Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 06.01.1998
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Oberverwaltungsgericht NRW, 2 A 1749/97
Datum:
06.01.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 A 1749/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 4 K 2062/94
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu je einem Viertel. Die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 32.000,-- DM festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Die Kläger machen geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des § 124 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Das Urteil des
Verwaltungsgerichts stütze sich in erster Linie auf das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 12. November 1996 - BVerwG 9 C 8.96 -, wonach
derjenige, welcher nicht Deutsch, sondern Russisch als Muttersprache oder bevorzugte
Umgangssprache spricht, regelmäßig Angehöriger des russischen Kulturkreises ist, was
zugleich eine Erziehung im Sinne des russischen Volkstums indiziert. Diese zentrale
Bedeutung der Beherrschung der deutschen Sprache werde den Besonderheiten der
deutschen Minderheit im allgemeinen und der des Klägers und seiner familiären
Situation im besonderen nicht gerecht. Da die Eltern und die beiden Brüder des Klägers
sich bereits in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten und "als Aussiedler
anerkannt" seien, würden die Kläger in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 des
Grundgesetzes nachhaltig und unzumutbar verletzt. Es bestehe die Gefahr, daß bei
Aufrechterhaltung der angefochtenen Entscheidung die Familienbande zerreißen
würden.
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Damit legen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des §
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dar. Mit der Grundsatzrüge muß, sofern wie hier
Rechtsfragen angesprochen werden, eine in verallgemeinerungsfähiger Weise über den
jeweiligen Einzelfall hinausgreifende, im Interesse der Rechtseinheit oder der
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Fortentwicklung des Rechts klärungsfähige und klärungsbedürftige konkrete
Rechtsfrage dargelegt werden.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschluß vom 23. November 1995 - 9 B
362.95 -, NWVBl. 1996, 104, 105.
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Eine konkrete Rechtsfrage haben die Kläger nicht formuliert. Sie behaupten lediglich,
sie würden durch die Auslegung, die das Verwaltungsgericht im Anschluß an die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
des Bundesvertriebenengesetzes vorgenommen habe, in ihrem Grundrecht aus Art. 6
Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - verletzt.
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Selbst wenn man zugunsten der Kläger davon ausgeht, daß sie die Rechtsfrage
aufwerfen wollen, ob § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG in der Auslegung des
Verwaltungsgerichts gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoße, wenn alle Mitglieder der engeren
Familie (hier: Eltern und Geschwister) als Aussiedler aufgenommen worden sind, ergibt
sich keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Denn diese Frage ist in der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, daß die Beurteilung der
Vertriebeneneigenschaft innerhalb einer Familie unterschiedlich ausfallen kann, da für
jeden Familienangehörigen zu prüfen ist, ob er deutscher Volkszugehöriger ist.
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Vgl. BVerwG, Beschluß vom 23. Dezember 1994 - 9 B 630.94 -.
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Weiter ist geklärt, daß der einem Verwandten ausgestellte Vertriebenenausweis keine
Bindung der Behörde zugunsten der Vertreibeneneigenschaft eines anderen
Verwandten erzeugt.
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Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Februar 1990 - 9 B 325.89 -, Buchholz, Sammel- und
Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG, 412.3 § 18 BVFG Nr. 13 und vom
23. Dezember 1994 - 9 B 630.94 - mit weiteren Nachweisen.
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Damit steht fest, daß Art. 6 GG keinen Einfluß auf die Frage des Vorliegens der
Voraussetzungen der deutschen Volkszugehörigkeit und speziell des § 6 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 BVFG haben kann.
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Die Kostenentscheidung beruht §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO iVm § 100
Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 13 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 124 a Abs. 2 Satz 3 , 152 Abs. 1 VwGO).
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