Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.03.2004
OVG NRW: serbien und montenegro, verschlechterung des gesundheitszustandes, republik, behandlung, asyl, gefährdung, abschiebung, heimat, vollzug, gefahr
Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 1958/03
Datum:
05.03.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 1958/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 8 L 1368/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.000,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zur ihrer Begründung von der Antragstellerin
dargelegten Gründe, die vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur zu prüfen
sind, rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
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Die Antragstellerin vermochte auch mit ihrem Beschwerdevorbringen, mit dem sie nur
noch eine psychische Erkrankung ihrer Person geltend macht, für ihr Begehren,
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dem Antragsgegner den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen vorläufig bis zur
Entscheidung über die am 18. August 2003 erhobene Klage gegen die
Ordnungsverfügung vom 2. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
des F. -S. -L. vom 23. Juli 2003 zu untersagen,
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ungeachtet der Frage, ob dieses Begehren überhaupt zulässig ist, jedenfalls das
Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO,
§§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
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Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass ihre Abschiebung infolge eines Anspruchs
auf Erteilung der von ihr beantragten Aufenthaltsbefugnis unmöglich ist. Für einen
derartigen Anspruch nach - den vorliegend allein in Betracht kommenden Regelungen
des - § 30 Abs. 3 oder Abs. 4 AuslG fehlt es an einem für beide Regelungen allein
(noch) in Erwägung zu ziehenden Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG. Die Antragstellerin vermochte auch weiterhin nicht glaubhaft zu machen, dass
die von ihr geltend gemachte psychische Erkrankung in ihrer Heimat nicht hinreichend
behandelt werden kann.
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Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich zutreffend festgestellt, dass in der an die
Stelle der Bundesrepublik Jugoslawien getretenen Republik Serbien und Montenegro
grundsätzlich die Möglichkeit besteht, psychische Erkrankungen - auch solche, wie von
der Antragstellerin geltend gemacht - zu behandeln, wobei eine entsprechende
Behandlung ggf. sogar kostenlos erfolgen kann.
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Vgl. insoweit auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) vom 28. Juli 2003.
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Diese Feststellung hat die Antragstellerin im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung
nicht in Abrede gestellt, sondern sogar eingeräumt, dass die Behandlung von
psychischen Erkrankungen in Jugoslawien grundsätzlich möglich sei. Soweit der Dipl.-
Psych. I. D. N. in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 13. Oktober 2003 davon ausgeht,
dass fachpsychologische Behandlungen im Heimatland der Antragstellerin nicht in dem
Umfang wie in Deutschland zu erhalten seien, mag dies zwar zutreffend sein, stellt aber
die Existenz von ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten für psychische
Erkrankungen in der Republik Serbien und Montenegro nicht in Frage. Denn nach
ständiger Senatsrechtsprechung ist ein Ausländer grundsätzlich auf den in
medizinischer und therapheutischer Hinsicht allgemein üblichen Standard in seinem
Heimatland zu verweisen.
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Vgl. hierzu nur die Senatsbeschlüsse vom 25. April 2002 - 18 B 1028/01 - und vom 28.
März 2003 - 18 B 35/03 - m.w.N.
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Hiervon abzuweichen, gebietet die Beschwerdebegründung nicht. Soweit der Dipl.-
Psych. N. aus seinen zuvor genannten Äußerungen den Schluss zieht, dass mit einer
unverantwortlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin in
jedem Fall gerechnet werden müsse, reichen diese Ausführungen zur Darlegung einer
die Schwelle des Abschiebungsschutzes nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG
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vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2000 - 18 B 1520/00 - m.w.N.
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erreichenden gesundheitlichen Gefährdung der Antragstellerin schon deshalb nicht aus,
weil diese Annahme im Folgenden nicht begründet wird. Hierzu hätte es einer
detaillierten und im Einzelnen - etwa durch ärztliche Stellungnahmen und die
Benennung konkreter Erkenntnisquellen - zu belegenden Darstellung bedurft, welche
von der Antragstellerin benötigte fachpsychologische Behandlung in der Republik
Serbien und Montenegro nicht oder nicht ausreichend erbracht werden kann und welche
Folgen dies für ihren Gesundheitszustand nach sich ziehen würde.
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Die Antragstellerin vermochte auch nicht darzulegen, dass ihr ei7ne Rückkehr in ihr
Heimatland wegen eines dort zu erwartenden Wiederauflebens der von ihr geltend
gemachten Traumatisierung
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vgl. in diesem Zusammenhang Middeke, Posttraumatisierte Flüchtlinge im Asyl- und
Abschiebungsprozess, DVBl. 2004, 150.
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und einer damit einhergehenden Verschlimmerung ihres Gesundheitszustandes nicht
zumutbar ist. Soweit sie zur Begründung auf einhellige Aussagen der Traumaforschung,
denen zufolge Täter und Opfer zunächst zu trennen und Traumatisierte in eine
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geschützte Umgebung zu verbringen sind, hingewiesen hat, fehlt es bereits ansatzweise
an einer konkreten Auseinandersetzung mit ihrer Situation. In diesem Zusammenhang
ist auch die ärztliche Bescheinigung des Dipl.- Psych. N. vom 13. Oktober 2003
unergiebig. Zwar mag die darin getroffene im weiteren aber nicht näher erläuterte
Feststellung, dass eine Behandlung der Antragstellerin in ihrem Heimatland nicht
möglich sei, da hierdurch eine Überflutung mit Erinnerungsbelastungen entstehe, die
das Krankheitsbild verschlimmerten, insofern zutreffend sein, als es um ein
Wiedersehen von Personen und Orten geht, die mit den traumatisierenden Ereignissen
in enger Beziehung stehen. Nicht nachvollziehbar ist aber, ob und ggf. aus welchem
Grund diese Ausführungen auch bei einer Rückkehr der Antragstellerin in solche Teile
der Republik Serbien und Montenegro, in denen keine sie betreffende
traumatisierenden Ereignisse stattgefunden haben, Gültigkeit beanspruchen können.
Ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist nämlich nur dann
anzunehmen, wenn die im Einzelfall bestehende individuelle konkrete Gefahr für die
von dieser Vorschrift geschützten Rechtsgüter landesweit besteht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 1996 - 1 C 6.95 -, InfAuslR 1997, 193;
Senatsbeschluss vom 3. September 1999 - 18 B 1365/99 -.
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Auch insoweit hätte es einer aussagekräftigen, detaillierten und zu belegenden
Darlegung seitens der Antragstellerin bedurft.
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In diesem Zusammenhang führt auch die ärztliche Stellungnahme des Dr. T. vom 16.
Oktober 2003 zu keiner anderen Beurteilung. Ungeachtet der Frage, welche
Aussagekraft dieser Stellungnahme im vorliegenden Verfahren aufgrund dessen, dass
sie - wie sich ihr entnehmen lässt - nicht auf einer persönlichen Exploration der
Antragstellerin beruht, sondern nur auf der Grundlage der ärztlichen Bescheinigungen
des Dipl.-Psych. N. vom 26. Februar 2002, vom 15. April 2002, vom 26. Juli 2002 und
vom 28. Januar 2003 erfolgt ist, überhaupt zukommen kann, lässt sich ihr in Bezug auf
eine etwaige Verschlimmerung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin infolge
einer bei einer Rückkehr in ihre Heimat wieder auflebenden Traumatisierung nichts zu
ihren Gunsten herleiten. Denn die genannte Stellungnahme verhält sich ausschließlich
zu der Frage ihrer Reisefähigkeit. Insoweit sei lediglich ergänzend angemerkt, dass Dr.
T. zu der - auch seitens der Antragstellerin unwidersprochen gebliebenen -
Einschätzung gelangt ist, dass einer bei dem Vollzug einer Abschiebung auftretenden
gesundheitlichen Gefährdung durch geeignete Schutzmaßnahmen begegnet werden
kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 i.V.m. §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
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