sondern diese Erweiterungen könnten auf Grund der
Bestandsschutzklausel gerade unbeschadet der Änderungen des § 107 GO erfolgen.
47
Die vorstehende Auslegung der Bestandsschutzklausel steht nicht im Widerspruch zum
Verständnis der wirtschaftlichen Betätigung im Sinne des § 107 Abs. 1 Satz 1 GO im
Beschluss des Senats vom 13. August 2003 (a.a.O.). Dies gilt schon deshalb, weil mit
der darin getroffenen Feststellung, für die Zulässigkeitsschranken des § 107 Abs. 1 Satz
1 GO komme es nur auf den Unternehmensgegenstand insgesamt, nicht aber im Wege
atomisierender Betrachtung auf jede einzelne unternehmerische Handlung an, keine
Aussage zur Relevanz der räumliche Ausdehnung der unternehmerischen Betätigung
getroffen worden ist.
48
Schließlich wird die vorstehende Auslegung nicht in Frage gestellt durch die von der
Beigeladenen zitierten Beiträge einzelner Abgeordneter im Rahmen der 1. und 2.
Lesung des Gesetzes sowie Äußerungen bei der sog. Expertenanhörung. Diesen - im
Übrigen nicht immer eindeutigen und sich teilweise widersprechenden -
Verlautbarungen kommt für das Gesetzesverständnis keine maßgebliche Bedeutung zu.
49
Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Februar 1983 - 2 BvE 1, 2, 3, 4/83 -, BVerfGE 62, 1, 45.
50
II. 2 Nach dem im vorliegenden Verfahren anzulegenden summarischen
Prüfungsmaßstab verletzt die von der Antragstellerin beanstandete nichtwirtschaftliche
Betätigung der Beigeladenen weder Rechte der Antragstellerin aus § 107 Abs. 4 i.V.m.
§ 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 GO noch aus anderen drittschützenden Vorschriften.
51
II. 2. 1 Die vom Anordnungsantrag erfasste Tätigkeit der Beigeladenen -
abfallwirtschaftliche Tätigkeit der Beigeladenen im Gebiet des Kreises T. sowie im
Verbandsgebiet des Antragsgegners, soweit sie auf dem Gebiet des Kreises T.
angefallene Abfälle betrifft - unterfällt nur zum Teil dem Anwendungsbereich des § 107
Abs. 4 GO.
52
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut regelt § 107 Abs. 4 GO lediglich die
Zulässigkeit nichtwirtschaftlicher Betätigung "außerhalb des Gemeindegebiets". Dies
bedeutet, dass etwa die Entsorgung von Abfall in einer innerhalb des Gemeindegebiets
gelegenen Entsorgungsanlage nicht den Betätigungsschranken des § 107 Abs. 4 GO
unterliegt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Abfall außerhalb des Gemeindegebiets
angefallen und gesammelt worden ist. Denn nach § 107 Abs. 4 GO kommt es auf den
Ort an, an dem die Betätigung erfolgt. Nicht maßgeblich ist dagegen, für welchen
räumlichen Bereich die Tätigkeit Auswirkungen hat oder wo der Auftraggeber seinen
Sitz hat. Dies verdeutlicht sich etwa am Beispiel des Betriebs eines kommunalen
Theaters: Diese Einrichtung darf auch darauf ausgerichtet sein, einen entsprechenden
Bedarf außerhalb des Gemeindegebiets abzudecken, ohne den Beschränkungen des §
107 Abs. 4 GO zu unterfallen. Bei der gemäß § 20 Abs. 1 RVRG gebotenen
entsprechenden Anwendung des § 107 GO auf den Antragsgegner ist folglich allein die
nichtwirtschaftliche Betätigung außerhalb des Verbandsgebiets den Schranken des §
107 Abs. 4 GO unterworfen. Die vom Anordnungsantrag erfassten abfallwirtschaftlichen
Tätigkeiten der Beigeladenen werden aber nur zum Teil im Gebiet des Kreises T. und
damit außerhalb des Verbandsgebiets verrichtet, nämlich soweit es um die
Einsammlung/Übernahme und den Transport der betroffenen Abfälle ins
Verbandsgebiet geht. Demgegenüber soll die Zwischenlagerung, Konfektionierung und
Konditionierung der Abfälle im Zwischenlager in Gelsenkirchen, also im Verbandsgebiet
des Antragsgegners erfolgen. Ganz überwiegend im Verbandsgebiet sollen die Abfälle
schließlich auch entsorgt werden.
53
Die vorgenannten abfallwirtschaftlichen Tätigkeiten einerseits außerhalb und
andererseits innerhalb des Verbandsgebiets sind voneinander abtrennbar. Damit ist ihre
Zulässigkeit jeweils gesondert in den Blick zu nehmen und nicht nach etwaigen
Schwerpunkten für sämtliche Tätigkeiten einheitlich zu bewerten. Die vom
Anordnungsantrag erfasste abfallwirtschaftliche Tätigkeit der Beigeladenen unterfällt
den Schranken des § 107 Abs. 4 GO nach alledem von vornherein insoweit nicht, als sie
im Verbandsgebiet stattfindet.
54
II. 2. 2 Hinsichtlich der nicht nach § 107 Abs. 4 GO zu beurteilenden Zwischenlagerung,
Konfektionierung und Konditionierung der Abfälle im Zwischenlager in Gelsenkirchen
sowie der Entsorgung ist eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin nicht
ersichtlich. Allerdings waren derartige § 107 Abs. 2 GO unterfallende Betätigungen
weder nach der früheren Gesetzeslage schrankenlos zulässig, noch sind sie es nach
der aktuellen, denn sie müssen sich im Aufgabenbereich der Gemeinde bzw. des
Gemeindeverbandes bewegen. Dieser Aufgabenbereich wird im vorliegenden Fall aber
jedenfalls deshalb nicht überschritten, weil die Betätigungen im Rahmen kommunaler
Zusammenarbeit erfolgen sollen.
55
Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG gewährt den Gemeindeverbänden im Rahmen ihres
gesetzlichen Aufgabenbereichs und nach Maßgabe der Gesetze das Recht der
Selbstverwaltung. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 RVRG kann der Antragsgegner als
Gemeindeverband auf Antrag für eine oder mehrere Mitgliedskörperschaften Abfälle
entsorgen. Gemäß § 5 Abs. 2 RVRG kann der Antragsgegner im Rahmen des § 4 Abs. 3
Nr. 1 RVRG Anlagen zur Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen u.a.
errichten. Diese Aufgabenbeschreibung spricht dafür, dass der Antragsgegner im
Ansatz Abfälle Dritter nur insoweit entsorgen darf, als es sich dabei um Annex- oder
Hilfsgeschäfte handelt. Auf den Antragsgegner als spezialgesetzlichen Zweckverband,
56
vgl. Becker, in: Held u.a., a.a.O., § 1 RVRG Anm. 4,
57
findet aber auch das Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit Anwendung mit der
Folge, dass im Rahmen kommunaler Gemeinschaftsarbeit grundsätzlich auch eine
Entsorgung von Abfällen zulässig ist, die auf dem Gebiet anderer Gemeinden oder
Gemeindeverbände angefallen sind. Um eine derartige Konstellation geht es im
vorliegenden Fall. Für die Klärung der Frage, ob die Aufnahme des Abfalls Dritter auch
im Rahmen kommunaler Gemeinschaftsarbeit möglicherweise gewissen Grenzen
unterliegt, weil sich die Abfallentsorgung des Antragsgegners nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 RVRG im Ansatz auf den in den Mitgliedsgemeinden angefallenen Abfall zu
beschränken hat, ist im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kein
Raum. Diese Frage könnte allerdings durch den später - nämlich bei der Prüfung der
Zulässigkeit der außerhalb des Verbandsgebiets erfolgenden Tätigkeiten - noch
anzusprechenden Vortrag der Antragstellerin aufgeworfen werden, die
Anlagenkapazität des Zwischenlagers der Beigeladenen in Gelsenkirchen sei zwecks
beabsichtigter Akquise von Abfallmengen gerade auch außerhalb des Verbandsgebiets
gezielt geschaffen worden. Da eine Klärung dieses Einwandes im summarischen
Verfahren nicht möglich ist, braucht der Senat hier auch nicht zu entscheiden, ob und
inwieweit im Falle einer Aufgabenüberschreitung eine Rechtsverletzung von
Konkurrenten vorliegen könnte.
58
II. 2. 3 Hinsichtlich der abfallwirtschaftlichen Tätigkeiten außerhalb des
59
Gemeindegebiets (Einsammlung/Übernahme und Transport der betroffenen Abfälle) ist
eine Verletzung des § 107 Abs. 4 i.V.m. § 107 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GO nicht gegeben.
II.2.3.1 Insoweit sind die Zulässigkeitsgrenzen durch die gesetzliche Neuregelung
gegenüber der bisherigen Rechtslage allerdings in zweifacher Hinsicht enger gezogen
worden:
60
Die erste Verschärfung betrifft die in § 107 Abs. 2 GO NRW aufgeführten
Tätigkeitsfelder, die nach der bisherigen Rechtlage als nichtwirtschaftliche Betätigung -
jedenfalls, soweit diese im Wege der kommunalen Zusammenarbeit erfolgte -
vollständig aus dem Anwendungsbereich des § 107 Abs. 1 GO NRW a. F. mit seinen
Schranken für die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen ausgenommen und durch
§ 107 GO a.F. auch keinen anderweitigen Schranken für eine
gemeindegebietsüberschreitende Abfallentsorgung unterworfen waren.
61
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Oktober 2004, a.a.O.
62
Diese Rechtslage ist durch die gesetzliche Neuregelung des § 107 Abs. 4 GO NRW
geändert worden. Danach ist eine nichtwirtschaftliche Betätigung außerhalb des
Gemeindegebiets nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 und Nr. 2 GO NRW vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen
kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Nach der Begründung des Gesetz
gewordenen Entwurfs der Landesregierung,
63
LT-Drs. 14/3979, S. 149 f.,
64
sind diese Schranken als Reaktion auf die oben zitierte und zur früheren Rechtslage
ergangene Rechtsprechung des Senats errichtet worden. Nach der
Gesetzesbegründung soll die Gesetzesänderung klarstellen, dass die bisherige
kommunalaufsichtliche Praxis, die auch bei einer nichtwirtschaftlichen Betätigung
außerhalb des Gemeindegebiets von der betroffenen Gemeinde die Darlegung eines
öffentlichen Zwecks verlangte, dem Willen des Gesetzgebers entsprach. Mit der
Verschärfung der Zulässigkeitsgrenzen nichtwirtschaftlicher Betätigungen außerhalb
des Gemeindegebiets ist allerdings gleichzeitig auch die gesetzgeberische Klarstellung
erfolgt, dass derartige gemeindeexterne Betätigungen bei Einhaltung der bestehenden
Voraussetzungen zulässig sind. § 107 Abs. 4 GO ist damit sowohl Grundlage als auch
Grenze der dort geregelten Betätigungen.
65
Vgl. Held, in: Held u.a., a.a.O., § 107 GO Anm. 3.3.4; Leder, DÖV 2008, 173, 180.
66
Eine zweite Verschärfung der Zulässigkeitsgrenzen gemeindlicher wirtschaftlicher und
nichtwirtschaftlicher Betätigungen findet sich in § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO, auf
dessen Voraussetzungen § 107 Abs. 4 GO verweist. § 107 Abs. 1 Nr. 1 GO ist dahin
geändert worden, dass sich die Gemeinde nur noch dann betätigen darf, wenn ein
dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert. Das nach der früheren
Rechtslage für wirtschaftliche Betätigungen erforderliche Vorliegen eines (einfachen)
öffentlichen Zwecks reicht nicht mehr aus.
67
II.2.3.2 Die beschriebenen Zulässigkeitsgrenzen für die Einsammlung/Übernahme und
den Transport der Abfälle werden im vorliegenden Fall eingehalten.
68
Ungeachtet des Drittschutzerfordernisses wahren i.S. v. § 107 Abs. 4 GO die genannten
Tätigkeiten der Beigeladenen außerhalb des Verbandsgebiets die berechtigten
Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften, hier des Kreises T. ,
zumal die Beigeladene gerade von dessen Abfallentsorgungsgesellschaft für die
Tätigkeit beauftragt werden soll.
69
Die nach § 107 Abs. 4 GO einzuhaltenden Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 und 2 GO liegen im vorliegenden Fall bei summarischer Prüfung ebenfalls vor.
70
Wiederum ungeachtet des Drittschutzerfordernisses steht die Betätigung - was auch von
den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen wird - nach Art und Umfang in einem
angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Antragsgegners.
71
Im summarischen Verfahren ist ferner davon auszugehen, dass auch die weitere
Anforderung erfüllt ist, dass nämlich ein dringender öffentlicher Zweck die
nichtwirtschaftliche Betätigung der Eigengesellschaft des Antragsgegners im Gebiet des
Kreises T. erfordert.
72
Der Begriff des öffentlichen Zwecks ist weit gefasst. Er umgreift jedweden im
Aufgabenbereich der Gemeinde liegenden Gemeinwohlbelang und schließt lediglich
die Gewinnerwirtschaftung als öffentlichen Zweck aus. Auch bedeutet der Begriff des
Erforderns nicht, dass für den öffentlichen Zweck die nichtwirtschaftliche Betätigung
unausweichlich ist. Vielmehr reicht es - ähnlich wie im Planungsrecht - aus, dass die
Betätigung für den öffentlichen Zweck objektiv erforderlich im Sinne von
vernünftigerweise geboten ist.
73
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2003, a.a.O., zur Erforderlichkeit eines
öffentlichen Zwecks in § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO NRW a. F.
74
Mit dem nach der Gesetzesänderung aufgestellten Erfordernis eines "dringenden"
öffentlichen Zwecks sollen erhöhte Anforderungen an die Zulässigkeit einer Betätigung
gestellt werden. Nach der Begründung des Gesetz gewordenen Regierungsentwurfs
muss sich die Gemeinde verstärkt mit der Frage auseinandersetzen, ob der mit der
wirtschaftlichen Betätigung verfolgte öffentliche Zweck tatsächlich so dringend ist, dass
eine eigene wirtschaftliche Betätigung erforderlich ist.
75
Vgl. den Regierungsentwurf: LT-Drs. 14/3979, 149.
76
Ob ein dringender öffentlicher Zweck vorliegt, unterliegt als Tatbestandsmerkmal der
uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Grundsätzlich sind die Gerichte verpflichtet,
Verwaltungsentscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig
nachzuprüfen, ohne an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und
Wertungen gebunden zu sein. Dies folgt aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4
GG, die dem Einzelnen, der sich durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten
verletzt glaubt, nicht nur den Zugang zu den Gerichten, sondern darüber hinaus auch
die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Nur ausnahmsweise und bei
Vorliegen besonderer Voraussetzungen ist es gerechtfertigt, der Verwaltungsbehörde
einen eigenen, gerichtlicher Kontrolle nur beschränkt zugänglichen
Beurteilungsspielraum einzuräumen.
77
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 1995 - 3 C 24.94 -, BVerwGE 100, 221, 225
78
m.w.N.
Derartige Voraussetzungen sind hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "dringender
öffentlicher Zweck" nicht gegeben, so dass dessen Vorliegen vom Gericht
uneingeschränkt zu überprüfen ist. Abweichendes gilt indes bezüglich der - auch
insoweit dem Planungsrecht vergleichbaren - Fragestellung, ob die Betätigung für den
öffentlichen Zweck objektiv erforderlich im Sinne von vernünftigerweise geboten ist.
Insoweit ist es im Planungsrecht anerkannt, dass der Behörde eine
Einschätzungsprärogative zusteht, die ihre Grenze nur in groben und einigermaßen
offensichtlichen Missgriffen findet.
79
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 46/91 -, BVerwGE 92, 8, 14 f. m.w.N.
80
Diese Überlegungen sind auf die von der Gemeinde zu treffende Entscheidung
übertragbar, ob ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung "erfordert". Denn auch
dieser Entscheidung wohnen wertende und prognostische Elemente inne, die einer
uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle entgegenstehen.
81
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1972 - I C 24.69 -, BVerwGE 39, 329, 334; BGH,
Urteil vom 10. Februar 2005 - III ZR 294/04 -, NJW 2005, 1720 ,1721; Jarass, Aktivitäten
kommunaler Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets, insbesondere im
öffentlichen Personennahverkehr, DVBl 2006, 1, 10 f.; Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I,
12. Auflage 2007, S. 315 m.w.N.
82
Demzufolge ist auch die vorgenannte Entscheidung nur auf grobe Fehleinschätzungen
überprüfbar. Ist eine Betätigung dem öffentlichen Zweck zumindest förderlich, so wird im
Rahmen eines lediglich auf eine summarische Prüfung angelegten Verfahrens des
vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel davon auszugehen sein, dass der öffentliche
Zweck die Betätigung erfordert.
83
Die vorstehende Auslegung der gesetzlichen Schranken des § 107 Abs. 4 GO i.V.m. §
107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO steht auch mit höherrangigem Recht in Einklang. Dies gilt -
soweit die Vorschrift die Tätigkeit von Gemeinden und nicht, wie hier, die eines
Gemeindeverbandes erfasst - sowohl im Hinblick auf den grundgesetzlich eröffneten
Zuständigkeitsbereich der Gemeinden als auch mit Rücksicht auf grundrechtlich
geschützte Positionen konkurrierender privater Anbieter. Nach Art. 28 Abs. 2 GG muss
den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen
Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.
Dementsprechende Angelegenheiten sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in
der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die
also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das
Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen.
84
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, BVerfGE 79,
127, 151 f.
85
Es kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles offen bleiben, ob und ggf. unter
welchen Voraussetzungen auch eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit außerhalb des
Gemeindegebiets noch als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft angesehen und
deshalb dem Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zugeordnet
werden kann. Daran ist insbesondere zu denken, wenn die Tätigkeit im Rahmen
86
kommunaler Gemeinschaftsarbeit,
vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 58.89 -, BVerwGE 87, 237, 238;
Jarass, DVBl 2006, 1, 2, 5 m.w.N.,
87
oder als sog. Annex- oder Hilfstätigkeit erfolgt.
88
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2003, a.a.O.; Jarass, DVBl 2006, 1, 7 f.
89
Aber auch im Übrigen erscheint es nicht grundsätzlich als ausgeschlossen, bestimmte
gemeindeexterne Tätigkeiten als Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
anzusehen.
90
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2006, a.a.O., S. 289; OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 12. Januar 2000 - Verg 3/99 -, NVwZ 2000, 714, 715; Jarass, DVBl
2000, S. 1, 2;
91
Jedenfalls aber beschreibt Art. 28 Abs. 2 GG nur den verfassungsrechtlich garantierten
Aufgabenbereich der Gemeinden ("muss gewährleistet sein"). Art. 28 Abs. 2 GG schließt
es dagegen nicht etwa aus, den Gemeinden durch Gesetz über den
verfassungsrechtlich garantierten Aufgabenbereich hinaus zusätzliche
Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen.
92
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1988 - 8 BN 6/97 -, NVwZ 1998, 952 f.; Burgi,
Kommunalrecht, S. 266; Jarass, DVBl 2006, 1, 2 f. m.w.N. pro et contra.
93
In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist das durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierte
kommunale Selbstverwaltungsrecht der Sitzgemeinde gegen etwaige Eingriffe der
ausgreifenden Gemeinde jedenfalls dadurch ausreichend geschützt, dass § 107 Abs. 4
GO die Wahrung der Interessen der betroffenen Gemeinden als Zulässigkeitsschranke
für eine gemeindeübergreifende nichtwirtschaftliche Tätigkeit enthält.
94
Vgl. Burgi, Kommunalrecht, S. 266; Leder, DÖV 2008, 173, 180.
95
Bei Einhaltung der oben näher definierten landesrechtlichen Voraussetzungen für eine
gemeindegebietsübergreifende nichtwirtschaftliche Betätigung einer Kommune ist
grundsätzlich auch eine Verletzung der Grundrechte privater Konkurrenten
ausgeschlossen. Wie der Senat im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung
bereits entschieden hat, braucht ein Träger öffentlicher Gewalt bei rechtlich bindend
vorgegebener Aufgabenerfüllung grundsätzlich keine Rücksicht darauf zu nehmen, dass
private Konkurrenz möglich bleibt. Ein Grundrechtsverstoß kann allenfalls dann
vorliegen, wenn einzelnen Anbietern in einer dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs.
1 GG zuwider laufenden oder mit der vorgegebenen Aufgabenerfüllung nicht mehr im
Zusammenhang stehenden Weise gezielt Nachteile zugefügt werden.
96
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2005 - 15 B 123/05 -, NWVBl 2005, 343 =
DÖV 2005, 616 = NVwZ-RR 2005, 738 = KommJur 2005, 258 = GewArch 2006, 122.
97
Selbst wenn man im Rahmen der Auslegung des § 107 Abs. 4 GO eine Konstellation
zugrundelegt, in der die nichtwirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets
an den verfassungsrechtlichen Maßstäben zu messen wäre, die für eine freiwillige
98
Tätigkeit gelten, so wären die Grundrechte eines privaten Anbieters nur dann verletzt,
wenn die private wirtschaftliche Betätigung unmöglich gemacht oder unzumutbar
eingeschränkt würde oder eine unerlaubte Monopolstellung entstünde.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2005, a.a.O.
99
Dies bedarf hier keiner Vertiefung, weil derartige Folgewirkungen nicht einmal
behauptet werden.
100
Steht danach die vom Senat zu Grunde gelegte Auslegung der gesetzlichen Schranken
des § 107 Abs. 4 GO i.V.m. § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 GO hinsichtlich
gemeindlicher Tätigkeiten in Einklang mit höherrangigem Recht, kann in Bezug auf die
hier betroffene Betätigung eines Gemeindeverbandes ein Verstoß gegen höherrangige
Vorgaben erst Recht nicht festgestellt werden. Gemeindeverbänden steht nämlich im
Unterschied zu Gemeinden ein Selbstverwaltungsrecht nur im Rahmen ihres
gesetzlichen Aufgabenbereichs und nach Maßgabe der Gesetze zu, Art. 28 Abs. 2 Satz
2 GG.
101
Auf der Grundlage der dargestellten Auslegung der Schranken nichtwirtschaftlicher
Tätigkeit außerhalb des Gemeindegebiets ist für das vorliegende Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass ein dringender öffentlicher
Zweck die in Rede stehende Tätigkeit der Beigeladenen erfordert.
102
Es spricht Manches dafür, dass die an das Vorliegen eines dringenden öffentlichen
Zwecks zu stellenden Anforderungen abhängig sind von den unterschiedlichen
Konstellationen, die § 107 Abs. 4 GO unterfallen und nach der dortigen Verweisung an §
107 Abs. 1 Nr. 1 GO zu messen sind. Differenzierende Anforderungen kommen insoweit
in Betracht sowohl hinsichtlich der Gewichtigkeit des dringenden öffentlichen Zwecks
als auch hinsichtlich des Bezugssubjekts, für das die Tätigkeit einem dringenden
öffentlichen Zweck dienen muss. Insoweit sind im Wesentlichen zwei Fallgruppen in
den Blick zu nehmen: Zum Einen kann die von § 107 Abs. 4 GO vorausgesetzte
nichtwirtschaftliche Betätigung von der ausgreifenden Gemeinde im Auftrag der
Sitzgemeinde an deren Stelle ausgeübt werden. Diese Variante liegt dem vorliegenden
Verfahren zu Grunde. Zum Anderen kann die ausgreifende Gemeinde die Betätigung
ohne entsprechenden Auftrag - sei es ohne oder sogar gegen den Willen der
Sitzgemeinde - entfalten. Der Senat braucht im vorliegenden Verfahren nicht zu
entscheiden, welche Anforderungen in der letztgenannten Fallkonstellation an die
Einhaltung der Schranke des § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO zu stellen sind.
Bezugssubjekt für die Feststellung, ob ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung
erfordert, kann bei einer Betätigung ohne oder gegen den Willen der Sitzgemeinde
jedenfalls nur die ausgreifende Gemeinde sein. Hinsichtlich des Bezugssubjekts könnte
aber etwas anderes gelten, wenn sich eine Kommune zur Erfüllung ihrer Aufgaben der
Einrichtung einer anderen Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes bedienen will.
Dann könnte es durchaus ausreichen, wenn ein dringender öffentlicher Zweck der
Sitzkommune erfüllt wird. Wird schon ein solcher erfüllt, so sind an das Vorliegen eines
weiteren dringenden öffentlichen Zwecks auch der ausgreifenden Gemeinde jedenfalls
geringere Anforderungen zu stellen, als wenn allein letzterer die Tätigkeit zu
rechtfertigen hätte. Im vorliegenden Fall liegt bei summarischer Prüfung ein dringender
öffentlicher Zweck i.S.v. § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO sowohl für die Sitzkommune als
auch für den ausgreifenden Regionalverband Ruhr vor.
103
Dass die Abfallentsorgung für die Sitzkommune durch einen dringenden öffentlichen
Zweck gerechtfertigt wird, folgt bei systematischer Gesetzesauslegung bereits aus § 107
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GO, wonach der Betrieb von Einrichtungen des Umweltschutzes,
insbesondere der Abfallentsorgung, nicht als wirtschaftliche Betätigung im Sinne des
11. Teils der Gemeindeordnung gilt. Es kommt hinzu, dass der Kreis T. nach § 5 Abs. 1
LAbfG Entsorgungsträger ist. Wird daher das Vorliegen eines dringenden öffentlichen
Zwecks vom Gesetzgeber für die in § 107 Abs. 2 GO aufgeführten Einrichtungen der
Daseinsvorsorge fingiert,
104
vgl. Held, in: Held u.a., a.a.O., GO NRW, § 107 Anm. 3.2.2,
105
so kann es auch im Hinblick auf § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO keinen Unterschied
machen, von wem die Einrichtung betrieben wird. Für die Sitzgemeinde ist deshalb ein
dringender öffentliche Zweck unabhängig davon gegeben, ob der Kreis die Aufgabe
durch eine eigene Einrichtung selbst wahrnimmt oder sie durch Vertrag einer anderen
Kommune oder einem Gemeindeverband überträgt. Dabei ist für die gemeinderechtliche
Legitimation der beabsichtigten Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt des dringenden
öffentlichen Zwecks nicht nur die allgemeine Freigabe der Tätigkeit für den Kreis T.
nach § 107 Abs. 2 GO in Rechnung zu stellen, sondern auch, dass - bezogen auf die
Tätigkeit von Gemeinden - eine interkommunale Zusammenarbeit in Form der
Kooperationshoheit Bestandteil des verfassungsrechtlich garantierten
Selbstverwaltungsrechts nach Art 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist.
106
Vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433 und 2434/04 -, juris Rn. 146;
Rengeling, in: Püttner, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, 2.
Aufl., S. 392 ff.
107
Dieses Kooperationsrecht umfasst auch die Zusammenarbeit in privatrechtlicher Form
(§ 1 Abs. 3 GkG) und ist aufgrund der technisch anspruchsvollen Aufgabe gerade bei
der Abfallbeseitigung vom Gesetzgeber besonders anerkannt (vgl. § 5 Abs. 7 LAbfG).
Die Durchführung der hier in Rede stehenden Abfallbeseitigungsaufgabe im Gebiet und
im Auftrage des Kreises T. durch eine kreisfremde kommunale Gesellschaft ist daher um
so weniger legitimationsbedürftig, je mehr damit das vom Gesetz über kommunale
Gemeinschaftsarbeit verfolgte Ziel verbesserter Aufgabenerfüllung bei sonst fehlender
oder geminderter Leistungsfähigkeit der einzelnen Partner angestrebt wird.
108
Vgl. zum Zweck der kommunalen Zusammenarbeit Wansleben, in: Held u.a., a.a.O.,
GKG - Einführung, Anm. 3; Burgi, Kommunalrecht, § 19 Rn. 2; Rengeling, in: Püttner,
Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, 2. Aufl., S. 386 f.
109
Ein dringender öffentlicher Zweck erfordert bei summarischer Prüfung die Betätigung im
vorliegenden Fall aber auch aus dem Blickwinkel des ausgreifenden Regionalverbands
Ruhr. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgeblich: Auch die Abfallentsorgung im
Gebiet des Antragsgegners ist eine privilegierte nichtwirtschaftliche Betätigung gemäß §
107 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GO. Die dafür betriebenen Einrichtungen - hier die der
Beigeladenen, der die privilegierte Betätigung nach § 3 des Gesellschaftsvertrages
obliegt - sind wegen der Privilegierung zur Erreichung eines - gesetzlich fingierten -
dringenden öffentlichen Zwecks erforderlich. Der Gesetzgeber beschreibt die
erforderliche Einrichtung in § 107 Abs. 2 Satz 2 GO insoweit näher, als sie, soweit es mit
deren öffentlichem Zweck vereinbar ist, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu
verwalten ist. Zur Erreichung eines dringenden öffentlichen Zwecks erforderlich ist also
110
nicht nur die Einrichtung als solche, sondern auch deren Verwaltung nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Eine wirtschaftliche Verwaltung kann und wird es in
aller Regel erfordern, dass vorhandene Kapazitäten möglichst ausgelastet sind, um die
für die Abfallentsorgung erforderliche Einrichtung ihrem öffentlichen Zweck
entsprechend auf dem jeweiligen Stand der Entsorgungstechnik dauerhaft und zugleich
für die Abfallverursacher möglichst kostengünstig betreiben zu können.
Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2006 - 2 A 11124/05.OVG -, GewArch
2006, 288, 289.
111
Diese wirtschaftlichen Gesichtspunkte, nämlich die Auslastung der vorhandenen
Kapazität, rechtfertigen bei summarischer Prüfung die Einschätzung des
Antragsgegners, dass sie das geplante Ausgreifen auf das Gebiet des Kreises T. durch
die Einsammlung/Übernahme der dort anfallenden schadstoffhaltigen Abfälle und den
Transport in das Verbandsgebiet des Antragsgegners erfordern. Nach derzeitiger
Erkenntnis wahrt damit die Einschätzung des Antragsgegners den Rahmen der
gesetzlich garantierten Prärogative: Der Antragsgegner und die Beigeladene haben
hierzu vorgetragen, die geplante Tätigkeit sei zur Auslastung vorhandener Kapazitäten
erforderlich. Die vorhandenen Fahrzeuge für den Abtransport schadstoffhaltiger
Haushaltsabfälle könnten derzeit nicht im möglichen Umfang eingesetzt werden.
Gleiches gelte für das zur Aufnahme derartiger Abfälle bestimmte Zwischenlager in
Gelsenkirchen, das eine Kapazität von 10.000 t/a habe. In diesem Jahr sei ein Absinken
des Auslastungsgrades des Zwischenlagers in Richtung 50 % zu erwarten. Die
mangelnde Auslastung dieser Kapazitäten sei unwirtschaftlich. Die Kapazitäten
insbesondere des Zwischenlagers ließen sich auch nicht ohne Weiteres abbauen. Eine
Unterauslastung des Zwischenlagers habe zudem zur Folge, dass auch die
nachgeschalteten Entsorgungsanlagen der Beigeladenen in einem entsprechend
geringeren Umfang ausgelastet würden. All dies führe letztlich zu einer Steigerung der
spezifischen Entsorgungspreise von Sonderabfällen aus privaten Haushaltungen und
gefährde das der Beigeladenen vorgegebene Ziel, die Entsorgungssicherheit im
Verbandsgebiet auf hohem Umweltschutzniveau zu gleichzeitig sozialverträglichen
Kosten sicherzustellen.
112
Der Senat hat in diesem Eilverfahren keine durchgreifenden Anhaltspunkte für die
Annahme, dass die Angaben der Beigeladenen unzutreffend sind. Der Senat geht
deshalb auch davon aus, dass die in Rede stehenden Tätigkeiten dem Interesse der
Verwaltung der Einrichtung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten dienen sollen.
113
Die Beigeladene bewegt sich bei dem geplanten Ausgreifen in den Kreis T. auch
innerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs, weil die abfallwirtschaftlichen
Tätigkeiten im Rahmen kommunaler Gemeinschaftsarbeit erfolgen.
114
Die Erforderlichkeit der Tätigkeit wird für das vorliegenden Verfahren auch nicht durch
den Vortrag der Antragstellerin in Frage gestellt, die Anlagenkapazität des
Zwischenlagers der Beigeladenen in Gelsenkirchen sei zwecks beabsichtigter Akquise
von Abfallmengen gerade auch außerhalb des Verbandsgebiets gezielt geschaffen
worden. Sollte diese Annahme zutreffen, so hätte dies nicht ohne Weiteres zur Folge,
dass die Logistikleistungen unzulässig wären. Denn - wie oben ausgeführt - durfte und
darf die Beigeladene im Rahmen kommunaler Gemeinschaftsarbeit grundsätzlich auch
Abfall aus anderen Gebieten aufnehmen und die Kapazität des Zwischenlagers u.a. an
dieser Option orientieren. Wie ebenfalls bereits oben ausgeführt, ist im vorliegenden
115
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kein Raum für die Klärung der Frage, ob die
Aufnahme des Abfalls Dritter auch im Rahmen kommunaler Gemeinschaftsarbeit
möglicherweise gewissen Grenzen unterliegt, weil sich die Abfallentsorgung des
Antragsgegners nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVRG im Ansatz auf den in den
Mitgliedsgemeinden angefallenen Abfall zu beschränken hat. Hiervon ausgehend ist
eine Überschreitung der gemeindewirtschaftrechtlichen Betätigungsgrenzen jedenfalls
nicht überwiegend wahrscheinlich.
Die Antragstellerin kann auch nicht mit Aussicht auf Erfolg im vorliegenden Verfahren
geltend machen, die Auslastung der Kapazität des Zwischenlagers in Gelsenkirchen
erfordere nicht die Übernahme der Logistikleistungen im Gebiet des Kreises T. , und die
Beigeladene habe sich entweder über eine Bietergemeinschaft oder als
Nachauftragnehmer an dem Vergabeverfahren beteiligen können. Denn die Übernahme
auch der Logistikleistungen ist für den wirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen
zumindest förderlich. Ob das Schwergewicht der Leistungserbringung der Beigeladenen
für die Auftraggeberin bei den Logistikleistungen oder bei der Abfallbehandlung im
Verbandsgebiet liegt, kann im vorliegenden Fall angestrebter interkommunaler
Zusammenarbeit angesichts der daraus resultierenden geringeren Anforderungen an
die gemeindewirtschaftsrechtliche Legitimation auf sich beruhen. Offenbleiben kann
deshalb auch, ob nicht bereits von der Beigeladenen angeführte freie
Transportkapazitäten die Logistikleistungen rechtfertigen.
116
Soweit die Antragstellerin unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 2.
September 2004,
117
- 15 B 1709/04 -, NWVBl 2005,68 = NVwZ-RR 2005, 198,
118
die Unverhältnismäßigkeit der geplanten Tätigkeit des Beigeladenen rügt, übersieht sie,
dass der Senat dieses Prüfungskriterium lediglich im Falle eines marktinkonformen
Markteingriffs (dort: Vermietung von Räumen durch den Kreis an Schilderpräger im
Kreishaus in unmittelbarer Nähe der KFZ-Zulassungsstelle) herangezogen hat, um den
es hier nicht geht.
119
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung stützt
sich auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 47 Abs. 1 GKG.
120
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
121
122