Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 02.03.1998

OVG NRW (der rat, festsetzung, bebauungsplan, bach, satzung, antragsteller, schutz des bodens, 1995, planung, gemeinde)

Oberverwaltungsgericht NRW, 7A D 125/96.NE
Datum:
02.03.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7a Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7A D 125/96.NE
Tenor:
Die textliche Festsetzung Nr. 7.6 des Bebauungsplanes Nr. 76490/05
der Stadt K. (Satzungsbeschluß vom 30. Mai 1996, am 1. Juli 1996
bekanntgemacht) ist nichtig, die textliche Festsetzung Nr. 7.5 ist
unwirksam.
Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt 9/10, die Antragsgegnerin trägt 1/10 der Kosten
des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung D. , Flur 69, Flurstück 573
(S. Straße 77) in K. . Er wendet sich im vorliegenden Normenkontrollverfahren gegen
den Bebauungsplan Nr. 76490/05 der Antragsgegnerin, der die Grundstücksflächen
einschließlich des Grundstücks des Antragstellers innerhalb des Straßengevierts S.
Straße, G. straße, T. Straße und B. bach sowie die genannten Straßen selbst überplant.
Zu den vorgenannten Straßen stehen straßennah in einer Bauzeile zum Teil
eingeschossige, überwiegend aber zweigeschossige Wohnhäuser aus den Jahren
1910 bis 1930. Der mit Ausnahme einiger Nebenanlagen unbebaute Blockinnenbereich
wird in seiner gesamten Ausdehnung von etwa 580 m in Ost-West-Richtung (gemessen
von den jeweiligen Gebäudehinterkanten) sowie zwischen 130 m und 180 m in Nord-
Süd- Richtung hausnah intensiv gärtnerisch genutzt, hausfern geht diese Nutzung in
eine Mischung von extensiv bewirtschafteten Obstgärten und Gartenbrachen über. Im
mittleren Bereich des Bebauungsplangebietes befinden sich zwei auch straßennah
unbebaute Wiesen- bzw. Ackerflächen. Die südliche dieser beiden Flächen, die mitten
zwischen G. straße und B. bach auf einer Breite von knapp 70 m an die S. Straße sowie
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westlich an das Grundstück des Antragstellers angrenzt, erstreckt sich etwa 100 m tief in
den Blockinnenbereich (im folgenden: Südfläche). Die nördliche Fläche (im folgenden:
Nordfläche) grenzt etwa 150 m westlich der B. bach auf einer Breite von etwa 85 m an
die T. Straße an. Sie erstreckt sich etwa 90 m tief in den Blockinnenbereich. Im
rückwärtigen Bereich verbreitert sie sich auf etwa 100 m und grenzt mit ihrer
Südwestecke an die Nordostecke der "Südfläche" an.
Der Bebauungsplan Nr. 76490/05 der Antragsgegnerin setzt den Bereich der
umlaufenden Bebauung des Straßengevierts S. Straße, G. straße, T. Straße und B.
bach in einer Tiefe von etwa 40 m als in offener Bauweise zweigeschossig bebaubares
allgemeines Wohngebiet fest. Die Geschoßflächenzahl ist mit Ausnahme der
Eckgrundstücke S. Straße/B. bach bzw. G. straße/T. Straße mit 0,8 und die
Grundflächenzahl mit 0,4, für die genannten Eckgrundstücke ist eine
Geschoßflächenzahl von 1,0 und eine Grundflächenzahl von 0,5 bestimmt. Für die
"Südfläche", die durch eine von der S. Straße abzweigende, in einem Wendehammer
endende Stichstraße (Planstraße 2) erschlossen werden soll, sieht der Bebauungsplan
ein in offener Bauweise mit einer Geschoßflächenzahl von 0,9 und einer
Grundflächenzahl von 0,3 dreigeschossig bebaubares allgemeines Wohngebiet vor. Mit
eben diesen Nutzungsmaßen soll auch die "Nordfläche" bebaubar sein, die über eine
sich im rückwärtigen Grundstücksbereich verzweigende Stichstraße (Planstraße 1) von
der T. Straße erschlossen werden soll. Entlang der Planstraßen 1 und 2 sind Stellplätze
vorgesehen. Für die "Südfläche" sind mittels Baugrenzen östlich und westlich parallel
zur Stichstraße jeweils drei Baufenster angeordnet, die die Errichtung von
Wohngebäuden in einer Bebauungstiefe von bis knapp 90 m (gemessen von der S.
Straße) ermöglichen. Entlang der die "Nordfläche" erschließenden Planstraße sind vier
überbaubare Grundstücksflächen sowie jenseits der sich parallel zur T. Straße
verzweigenden Planstraße 1 vier weitere Baufenster in einer Bebauungstiefe bis etwa
85 m geplant. Die beiden Neubaubereiche werden über eine mit einem Gehrecht zu
Gunsten der Allgemeinheit belastete Fläche miteinander verbunden. Neben zwei
Ausgleichs- und Ersatzflächen für den Eingriff in Natur und Landschaft sowie
Pflanzgeboten setzt der Bebauungsplan für den übrigen Innenbereich des
Straßengevierts private Grünfläche - Hausgärten - fest.
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Nach seinen textlichen Festsetzungen sind die im allgemeinen Wohngebiet
ausnahmsweise zulässigen Nutzungen im Bebauungsplangebiet nicht zulässig. Ferner
heißt es in den textlichen Festsetzungen u.a.:
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"2.0 Gemäß § 23 Abs. 3 BauNVO dürfen bei der festgesetzten III-geschossigen
Bebauung nur die festgesetzten Baugrenzen durch Eingänge, Treppenhäuser und
Wintergärten bis zu 1,5 m überschritten werden, wenn ihre Breite weniger als 1/3 der
Baukörperbreite ist.
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3.0 Gemäß § 16 Abs. 3 BauNVO werden für Gebäude folgende Höhen (H) als
Höchstgrenzen festgesetzt:
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WA "1" H = 12,0 m. WA "2" H = 11,5 m.
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Als oberer Bezugspunkt gilt dabei die Gebäudeoberkante bzw. Oberkante der baulichen
Anlage (H); als unterer Bezugspunkt gilt die mittlere Höhenlage des natürlichen
Geländes des Baugrundstücks an der Grenze zwischen Verkehrsflächen und
jeweiligem Grundstück. Grenzt ein Grundstück an mehrere Verkehrsflächen ist die
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mittlere Höhenlage des natürlichen Geländes für jede Grundstücksgrenze, die an einer
Verkehrsfläche liegt, zu ermitteln und aus den vorhandenen Höhen ein Mittelwert zu
bilden."
Der Einsatz von festen und flüssigen Brennstoffen ist nicht zulässig (Ziffer 4.0 der
textlichen Festsetzungen). Umfassungsbauteile von Aufenthaltsräumen im Bereich der
Straßenfronten der Gebäude, die unmittelbar an der G. straße, T. Straße, B. bach und S.
Straße liegen, müssen ein Bauschalldämmaß von 35 dB aufweisen (textliche
Festsetzung 5.0). Ferner sieht der Bebauungsplan unter Gliederungsziffer 7.0 auf § 9
Abs. 1 Nr. 25a gestützte Grünfestsetzungen vor, und verlangt u.a., daß Straßen und
Wege zur Erschließung des Neubaubereichs mit wasserdurchlässigen Materialien
anzulegen sind (Ziffer 7.5 der textlichen Festsetzungen). Die Verwendung von Koniferen
im gesamten Planbereich ist unzulässig (textliche Festsetzung 7.6). Schließlich regelt
der Bebauungsplan Einzelheiten der Dachgestaltung.
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Das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes nahm im wesentlichen folgenden
Verlauf: Nach ersten Überlegungen sowie einer Bürgeranhörung zur beabsichtigten
Überplanung des Innenbereichs des vorbezeichneten Straßengevierts im Jahre 1982
griff die Verwaltung der Antragsgegnerin das Planvorhaben im Jahre 1991 wieder auf.
Nach einer Bürgeranhörung, der Anhörung Träger öffentlicher Belange sowie der
Erarbeitung einer Umwelt-Erheblichkeitsprüfung und einer Umwelt-
Verträglichkeitsprüfung beschloß der Rat der Antragsgegnerin am 6. Juni 1995, den
Bebauungsplan aufzustellen und den Planentwurf gemäß § 2 Abs. 3 BauGB-MaßnG für
die Dauer von zwei Wochen öffentlich auszulegen. Während der Offenlage in der Zeit
vom 27. Juni 1995 bis 11. Juli 1995 machten zahlreiche Bürger, unter ihnen auch der
Antragsteller, Bedenken und Anregungen geltend. Sie rügten insbesondere, daß die
vorhandene hochwertige Siedlungsstruktur durch die Wohnbebauung zerstört werde, es
zu einer unzumutbaren Bebauungsverdichtung komme und die vorhandene Infrastruktur
(Schule, Kindergärten, Verkehr) für die Neubebauung nicht ausreiche. Die ökologische
Wertigkeit des Blockinnenbereichs sei fehlgewichtet, das Orts- und Landschaftsbild
werde in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt.
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Unter dem 31. Oktober 1995 hörte das Amt 61 andere Dienststellen der Antragsgegnerin
zur beabsichtigten Änderung des Bebauungsplanentwurfs an, mit der das Ziel verfolgt
werden sollte, die nördliche Bebauungsplangrenze im Bereich der Grundstücke T.
Straße 107 bis 129 sowie B. bach 29, um etwa 5 m nach Süden auf den tatsächlichen
Ausbauzustand der T. Straße zurückzunehmen. Die Eigentümer der Grundstücke T.
Straße 107 bis 129, B. bach 29 sowie der Parzelle 1831/178 wurden zur beabsichtigten
Änderung nicht angehört. 1996 führte das Amt 61 der Antragsgegnerin ein Verfahren zur
vereinfachten Änderung des Bebauungsplanentwurfs mit dem Ziel durch, die für die
Grundstücke S. Straße 77 und 79 im Entwurf vorgesehene überbaubare
Grundstücksfläche zu vergrößern; die Eigentümer der betroffenen Grundstücke, unter
ihnen auch der Antragsteller, wurden zur beabsichtigten Änderung mit Schreiben vom
19. Januar 1996 bzw. 1. Februar 1996 angehört. Der Antragsteller erhob mit Schreiben
vom 4. Februar 1996 "Einspruch".
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Am 30. Mai 1996 beschloß der Rat der Antragsgegnerin über die nach Auslegung des
Bebauungsplanentwurfs vorgebrachten Bedenken und Anregungen, die nach
Auslegung erfolgten Änderungen des Planentwurfs, von einer erneuten öffentlichen
Auslegung des Bebauungsplanentwurfs abzusehen und den Bebauungsplan mit seiner
Begründung sodann als Satzung. Am 1. Juli 1996 wurde der Satzungsbeschluß über
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den Bebauungsplan öffentlich bekanntgemacht.
Der Antragsteller hat am 6. August 1996 den Normenkontrollantrag gestellt und führt zur
Begründung aus: Er sei infolge der rechtsverletzenden Auswirkungen der sein
Grundstück auch unmittelbar betreffenden Festsetzungen des Bebauungsplanes
antragsbefugt. Der Bebauungsplan leide an Form- und Verfahrensfehlern. Die Änderung
des beschlossenen Bebauungsplanes gegenüber dem offengelegten Entwurf im
Bereich der Grundstücke T. Straße 107 bis 129 sowie B. bach 29 sei erfolgt, ohne das
Verfahren nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BauGB durchzuführen. Die Festsetzungen des
Bebauungsplanes seien teils unbestimmt, teils entbehrten sie der
Ermächtigungsgrundlage. Ziffer 2.0 der textlichen Festsetzungen sage nicht, welches
die jeweils maßgebliche Baukörperbreite sein solle, was jedoch erforderlich sei, da
Gebäude in Winkelbauweise zulässig wären. Eine auf § 23 Abs. 3 BauNVO gestützte
Festsetzung komme zudem nur in Betracht, wenn sie ein Vortreten von Gebäudeteilen
in geringfügigem Ausmaß ermögliche. Von einem geringfügigem Ausmaß könne jedoch
keine Rede sein, wenn auf 12 m Länge ein Bauteil vortreten dürfe, wie dies nach
Maßgabe der Bebauungsplanfestsetzungen etwa im Bereich der T. Straße möglich sei.
Die zulässigen Gebäudehöhen seien unbestimmt festgesetzt, denn die textliche
Festsetzung Ziffer 3.0 lasse die Ermittlung des unteren Bezugspunktes nicht zweifelsfrei
zu, da die natürliche Geländeoberfläche des landwirtschaftlich genutzten
"Baugrundstücks" erheblichen Schwankungen unterliege. Die textlichen Festsetzungen
zu Ziffern 7.5 und 7.6 würden von § 9 Abs. 1 Nr. 25 a BauGB nicht gedeckt.
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Der Bebauungsplan bereite einen städtebaulichen Mißstand vor und sei daher nicht
erforderlich. Die Antragsgegnerin sehe den Schutz des gewachsenen
Siedlungsgefüges und des alten Gartenlandes im Blockinnenbereich als gewichtig an,
verkenne aber, daß dieser Bereich auch ohne Bebauungsplanung geschützt sei. Von
einem Schutz könne auch keine Rede sein, wenn Bebauung ohne Rücksicht auf die
Siedlungsstrukur und das vorhandene Biotopverbundsystem vorbereitet werde. Der
Bebauungsplan sei abwägungsfehlerhaft. Den Anforderungen an gesunde
Wohnverhältnisse werde der Bebauungsplan nicht gerecht, denn er ermögliche eine
hohe Wohnbebauungsverdichtung im Ruhebereich eines aufgrund hoher
Außenbelastung besonders schutzwürdigen Gebietes. In nicht gebietsverträglichem
Umfang würden Verkehrsimmissionen (Lärm) erhöht. Der Bedarf an
Infrastruktureinrichtungen (Kindergärten und Schulen), die jetzt schon überlastet seien,
sei verkannt worden. Das Orts- und Landschaftsbild werde beeinträchtigt. Die massive
Bebauung sei mit den vorhandenen Denkmälern nicht verträglich. Der Eingriff in Natur
und Landschaft werde nicht ausgeglichen, was umso bedeutsamer sei, als der
Plangeber die Bebauung auf ein maßvolles Maß hätte zurücksetzen können. Der Rat
habe sich über die Möglichkeit der Optimierung naturschutzrechtlicher Belange
hinweggesetzt; er hätte den naturschutzrechtlichen Eingriff nahezu ausgleichen,
nämlich die Winkelbebauung im Blockinnenbereich aufgeben können. Bei der zu
erwartenden erheblichen Zunahme der Verkehrsströme hätte sich die Antragsgegnerin
nicht mit einer rechnerischen Ermittlung der Verkehrslärmauswirkungen begnügen
dürfen, sondern hätte den Bestand exakt aufnehmen müssen. Daß den Bewohnern von
100 Wohnungen nur 75 zusätzliche Fahrten täglich zuzurechnen seien, dürfte mehr als
zweifelhaft sein. Der festgesetzte passive Schallschutz könne nur im Bereich der
Neubauvorhaben Wirkungen entfalten. Die bestehende Bebauung werde dem
hinzukommenden Verkehr ausgesetzt. Abwägungsfehlerhaft habe der Rat das dem
Grunde nach erkannte Problem der Vorbelastung des Plangebietes durch
Luftschadstoffe behandelt, da die textliche Festsetzung 4.0 auf die bestehenden
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Anlagen nicht angewandt werden könne.
Der Antragsteller beantragt,
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den Bebauungsplan Nr. 76490/05 der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie erwidert, daß die erste Änderung des Bebauungsplanentwurfs keine neuerliche
Offenlage erfordert habe. Die bis auf die Parzelle 1831/278 in ihrem Eigentum
stehenden Parzellen südlich der Grundstücke T. Straße 107 bis 129 und B. bach 29
würden seit Jahren als Vorgärten in die Nutzung der nördlich angrenzenden
Grundstücke einbezogen; die Nutzer seien an einem Erwerb interessiert gewesen. Bis
auf eine Parzelle seien mittlerweile alle als Vorgärten genutzten Grundstücksteile
veräußert worden. Eindeutiger Bezugspunkt der textlichen Ziffer 2.0 sei die tatsächliche
Baukörperbreite. Unterer Bezugspunkt der textlichen Festsetzung 3.0 sei die Höhenlage
des natürlichen Geländes. Da das Gelände als Wiese genutzt würde, seien
Schwankungen unrealistisch. Die textlichen Festsetzungen 7.5 und 7.6 seien unter
falscher Überschrift in die Bebauungsplanurkunde eingetragen worden. Es handele sich
um Gestaltungsfestsetzungen. Die Rechtsgrundlage der textlichen Festsetzung 7.5
könne auch in § 9 Abs. 1 Nr. 16 oder Nr. 20 BauGB gesehen werden. Die Natur- und
Landschaftsbelange seien fehlerfrei abgewogen worden. Den Eigentümern der privaten
Hausgrundstücke würde kein Ausgleich für den durch die Neubebauung zu
erwartenden Eingriff in Natur und Landschaft auf ihren Grundstücken auferlegt. Durch
die Neubebauung würden die bestehenden Wohnverhältnisse nicht über das zumutbare
Maß hinaus belastet. Das Plangebiet sei nicht außergewöhnlich, sondern
großstadttypisch durch Luftschadstoffe vorbelastet.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen zur Aufstellung
des Bebauungsplanes Nr. 76490/05 Bezug genommen.
20
Entscheidungsgründe:
21
Der Antrag ist zulässig.
22
Der Antragsteller ist antragsbefugt.
23
Der Antragsteller ist nach Maßgabe des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der seit dem 1.
Januar 1997 geltenden Fassung, worauf nach der Rechtsprechung der
Normenkontrollsenate des Gerichts auch bei zuvor anhängig gemachten
Normenkontrollsachen abzustellen ist,
24
vgl. OVG NW, Urteil vom 23. Januar 1997 - 7a D 70/93.NE -, BauR 1997, 430; Urteil
vom 13. März 1997 - 11a D 142/94.NE -; Urteil vom 3. November 1997 - 10a D
181/96.NE -,
25
antragsbefugt. Die Antragsbefugnis folgt schon daraus, daß der Bebauungsplan einen
Teil des Grundstücks des Antragstellers mit der eigentumsgestaltenden Festsetzung
26
einer privaten Grünfläche - Hausgärten - überplant und der Antragsteller gegenüber den
Festsetzungen des Bebauungsplanes auch diese Festsetzung betreffende
Einwendungen geltend macht.
Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet, im übrigen
unbegründet.
27
Das zum Erlaß des Bebauungsplanes Nr. 76490/05 der Antragsgegnerin führende
Verfahren leidet an einem Mangel, der auf die Wirksamkeit des Bebauungsplanes
jedoch ohne Auswirkungen ist.
28
Auf die nach öffentlicher Auslegung in der Zeit vom 27. Juni bis 11. Juli 1995 erfolgten
Änderungen des Bebauungsplanentwurfs mußte das Verfahren nach §§ 3 und 4 des
Baugesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986, BGBl I
2253 (BauGB), erneut durchgeführt werden. Die Verschiebung der
Bebauungsplangrenze im Bereich der T. Straße 107 bis 129/B. bach 29 als auch die
Vergrößerung der überbaubaren Grundstücksfläche auf den Grundstücken S. Straße 77
und 79 berührte die Grundzüge der Planung nicht. In dieser Situation war es (lediglich)
erforderlich, den Eigentümern der von den Änderungen betroffenen Grundstücke und
den von den Änderungen berührten Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur
Stellungnahme innerhalb angemessener Frist zu geben (vgl. §§ 3 Abs. 3 Satz 2, 13 Abs.
1 Satz 2 BauGB).
29
Dementsprechend hat die Antragsgegnerin die Eigentümer der Grundstücke S. Straße
77 bis 81 zur beabsichtigten Ausweitung der überbaubaren Grundstücksflächen auf den
Grundstücken S. Straße 77 und 79 angehört. Der vom Antragsteller mit Schreiben vom
4. Februar 1996 ohne Begründung erhobene "Einspruch" war für das weitere
Bebauungsplanverfahren ohne Belang, da im Planaufstellungsverfahren (anders als im
Planänderungsverfahren - vgl. hierzu den in § 3 Abs. 3 BauGB a.F. nicht in Bezug
genommenen § 13 Abs. 1 Satz 3 BauGB) an den Widerspruch gegen die die Grundzüge
der Planung nicht berührende Entwurfsänderung keine verfahrensmäßigen
Konsequenzen anknüpfen. Jedoch hat die Antragsgegnerin nicht alle durch die
Verschiebung der nördlichen Bebauungsplangrenze in südliche Richtung betroffenen
Eigentümer angehört. Betroffen sind nicht nur die Grundstücke, auf deren Fläche sich
die zu ändernde oder zu ergänzende Festsetzung unmittelbar bezieht, sondern auch die
Grundstücke, auf deren Fläche sich die zu ändernde Festsetzung unmittelbar auswirken
kann.
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Vgl. Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Aufl., 1995, § 13 RdNr. 6.
31
In diesem Sinne betroffen waren auch die Eigentümer der Grundstücke S. Straße 107
bis 129 und B. bach 29, denn die Bebauungsplanänderung berührte unmittelbar die
Frage der Erschließung ihrer Grundstücke über die T. Straße. Während ihre
Grundstücke auf Grundlage des offengelegten Bebauungsplanentwurfs unmittelbar
durch die als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzte T. Straße erschlossen werden
sollten, sieht der beschlossene Bebauungsplan die Festsetzung einer öffentlichen
Verkehrsfläche (T. Straße) in einer Breite vor, die nicht zur unmittelbaren Erschließung
der vorgenannten Grundstücke, sondern (nur) zur Erschließung der im Eigentum der
Antragsgegnerin stehenden, faktisch als Vorgärten angelegten Parzellenteile führt. Von
der Änderung des Bebauungsplanentwurfs unmittelbar betroffen war auch der
Eigentümer der zunächst als öffentliche Verkehrsfläche überplanten Parzelle 1831/278;
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auch dieser ist nicht angehört worden.
Der Verfahrensmangel ist unbeachtlich.
33
Allerdings hat der Antragsteller den Verfahrensmangel rechtzeitig, nämlich ihn innerhalb
eines Jahres nach Bekanntmachung des Bebauungsplanes mit Schriftsatz vom 6.
Januar 1997 geltend gemacht (vgl. §§ 214 Abs. 1 Nr. 1, 215 Abs. 1 BauGB). Geltend
gemacht wird ein Verfahrensmangel "gegenüber der Gemeinde" auch durch einen im
Normenkontrollverfahren bei Gericht eingereichten Schriftsatz.
34
Vgl. OVG NW, Urteil vom 13. Februar 1997 - 7a D 104/94.NE -.
35
Der Verfahrensmangel ist auch nicht durch die der Planerhaltung dienenden
Vorschriften des Baugesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.
August 1997, BGBl I 2141 (BauGB n.F.) unbeachtlich geworden, die zwar gemäß § 233
Abs. 2 BauGB n.F. auf Bebauungspläne Anwendung finden, die auf der Grundlage
bisheriger Fassungen des Baugesetzbuches in Kraft getreten sind. Die im vorliegenden
Zusammenhang maßgebenden, der Planerhaltung dienenden Vorschriften der §§ 214
Abs. 1 Nr. 1, 215 Abs. 1 BauGB haben jedoch hinsichtlich der Beachtlichkeit des
dargelegten Verfahrensmangels keine Änderung ergeben.
36
Nicht jeder Verfahrensmangel führt jedoch stets zur Unwirksamkeit eines
Bebauungsplans. Besteht ein Verfahrensfehler darin, daß bei einer Änderung eines
Bebauungsplans nach Auslegung weder ein erneutes Auslegungsverfahren noch ein
eingeschränktes Beteiligungsverfahren durchgeführt worden ist, führt dies nicht zur
Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans, wenn durch die Änderung die
Grundzüge der Planung nicht berührt werden.
37
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. Juli 1989 - 4 N 3.87 -, BRS 49 Nr. 34.
38
Ergibt sich der Verfahrensfehler zudem nur aus der unterbliebenen Anhörung der
Eigentümer von (nach Abschluß des Bebauungsplanverfahrens) außerhalb des
Bebauungsplangebiets gelegenen Grundstücken, führt dies auch nicht zur bloß
teilweisen Unwirksamkeit des Bebauungsplanes, sofern die Grundstücke nicht in das
Bebauungsplangebiet einbezogen werden mußten.
39
Die Verkleinerung des vom Bebauungsplanentwurf zunächst noch erfaßten Gebiets im
Bereich der Vorgärten der Grundstücke T. Straße 107 bis 129 und B. bach 29 - also im
Bereich der Grundstücke, auf die sich die verfahrensfehlerhafte Änderung des
Bebauungsplanentwurfs nach seiner Auslegung materiell auswirkte - war ohne Einfluß
auf das mit der Bebauungsplanung verfolgte städtebauliche Anliegen, das sich auf den
von der Änderung betroffenen Bereich allenfalls insoweit auswirkte, als der T. Straße
Erschließungsfunktion für das Neubaugebiet zukommt. Diese Erschließungsfunktion der
T. Straße ist durch die Planänderung nicht gemindert. Es ist ferner ausgeschlossen, daß
der Rat der Antragsgegnerin bei verfahrensfehlerfreier Entscheidung einen
Bebauungsplan anderen Inhalts beschlossenen hätte, denn er hat den Bebauungsplan
mit seinem Inhalt beschlossen, für den der Verfahrensfehler in Folge der Verkleinerung
des Bebauungsplangebietes ohne Belang ist. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin,
die Vorgärten der Grundstücke T. Straße 107 bis 129 und B. bach 29 zu überplanen,
war ohnehin nicht gegeben. Städtebauliche Mißstände, die in Ausnahmefällen zu einer
Planungsverdichtung führen mögen,
40
vgl. BVerwG, Beschluß vom 27. Mai 1995 - 4 NB 30.94 -, BRS 57 Nr. 2,
41
sind nicht ansatzweise erkennbar.
42
Der Bebauungsplan leidet auch an materiellen Fehlern.
43
Die Festsetzungen des Bebauungsplanes sind allerdings im Sinne des § 1 Abs. 3
BauGB städtebaulich gerechtfertigt. Die erforderliche Planrechtfertigung ist gegeben,
wenn der Bebauungsplan nach seinem Inhalt auf die städtebauliche Entwicklung und
Ordnung ausgerichtet und nach der planerischen Konzeption der zur Planung berufenen
Gemeinde als Mittel hierfür erforderlich ist. Der erforderliche Bezug zur städtebaulichen
Entwicklung und Ordnung fehlt, wenn dem Planinhalt von vornherein und unabhängig
von aller Abwägung keine städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange
zugrundeliegen. Nicht erforderlich ist der Bebauungsplan in aller Regel erst bei groben
und bei einigermaßen offensichtlichen, von keiner nachvollziehbaren Konzeption
getragenen planerischen Mißgriffen.
44
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - IV C 105.66 -, BRS 22 Nr. 4; Urteil vom 3.
Juni 1971 - IV C 64.70 -, BRS 24 Nr. 1; Urteil vom 5. Juli 1974 - IV C 50.72 -, BRS 28 Nr.
4.
45
Von einem solchen planerischen Mißgriff kann hier keine Rede sein. Der
Bebauungsplan verfolgt vorrangig das Ziel, einen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut
erschlossenen innerstädtischen Bereich, der nahe der Geschäftsangebote im Bereich
der D. Hauptstraße gelegen ist und in dessen Nähe (ausbaufähige) infrastrukturelle
Einrichtungen vorhanden sind, zusätzlicher, dringend benötigter Wohnbebauung
zuzuführen und hierfür eine innerstädtische Fläche in Anspruch zu nehmen, die
angesichts ihrer Größe einer maßvollen Bebauungsverdichtung zugänglich ist. Soweit
dies mit der geplanten Bebauungsverdichtung vereinbar ist, will er darüber hinaus die
vorhandene Blockrandbebauung sowie das alte Gartenland im Blockinnenbereich
sichern. Dies sind durchaus städtebauliche Belange, deren Beachtlichkeit der
Antragsteller verkennt. Die mit dem Bebauungsplan verfolgten Zwecke widersprechen
sich durchaus nicht, denn es ging der Antragsgegnerin nicht darum, mit einander
ausschließender Wirkung die Blockrandbebauung und das Gartenland im Innenbereich
auf der einen Seite zu schützen, auf der anderen Seite und hierzu im Widerspruch
gerade auch sich in den Innenbereich erstreckende Wohnnutzung zuzulassen. Die
Wohnnutzung soll vielmehr nach der Konzeption der Antragsgegnerin, die auch in der
Begründung des Bebauungsplans deutlich niedergelegt worden ist, gegenüber dem
Schutz der Innenbereichsfläche Vorrang erhalten, jedoch nur soweit sie zugelassen ist.
46
Die Festsetzungen des Bebauungsplanes sind hinreichend bestimmt. Aus Gründen der
Rechtsklarheit und damit der Rechtssicherheit müssen die Festsetzungen eines
Bebauungsplanes so eindeutig und klar sein, daß dem Bebauungsplan
unmißverständlich zu entnehmen ist, wo und wie gebaut werden darf.
47
Vgl. OVG NW, Urteil vom 23. Mai 1996 - 7a D 7/95.NE -.
48
Diesen Anforderungen genügen Ziffern 2.0 und 3.0 der textlichen Festsetzungen.
49
Die textliche Festsetzung 2.0 legt die Breite der Gebäudeteile, die die festgesetzten
50
Baugrenzen überschreiten dürfen, fest, und zwar durch den Bezug auf die
"Baukörperbreite". Wie breit ein Baukörper ist, ermittelt sich nach seinen Außenmaßen
in eindeutiger und damit bestimmter Weise auch dann, wenn der Baukörper mit
versetzten Außenwänden - etwa in "Winkelbauweise" - errichtet wird, selbst wenn diese
Bauweise durch entsprechend verspringende Baugrenzen vorgegeben sein mag.
Die textliche Festsetzung zur Höhe der im Bebauungsplangebiet zulässigen Gebäude
genügt ebenfalls den Bestimmtheitsanforderungen, und zwar auch hinsichtlich des
unteren Bezugspunktes.
51
Die textliche Festsetzung zur Höhe der Gebäude beruht auf §§ 16 Abs. 2 Nr. 4, 18 Abs.
1 BauNVO, wonach die Höhe baulicher Anlagen unter Bestimmung der erforderlichen
Bezugspunkte festgesetzt werden kann. Das Höhenmaß ist in Ziffer 3.0 der textlichen
Festsetzungen durch Meterangaben festgelegt. Der obere Bezugspunkt des
Höhenmaßes ist mit der Gebäudeoberkante bzw. Oberkante der baulichen Anlage
zweifelsfrei bestimmt. Die Festsetzung des Bebauungsplanes zum unteren
Bezugspunkt ist zwar auslegungsbedürftig, jedoch durch Auslegung bestimmbar. Die
textliche Festsetzung nimmt auf die mittlere Höhenlage des natürlichen Geländes des
Baugrundstückes an der Grenze zwischen Verkehrsflächen und jeweiligem Grundstück
Bezug. Dies führt nach Mittelung der gesamten Grenzlänge zu einem den unteren
Bezugspunkt absolut festlegenden Höhenmaß, und zwar auch dort, wo die zur
Bebauung vorgesehenen Flächen im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch
landwirtschaftlicher Nutzung unterlegen haben. Landwirtschaftliche Nutzung mag in
gewissen engen Grenzen zu Geländeveränderungen beitragen, ändert jedoch nichts
daran, daß auch eine landwirtschaftlich genutzte Fläche über eine "natürliche" Gelände-
oberfläche verfügt. Im übrigen versteht sich von selbst, daß die landwirtschaftliche
Nutzung der Flächen vor ihrer Bebauung eingestellt werden muß. Zwar ist damit erst
nach Beendigung landwirtschaftlicher Nutzung die tatsächliche Geländehöhe
zentimetergenau feststellbar. Auch sind die Planstraßen 1 und 2 im Plangebiet noch
nicht erstellt, was dann zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führen könnte, wenn der
Bebauungsplan der Tiefbauverwaltung einen auch unter dem Gesichtspunkt der sog.
planerischen Zurückhaltung nicht hinnehmbaren Spielraum zur Ausgestaltung der
Straße, insbesondere bei der Festlegung der Höhe der Verkehrsfläche beließe.
52
Vgl. OVG NW, Urteil vom 30. April 1993 - 7a D 179/91.NE -.
53
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der Rat der Antragsgegnerin durfte davon ausgehen,
daß die Tiefbauverwaltung den Straßenausbau entsprechend den tatsächlichen im
Verlauf der noch zu bauenden Straßen ausweislich der Höhenangaben auf der
Bebauungsplanurkunde nahezu ebenen Geländeverhältnissen veranlaßt. Einen
abweichenden Straßenausbau zu unterstellen, wäre angesichts der hierfür
erforderlichen (kostenaufwendigen) und durch keine örtlichen Gegebenheiten
veranlaßten Geländemodifikationen ebenso unsinnig wie die Annahme, daß die
landwirtschaftliche Bearbeitung der Flächen zu nennenswerten, nämlich den mit der
Höhenfestsetzung verfolgten städtebaulichen Anliegen nicht übereinstimmenden
Veränderungen der Geländehöhe führen könnten.
54
Die Festsetzungen des Bebauungsplanes werden mit Ausnahme der textlichen
Festsetzungen unter Ziffern 7.5 und 7.6 von den einschlägigen
Ermächtigungsgrundlagen des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung
getragen.
55
Die textliche Festsetzung zu Ziffer 2.0 findet ihre gesetzliche Grundlage in § 23
BauNVO. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO dürfen Gebäude und Gebäudeteile eine
Baugrenze nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem
Ausmaß kann zugelassen werden (§ 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO). Gemäß § 23 Abs. 3
Satz 3 BauNVO gilt § 23 Abs. 2 Satz 3 BauNVO entsprechend, wonach im
Bebauungsplan weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen
werden können. Eine solche Ausnahme sieht Ziffer 2.0 der textlichen Festsetzungen
des im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bebauungsplanes vor, wenn er das Maß
zulässiger Überschreitungen der festgesetzten Baugrenzen nach Maßgabe der
Baukörperbreite bestimmt. Eine Beschränkung der Festsetzungsmöglichkeiten nach §§
23 Abs. 3 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 BauNVO auf nur geringfügige Überschreitungen von
Baugrenzen läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr belegen die
Gesetzesmaterialien, daß es gerade Anliegen des Gesetzgebers war, mit dem durch die
Änderungsverordnung 1968 eingefügten Satz 3 Festsetzungen zuzulassen, die ein
Vortreten von Gebäudeteilen in nicht nur geringfügigem Ausmaße ermöglichen sollten.
56
Vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 8. Aufl., § 23 BauNVO Rdnr. 14;
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 23 BauNVO Rdnr. 53.
57
Zur textlichen Festsetzung 7.5 des Bebauungsplanes war die Antragsgegnerin
allerdings zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Plan
nicht ermächtigt. Unschädlich ist zwar, daß der Wortlaut der Festsetzung unter der die
Fest-setzungen 7.1 bis 7.7 erfassenden Überschrift "7.0 Begrünung gemäß § 9 Abs. 1
Nr. 25a" wiedergegeben wird. Die Festsetzung ist insoweit auslegungsbedürftig, aber
auch auslegungsfähig.
58
Die Festsetzung ist auslegungsbedürftig. Offenkundig ist die Forderung, die Straßen
und Wege zur Erschließung des Neubaubereichs mit wasserdurchlässigen Materialien
anzulegen, nicht auf "Begrünung" der Straßen und Wege gerichtet; die Fest-setzung
regelt nicht - wie dies nach § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB jedoch vorausgesetzt ist - das
Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen. Vielmehr geht es
darum, wie sich eindeutig den Bebauungsplanunterlagen, namentlich auch der
Bebauungsplanbegründung (Ziffern 2.3 und 3.4) ergibt, den sich aus § 51a LWG NW
ergebenden Anforderungen Rechnung zu tragen und Niederschlagswasser von den
neu zu erstellenden Straßen- und Wegeparzellen soweit als möglich vor Ort zu
versickern und deshalb als vorgeschaltete Maßnahme, die auf diesen Grundstücken
eine (teilweise) Versickerung erst möglich macht, den Straßen- und Wegeausbau unter
Verwendung wasserdurchlässiger Materialien vorzuschreiben. Mit dieser Maßnahme
wollte die Antragsgegnerin dem Boden- und Grundwasserschutz dienen.
59
Ob eine dem Boden- und Grundwasserschutz dienende Festsetzung als Maßnahme
zum Schutz der Natur im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB angesehen werden kann,
bedarf keiner Entscheidung. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB a.F. ermächtigte die Gemeinde zu
bauplanerischen Festsetzungen anders als § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB n.F. nämlich nur,
soweit die Festsetzung nicht nach anderen Vorschriften getroffen werden kann. Eine
solche andere Vorschrift ist § 51a Abs. 3 Satz 1 LWG NW. Nach § 51a Abs. 3 Satz 1
LWG NW kann die Gemeinde durch Satzung festsetzen, daß und in welcher Weise das
Niederschlagswasser zu versickern, zu verrieseln oder in ein Gewässer einzuleiten ist.
Zwar können gemäß § 51a Abs. 3 Satz 2 LWG NW Festsetzungen nach Satz 1 auch in
den Bebauungsplan aufgenommen werden. Ungeachtet der Frage, ob "Festsetzungen
60
nach Satz 1" solche sind, die bereits Gegenstand einer gemeindlichen Satzung sind
und gewissermaßen wiederholend in den Bebauungsplan aufgenommen werden, oder
originär erstmals als Teil der Bebauungsplan-satzung beschlossen werden können,
fehlt es doch an der Voraussetzung, daß die nach Wasserrecht zuständige Behörde der
Festsetzung zugestimmt haben müßte (vgl. § 51 Abs. 3 Satz 4 LWG NW). Die nach
Wasserrecht zuständige Behörde - dies ist gemäß laufender Nummer 23.1.59 der
Anlage zur Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des
technischen Umweltschutzes in der Fassung der ersten Änderungsverordnung vom 2.
Mai 1995, GV NW 1995, 436 (ZustVOtU) das Staatliche Umweltamt (K. ) - hat der
Festsetzung jedoch nicht zugestimmt, sondern lediglich mit Schreiben vom 15.
November 1994 mitgeteilt, daß "zu der Aufstellung des Bebauungsplanes...keine
Anregungen und Bedenken vorgebracht (werden)."
§ 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB a.F. trägt die textliche Fest-setzung 7.5 des Bebauungsplans
ebensowenig. Auch diese Ermächtigungsnorm steht - anders als nunmehr § 9 Abs. 1 Nr.
16 BauGB n.F. - unter dem Vorbehalt der Fest- setzungsmöglichkeit nach anderen
Vorschriften. Darüber hinaus ermöglicht § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB a.F. die Festsetzung
bestimmten Zwecken dienender Flächen, nicht jedoch die Festsetzung baulicher
Anforderungen an Straßen- und Wegekörper.
61
Die mit Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 13. Januar 1998 vorgetragene Ansicht, daß
es sich bei der textlichen Festsetzung 7.5 um eine "Gestaltungsfestsetzung" handele,
findet weder im Bebauungsplan noch in den Planaufstellungsunterlagen eine Stütze.
Auch ist nicht ersichtlich, auf welche Rechtsgrundlage eine "gestalterische" Festsetzung
des in Ziffer 7.5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes wiedergegebenen
Inhalts gestützt werden könnte, und zwar schon deshalb, weil die Forderung nach
Verwendung "wasserdurchlässiger Materialien" deren Gestaltung selbst nicht bestimmt,
sondern offenläßt.
62
Auch für Ziffer 7.6 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes fehlt eine
Ermächtigungsgrundlage. Der im Bebauungsplan benannte § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB
trägt die Festsetzung nicht, denn sie regelt nicht für das Bebauungsplangebiet das
Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, sondern erklärt
Koniferen, also zapfentragende Nadelgehölze generell für unzulässig. Es kann
dahinstehen, ob ein Pflanzverbot durch § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB überhaupt gedeckt
würde oder nicht vielmehr - im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - positiv
bestimmt werden müßte, welche Bepflanzung aus städtebaulichen Gründen gefordert
wird. Jedenfalls ist ein Pflanzverbot nicht zulässig, ohne zugleich die Bepflanzung zu
regeln. Den gesamten Bebauungsplanbereich - also den Bereich, auf den sich die
textliche Festsetzung 7.6 des Bebauungsplanes erstreckt - umfassende
Grünfestsetzungen positiver Art sieht der Bebauungplan jedoch nicht vor.
63
Die Festsetzung ist entgegen der Annahme der Antragsgegnerin auch nicht als
"Gestaltungsfestsetzung" gesetzlich legitimiert. Der insoweit allenfalls in Betracht zu
ziehende § 86 Abs. 1 Nr. 4 BauO NW 1995 läßt zwar örtliche Bauvorschriften der
Gemeinde auch zur Regelung der Bepflanzung der unbebauten Flächen bebauter
Grundstücke zu. Ungeachtet der Fragen, ob danach ein Verbot der Anpflanzung
einzelner Pflanzenarten in Betracht kommen kann und ob ein solches Verbot (das ohne
Betrachtung der jeweiligen Grundstücksgegebenheiten etwa auch die zwischen den
Häusern liegenden Bereiche erfaßt) noch als verhältnismäßig angesehen werden
könnte,
64
vgl. hierzu OVG NW, Urteil vom 7. November 1995 - 11 A 293/94 -, BRS 57 Nr. 171,
65
sind nach § 86 Abs. 1 Nr. 4 BauO NW nur die unbebauten Flächen bebauter
Grundstücke erfassende Bepflanzungsanforderungen zulässig, nicht jedoch ein
Bebauungsplangebiet, das neben bebauten auch unbebaute Grundstücke umfaßt,
insgesamt, also auch die unbebauten Grundstücke überplanende Regelungen.
66
Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NW 1984, § 81 RdNr. 94; ferner zu Art. 107
BayBO: BayVGH, Beschluß vom 9. März 1976 - Nr. 164 I 73 -, BRS 30 Nr. 109.
67
Der Bebauungsplan leidet nicht an einem seine Nichtigkeit nach sich ziehenden
Abwägungsmangel. Maßgebend für die Prüfung des Senats ist dabei der
Bebauungsplan ohne die unwirksamen textlichen Festsetzungen 7.5 und 7.6, deren
Unwirksamkeit nicht zur Nichtigkeit des Planes insgesamt führt.
68
Der sich aus der fehlenden Ermächtigungsgrundlage für Ziffern 7.5 und 7.6 der
Bebauungsplanfestsetzungen ergebende Mangel führt nur zur Nichtigkeit bzw.
Unwirksamkeit dieser Festsetzungen. Die Unwirksamkeit eines Teils einer
Satzungsbestimmung führt nicht zur Gesamtnichtigkeit des Bebauungsplanes, wenn die
Restbestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit
anzunehmen ist, daß sie auch ohne den nichtigen Teil erlassen worden wären.
69
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. Dezember 1990 - 4 NB 19.90 -, BRS 50 Nr. 19;
Beschluß vom 20. August 1991 - 4 NB 3.91 -, BRS 52 Nr. 36; Beschluß vom 25. Februar
1997 - 4 NB 30.96 -, BauR 1997, 603.
70
So liegt der Fall hier. Die technischen Anforderungen an den Straßen- und Wegebau im
Neubaubereich sind für die Bebauungsplankonzeption ohne Belang, und zwar schon
deshalb, weil ohne diese Festsetzung der Bebauungsplan zwar den Neubau von
Wegen und Straßen in den fraglichen Bereichen zuläßt, aber deren bautechnische
Gestaltung nicht bestimmt. Daß die Antragsgegnerin als Straßenbaulastträgerin den
Straßenausbau in einer von ihren im Bebauungsplan niedergelegten eigenen
Vorstellungen abweichenden Weise beabsichtigen könnte, liegt fern. Das Verbot der
Anpflanzung von Koniferen (textliche Festsetzung 7.6) ist für das mit dem
Bebauungsplan Nr. 76490/05 verfolgte städtebauliche Anliegen ohne erkennbaren
Einfluß.
71
Der Bebauungsplan ist nicht abwägungsfehlerhaft.
72
Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen sind die öffentlichen und privaten Belange
gegen- und untereinander gerecht abzuwägen (vgl. § 1 Abs. 6 BauGB). Dieses Gebot ist
verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt worden ist, was nach
Lage der Dinge in sie hätte eingehen müssen. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung
der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der
Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven
Gewichtigkeit anderer Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen
Rahmens ist dem Abwägungsgebot jedoch genügt, wenn sich die zur Planung berufene
Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und
damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belanges entscheidet.
73
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 - 4 C 50.72 -, a.a.O.
74
Den so beschriebenen Anforderungen an den Abwägungsvorgang und das
Abwägungsergebnis genügen die den Bebauungsplan tragenden Erwägungen der
Antragsgegnerin.
75
Abwägungsfehlerfrei ist namentlich die Entscheidung des Rates der Antragsgegnerin,
zur Sicherung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung (vgl. § 1 Abs. 5 Nr. 2 BauGB)
einen Teil des Innenbereichs des Straßengevierts G. straße, S. Straße, B. bach, T.
Straße als allgemeines Wohngebiet zu überplanen. Die Belange der
Grundstückseigentümer im Plangebiet sind von der Antragsgegnerin erkannt worden.
Das gesamte Bebauungsplanverfahren ist namentlich durch die Auseinandersetzung
mit den von den Anliegern vorgebrachten Bedenken und Anregungen geprägt, zu denen
der Rat der Antragsgegnerin im einzelnen Stellung genommen hat. Seinen
Darlegungen in der Begründung des Bebauungsplanes zum Maß der baulichen
Nutzung, wonach das Wohnquartier in seiner heutigen Erscheinungsform gesichert
werde und die Bebauungsplanfestsetzungen zur lockeren Siedlungsstruktur beitragen,
ist im Grunde nichts hinzuzufügen. Der vorhandenen Wohnbebauung werden weiterhin
nahezu unbeschränkt die Freiflächen zugeordnet, auf die sie sich hat bislang einrichten
können. Die hinzukommenden Baufenster im Mittelbereich des
Bebauungsplangebietes, also einem Bereich des Straßengevierts, der landwirtschaft-
lich genutzt war, führen zu einer ausgesprochen maßvollen Bebauungsverdichtung, die
angesichts der mit der Bebauungsplanung verfolgten Zielsetzung zur Deckung
dringenden Wohnbedarfs auch nicht annähernd gleichgewichtige Belange der an die
Bebauung künftig angrenzenden Grundstückseigentümer betrifft.
76
Der Rat der Antragsgegnerin hat sich abwägungsfehlerfrei auch mit den durch den
Kraftfahrzeugverkehr zu erwartenden Auswirkungen befaßt. Die Planstraßen 1 und 2,
die in das Innere des Plangebiets führen und dort als Sackgasse ausgebildet sind,
schließen einen Durchgangsverkehr aus. Der zu erwartende Kraftfahrzeugverkehr für
jeweils (zur S. Straße bzw. zur T. Straße hin) etwa 50 Wohneinheiten hält sich in einem
bescheidenen Rahmen, der angesichts der Erschließung einer bislang nicht für
Wohnzwecke genutzten Grundstücksfläche der hier in Rede stehenden Dimensionen
hinzunehmen ist. Das zu erwartende Verkehrsmehraufkommen auf der S. Straße/T.
Straße/G. straße und B. bach ist zu geringfügig, als daß dem Interesse an der
Ausweisung weiterer Wohnbauflächen gegenüber den Interessen der vorhandenen
Grundstückseigentümer hätte Nachrang eingeräumt werden müssen. Angesichts der
rechnerisch von der Antragsgegnerin auf der Grundlage einer durchschnittlichen
täglichen Verkehrsstärke (DTV-Wert) von 614 Kraftfahrzeugen ermittelten Belastung
durch Verkehrslärm (bis 65 dB(A) tags/55 dB(A) nachts im Bereich der B. bach) bedurfte
es keiner weiteren Ermittlungen oder über die bestimmten Maßnahmen passiven
Schallschutzes (textliche Festsetzung 5.0) hinausgehender Festsetzungen. Es besteht
auch nicht der mindeste Anhalt, daß die zu erwartende Verkehrsbelastung die
Erheblichkeitsschwelle überschreiten könnte, auf Grundlage derer die Antragsgegnerin
zu weiteren Erwägungen Veranlassung gehabt hätte. Dabei kommt es nicht so sehr
darauf an, ob nun tatsächlich die von der Antragsgegnerin pro Tag erwarteten 75
Kraftfahrzeuge oder ein höherer Kraftfahrzeugverkehr dem Neubauvorhaben
zuzuordnen ist. Erst bei einer Verdoppelung des vorhandenen Verkehrsaufkommens
wäre mit einer Erhöhung der rechnerisch ermittelten Lärmbelastung von bis 65 dB(A)/55
dB(A) um 3 dB(A) zu rechnen
77
vgl. Bohny u.a., Lärmschutz in der Praxis, S. 324
78
und die Erheblichkeitsschwelle (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 16. BImSchV) in etwa erreicht; von
diesen Werten ist bei der hier vorliegenden Bebauungsplanung auch nicht annähernd
auszugehen. Im Hinblick auf den Vortrag eines Anwohners der T. Straße in der
mündlichen Verhandlung merkt der Senat ergänzend an: Substantiierte Anhaltspunkte
dafür, daß der DTV-Wert deutlich unter 614 Kraftfahrzeugen liege, ergeben sich nicht
aus der Behauptung, daß nachts entlang der T. Straße bei offenem Fenster geschlafen
werden könne. Im übrigen würde das dort angeblich äußerst geringe
Fahrzeugaufkommen angesichts der Zahl der Wohnbauten entlang der T. Straße
verdeutlichen, daß von der mit dem Bebauungsplan zugelassenen Wohnnutzung keine
nennenswerte Verkehrsbelastung ausgehen wird, denn diese wird ein geringes
Fahrzeugaufkommen auslösen als die vorhandene Bebauung und damit den offenbar
bislang die nächtliche Ruhe in dem fraglichen Bereich nicht tangierende nächtliche
Fahrzeugdichte nicht relevant verändern.
79
Der Plangeber hat schließlich die sonstigen, von der Bebauungsplanung betroffenen
Belange zutreffend erkannt, gewichtet und zu einem (sach-)gerechten Ausgleich
gebracht. Dies gilt auch bezüglich der Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspflege, die der Plangeber gesehen und bezüglich der vorhandenen Bäume
sogar einzelbaumbezogen bewertet hat. Durch die Festsetzungen zum Schutz der
vorhandenen Bäume sowie die Ausweisung zahlreicher Standorte für anzupflanzende
Bäume bzw. Hecken sowie der Ausweisung von (kleineren) Ausgleichsflächen hat er
einen Ausgleich für den Eingriff in den bislang begrünten Innenbereich in dem Umfange
vorgesehen, wie dies unter Berücksichtigung der geplanten Wohnnutzung möglich war.
Der Rat der Antragsgegnerin mußte den Belangen von Naturschutz und
Landschaftspflege durchaus auch nicht im Hinblick darauf Vorrang einräumen, daß eine
Zurücknahme der Wohnbebauung im Bereich der Nordostecke der Südfläche bzw. der
Südwestecke der Nordfläche zu einem "Ausgleich" des Eingriffs in Natur und
Landschaft bereits ausgereicht hätte. Die Eingriffsregelung des § 8a BNatSchG fordert
nicht eine "Optimierung" des Eingriffs in Natur und Landschaft in dem Sinne, daß eine
Planung nur dann zulässig wäre, wenn ein Eingriff vollen Umfangs ausgeglichen ist.
Vielmehr kommt es auf eine Abwägung der Belange unter Berücksichtigung der
verfolgten Planziele an, die hier eine Wohnbebauung in dem vorgesehenen Umfang
sicherstellen sollte. Soweit der Plangeber Eingriffe als durch die beabsichtigte Planung
nicht vermeidbar angesehen und der Wohnbebauung deshalb Vorrang gegenüber den
Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege gegeben hat, ist dies nach Maßgabe
des der Gemeinde zustehenden Abwägungsspielraums nicht zu beanstanden.
80
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 23. April 1997 - 4 NB 13.97 -, NVwZ 1997, 1215 = BauR
1997, 798.
81
Die in der mündlichen Verhandlung des Senats von einem Anwohner der T. Straße
vorgebrachten Einwände gegen die zutreffende Bewertung der Auswirkungen des
Bebauungsplans auf Natur und Landschaft durch den Rat der Antragsgegnerin
verkennen, daß der Abwägung zwar auch eine zahlenmäßige Bewertung der
Eingriffsfolgen zugrundelag (Tabellenkalkulation gemäß Ludwig, Anlage zur
Umweltverträglichkeitsprüfung), der Rat sich jedoch nicht nur von den reinen
Zahlenwerten leiten ließ, sondern in der Abwägung auf eine relativierende Bewertung
der Eingriffsfolgen im Hinblick auf die mit der Planung verfolgten Ziele abstellte. Dabei
hat der Rat weder maßgebende Natur- und Landschaftsbestandteile übersehen noch
82
die Funktion des Blockinnenbereichs namentlich als "Trittsteinbiotop" in
abwägungserheblichen Größenordnungen verkannt. Im Hinblick auf den Vortrag in der
mündlichen Verhandlung ist anzumerken: Daß die Ackerfläche im für die Rechtsprüfung
maßgebenden Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht mehr als solche (vorbehaltlich
der Bebauungsplanverwirklichung) für eine landwirtschaftliche Nutzung offenstand, ist
weder erkennbar noch vorgetragen; auf einen "zwischenzeitlichen"
landwirtschaftsuntypischen Bewuchs der Fläche kam es für die Entscheidung des Rates
schon deshalb nicht an. Der Rat durfte auch davon ausgehen, daß die klimatischen
Folgen der Bebauungsplanung lokal sind. Eine angeblich bestehene Kaltluftschneise
zum S. Bach ist nicht belegt, aber auch deshalb nicht von Belang, weil der Rat auf das
Fortbestehen der Baulücke zwischen den Häusern S. Straße 88a und 98, durch die die
Ventilationszone führen soll, ohnehin nicht hätte abstellen können, da der dortige
Bereich nach Maßgabe des § 34 BauGB bebaubar ist. Schließlich sind die
Grundwasserauswirkungen vom Rat abwägungsfehlerfrei berücksichtigt worden. Es
bedurfte insbesondere keiner Detailuntersuchungen. Daß angesichts der zur Verfügung
stehenden Flächen auch unter Berücksichtigung einer "möglicherweise nur...geringen
bis mittleren Wasserdurchlässigkeit" die Versickerung jedenfalls "grundsätzlich möglich
ist" - und hierauf hat der Rat entscheidend abgestellt - bedarf keiner weiteren
Ausführungen.
Die Abwägung des Rates ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil er eine private
Grünfläche mit der Zielsetzung der Sicherung des vorhandenen, überwiegend
gärtnerisch genutzten Naturraums verfolgt, diese jedoch nicht erforderlich sei. Die
Festsetzung einer privaten Grünfläche unterwirft den Bereich einem sich aus § 30
BauGB ergebenden Veränderungsschutz, wie er nach Maßgabe des § 34 BauGB nicht
zu erreichen ist. § 34 BauGB stellt grundsätzlich nur auf die dort genannten Kriterien (Art
und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche,
Erschließung, Ortsbild) ab, anhand derer geplante bauliche Veränderungen zu
beurteilen sind, aus denen sich eine Bindung oder auch nur Orientierung an die
bestehende (gärtnerische) Gestaltung unbebauter Flächen jedoch nicht ergibt.
83
Abwägungsfehlerfrei hat sich die Antragsgegnerin auch dafür entschieden, gemäß § 9
Abs. 1 Nr. 23 BauGB den Einsatz von festen und flüssigen Brennstoffen nicht
zuzulassen. Die für bestandsgeschützte Anlagen keine Geltung fordernde Festsetzung
unter Ziffer 4.0 des Bebauungsplanes findet ihre städgebauliche Rechtfertigung darin,
daß die Gemeinde im Rahmen der Bauleitplanung entsprechend dem Vorsorgeprinzip
des § 5 Nr. 2 BImSchG vorbeugenden Immissionsschutz betreiben kann. Die Gemeinde
ist insoweit aber nicht darauf beschränkt, bereits bestehenden problematischen
Verhältnissen entgegenzuwirken. Sie darf ihre Bauleitplanung vielmehr auch darauf
ausrichten, derartige Verhältnisse gar nicht erst entstehen zu lassen.
84
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 7 C 8.82 -, NVwZ 1984, 371; Beschluß vom
16. Dezember 1988 - 4 NB 1.88 -, BRS 48 Nr. 43; OVG NW, Urteil vom 17. Oktober 1996
- 7a D 164/94.NE -, BRS 58 Nr. 26.
85
Dies verkennt auch der Antragsteller nicht. Entgegen seiner Annahme geht die
Festsetzung nicht "ins Leere" und ist deshalb auch nicht ungeeignet. Die Festsetzung
hat unmittelbare Bedeutung für die geplanten etwa 100 Wohneinheiten im Bereich der
"Südfläche" und der "Nordfläche". Darüber hinaus ist der Berücksichtigung des
Vorsorgegedankens bei über den Bestandsschutz hinausgehenden Änderungen der
Heizungsanlagen der bestehenden Häuser Beachtlichkeit beizumessen.
86
Obwohl der Bebauungsplan Nr. 76490/05 der Antragsgegnerin an materiellen Mängeln
leidet, ist er zwar hinsichtlich der textlichen Festsetzung Nr. 7.6, nicht jedoch hinsichtlich
der textlichen Festsetzung Nr. 7.5 für nichtig zu erklären; hinsichtlich der textlichen
Festsetzung Nr. 7.5 ist der Bebauungsplan unwirksam.
87
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung erklärt
das Oberverwaltungsgericht die Satzung bis zur Behebung der Mängel für nicht wirksam
- und nicht für nichtig -, wenn festgestellte Mängel einer Satzung, die nach den
Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden ist, durch ein ergänzendes
Verfahren im Sinne des § 215a BauGB behoben werden können. Die materiellen
Mängel des Bebauungsplanes Nr. 76490/05 der Antragsgegnerin führen zwar insoweit
zu seiner Nichtigkeit, als für die textliche Festsetzung 7.6 keine
Ermächtigungsgrundlage bestanden hat, da diesbezüglich die Voraussetzungen der §
47 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 215a Abs. 1 BauGB n.F. nicht vorliegen. Hinsichtlich der
textlichen Festsetzung 7.5 ist der Bebauungsplan bis zur Behebung des Mangels
(lediglich) unwirksam, da die konkrete Möglichkeit der Fehlerbehebung in einem
ergänzenden Verfahren nach § 215a BauGB besteht.
88
Gemäß § 215a Abs. 1 Satz 1 BauGB n.F. führen Mängel der Satzung, die nicht nach
den §§ 214 und 215 BauGB n.F. unbeachtlich sind und die durch ein ergänzendes
Verfahren behoben werden können, nicht zur Nichtigkeit der Satzung. Bis zur Behebung
der Mängel entfaltet die Satzung keine Rechtswirkungen (Satz 2). Ergänzendes
Verfahren im Sinne des § 215a Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein nach den Vorschriften des
Baugesetzbuches durchzuführendes Satzungsverfahren. Dies ergibt sich zwar nicht aus
dem Wortlaut des § 215a Abs. 1 BauGB, denn weder hier noch an anderer Stelle des
Baugesetzbuches ist ein ergänzendes Verfahren als solches bezeichnet, wohl aber aus
dem Sinn der Regelung, denn Mängel, die auf einer Verletzung formeller oder
materieller Anforderungen des Baugesetzbuches bzw. seiner Verfahrensbestimmungen
beruhen, können mangels anderweitiger Vorschriften daher jedenfalls nach den
Bestimmungen des Baugesetzbuches selbst behoben werden.
89
Das Verfahren ist ein ergänzendes, wenn nicht alle zum Erlaß einer Satzung
erforderlichen Verfahrensschritte in der Weise durchgeführt werden müssen, wie dies
beim erstmaligen Satzungsverfahren erforderlich wäre. Hierfür spricht bereits der
Wortlaut des Gesetzes, denn der Begriff "ergänzen" setzt nach seinem eindeutigen
Wortsinn eine lediglich ein schon vorhandenes Objekt noch vervollständigende Aktivität
voraus, nicht aber eine dieses Objekt originär schaffende. Ferner folgt dies aus dem
Sinn des § 215a Abs. 1 BauGB, wie er bereits durch die Abschnittsüberschrift
verdeutlicht wird; § 215a BauGB dient der Planerhaltung. Er konkretisiert die Absicht der
Planerhaltung durch Bestimmung der Folgen des Satzungsmangels, denn danach
entfaltet die Satzung bis zur Mängelbehebung zwar keine Rechtswirkungen, ist jedoch
nicht schon (endgültig) nichtig. Eine Satzung wird jedoch nicht erhalten, wenn die für
den rechtmäßigen Erlaß erforderlichen Schritte komplett erneut vollzogen werden
müßten, denn in einem solchen Falle würde die Satzung erneut aufgestellt. Ein solches
Verfahren ist vom Gesetzgeber offensichtlich nicht als planerhaltendes Verfahren in
Betracht gezogen worden, wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift belegt. Danach
sollte die Möglichkeit eröffnet werden, die zeit- und personalaufwendigen Vorarbeiten
zur Erarbeitung insbesondere von Bebauungsplänen auszunutzen und deshalb ein
ergänzendes Verfahren zur Behebung von Satzungsmängeln eröffnet werden. Es ging
dem Gesetzgeber darüber hinaus darum, den Grundsatz der Planerhaltung im
90
Baugesetzbuch fortzuentwickeln.
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Regelung des
Rechts der Raumordnung, BT-Drucks. 13/6392, S. 38 u. 74.
91
Der Gesetzgeber wollte demnach hinter die nach bisheriger Rechtslage bestehenden
Möglichkeiten der Planerhaltung jedenfalls nicht zurückfallen. Die Rechtslage nach
Maßgabe der §§ 214 ff. des Baugesetzbuches a.F. sah zunächst die auch rückwirkend
mögliche Behebung von Verfahrens- oder Formfehlern nach Maßgabe des § 215 Abs. 3
BauGB vor, der seinem sachlichen Gehalt nach im wesentlichen den Ergebnissen der
Anwendung von § 215a BauGB n.F. entspricht. Auch materielle Fehler konnten über die
Regelungen im Baugesetzbuch a.F. hinaus behoben werden, und zwar durch eine auf
Verfahrensschritte begrenzte Fehlerkorrektur. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in
seinem Beschluß vom 7. November 1997 - 4 NB 48.96 - wie folgt zusammengefaßt:
"Soweit die Verfahrensabschnitte unterschieden werden können, ist grundsätzlich auch
eine Fehlerkorrektur möglich. Dabei ist es unerheblich, ob der (behebbare) Fehler
formeller oder materieller Natur ist...Soll die Satzung jedoch unverändert erlassen
werden, so folgt nicht schon aus der materiell-rechtlichen Natur eines Fehlers, daß auch
die vorangegangenen korrekten Verfahrensschritte wiederholt werden müssen...Ein
Verzicht auf die Wiederholung des vorangegangenen Verfahrens wäre allerdings
unzulässig, wenn es schon selbst durch den Fehler 'infiziert' ist..."
92
Vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 21. August 1997 - 4 C 6.90 -, DVBl. 1998, 48.
93
Ob § 215a Abs. 1 BauGB den nach früherer Rechtsprechung bestehenden
Rechtszustand lediglich festgeschrieben hat oder im sachlichen Gehalt darüber
hinausführt, in welchen rechtlichen Kategorien ein zwar nicht nichtiger, aber
unwirksamer Plan einzuordnen ist und welche Rechtsfolgerungen hinsichtlich der
Plananwendung daraus zu ziehen sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Der in Rede
stehende Satzungsmangel hätte jedenfalls auch nach früherer Rechtslage durch ein
ergänzendes Verfahren möglicherweise behoben werden können.
94
Ein ergänzendes Verfahren kommt zur Behebung des materiellen Mangels, der darin
liegt, daß im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses für Ziffer 7.5 der textlichen
Festsetzungen des Bebauungsplanes eine Ermächtigungsggrundlage fehlte, in
Betracht, denn nunmehr ermöglicht § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB n.F. die Festsetzung von
Maßnahmen ausdrücklich auch zum Schutz des Bodens, und zwar auch in den Fällen,
in denen solche Festsetzungen nach anderen Vorschriften getroffen werden können.
95
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neu-regelung
des Rechts der Raumordnung, BT-Drucks. 13/6392, S. 48 f.
96
Da die vom Rat gewollte, im Zeitpunkt seiner Satzungsentscheidung noch
ermächtigungslose Festsetzung bereits Gegenstand des Planaufstellungsverfahrens
gewesen ist, kann sich das ergänzende Verfahren auf eine neuerliche
Satzungsentscheidung auf Grundlage des neuen Rechts beschränken.
97
Hinsichtlich der textlichen Festsetzung 7.6 des Bebauungsplanes kommt ein
ergänzendes Verfahren, das zur Fehlerbehebung geeignet wäre, nicht in Betracht, denn
über den Mangel einer die konkrete Festsetzung tragenden Ermächtigungsgrundlage
kann auch ein (neuerliches) ergänzendes Verfahren nicht hinweghelfen. Insoweit hat
98
der Senat gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO die angefochtene Satzung daher für nichtig
zu erklären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
99
Vgl. zur Kostenverteilung bei Teilnichtigkeit eines Bebauungsplans: BVerwG, Beschluß
vom 25. Februar 1997 - 4 NB 30.96 -, BauR 1997, 603.
100
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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