Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.04.2007

OVG NRW: zukunft, rückführung, interessenabwägung, gefahr, entlastungsbeweis, architekt, druck, datum, verwaltungsverfahren, gefährdung

Oberverwaltungsgericht NRW, 4 B 497/06
Datum:
26.04.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 B 497/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 20 L 102/06
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens I. und II. Instanz.
Der Streitwert wird für das Verfahren I. und II. Instanz auf jeweils 7.500,-
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde hat Erfolg. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe gebieten
eine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
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Die formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind (noch) erfüllt.
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Die besondere Eilbedürftigkeit ergibt sich noch hinreichend aus den Ausführungen der
Antragsgegnerin zu dem Vorliegen der Löschungsvoraussetzungen, die zur
Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sinngemäß in Bezug genommen
werden.
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Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung außerdem auf eine allgemeine
Interessenabwägung gestützt, da nach seiner Beurteilung der angegriffene
Löschungsbeschluss vom 23. November 2005 weder offensichtlich rechtswidrig noch
offensichtlich rechtmäßig ist. Im Verwaltungsverfahren sei nicht geklärt worden, ob die
mangelnde Zuverlässigkeit des Antragstellers als tatbestandliche Voraussetzung für
eine Löschung gegeben sei. Dabei ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen,
dass im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines
Architekten zwar gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme der Unzuverlässigkeit
sprechen, sich aber im Hinblick auf § 4 Abs. 7 BauKaG NRW a. F die Notwendigkeit
einer Einzelfallbeurteilung ergebe. Der Vorschrift des § 5 Abs. 1 BauKaG NRW könne
nicht entnommen werden, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens "automatisch"
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den Schluss auf eine Unzuverlässigkeit rechtfertige. Dass eine Einzelfallwürdigung
seitens der Antragsgegnerin vorgenommen worden ist, sei nicht erkennbar. Vielmehr
habe diese nach ihrem eigenen Vortrag vom Antragsteller eingereichte Schreiben und
Unterlagen zu seiner wirtschaftlichen Situation nicht berücksichtigt. Danach ergebe sich
zu Gunsten des Antragstellers eine günstige Prognose, so dass die allgemeine
Interessenabwägung für ihn positiv ausfalle. Eine finanzielle Gefährdung möglicher
Auftraggeber sei eher fernliegend, weil der Antragsteller erklärt habe, er habe es in
seiner fast 30-jährigen Berufstätigkeit stets vermieden, derartige Betreuungspflichten zu
übernehmen oder Gelder seiner Auftraggeber zu verwalten.
Der Einwand der Antragsgegnerin dazu, es sei von der Unzuverlässigkeit des
Antragstellers auszugehen, weil dieser trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein
schlüssiges Sanierungskonzept vorgelegt habe, greift durch.
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Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens begründet typischerweise die Vermutung der
Unzuverlässigkeit. Diese Vermutung kann allerdings für den Einzelfall, etwa durch ein
tragfähiges Sanierungskonzept, widerlegt werden.
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Vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. November 2006 - 8 ME 146/06 - ;
ferner VGH Mannheim, Beschluss vom 17. Mai 2006 - 9 S 2538/05 - .
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Von einem planvollen nachvollziehbaren Sanierungskonzept kann nur dann die Rede
sein, wenn die finanziellen Verhältnisse insgesamt, insbesondere auch die laufenden
Einnahmen und Ausgaben sowie die sonstigen Verbindlichkeiten und die vorgesehene
Schuldentilgung im Einzelnen offen gelegt werden. Denn nur dann ist nachvollziehbar,
ob der Antragsteller in Zukunft in der Lage sein wird, seine Schulden angemessen
zurückzuführen. Daran fehlt es vorliegend.
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Auch wenn man von den für den Antragsteller günstigeren und von ihm nicht
bestrittenen Feststellungen zu seiner wirtschaftlichen Situation entsprechend der
Darstellung im Widerspruchsbescheid ausgeht, kann von einer
berücksichtigungsfähigen Rückführung der Schulden in absehbarer Zeit nicht
ausgegangen werden.
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Nach dem Insolvenzbericht vom 17. Januar 2006 besteht danach noch eine
Gesamtverbindlichkeit des Antragstellers in Höhe von 47.894,93 EUR. Dem stehen - auf
der Basis von Juli bis Dezember 2004 - monatliche Bruttoeinnahmen in Höhe von
2.032,07 EUR gegenüber. Eine Restschuldbefreiung liegt nicht vor. Weder der
Antragsteller noch seine Frau verfügen über nennswertes Vermögen. Dass bei diesen
Einnahmen neben den notwendigen Entnahmen für den Lebensunterhalt zusätzlich
noch die Schulden bedient werden können, ist sehr zweifelhaft. Von einer deutlichen
Rückführung der Schulden in einem absehbaren Zeitraum ist jedenfalls nicht
auszugehen. Über welche Einnahmen der Antragsteller im Übrigen in Zukunft verfügen
wird, ist ungeklärt. Somit bleiben seine Honorarerwartungen letztlich im Ungewissen.
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Dass der Antragsteller es in seiner fast 30-jährigen Berufstätigkeit vermieden hat,
finanzielle Betreuungspflichten für seine Auftraggeber zu übernehmen oder deren
Gelder zu verwalten, ist für die Frage nach der notwendigen Zuverlässigkeit nicht von
Bedeutung. Ein Architekt, auch ein Landschaftsarchitekt, hat seine Auftraggeber in mit
der Planung und Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden Fragen
unabhängig zu beraten und zu betreuen. Er hat die berechtigten Interessen,
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insbesondere auch die Vermögensinteressen eines Auftraggebers, zu wahren. Bei
einem überschuldeten Architekten besteht die Gefahr, dass er - möglicherweise auch
auf Druck seiner Gläubiger - sich bei seinen Handlungen von eigenen finanziellen
Interessen und übertriebener Gewinnorientierung leiten lässt. Es bedarf deshalb des
Nachweises besonderer Umstände, dass trotz "finanzieller Schieflage" für die Zukunft
eine Interessengefährdung fern liegt und deshalb ohne Bedenken außer Betracht
gelassen werden kann. Der "Entlastungsbeweis" ist dem Antragsteller unter
Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen - jedenfalls im Rahmen des
vorläufigen Rechtsschutzverfahrens - nicht gelungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 GKG. Der
Senat setzt für Verfahren der vorliegenden Art - soweit keine Besonderheiten vorliegen -
regelmäßig nur die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Wertes
fest.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.
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