Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.07.2002
OVG NRW (krankenhaus, verwaltungsgericht, stationäre behandlung, abteilung, auswahl, aufnahme, antrag, anschlussberufung, beschwerde, behandlung)
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 1186/02
Datum:
18.07.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 1186/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 3 L 411/02
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung für
beide Rechtszüge auf jeweils 6.750,-- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Der Senat entscheidet über die Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO i.d.F.d.
RmBereinVpG nur im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe. Hiervon
ausgehend hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Ziel, der Antragsgegnerin die
Erteilung eines Feststellungsbescheides über die Aufnahme des Krankenhauses der
Beigeladenen mit einer Fachabteilung für Hämatologie mit 20 Betten zu untersagen, im
Ergebnis zu Recht abgelehnt.
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Der Antrag hat schon deshalb keinen Erfolg, weil bereits aus gegenwärtiger Sicht ein
Sicherungsbedürfnis der Antragstellerin für einen eventuellen eigenen inhaltsgleichen
Planaufnahmeanspruchs für ihr Krankenhaus oder einen Anspruch auf fehlerfreie
Auswahl unter mehreren insoweit qualifizierten, d.h. leistungsfähigen, bedarfsgerechten,
eigenverantwortlich und kostengünstig wirtschaftenden Krankenhäusern, nicht bejaht
werden kann.
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Es spricht nämlich bei realistischer Beurteilung der prozessualen Situation sehr viel
dafür, dass der von der Antragstellerin geltend gemachte Planaufnahmeanspruch
jedenfalls künftig nicht durchsetzbar ist und für ein solches lediglich theoretisches Recht
eine Sicherung durch Untersagung der Planaufnahme des Krankenhauses der
Beigeladenen nicht erforderlich ist. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 31.
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Januar 2001 - 3 K 4579/98 - erkannt, dass die Antragsgegnerin - Beklagte jenes
Verfahren - zur Bescheidung des Planaufnahmeantrages der Antragstellerin unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet sei, ein - direkter -
Planaufnahmeanspruch der Antragstellerin jedoch nicht bestehe und die
Antragsgegnerin im Wege einer Ermessensentscheidung unter den insoweit
Planaufnahme begehrenden grundsätzlich qualifizierten Krankenhäusern einschließlich
des Krankenhauses der Antragstellerin das geeignetste auszuwählen habe. Das
Verwaltungsgericht hat hingegen nicht feststellen können, dass das Ermessen der
Antragsgegnerin dahin reduziert sei, dass das Krankenhaus der Antragstellerin als das
geeignetste auszuwählen sei.
Die Antragsgegnerin führt gegen das o.a. Urteil, soweit es sie beschwert, Berufung vor
dem erkennenden Gericht - 13 A 1172/01 -; die Antragstellerin hat, soweit sie beschwert
ist, insoweit "unselbständige" Anschlussberufung eingelegt. Die Antragsgegnerin wird
ihrer durch das erstinstanzliche Urteil ausgesprochenen Verpflichtung spätestens mit
Zugang des beabsichtigten Feststellungsbescheids zu Gunsten der Beigeladenen
nachgekommen sein, womit ihre Berufung erledigt sein und aller Voraussicht nach von
ihr beendet werden wird. Damit wird aber zugleich auch die Anschlussberufung der
Antragstellerin beendet sein. Dies hat zur Folge, dass ein Planaufnahmeanspruch der
Antragstellerin rechtskräftig versagt sein wird und auch ihr Vortrag abgeschnitten sein
wird, ihr Krankenhaus sei das geeignetere, weil es über qualifizierte Fachkräfte verfüge,
woraus unter Reduzierung des Ermessens der Antragsgegnerin ihr
Planaufnahmeanspruch folge. In dieser Situation ist eine Sicherungsbedürftigkeit des
weiter verfolgten Planaufnahmeanspruchs der Antragstellerin nicht mehr zuzuerkennen.
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Überdies ist bei der im vorliegenden Verfahren gegebenen Prüfungsdichte auch unter
Berücksichtigung der Darlegungen der Antragstellerin eine Reduzierung des
Auswahlermessens der Antragsgegnerin im Sinne des Planaufnahmebegehrens der
Antragstellerin nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin hat die Auswahl zugunsten des
Krankenhauses der Beigeladenen unter anderem deshalb getroffen, weil dieses
Krankenhaus im Vergleich mit dem der Antragstellerin über das günstigere
Disziplinenspektrum verfügt. Hierbei handelt es sich um einen sachlichen, aus
gegenwärtiger Sicht nicht zu beanstandenden Gesichtspunkt. Demgegenüber ist der
Einwand der Antragstellerin, ihr Krankenhaus verfüge anders als das der Beigeladenen
bereits über eine hochkompetent besetzte Abteilung für die Behandlung
hämatologischer Erkrankungen und behandele nachweislich die größere Zahl von
Patienten mit onkologischen Erkrankungen in der Gynäkologie und in der
Strahlentherapie, nicht geeignet, allein ihr Krankenhaus als das der
Landeskrankenhausplanung am besten gerecht werdende darzustellen. Dieser
Gesichtspunkt kann schon deshalb kein durchschlagendes Gewicht beanspruchen, weil
nach einer Planaufnahme des konkurrierenden Krankenhauses auch dieses die
Möglichkeit hat, eine grundsätzlich gleichqualifizierte Abteilung wie die im Krankenhaus
der Antragstellerin aufzubauen, und ihm nicht negativ angelastet werden kann, was
betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, nämlich mit dem kostenintensiven Aufbau einer
solchen Abteilung erst nach gesicherter Planaufnahme zu beginnen. Zudem kann ein
Krankenhausträger nicht durch Schaffung vollendeter Tatsachen die Planungsbehörde
in ihrem Ermessen vorab festlegen und unterfällt es seinem Risikobereich, wenn er in
Kenntnis des Zusammenspiels zwischen der Krankenhausplanung nach dem
Krankenhausfinanzierungsgesetz und der GKV-Versorgung nach dem
Sozialgesetzbuch V eine Klinik oder Abteilung ohne vorherige Planaufnahme oder
Abstimmung mit der Krankenhausplanungsbehörde aufbaut und unterhält; die auf einen
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solchen Betrieb gründende Grundrechtsposition ist weniger gewichtig.
Vgl. hierzu auch Beschluss des Senats vom 10. Juni 2002 - 13 B 568/02 -.
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Dass das von der Antragsgegnerin zur Planaufnahme ausersehene Krankenhaus der
Beigeladenen im Gegensatz zu dem der Antragstellerin über keine urologische
Abteilung verfügt, ist ebenfalls kein Gesichtspunkt, der zwingend zur besseren Eignung
des letzteren Krankenhauses führt, weil aus dem insgesamt zahlenmäßig größeren
Krankengut des ersteren Krankenhauses - das ebenfalls auf umfangreiche
Behandlungsfälle in der internistischen Onkologie und Hämatologie und auch bei
bösartigen Neubildungen an den männlichen Geschlechtsorganen verweisen kann - ein
Ausgleich an hämatologischen Behandlungsfällen für aus einer nicht vorhandenen
Urologie nicht rekrutierende Fälle erwartet werden kann.
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Schließlich wäre selbst ein einmal unterstellter Planaufnahmeanspruch der
Antragstellerin auch nicht sicherungsbedürftig. Ein die Planaufnahme anstrebendes
qualifiziertes Krankenhaus hat nämlich nach der Rechtsordnung grundsätzlich die
Möglichkeit, seinen Planaufnahmeanspruch unabhängig von einem die Planaufnahme
eines konkurrierenden Krankenhauses feststellenden Bescheid gerichtlich weiter zu
verfolgen. Die Planaufnahme eines konkurrierenden Krankenhauses führt nicht zur
Verneinung der Bedarfsgerechtigkeit des ebenfalls Planaufnahme verfolgenden
anderen Krankenhauses. Bedarfsgerecht ist ein Krankenhaus, das nach Fachrichtung,
Größe, Konzeption, Ausstattung usw. grundsätzlich in der Lage ist, einen bestehenden
Bedarf nach klinischen Betten - ggf. gemeinsam mit anderen Krankenhäusern - zu
decken. Diese Eigenschaft entfällt nicht durch die Planaufnahme eines anderen
Krankenhauses. Andernfalls hätten in den Plan nicht aufgenommene, aber dafür
qualifizierte Krankenhäuser nie eine Auswahlchance, was verfassungsrechtlichen
Bedenken unterläge.
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Soweit das Bundessozialgericht einen Anspruch eines Krankenhauses auf Abschluss
eines Versorgungsvertrages verneint, wenn der Bedarf gedeckt und das Krankenhaus
deshalb für eine bedarfsgerechte stationäre Behandlung der GKV- Versicherten nicht
erforderlich ist,
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vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2000 - B 3 KR 20/99/ R -, Urteil vom 19. November 1997 - 3
RK 6/96 -, MedR 1999, 43, Urteil vom 29. Mai 1996 - 3 RK 23/95 -, BSGE 78, 233,
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findet das seine Rechtsgrundlage in §§ 108, 109 SGB V und ist das nicht auf die
Grundsätze der Aufnahme in den Landes-Krankenhausplan nach dem
Krankenhausfinanzierungsgesetz und dem Landes-Krankenhausgesetz übertragbar.
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Vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. November 2001 - 9 S
1572/01 - (den Parteien bekannt).
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Jene abweichende Sichtweise rechtfertigt sich bereits daraus, dass die Ziele des
Krankenhausfinanzierungsgesetzes und des Sozialgesetzbuches V nicht identisch sind,
der Abschluss eines Versorgungsvertrages ein anderes Institut der Mitwirkung eines
Krankenhauses an der gesetzlichen Krankenversorgung als die Aufnahme in den
Landes-Krankenhausplan darstellt und die vertraglich begründete Mitwirkung eines
Vertragskrankenhauses bei eingetretener Bedarfsüberdeckung nicht jederzeit wie nach
dem Krankenhausfinanzierungsgesetz im Wege der Fortschreibung des
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Krankenhausplans korrigiert werden kann.
Stellte sich deshalb auf eine Verpflichtungsklage des erfolglosen Planaufnahme
begehrenden qualifizierten Krankenhauses heraus, dass dieses und nicht das zuvor
durch Feststellungsbescheid planaufgenommene Krankenhaus als das geeignetste
hätte ausgewählt werden müssen, wäre die zuständige Behörde zum Erlass eines die
Planaufnahme des klagenden Krankenhauses feststellenden Bescheids zu verpflichten,
selbst wenn dies zu einer Bedarfsüberdeckung führen sollte.
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Vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. November 2001 - 9 S 1572/01
-.
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Zwar ist absehbar, dass die Antragstellerin ihren weiter verfolgten
Planaufnahmeanspruch in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht mit Erfolg
wird durchsetzen können, weil mit Erledigung der Berufung der Antragsgegnerin im
Verfahren 13 A 1172/01 OVG NRW ihrem in der Anschlussberufung anhängigen
Verpflichtungsbegehren auf Planaufnahme die Entscheidungsgrundlage entzogen und
die diesbezügliche erstinstanzliche Klageabweisung rechtskräftig werden wird. Doch
war der Antragstellerin in jenem Hauptsacheverfahren grundsätzlich die
Weiterverfolgung ihres Verpflichtungsbegehrens unter Beachtung der Regelungen der
Verwaltungsgerichtsordnung, insbesondere des § 67 Abs. 1 VwGO, in einem
selbständigen Berufungszulassungsverfahren und danach in einer selbständigen
Berufung möglich. Dies hat die Antragstellerin jedoch versäumt, was ihrer
Verantwortung unterfällt. Im Ergebnis hat sie damit ihren verwaltungsgerichtlichen
Rechtsschutz hinsichtlich der von ihr beanspruchten Auswahl als das am besten
geeignete Krankenhaus auf eine Instanz beschränkt, so dass der von ihr gleichwohl
weiter verfolgte Auswahlanspruch nicht deshalb sicherungsbedürftig ist, weil er vom
Verwaltungsgericht versagt worden ist und dies absehbar rechtskräftig werden wird.
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Auf die Frage, ob die Antragstellerin den angekündigten Feststellungsbescheid zu
Gunsten des Krankenhauses der Beigeladenen anfechten und insoweit vorläufigen
Rechtsschutz nach §§ 80, 80 a VwGO erlangen könnte, so dass ihr für einen Antrag
nach § 123 VwGO, wie das Verwaltungsgericht meint, bereits das
Rechtsschutzbedürfnis oder der Anordnungsgrund fehlte, kommt es zwar nicht an. Doch
sei auf folgendes hingewiesen: Eine Auswahlentscheidung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG
zu Gunsten des einen von mehreren konkurrierenden Krankenhäusern hat keine
Rechtswirkung gegenüber dem nicht ausgewählten Krankenhaus. Dieses kann, wie
ausgeführt, seinen Auswahlanspruch gerichtlich weiterverfolgen. Die Planungsbehörde
ist selbst bei Bedarfsüberdeckung nicht gezwungen, das andere Krankenhaus erst dann
in den Krankenhausplan aufzunehmen, wenn das erstere aus dem Plan
herausgenommen ist. So gesehen handelt es sich, wie das Verwaltungsgericht
zutreffend erkannt hat, nicht um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung und liegt nicht
etwa die Situation einer Konkurrentenklage vor, in der mit der Besetzung einer Stelle
deren weitere Besetzung ausscheidet und der Auswahlanspruch des erfolglosen
Konkurrenten zwingend untergeht. Ausgehend vom Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 und
2 KHG verfolgen diese Regelungen jedenfalls nicht den Schutz des
Planaufnahmeinteresses des jeweiligen Krankenhauses, sondern allenfalls seines
Interesses an ermessensfehlerfreier Auswahl unter grundsätzlich qualifizierten
Krankenhäusern. Dieses letztere Interesse ist nur schutzwürdig, wenn das erfolglose
Krankenhaus geltend machen kann, "den Zielen der Krankenhausplanung des Landes
am besten gerecht" zu werden und im Wege einer Ermessensreduzierung ein Recht auf
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Planaufnahme zu haben. Mit einer isolierten Aufhebung der zu Gunsten des anderen
Krankenhauses erfolgten Planaufnahme im Wege der Anfechtungsklage und mit einer
Aussetzung des Feststellungsbescheides nach §§ 80, 80a VwGO wäre dem erfolglosen
Krankenhaus und, wegen der infolge dessen langjährigen Unterversorgung an Betten,
auch den öffentlichen Interessen nicht gedient. Vielmehr erscheint lediglich das im
Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgende durch Ermessensreduzierung erstarkte
Recht des erfolglosen Krankenhauses auf Planaufnahme schutzbedürftig. Ein solches
Recht ist jedoch nicht vorläufig sicherungsfähig im Wege des Verfahrens nach §§ 80,
80a VwGO, sondern im Wege des § 123 VwGO. Insoweit erscheint ein
Rechtsschutzbedürfnis des erfolglosen Krankenhauses für den vom Verwaltungsgericht
aufgezeigten Weg zumindest zweifelhaft.