Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2001
OVG NRW: hippotherapie, gutachter, anerkennung, krankengymnastik, ermächtigung, beihilfe, reiten, fürsorgepflicht, konkretisierung, anwendungsbereich
Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 193/00
Datum:
27.09.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 193/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 22 K 1410/95
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger steht als Berufssoldat im Range eines Hauptfeldwebels im Dienst der
Beklagten.
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Der im Jahre 1986 geborene Sohn A. des Klägers erlitt aufgrund eines Verkehrsunfalls
im 7. Lebensjahr eine Ataxie nach einem Schädel-Hirn-Trauma. Der behandelnde Arzt
für Kinderheilkunde/Psychotherapie Dr. med. F. verordnete im Zusammenhang mit
dieser Diagnose für den Sohn unter dem 27. Juni 1994 zehn Mal Hippotherapie. Für die
Durchführung des therapeutischen Reitens (10 Termine zwischen August und
November 1994) entstanden laut Rechnung der Praxis für Krankengymnastik U. E. in N.
Kosten von insgesamt 600,00 DM.
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Mit Antrag vom 21. Dezember 1994 begehrte der Kläger eine Beihilfe (u. a.) zu den
Kosten der vorerwähnten Hippotherapie für seinen Sohn A. . Mit Bescheid vom 2.
Januar 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger hierzu eine Beihilfe in Höhe von 280,00
DM; im Übrigen lehnte sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen
aus, dass die Aufwendungen für die Hippotherapie gemäß den einschlägigen
Beihilfebestimmungen nur in Höhe von 350,00 DM (35,00 DM pro Einzelbehandlung)
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beihilfefähig seien. Die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers wies die Beklagte
mit Bescheid des B. der V. vom 25. Januar 1995 unter Bezugnahme auf den
Durchführungshinweis 1.22 zu § 6 Abs. 2 BhV als unbegründet zurück.
Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend
gemacht: Die Nichtanerkennung des über 350,00 DM hinausgehenden Betrages der
Aufwendungen für die Hippotherapie sei rechtswidrig. Die Beklagte habe zu Unrecht
eine Erhöhung des beihilfefähigen Betrages nach Maßgabe der Nrn. 5 und 6 des
Leistungsverzeichnisses (Hinweis 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV) in Fällen des
therapeutischen Reitens nicht für möglich erachtet. Die Voraussetzungen jener
Vorschriften lägen indes hier vor.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Abänderung des Beihilfebescheides des B. der V. vom 30. Dezember
1994 und unter Aufhebung des Beschwerdebescheides vom 25. Januar 1995 zu
verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 21. Dezember 1994 auf Gewährung einer
Beihilfe zu den Aufwendungen für Hippotherapie unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich durch die Hinweise des B. des I. im Sinne der angegriffenen
Beihilfefestsetzung für gebunden erachtet und im Übrigen die Rechtmäßigkeit der dort
geregelten Beihilfebegrenzung verteidigt.
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Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe der Senat Bezug
nimmt, hat das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme -
Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des Prof. Dr. med. K. zu der Frage, ob die
Hippotherapie eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode ist -
der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
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Hiergegen richtet sich die (vom Senat zugelassene) Berufung der Beklagten, zu deren
Begründung sie im Wesentlichen geltend macht: Das für die BhV federführende
Bundesministerium des Inneren habe mit dem Hinweis 1.22 zu § 6 Abs. 2 BhV in der
Neufassung durch das Rundschreiben vom 15. Februar 1994 pauschal sein Ermessen
in Beihilfefällen der Hippotherapie ausgeübt und damit ein einheitliches Vorgehen der
Verwaltung sichergestellt. In diesem Zusammenhang sei auch einer Wandlung in der
Bewertung der Hippotherapie Rechnung getragen worden. Die in Rede stehende
Regelung lasse sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sehr wohl auf §
6 Abs. 2 BhV stützen. Jedenfalls für die nicht im Hinweis 1.22 (inzwischen: Hinweis 2)
zu § 6 Abs. 2 BhV genannten Indikationen sei die Hippotherapie als wissenschaftlich
nicht anerkannte Methode einzustufen. Der vom Verwaltungsgericht beauftragte
Gutachter habe in seinem Gutachten vom 27. Februar 1999 überdies unbeantwortet
gelassen, wie es im Behandlungszeitraum des Sohnes des Klägers im Jahre 1994 um
die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der in Rede stehenden
Behandlungsmethode gestanden habe. Der vom Kläger angeführte vom
Verwaltungsgericht Regensburg entschiedene Fall sei mit dem vorliegenden nicht
vergleichbar.
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Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil und verweist ergänzend auf sein bisheriges
Vorbringen.
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Die Beteiligten haben im Berufungsverfahren auf eine mündliche Verhandlung
verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des
beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Der Senat ist befugt, über die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen
Verhandlung zu entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis gegeben
haben (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Berufung bleibt erfolglos.
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Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide
jedenfalls im Ergebnis zu Recht zur Neubescheidung des Beihilfeantrags des Klägers
vom 21. Dezember 1994 verpflichtet, soweit es dort um die Aufwendungen für
Hippotherapie des Sohnes A. geht. Klarstellend wird allerdings darauf hingewiesen,
dass der Ausspruch des erstinstanzlichen Urteils, soweit er auf die Beachtung der
Rechtsauffassung des "Gerichts" abhebt, dahin zu verstehen ist, dass es nach
Durchführung des Berufungsverfahrens nunmehr in erster Linie die in den Gründen
dieses Urteils zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung des Senats zu beachten gilt.
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Die in den angegriffenen Bescheiden vorgenommene generelle Begrenzung der
beihilfefähigen Aufwendungen für therapeutisches Reiten (Hippotherapie) auf einen
Höchstsatz von 35,00 DM pro Einzelbehandlung steht nicht im Einklang mit den
Bestimmungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Beihilfe
in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der hier noch
anwendbaren Fassung vom 2. April 1992 (GMBl. 1992 S. 210), an denen aufgrund der
Verweisung in der unmittelbaren Rechtsgrundlage des § 31 Soldatengesetz (SG) der
Anspruch des Klägers auf Beihilfegewährung aus Anlass der Krankheit seines Sohnes
zu messen ist. Hierdurch werden zugleich Rechte des Klägers verletzt, denn ohne die
rechtswidrige Begrenzung stünde diesem ein höherer Beihilfebetrag zu.
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Zwar handelt es sich bei den in - grundsätzlich abschließender - Konkretisierung der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn erlassenen Beihilfevorschriften des Bundes nicht um
Rechtsnormen, sondern um Verwaltungsvorschriften. Grundsätzlich wirken
Verwaltungsvorschriften im Außenverhältnis nicht selbst anspruchsbegründend,
sondern sind dies nur in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der
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tatsächlichen Verwaltungspraxis. Dies gilt aber nicht in gleicher Weise für als
Verwaltungsvorschriften erlassene Beihilfevorschriften. Diese konkretisieren - solange
eine nähere Regelung durch Gesetz und Verordnung fehlt - die im Gesetz nur im
Allgemeinen festgelegte Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Interesse einer
gleichmäßigen Behandlung aller Beihilfeberechtigten in Krankheits-, Geburts- und
Todesfällen, indem sie die Ausübung des Ermessens der zur Erfüllung der
Fürsorgepflicht berufenen Stellen zentral binden. Mit Rücksicht auf diese Besonderheit
geht das Bundesverwaltungsgericht, dem der Senat folgt, in ständiger Rechtsprechung
davon aus, dass Beihilfevorschriften auch dann, wenn sie als Verwaltungsvorschriften
erlassen sind, hinsichtlich ihrer Auslegung und Anwendung der (revisions)gerichtlichen
Überprüfung im gleichen Umfang unterliegen wie Rechtsnormen und dass es deshalb in
diesem Zusammenhang auf Feststellungen zur tatsächlichen Verwaltungspraxis nicht
entscheidend ankommt.
Vgl. BVerwG, z. B. Urteil vom 18. September 1985 - 2 C 48.84 -, BVerwGE 72, 119 =
DÖD 1986, 156, m.w.N.
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Unerheblich ist daher, wie im Bundesministerium der V. Fälle der Hippotherapie in der
tatsächlichen Praxis seinerzeit hinsichtlich der Frage ihrer Beihilfefähigkeit behandelt
worden sind. Auch Runderlasse, Rundschreiben etc. sind in diesem Zusammenhang
nicht geeignet, die (zentralen) Beihilfevorschriften abzuändern, sie einzuschränken oder
auch nur authentisch zu interpretieren,
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vgl. Jachmann, ZBR 1997, 342 (345) mit zahlreichen Nachweisen, u. a. auch zur
Rechtsprechung des BVerwG,
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es sei denn, die Beihilfevorschriften enthielten eine ausdrückliche Ermächtigung hierzu.
Bestehen derartige Ermächtigungen, z. B. im Hinblick auf den Ausschluss oder die
Begrenzung der Beihilfefähigkeit für bestimmte Arzneimittel oder Behandlungsarten, so
bleibt allerdings der in diesem Zusammenhang in den Beihilfevorschriften (ggf.) selbst
vorgegebene Rahmen zu beachten.
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In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den vorliegenden Fall:
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Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV gehört zu den beihilfefähigen Aufwendungen grundsätzlich
auch eine vom Arzt aus Anlass einer Krankheit schriftlich verordnete Heilbehandlung
wie z. B. Krankengymnastik oder Bewegungstherapie. Die Hippotherapie ist eine
besondere Form der Krankengymnastik. Es handelt sich bei ihr um eine spezielle
Reittherapie, bei der unter Anleitung die passive Anpassung des Patienten an die
Schwingungen des Rückens des im Schritt gehenden Pferdes als physiotherapeutische
Behandlungsmethode zur Therapie von bewegungsgestörten Kindern oder
Erwachsenen genutzt wird.
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Vgl. dazu Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. September 2000 - LS KR
74/99 -, Juris- Nr.: KSRE 081550418; Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl.,
S. 671, 1362.
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Nach § 6 Abs. 2 BhV kann allerdings durch das Bundesministerium des Innern (BMI) die
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Untersuchung oder Behandlung nach einer
wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzt oder ausgeschlossen
werden. Hiervon hat das BMI in Gestalt der Hinweise zu § 6 Abs. 2 BhV Gebrauch
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gemacht, und zwar in Nr. 1.22 auch betreffend das therapeutische Reiten
(Hippotherapie). In der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen (Änderungs-)Fassung
des Rundschreibens des BMI vom 15. Februar 1994 - D III 5 - 210 100 - 1/1h - lautet die
einschlägige Ziffer 1.22 - inzwischen wortgleich eingegangen in den Hinweis 2,
Stichwort "Therapeutisches Reiten (Hippotherapie)" - wie folgt:
"Aufwendungen sind nur beihilfefähig bei ausgeprägten zerebralen
Bewegungsstörungen (Spastik) oder schwerer geistiger Behinderung, sofern die ärztlich
verordnete und indizierte Behandlung durch einen Angehörigen der Heilhilfsberufe (z.
B. Krankengymnast) mit entsprechender Zusatzausbildung durchgeführt wird. Die
Leistung wird der Nr. 4 des Hinweises 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 zugeordnet."
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Die in dem Satz 2 des vorgenannten Hinweises vorgenommene Zuordnung hätte an
sich zur Folge, dass der beihilfefähige Höchstbetrag - die Anerkennung der
Aufwendungen dem Grunde nach im Falle des Sohnes des Klägers steht zwischen den
Beteiligten nicht im Streit - bei Hippotherapie pro Einzelbehandlung strikt auf 35,00 DM
begrenzt wäre. Denn die Nr. 4 des Hinweises 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV sieht dies ohne
Ausnahme vor. Im Ergebnis behandeln damit die Hinweise des BMI die Hippotherapie
anders als sonstige Formen der Krankengymnastik, indem sie die Möglichkeit einer
Einordnung bestimmter Behandlungsfälle in die Nrn. 5 und 6 des
Leistungsverzeichnisses im Hinweis 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV mitsamt den zugehörigen
großzügiger bemessenen Höchstgrenzen - auch beim Vorliegen der dort geregelten
besonderen Indikationen - für die Hippotherapie generell ausschließen.
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Die im Rahmen des Satzes 2 des Hinweises 1.22 vorgenommene Zuordnung hält indes
einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie kann bereits deshalb nicht als
rechtmäßige Ausübung und Konkretisierung der in § 6 Abs. 2 BhV enthaltenen
Regelungsermächtigung angesehen werden, weil die Hippotherapie in Folge einer
fehlerhaften Bewertung der Frage ihrer allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung
zu Unrecht dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift unterstellt worden ist.
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§ 6 Abs. 2 BhV, in dessen Ausführung der in Rede stehende Hinweis 1.22 ergangen ist,
ist keine in vollem Umfang erst ausfüllungsbedürftige "Blankettnorm", sondern enthält -
in Gestalt des Merkmals der wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode - für
seinen Regelungsbereich selbst eine nähere, einen Rahmen vorgebende
Konkretisierung der Umstände, im Hinblick auf die das BMI die Beihilfefähigkeit
ausschließen oder begrenzen darf. Das BMI darf diese Vorgabe nicht ignorieren; es ist
ihm deshalb verwehrt, unter Rückgriff auf die Ermächtigung des § 6 Abs. 2 BhV die
Beihilfefähigkeit von Auswendungen aus sonstigen (Ermessens-)Gründen
auszuschließen oder zu begrenzen. Daraus folgt: Auch eine Begrenzung der
beihilfefähigen Aufwendungen der Höhe nach muss - soll sie, wie hier, aus der
Ermächtigung in § 6 Abs. 2 BhV abgeleitet werden - in einem hinreichend
nachvollziehbaren sachlichen Zusammenhang mit der - zu Recht angenommenen -
fehlenden allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung einer bestimmten (Heil-
)Methode stehen. Daran fehlt es hier.
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Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Hippotherapie für den hier
maßgeblichen Zeitraum eine wissenschaftlich allgemein anerkannte
Behandlungsmethode war und ist und deshalb nicht in den Anwendungsbereich der
Ermächtigung des § 6 Abs. 2 BhV hätte einbezogen werden dürfen. Dies hat die in
erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme in der Sache eindeutig ergeben. Zwar
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trifft es zu, dass der Gutachter Prof. Dr. med. K. in seiner gutachtlichen Stellungnahme
vom 27. Februar 1999 eingangs (lediglich) die - inhaltlich in keiner Weise
eingeschränkte - Feststellung trifft, die Gutachtenfrage sei "heute" eindeutig mit JA zu
beantworten. Nimmt man die weitere Begründung hinzu, ergibt sich aber, dass der
Gutachter sich für diese Feststellung auf eine Vielzahl - einzeln angeführter -
medizinischer Untersuchungen aus den "letzten zwanzig Jahren" stützt, die mit
kritischer Wissenschaftlichkeit die therapeutische Wirksamkeit der ganzheitlichen
krankengymnastischen Therapie auf neurophysiologischer Grundlage mit dem Pferd als
Medium der Bewegungsstimulation, also der Hippotherapie, untersucht und belegt
hätten. Der Senat hat hiervon ausgehend keine Zweifel, dass der Gutachter sein
Bewertungsergebnis auch bereits auf das Jahr 1994 (streitgegenständliches
Behandlungsjahr des Sohnes des Klägers) beziehen wollte; einer Rückfrage beim
Gutachter bedurfte es hierzu nicht. Substantiierte Einwände gegen den Inhalt des
Gutachtens hat die Beklagte im Übrigen nicht vorzubringen vermocht. Soweit sie auf
einen Wandel in der Bewertung der Hippotherapie verweist, betrifft dies bereits die Zeit
vor der Neufassung des Hinweises 1.22 im Jahre 1994. Dass der Gutachter von
falschen rechtlichen Voraussetzungen im Hinblick auf die Prüfung des Merkmals der
allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode
ausgegangen wäre,
vgl. hierzu allgemein: BVerwG, z. B. Urteil vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996,
801 = DÖV 1996, 37 = DÖD 1996, 90; ferner Mildenberger, Beihilfevorschriften (Stand:
April 2001), § 6 BhV Anm. 19 (5), zur Einordnung der Hippotherapie ebd. Anm. 19 (11),
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ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat der Gutachter zutreffend
bei der Wirksamkeit der Hippotherapie im Hinblick auf das therapeutische Ziel
angesetzt. Wirtschaftlichkeitsbedenken, wie sie in erster Linie gegen die Übernahme
von Kosten für Hippotherapie angeführt worden sind,
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vgl. dazu etwa VG Regensburg, Urteil vom 29. April 1992 - RO 1 K 91 0389 -, NVwZ-RR
1993, 259, unter Hinweis auf die Begründung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung,
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berühren demgegenüber die Frage der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung
nicht. Auch die Anwendung des § 6 Abs. 2 BhV hat sich daran auszurichten.
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Die weitere Frage, ob ggf. § 6 Abs. 4 Satz 2 BhV eine taugliche Ermächtigung für eine
der Nr. 1.22 (jetzt: Nr. 2) der Hinweise zu § 6 Abs. 2 BhV inhaltlich entsprechende
Regelung sein könnte - was allerdings unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung
mit den sonstigen Formen der Krankengymnastik zusätzliche Probleme aufwerfen
könnte -, war vom Senat hier nicht zu entscheiden. Denn die im Streit stehende
Beihilfebegrenzung ist erkennbar nicht in Ausführung jener, eine Begrenzung der
Aufwendungen für die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BhV bezeichneten Heilbehandlungen
ohne eingrenzende tatbestandliche Voraussetzungen zulassenden weiteren
Regelungsermächtigung ergangen; durch den Einleitungssatz des (heutigen) Hinweises
2 zu § 6 Abs. 2 BhV wird dies noch besonders verdeutlicht. Eine Umdeutung muss hier,
wie bereits das Verwaltungsgericht entschieden hat, ebenfalls ausscheiden, da das
Gericht die in diesem Zusammenhang erforderliche Ermessensausübung des BMI nicht
ersetzen kann und darf.
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Vgl. auch Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 29. April 1992 - RO 1 K 91 0399 -,
a.a.O.
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Durch die fehlerhafte Anwendung des § 6 Abs. 2 BhV wurde hier zu Lasten des Klägers
der Weg zu einer ansonsten für die krankengymnastische Heilbehandlung seines
Sohnes in Anbetracht der besonderen Indikation und des kindlichen Alters
eingreifenden Beihilferegelung, nämlich der Nr. 6 des Hinweises 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 3,
zu Unrecht "versperrt". Nach jener Regelung wären Aufwendungen in Höhe von 60,00
DM pro Einzelbehandlung beihilfefähig (gewesen), was den vom Kläger geltend
gemachten Rechnungsbeträgen entspricht. Die Beklagte wird dies bei der
Neubescheidung des Beihilfeantrages entsprechend zu berücksichtigen haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 132
Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.
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