Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.02.2005
OVG NRW: wohnfläche, wohnung, dachgeschoss, verkehrswert, wohngebäude, stadt, jahresbericht, verwertung, verfahrensmangel, unterlassen
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 16 A 622/01
09.02.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
16. Senat
Beschluss
16 A 622/01
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 20 K 4705/96
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens tragen die
Kläger.
G r ü n d e :
Die Entscheidung über den Zulassungsantrag ergeht im Einverständnis der Beteiligten
durch die Berichterstatterin (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
Der Zulassungsantrag ist abzulehnen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe aus
§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 VwGO sämtlich nicht gegeben sind.
Es bestehen zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen
Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat teilt die Einschätzung des
Verwaltungsgerichts, dass das in Rede stehende Hausgrundstück nicht angemessen im
Sinne von § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG in der hier anzuwendenden Fassung ist. Die in Satz 3
der genannten Bestimmung enthaltene Vermutung für die Angemessenheit einer Wohnung
kommt den Klägern nicht zugute. Voraussetzung hierfür wäre zunächst, dass das von den
Klägern bewohnte Eigenheim im hier streitgegenständlichen Zeitraum die Grenzen des §
39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) nicht
übersteigt. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die
hiernach maßgeblichen Wohnflächengrenzen überschritten sind. Die in § 39 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 II. WoBauG bestimmte Wohnfläche von 130 qm ist im vorliegenden Fall um 40 qm zu
erhöhen, da im streitgegenständlichen Zeitraum sechs Personen das Haus bewohnt haben
(vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 II. WoBauG). Die hiernach vom Verwaltungsgericht zutreffend mit 170
qm ermittelte Wohnflächengrenze wird im vorliegenden Fall - unstreitig - deutlich
überschritten. Die Wohnfläche betrug jedenfalls auch unter Berücksichtigung des
Zulassungsvorbringens, wonach die obere Wohnung 129,20 qm groß ist, über 200 qm:
79,07 qm für das Erdgeschoss zuzüglich 129,20 qm für das Obergeschoss einschließlich
Dachgeschoss.
Auch die Anwendung von § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des II. WoBauG könnte der Klage nicht
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zum Erfolg verhelfen. Zwar können grundsätzlich auch Wohngebäude mit zwei
Wohnungen dem Schutz des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG unterfallen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Februar 1995 - 24 A 3891/93 -, Seite 9 des Urteilsabdrucks.
Aber auch die nach Nr. 2 der genannten Bestimmung bestimmte Wohnflächengrenze von
200 qm wird im vorliegenden Fall - wie ausgeführt - unstreitig überschritten. Die in Nr. 2 des
§ 39 Abs. 1 Satz 1 des II. WoBauG geregelte Grenze von 200 qm ist im vorliegenden Fall
nicht zu erhöhen. Die vom Verwaltungsgericht angenommene Mehrfläche von 40 qm
erweist sich im Hinblick auf die konkrete Situation als unzutreffend. Die Erhöhung der
Wohnfläche ist nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn dies "zur angemessenen
Unterbringung eines Haushalts mit mehr als vier Personen" (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 82
Abs. 3 Satz 1 II. WoBauG) erforderlich ist. Dies ist im vorliegenden Fall nicht anzunehmen.
Unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten - und nur dieser Aspekt ist im vorliegenden
Fall Prüfungsmaßstab - kann eine weitere Erhöhung der Wohnfläche von 200 qm nicht
mehr als gerechtfertigt angesehen werden. Dies ergibt sich aus der konkreten
Wohnsituation: die Ehefrau des Hilfeempfängers sowie die weiteren Angehörigen -
insgesamt sechs Personen - bewohnten im hier zu prüfenden Zeitraum ein Gebäude mit
einer Wohnfläche, die die in Nr. 1 des § 39 Abs. 1 Satz 1 des II. WoBauG genannte Grenze
bereits erheblich überschreitet. Hinzu tritt der Umstand, dass die Klägerin zu 1. mit ihrer
Tochter sowie der Mutter über eine zweigeschossige Wohnung (Obergeschoss sowie
Dachgeschoss) und damit recht großzügigen Wohnraum (nach ihrem Vortrag 129,20 qm)
verfügte. Jedenfalls kann den Klägern unter diesen Umständen eine Mehrfläche nicht
zugebilligt werden. Ist die Wohnfläche des von den Klägern bewohnten Wohngebäudes
insgesamt bereits aus den vorgenannten Gründen überschritten, kommt es auf den Streit
der Beteiligten über die Berechnung der Wohnfläche im ersten Obergeschoss (vgl.
Begründung zu 1. des Zulassungsantrages) nicht an.
Gleiches gilt für das Vorbringen im Zulassungsantrag (Begründung zu 2.), bei den
Räumlichkeiten im Dachgeschoss habe es sich im streitgegenständlichen Zeitraum noch
nicht um eine eigenständige Wohnung gehandelt. Diese Frage hat das Verwaltungsgericht
offen gelassen; auch der Senat geht bei seiner Prüfung zu Gunsten der Kläger davon aus,
dass es sich um ein Familienheim mit nicht mehr als zwei Wohnungen gehandelt hat.
Mit der - hier anzunehmenden - nicht unerheblichen Überschreitung der Wohnfläche hat
das Verwaltungsgericht zu Recht ein gewichtiges Indiz für die Unangemessenheit des
Grundstücks bejaht. Ernstliche Zweifel bestehen in diesem Zusammenhang nicht
hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, es könne nicht mehr davon
ausgegangen werden, dass sich der Verkehrswert im unteren Bereich der Verkehrswerte
vergleichbarer Objekte am Wohnort des Hilfesuchenden halte. Dass die Zugrundelegung
des Verkehrswertes in Anlehnung an das Bewertungsgutachten vom 10. November 1999 in
erheblichem Umfang überhöht wäre, ist nicht substanziiert geltend gemacht. Dabei kann
dahinstehen, welchen Ausbauzustand konkret das Dachgeschoss des klägerischen
Hauses im hier streitgegenständlichen Zeitraum aufwies. Jedenfalls ist bereits im
Gutachten der Städtischen Bewertungsstelle vom 9. August 1993 ausgeführt, die Kläger
hätten in den letzten zehn Jahren erhebliche Ausstattungsverbesserungen vorgenommen.
Es blieben in dem Gutachten unberücksichtigt Ausstattungsverbesserungen im Keller-
sowie Erdgeschoss und der "Einbau einer Wohnung im DG". Wenngleich mit dem
Zulassungsantrag ebenso wie bereits erstinstanzlich die Existenz einer eigenständigen
Wohnung im Dachgeschoss in Zweifel gezogen wird, ist andererseits davon auszugehen,
dass der in dem früheren Wertgutachten aus dem Jahre 1993 angenommene Verkehrswert
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von 270.000 DM erheblich zu niedrig bemessen sein dürfte. Weshalb der später - auf den
Stichtag 9. August 1993 - bezogene Schätzwert von 335.000 DM im Ergebnis grob
fehlerhaft sein sollte, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht.
Gleiches gilt für das Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe sich für die Einschätzung
des Verkehrswertes nicht an dem Jahresbericht 1993 des Gutachterausschusses für
Grundstückswerte in der Stadt Oberhausen orientieren dürfen, ohne hinsichtlich des Alters
der Wohnobjekte zu differenzieren. Gerade wenn das Wohngebäude der Kläger auf Grund
seines geringeren Alters einen erheblich höheren Verkehrswert gehabt haben sollte als
ältere und damit minderwertigere Gebäude (vgl. Seite 6 der Zulassungsbegründung),
ergäbe sich hieraus kein Kriterium für die sozialhilferechtliche Angemessenheit.
Schließlich bestehen auch im übrigen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat eingehend und mit zutreffenden
Erwägungen dargelegt, dass auch die gegebenenfalls erforderliche Verwertung des
Hausgrundstückes nicht wegen Vorliegens einer Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG
ausgeschlossen wäre.
Da die Rechtssache nach den vorstehenden Ausführungen weder in tatsächlicher noch in
rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten aufweist, ist auch der Zulassungsgrund des
§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gegeben.
Gleiches gilt für den schließlich geltend gemachten Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2 Nr.
5 VwGO. Ein Verfahrensmangel bezüglich der - von den Klägern geltend gemachten -
Zugrundelegung einer überhöhten Wohnfläche im ersten Obergeschoss scheidet bereits
deswegen aus, weil die Entscheidung hierauf nicht im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO
beruhen kann. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich nämlich auch bei
Zugrundelegung der von den Klägern vorgetragenen Wohnfläche aus den eingangs
dargestellten Gründen als zutreffend.
Auch das Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe aufklären müssen, ob sich
im Dachgeschoss eine eigenständige Wohnung befunden habe, vermag einen
Verfahrensfehler nicht aufzuzeigen. Das Verwaltungsgericht hat die Frage, ob bereits im
Jahre 1993 drei Wohnungen vorhanden waren, ausdrücklich unentschieden gelassen. Von
diesem Standpunkt aus kam es auf die Aufklärung der vorgenannten Frage nicht an, so
dass bereits deswegen ein Verfahrensfehler ausscheidet.
Gleichfalls ist kein Verfahrensfehler erkennbar, weil das Verwaltungsgericht es unterlassen
habe, ein weiteres Gutachten zur Höhe des Verkehrswertes einzuholen. Wie bereits
ausgeführt, war der in dem Gutachten vom 9. August 1993 zu Grunde gelegte Verkehrswert
auf Grund der Nichtberücksichtigung erheblicher Ausstattungsverbesserungen zu niedrig
bemessen. Aus welchen Gründen die Veranschlagung in dem späteren Gutachten aus
dem Jahre 1999 nennenswert überhöht gewesen sein sollte, ist auch unter
Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens nicht erkennbar. Angesichts dessen kann
nicht davon ausgegangen werden, dem Verwaltungsgericht habe sich eine
Beweiserhebung in dem von den Klägern gewünschten Sinne aufdrängen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 188 Satz 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.