Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.01.2010
OVG NRW (aufschiebende wirkung, angemessene frist, antrag, vwvg, befreiung, umstände, begründung, prüfung, verwaltungsgericht, wirkung)
Oberverwaltungsgericht NRW, 15 B 1766/09
Datum:
25.01.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 B 1766/09
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 250,- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Die zulässige Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Antrag
weiterverfolgt,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 14 K 4870/09 vor dem
Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen den Bescheid des Antragsgegners
vom 1. Juli 2009 anzuordnen,
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hat nicht aus einem im Beschwerdeverfahren vorgebrachten, allein zu prüfenden Grund
(§ 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -) Erfolg. Das
Verwaltungsgericht hat den zulässigen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu Recht
abgelehnt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt nur in Betracht, wenn –
worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat – bei der im vorliegenden
Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Obsiegen
der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren überwiegend wahrscheinlich wäre. Das
ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht.
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Erfolglos bleibt zunächst der zur Antragsbegründung vorgetragene Einwand, sie – die
Antragstellerin – habe einen Anspruch auf Befreiung vom Anschlusszwang. Denn für
das Bestehen eines solchen Anspruchs ist nichts ersichtlich. Das hat der beschließende
Senat bereits in seinem Beschluss vom 21. April 2009 – 15 B 416/09 - dargelegt, ohne
dass die Antragstellerin den dortigen Ausführungen im vorliegenden Verfahren
substantiiert entgegengetreten wäre. Schon deshalb bestehen auch keine Bedenken
dahin, die Anschlussverfügung vom 3. November 2008 könnte keine ausreichende
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Grundlage für das nachfolgende Vollstreckungsverfahren sein. Das gilt auch vor dem
Hintergrund, dass über den Antrag auf Befreiung vom Anschlusszwang erst nach Erlass
der Verfügung vom 3. November 2008 seitens des Antragsgegners am 5. Dezember
2008 entschieden worden ist – zumal die Antragstellerin den Befreiungsantrag erst mit
Schreiben vom 26. November 2008 gestellt hat. Soweit Letztere in diesem
Zusammenhang sinngemäß noch geltend macht, ihr sei durch den Antragsgegner nicht
zu einer früheren Stellung eines Befreiungsantrags geraten worden, vermag auch dies
keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Denn es ist nicht erkennbar, wie eine frühere
Antragsstellung dem Begehren der Antragstellerin hätte zum Erfolg verhelfen können.
Die Beschwerde bleibt auch mit Blick auf die von der Antragstellerin für unzumutbar
hoch gehaltenen Anschlusskosten erfolglos. Dies ergibt sich bereits aus ihrem eigenen
Vorbringen. Selbst wenn man die Richtigkeit ihrer Darlegungen unterstellt und
annähme, die Anschlusskosten beliefen sich tatsächlich auf 22.065,69 Euro zzgl. 15%
Planungskosten (= 25.375,54 Euro), woran unter Berücksichtigung der entsprechenden
Darlegungen des Antragsgegners durchaus Zweifel bestehen, würde die vom Senat in
ständiger Rechtsprechung genannte Zumutbarkeitsschwelle von 25.000 Euro je
Wohnhaus für die Kosten eines Anschlusses,
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vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2008 – 15 A 1412/08 -,
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nur unwesentlich und damit im vorliegenden Einzelfall letztlich nicht maßgeblich
überschritten. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass die
Zumutbarkeitsschwelle nach den Ausführungen der Antragstellerin auch nur deshalb
berührt ist, weil sie dem von ihr selbst eingeholten Kostenvoranschlag über 22.065,69
Euro Planungskosten in Höhe von 15% zurechnet. Diese entbehren allerdings einer
näheren, belastbaren Begründung, weshalb sie schon aus diesem Grund keine
Berücksichtigung finden können.
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Ferner vermögen die gegen die in der Zwangsgeldandrohung bestimmte Erfüllungsfrist
erhobenen Bedenken die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht zu
rechtfertigen. Richtig ist, dass gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 HS 1 des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW)
eine angemessene Frist zur Erfüllung der auferlegten Verpflichtung zu bestimmen ist.
Bei der hier nur möglichen und auch nur gebotenen summarischen Prüfung erweist sich
die Annahme des Verwaltungsgerichts, dies sei vorliegend geschehen, auch unter
Würdigung des Beschwerdevorbringens aber als gut vertretbar. Vor allem ist die
Antragstellerin den Darlegungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert
entgegengetreten, obwohl sich dies nach dem entsprechenden Hinweis der
beschließenden Kammer auf einen fehlenden substantiierten Vortrag jedenfalls für das
Beschwerdeverfahren regelrecht aufgedrängt hat. Die Antragstellerin belässt es bei dem
pauschalen Hinweis, innerhalb eines Monats ließen sich die Maßnahme und ihre
Planung nicht ordnungsgemäß durchführen. Das reicht nicht aus. Es hätte vielmehr
einer konkreten und belastbaren Aufarbeitung der Probleme und Umstände bedurft, die
einer fristgerechten Umsetzung der auferlegten Verpflichtung entgegengestanden
hätten. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf den zeitlichen Umfang
der Kanalherstellung durch die Gemeinde M. verweist, verfängt dies schon mangels
Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Baumaßnahmen nicht.
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Wenn die Antragstellerin darüber hinaus rügt, die Zwangsgeldfestsetzung sei
ermessensfehlerhaft, namentlich fehle es an einer Ausübung des Ermessens, kann sie
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ihr Begehren auch hierauf nicht mit Erfolg stützen. Die Durchführung von
Verwaltungsakten mit Zwangsmitteln erfolgt allerdings generell nach pflichtgemäßem
Ermessen der zuständigen Vollstreckungsbehörde (§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 VwVG NRW).
Diese hat insbesondere den – nach den zutreffenden Darlegungen des
Verwaltungsgerichts hier nicht verletzten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu
beachten (§ 58 Satz 1 VwVG NRW). Das gilt für alle Stufen des
Verwaltungszwangsverfahrens.
BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 45/87 -, NVwZ 1990, 663 ff. =
DVBl. 1990, 583 ff.
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Sofern die Antragstellerin davon ausgehend aus dem Fehlen von
Ermessenserwägungen im Rahmen der Zwangsgeldfestsetzung auf das Nichtvorliegen
einer bzw. auf die Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung schließt, verkennt sie
die Besonderheiten, die sich im vorliegenden Fall aus der Anwendbarkeit der
Grundsätze über das intendierte Ermessen ergeben. Sie besagen Folgendes: Ist eine
ermessenseinräumende Vorschrift dahin auszulegen, dass sie für den Regelfall von
einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht, so müssen besondere
Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom
Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der
Abwägung von selbst. Versteht sich aber das Ergebnis von selbst, so bedarf es insoweit
auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 – 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.
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Als eine ermessenslenkende Norm in diesem Sinne ist § 64 Satz 1 VwVG NRW
anzusehen, wonach die Vollzugsbehörde das Zwangsmittel festsetzt, wenn die
Verpflichtung innerhalb der Frist, die in der Androhung bestimmt ist, nicht erfüllt wird.
Bereits der Wortlaut der Vorschrift bringt eindeutig zum Ausdruck, dass die Festsetzung
des Zwangsmittels – hier des Zwangsgeldes - die regelmäßige Folge der
Zwangsgeldandrohung ist. Dies entspricht auch Sinn und Zweck des abgestuften
Vollstreckungsverfahrens. In dessen Rahmen können die einzelnen Verfahrensschritte
ihre gesetzlich gewollte Warn- und Mahnfunktion nur dann erzielen, wenn das
Vollstreckungsverfahren im Regelfall – soweit die gesetzlichen Voraussetzungen im
Übrigen vorliegen – konsequent zu Ende geführt wird.
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Davon ausgehend sind Anhaltspunkte für eine ermessensfehlerhafte Entscheidung des
Antragsgegners nicht erkennbar. Nur dann, wenn der Behörde außergewöhnliche
Umstände des Falles bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere
Entscheidung möglich erscheinen lassen, liegt ein rechtsfehlerhafter Gebrauch des
Ermessens vor, wenn diese Umstände von der Behörde nicht erwogen sind.
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BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 – 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.
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Dafür ist hier indes nichts ersichtlich. Im Gegenteil: Die Ausführungen des
Verwaltungsgerichts in diesem Kontext, die die Antragstellerin nicht substantiiert
angegriffen hat, untermauern vielmehr die Annahme eines Regelfalls der
Zwangsgeldfestsetzung.
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Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang moniert, der Verweis des
Verwaltungsgerichts auf den den Antrag auf Befreiung vom Anschlusszwang
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ablehnenden Bescheid des Antragsgegners vom 5. Dezember 2008 sei rechtsfehlerhaft,
da die Begründung des Bescheids keine hinreichende Ermessenserwägungen
darstelle, rechtfertigt auch dies keine andere Entscheidung. Ungeachtet aller weiteren
Zweifelsfragen ist nämlich schon nicht substantiiert dargelegt, welche konkreten,
tragenden Aspekte vom Antragsgegner im Rahmen seiner vorgenannten Entscheidung
nicht berücksichtigt worden sein sollen. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine
ermessensfehlerhafte Ablehnung des o. g. Befreiungsantrags sind bei der hier nur
möglichen summarischen Prüfung namentlich auch unter Berücksichtigung des
Beschlusses des Senats vom 21. April 2009 in dem Verfahren 15 B 416/09 auch sonst
nicht ersichtlich.
Gegen die neuerliche Androhung des Zwangsgeldes werden im Beschwerdeverfahren
keine Einwände erhoben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den
Streitwert ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 2, 52 Abs. 3, 53 Abs. 2 Nr. 2 des
Gerichtskostengesetzes.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.
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