Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.02.2001

OVG NRW: radioaktive strahlung, kosovo, munition, verwaltung, bevölkerung, nato, slowenien, ausreise, stadt, gefährdung

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 680/01.A
Datum:
27.02.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 680/01.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 K 7000/99.A
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe des § 78 Abs. 3 Nr. 1 u. 3
AsylVfG liegen entweder nicht vor oder sind von ihnen nicht den Anforderungen des §
78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügend dargelegt. Darlegung ist im Sinne von "Erklären"
und "Erläutern" unter Auseinandersetzung mit den tragenden erstinstanzlichen
Entscheidungsgründen zu verstehen. Die Kläger gehen in ihrem Zulassungsantrag
jedoch auf die tragenden erstinstanzlichen Gründe zum Fehlen von
Wiederaufgreifensgründen nach §§ 71 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für das
Asylfolgebegehren der Kläger zu 3. bis 6. überhaupt nicht ein.
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Soweit die Kläger offensichtlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
10. August 2000 - 2 BvR 260 u. 1353/98 -, AuAS 2000, 187, im Blick haben und die
dortigen Ausführungen zum Begriff der Staatlichkeit politischer Verfolgung wiederholen,
haben sie die behauptete Abweichung des Verwaltungsgerichts von der
bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits nicht aufgezeigt. Welche der
Beurteilungskriterien, die im Urteil des Verwaltungsgerichts und in der Rechtsprechung
der zuständigen Senate des angerufenen Obergerichts für die Annahme der
Nichtstaatlichkeit der im Kosovo gegenüber der nicht albanischen Bevölkerung
geschehenen Übergriffe angewandt worden sind, durch welche rechtlichen Wertungen
in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überhaupt in Frage
gestellt werden, wird im Zulassungsantrag der Kläger nirgends ausgeführt. Welchen
Rechtssatz das Verwaltungsgericht aufgestellt und seiner Entscheidung tragend
zugrundegelegt haben soll, der mit der zitierten Rechtsprechung unvereinbar wäre,
haben die Kläger nicht aufgezeigt. Sollten sie die o.a. bundesverfassungsgerichtliche
Entscheidung vom Verwaltungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt sehen, läge
darin noch keine Divergenz. Denn nicht eine unzulängliche Tatsachenwertung oder
unzulängliche oder fehlerhafte Umsetzung übergeordneter Rechtsprechung rechtfertigt
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die Divergenzzulassung, sondern erst die Abweichung im Grundsätzlichen.
Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu, soweit die Kläger die
Frage aufwerfen, ob "die albanische Bevölkerungsmehrheit eine parallele Verwaltung
und Machtstrukturen geschaffen hat, auf Grund derer die KFOR-Truppen derart hilflos
und ohnmächtig sind, dass es den KFOR-Truppen, der internationalen Verwaltung
UNMIK und allen anderen im Kosovo tätigen Organisationen nicht möglich war und
möglich ist, Minderheiten ausreichend Schutz zu gewähren bzw. unfähig waren, in der
Vergangenheit Schutz gewähren zu können". Der Senat hat nämlich durch seine dem
Prozessbevollmächtigten der Kläger bekannte Rechtsprechung in Übereinstimmung mit
dem 14. Senat bereits entschieden und hält daran fest, dass sich im Kosovo neben den
KFOR-Truppen und der UN-Verwaltung keine albanischen Gruppierungen oder
Organisationsstrukturen mit einer (der Innehabung hoheitlicher Gewalt ähnlichen)
Herrschaftsmacht von gewisser Stabilität etabliert haben, von denen eine asylrelevante
Verfolgung ausginge.
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vgl. etwa Beschluss vom 15. Januar 2001 - 14 A 103/01.A -.
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Das insoweit überzogene Vorbringen der Kläger, für welches Erkenntnisquellen nicht
benannt werden, gibt dem Senat keinen Anlass, von seiner bisherigen Wertung
abzurücken und die aufgeworfene Frage einer erneuten Klärung in einer Berufung
zuzuführen.
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Soweit die Kläger die weitere Frage stellen, "ob sich die Beklagte darauf berufen kann,
dass es sich bei den auf Grund der Kriegsfolgen drohenden Gefahren, insbesondere
durch Wechselwirkungen der von den NATO-Flugzeugen verschossenen uranhaltigen
Munitionsrückständen und den übrigen durch die Kriegseinwirkung freigesetzten
Umweltgift, um der Bevölkerung allgemein drohenden Gefahren handelt, die nun bei
Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt werden könnten, ...", ist bereits ihre
grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Handelt es sich
nämlich insoweit um Gefahren, die nur über §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG
berücksichtigungsfähig sind, könnte die Klage keinen Erfolg haben, weil es bisher an
einer generellen Regelung nach § 54 AuslG fehlt. Handelt es sich nicht um solche,
sondern um dem § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG unterfallende Gefahren, sind dieser Art für
die Kläger "individuell und flächendeckend" bestehende Gefahren nicht erkennbar,
jedenfalls von ihnen weder geltend gemacht noch dargelegt, so daß auch insoweit die
Klage keinen Erfolg haben kann. Folglich kommt es, ausgehend vom gegenwärtigen
Vorbringen der Kläger beurteilt, auf die von ihnen für grundsätzlich klärungsbedürftig
gehaltene Frage nicht an.
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Sollten die Kläger indes die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig halten, ob die von
den Rückständen der von den NATO-Kräften verwendeten panzerbrechenden Munition
ausgehenden, nicht zu verharmlosenden Gefahren, ein Abschiebungshindernis nach §
53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen, fehlt es auch insoweit an der erforderlichen
Darlegung.
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Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind im Kosovo 31.000 uranabgereicherte (DU)
Geschosse verwendet worden. Dies war überwiegend der Fall in den westlichen
Regionen des Kosovo zur Bekämpfung der dortigen serbischen gepanzerten Truppen.
Die - 112 - Einsatzorte sind bekannt, die Wracks der zerstörten serbischen
Panzerfahrzeuge sind für die Bevölkerung erkennbar und werden, soweit nicht bereits
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geschehen, sichtbar abgesperrt. In den Städten und größeren Wohnansiedlungen der
Provinz ist nach den vorliegenden Darstellungen DU-Munition nicht eingesetzt worden.
Von der zerlegten DU-Munition geht nach bisherigen Erkenntnissen fachkundiger
Kreise eine nennenswerte radioaktive Strahlung nicht aus; die vermuteten Spuren von
Plutonium sind bisher nicht bestätigt. Allerdings kann der bei Zerlegung von DU-
Munition erzeugte und zwischenzeitlich auch im nahen Umkreis der zerstörten
Fahrzeuge abgelagerte und gebundene Uranstaub bei Aufnahme in den menschlichen
Körper - Magen-Darm-Trakt, Nieren - als Schwermetall toxische Wirkung entfalten.
Vor dem Hintergrund haben die Kläger nicht einmal vorgetragen, geschweige denn
glaubhaft dargelegt, dass sie bei Rückkehr in ihre Heimat ihren Lebensbereich in einer
ehemaligen Kriegsregion des Kosovo mit Wracks von - ggf. durch DU-Munition
zerstörten - Fahrzeugen begründen müssten. Sollte das der Fall sein, haben sie weder
vorgetragen noch dargelegt, weshalb es nicht möglich sein soll, dass sie sich dem
Umkreis solcher Wracks fern halten oder sich in einer Region oder in den Städten des
Kosovo niederlassen, die von Lufteinsätzen gegen gepanzerte Kraftfahrzeuge
freigeblieben sind. Im übrigen haben die Kläger vor ihrem Ausweichen nach Slowenien,
wo sie zwei Jahre bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland gelebt haben, nicht etwa in
den von den Luftstreitkräften bekämpften westlichen Regionen, sondern in der
Großstadt Prizren gewohnt, wo nach den vorliegenden Erkenntnisquellen DU-Munition
nicht zum Einsatz gekommen ist. Die Schilderung einer regionalen Gefahrensituation im
Heimatland des Ausländers ohne Darstellung einer daraus erwachsenden individuellen
Gefährdung des Abschiebungsschutz begehrenden Ausländers reicht für die Darlegung
der Klärungsbedürftigkeit der in dem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen in der
Berufung und damit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht aus.
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