Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.04.2004

OVG NRW: sondernutzung, verkehr, stadt, behörde, missverhältnis, gemeingebrauch, zugang, gebühr, ausnahmefall, meinung

Oberverwaltungsgericht NRW, 11 A 2594/02
Datum:
23.04.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 A 2594/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 13 K 157/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 153,39 Euro
(300,00 DM) festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht
gegeben bzw. werden nicht gemäß den gesetzlichen Erfordernissen des § 124a Abs. 4
Satz 4 VwGO dargelegt.
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1. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i. S. d. §
124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO greift nicht durch. Diese Bestimmung eröffnet den Zugang zur
Rechtsmittelinstanz mit Blick auf das prognostizierte Ergebnis des angestrebten
Rechtsmittels. Sie soll die Richtigkeit im Einzelfall gewährleisten; die maßgebliche
Frage geht also dahin, ob die Rechtssache richtig entschieden worden ist. Diese
Vorschrift will dem gemäß den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des
angefochtenen Urteils in einem Berufungsverfahren in den Fällen eröffnen, in denen die
Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der
angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens
mithin möglich ist. Das gilt für die Feststellung des entscheidungserheblichen
Sachverhalts ebenso wie für die darauf bezogene Rechtsanwendung. Entscheidend ist
die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung.
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BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 2002 - 7 AV 3.02 -, NVwZ 2003, 490 (491),
und vom 12. November 2002 - 7 AV 4.02 -, n. v., Langtext in Juris.
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Nach diesen Grundsätzen bedarf die Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Lichte der
vom Kläger vorgetragenen Einwände gegen die Anwendung und Auslegung des § 19a
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StrWG NRW i. V. m. mit den Bestimmungen der Satzung über Erlaubnisse und
Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen in der Stadt I. -
Sondernutzungssatzung - vom 20. April 1982 i. d. F. der 6. Änderung vom 18. November
1993 jedenfalls im Ergebnis keiner weiteren Prüfung in einem Berufungsverfahren.
a) Der Sachverhalt ist geklärt. Es ist vom Kläger mit keinem Wort bestritten worden, dass
dieser, wie vom Beklagten festgestellt, sein nicht mehr zum Verkehr zugelassenes
Kraftfahrzeug zumindest vom 20. Mai 1998 bis zum 22. Juni 1998 auf einer öffentlichen
Verkehrsfläche im Bereich der Stadt I. abgestellt hatte, die in die Gebietszone 2 des
Gebührentarifs zu § 6 der Sondernutzungssatzung fällt.
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b) Auch aus Rechtsgründen ist die Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht
geboten. Die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils begegnet keinen rechtlichen
Bedenken.
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aa) Das Abstellen eines nicht zum Verkehr zugelassenen und damit aus Rechtsgründen
nicht betriebsbereiten Kraftfahrzeuges ist kein Parken i. S. d. § 12 StVO und damit auch
kein Gemeingebrauch i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW, sondern Sondernutzung.
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OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 2000 - 11 A 2870/97 -, NVwZ 2002, 218 (219).
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Eine solche Sondernutzung ist im Grundsatz nach § 18 Abs. 1 StrWG NRW
erlaubnispflichtig. Für sie können nach § 19a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW i. V. m.
den Regelungen der Gebührensatzung einer Gemeinde Sondernutzungsgebühren
erhoben werden. Dass die Sondernutzung ohne Erlaubnis ausgeübt worden ist, steht
der Erhebung von Sondernutzungsgebühren nicht entgegen. Sondernutzungsgebühren
sind keine Verwaltungsgebühren für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis. Die
Gebühren werden vielmehr für die Tatsache der Sondernutzung als solche geschuldet.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Oktober 1970 - IV C 38.69 -, Buchholz 401.84
Benutzungsgebühren Nr. 3, S. 5, vom 28. September 1979 - 7 C 22.78 -, BVerwGE 58,
316 (320), und vom 26. Juni 1981 - 4 C 73.78 -, Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 17, S. 2.
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bb) Die Befugnis des Beklagten zur Erhebung von Sondernutzungsgebühren für das
Abstellen eines nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuges auf öffentlichen
Verkehrsflächen ergibt sich hier aus § 19a StrWG NRW i. V. m. § 6 Abs. 1 und 3 der
Sondernutzungssatzung und der Nr. 6 lit. b) des Gebührentarifs zu § 6 der
Sondernutzungssatzung. Entgegen der Auffassung des Klägers und den kritischen
Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil ist insbesondere die
Bestimmung des § 6 Abs. 3 Satz 1 der Sondernutzungssatzung rechtlich nicht zu
beanstanden. Eine Sondernutzungssatzung kann bestimmen, dass für das Abstellen
eines nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuges auf einer öffentlichen Straße
Sondernutzungsgebühren in Höhe einer vollen Monatsgebühr je angefangenem
Kalendermonat erhoben werden können.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Gerichts steht dem
Normgeber im Abgabenrecht bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen ein
weites Ermessen zu, das nur auf die Einhaltung der Grenzen des sachlich Vertretbaren
geprüft werden kann.
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Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 6. September 1974 - II A 1173/73 -, OVGE 30, 39 (42 f.),
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und Beschlüsse vom 25. Februar 2000 - 15 A 3495/96 -, NVwZ-RR 200, 825 (826)
sowie vom 18. Oktober 2000 - 15 A 4770/00 -.
Hiernach ist es dem Satzungsgeber gestattet, bei der Regelung der Abgabenpflicht an
typische Regelfälle eines Sachbereichs anzuknüpfen und die Besonderheiten des
Einzelfalls außer Betracht zu lassen; eine derartige pauschalierende Regelung, die sich
aus dem Gesichtspunkt der Praktikabilität rechtfertigt, verletzt als solche noch nicht den
Gleichheitssatz. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung einer Regelung auf die
Gebührenpflichtigen darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Die
abgabenrechtlichen Vorteile der Typisierung müssen in einem rechten Verhältnis zu der
mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen. Wirkt
sich eine Abgabenregelung im Ergebnis dahin aus, dass ganze Gruppen von
Abgabenpflichtigen wesentlich stärker belastet sind als andere, so können diese
ungleichen Folgen in einem Missverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen
Vorteilen stehen.
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Ein solches Missverhältnis liegt hinsichtlich der angegriffenen Regelung nicht vor.
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Wenn der Sondernutzer für eine Sondernutzung der in Rede stehenden Art
ordnungsgemäß eine Erlaubnis nach den § 18 Abs. 1 StrWG NRW i. V. m. der
Sondernutzungssatzung beantragt, kann er selbst den entsprechenden
Nutzungszeitraum bestimmen und abwägen, ob er eine volle Monatsgebühr für jeden
angefangenen Kalendermonat entrichten will, obwohl er den Zeitrahmen - aus welchen
Gründen auch immer - nicht in vollem Umfang ausnutzen kann oder will. Private
Abstellmöglichkeiten, sei es in Garagen, sei es im Freien, werden in aller Regel auch
nur monatsweise vermietet. Der volle Monatsmietzins ist unabhängig davon zu zahlen,
ob der Mieter sein Kraftfahrzeug einen ganzen Monat oder auch nur einen Tag dort
abstellt.
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Derjenige, der - wie der Kläger - die Sondernutzung ohne die vorgeschriebene förmliche
Erlaubnis, also "illegal" ausübt, kann sich hinsichtlich einer nachträglichen
Gebührenerhebung nicht auf Unkenntnis der gesetzlichen und satzungsrechtlichen
Vorschriften berufen. Es versteht sich vielmehr von selbst, dass ein solcher "illegaler"
Nutzer gegenüber dem gesetzestreuen Nutzer keine Besserstellung beanspruchen
kann. Das gilt umsomehr, als ein Nutzer, der seine beabsichtigte Sondernutzung der
Behörde nicht durch die gebotene Beantragung einer Erlaubnis anzeigt, nahezu
zwangsläufig schon den ungerechtfertigten Vorteil genießt, dass er der Behörde die
Feststellung der Sondernutzung, vor allem aber ihrer Dauer, erschwert. Denn die
Behörde kann die Gebührenbemessung erst von dem Zeitpunkt an vornehmen, zu dem
sie die Sondernutzung feststellt und nachweisen kann. Angesichts der aus personellen
wie finanziellen Gründen beschränkten Kontrollmöglichkeiten der Gemeinden kann
dieser Zeitpunkt gegebenenfalls deutlich nach der tatsächlichen Aufnahme der
Sondernutzung liegen. Gerade der Grundsatz der Typengerechtigkeit lässt damit keine
Differenzierung zugunsten des - rechtlich - als Ausnahmefall zu wertenden illegalen
Sondernutzers zu.
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Ebenso zur Monatsgebühr für die unerlaubte Sondernutzung durch einen
Verkaufsstand: OVG Hamburg, Urteil vom 30. Januar 1992 - Bf II 25/91 -, HmbJVBl.
1993, 111 (Ls.), Langtext in Juris.
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Im Gegenteil ermöglicht gerade die vom Kläger beanstandete Monatsgebühr hier eine
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praktikablere, gerechtere Erfassung des für die Gebührenberechnung maßgebenden
Zeitraums.
cc) Nicht gefolgt werden kann schließlich der Meinung des Klägers, die
Gebührenerhebung für volle Kalendermonate verstoße gegen § 19a Abs. 2 Satz 3
StrWG NRW. Hiernach sind bei Bemessung der Gebühren Art und Ausmaß der
Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse
des Gebührenschuldners zu berücksichtigen. Dass diese Voraussetzungen hier erfüllt
sind, hat bereits das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die einschlägige
höchstrichterliche Rechtsprechung
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- BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 - 7 C 5.87 -, BVerwGE 80, 36 ff. -
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dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die insoweit zutreffenden
Ausführungen des angefochtenen Urteils (Urteilsabdruck S. 3 unten und 4 oben) Bezug
genommen werden. Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass insbesondere durch
die Staffelung nach Gebietszonen - Gebietszone 1: 200,00 DM/mtl.; Gebietszone 2:
150,00 DM/mtl.; Gebietszone 3: 100,00 DM/mtl. - den Interessen des
Gebührenschuldners hinreichend Rechnung getragen wird. Bei dem Abstellen eines
nicht zugelassenen Fahrzeuges auf öffentlichem Straßenland in Ermangelung einer
eigenen privaten Einstellmöglichkeit erspart sich der Sondernutzer die Miete für die
Nutzung der Garage oder des Stellplatzes eines Dritten. Die Miete kann ein geeigneter
Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses eines
Sondernutzers sein.
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BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 3 B 42.00 -, n. v., Langtext in Juris.
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Der Senat sieht nach allen Erfahrungswerten keine Anhaltspunkte dafür, dass die -
zumal gestaffelten - monatlichen satzungsmäßigen Sondernutzungsgebühren außer
Verhältnis zu den für private Stellplätze in einer Großstadt mitten im Ruhrgebiet
aufzuwendenden Kosten stehen.
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2. Der weiterhin geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist
nicht gegeben; insbesondere ergeben sich nach dem vorstehend Dargelegten keine
Rechtsprobleme, die einer Erörterung im Rahmen eines Berufungsverfahrens bedürften.
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3. Ebensowenig ist eine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gegeben.
Die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage nach der "Wirksamkeit von
Gebührenbescheiden, welche ihre Grundlage auf Sondernutzungssatzungen haben, die
wiederum ihre rechtliche Grundlage von § 19a StrWG NRW ableiten", kann nur
einzelfallbezogen beantwortet werden und entzieht sich insoweit einer grundsätzlichen
Klärung. Die weitere Frage, "ob eine nach Kalendermonaten berechnete und zu
erhebende Gebühr der Ermächtigungsgrundlage des § 19a StrWG NRW gerecht wird
und nicht gegen das Gleichheitsgebot verstößt", ist jedenfalls in Bezug auf Fälle der
vorliegenden Art entsprechend der oben ausgeführten Erwägungen des Senats ohne
Weiteres anhand der gesetzlichen Vorgaben zu beantworten. Weiterer Klärungsbedarf
ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4
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VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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