Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.07.2006

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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 105/06
Datum:
20.07.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 105/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 4 Nc 1312/05
Tenor:
Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen
Entscheidung verbunden.
Die Beschwerden der Antragsteller/innen gegen die Beschlüsse des
Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 12. Mai 2006 werden auf
Kosten der jeweiligen Antragsteller/innen zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für die Beschwerdeverfahren auf jeweils 3.750,-
EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässigen - wegen identischen Vorbringens verbundenen - Beschwerden, über die
der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten
Darlegungen
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vgl. hierzu BayVGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 - 1 CS 02.1922 -, BayVBl. 2004,
60; VGH B.-W., Beschluss vom 24. August 2005 - Nc 9 S 29/05 -,
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der Antragsteller/innen befindet, sind unbegründet. Die angefochtenen Beschlüsse des
Verwaltungsgerichts sind im Rahmen des vorgegebenen Prüfungsumfangs nicht zu
beanstanden. Der Antragsgegner ist zur Vergabe von mehr als zwei Studienplätzen des
ersten Fachsemesters des Studiengangs Medizin im Wintersemester 2005/06 nicht
verpflichtet.
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Soweit die Antragsteller/innen die vom Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren
vorgelegte Stellenübersicht unter Vorlage von Personalbestandslisten dreier
Institute/Abteilungen der Lehreinheit Vorklinische Medizin der RUB aus dem Internet für
unvollständig halten, ist eine höhere Zahl als die in die Kapazitätsberechnung für das
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Studienjahr 2005/06 eingestellten 50 Lehrpersonalstellen nicht wahrscheinlich. Die
besagte Lehreinheit verfügte ausweislich der dem Senat vorliegenden
Kapazitätsberechnungsunterlagen ab den Studienjahren 2001/02 über 52, 52, 51, 50
und - zuletzt - ebenfalls 50 Lehrpersonalstellen. Die u. a. von den
Prozessbevollmächtigten in den vorliegenden Verfahren vertretenen Antragsteller/innen
früherer NC-Verfahren haben die angegebenen Lehrpersonalstellen, die in fernerer
Vergangenheit sogar haushaltsplanmäßig und damit normativ verbindlich ausgewiesen
waren, in den vergangenen Jahren, insbesondere im Studienjahr 2004/05, nicht in
Zweifel gezogen. Auch der Senat hatte insoweit keinen Anlass zu der Annahme, es
könnten neben den in der Stellenübersicht angegebenen Lehrpersonalstellen noch
weitere Lehre erbringende Stellen in der Lehreinheit Vorklinische Medizin der RUB
vorhanden sein. Soweit in Vorlesungs- und Personalverzeichnissen oder ins Internet
gestellten Mitarbeiterlisten der Institute/Abteilungen weitere Mitarbeiter als die in den
vorgelegten Stellenübersichten aufgeführten verzeichnet waren, fand das u. a. seinen
Grund in der hohen Personalfluktuation oder Widmung von Stellen für Aufgaben
außerhalb der Lehre oder Führung mehrerer Personen mit entsprechend verminderter
Lehrverpflichtung auf einer Stelle. Nachdem die Zahl der Stellen in den letzten Jahren
im wesentlichen gleich geblieben ist - nur eine Professorenstelle und eine
Zeitangestelltenstelle sind in den Jahren 2003/04 im Zuge der im Land allgemeinen
durchgeführten Medizinkonzentration entfallen - und die Struktur ihrer Zuordnung zu den
Instituten/Abteilungen lediglich unwesentliche Verschiebungen erfahren hat, ist für den
Senat das verdeckte Vorhandensein weiterer Lehrpersonalstellen als die in der für das
Studienjahr 2005/06 vorgelegten Stellenübersicht ausgewiesenen und nach Gruppen
geordneten unwahrscheinlich. Daran ändern die von den Antragstellern/innen dem
Internet entnommenen Personalaufstellungen des Instituts für Physiologie -
Organphysiologie - und des Instituts für Physiologie - zelluläre Physiologie - sowie der
Abteilung für Neurophysiologie nichts. Die beiden ersteren weisen nur die Namen der
wissenschaftlichen Mitarbeiter aus, nicht die Zahl der Stellen und die Besetzung einer
Stelle etwa mit zwei "halben" Kräften sowie von Stellen mit Konzentration auf Aufgaben
außerhalb der Lehre; für die Abteilung für Neurophysiologie unterscheidet die
Aufstellung zudem nicht einmal zwischen wissenschaftlichen Mitarbeitern, technischen
Mitarbeitern und studentischen Hilfskräften. Entscheidend ist letztlich, dass die - im
Übrigen bereits wieder veränderten - Auflistungen im Internet nicht die
Lehrpersonalstellen ausweisen, die zum Zeitpunkt der letzten Überprüfung der
normativen Kapazitätsberechnung (September 2005) allein maßgeblich waren. Die
Antragsteller/innen haben weder die Unrichtigkeit der erstinstanzlich vorgelegten
Stellenübersicht dargelegt noch die Überzeugung des Senats von deren Richtigkeit
erschüttert. Der Antragsgegner hat denn auch auf das Beschwerdevorbringen die
Übersicht überprüft und insoweit erläutert und ihre Richtigkeit bestätigt. Der Senat sieht
daher entgegen der Anregung/dem Antrag der Antragsteller/innen keinen Anlass, die für
die Kapazitätsberechnung des Studienjahrs 2005/06 unerheblichen Mitarbeiterlisten
aus dem Sommer 2006 auf ihre Vereinbarkeit mit den Angaben in der erstinstanzlich
vorgelegten Stellenübersicht zu prüfen.
Der Forderung der Antragsteller/innen, die von Drittmittelbediensteten (X. , U. , T. , T1. ,
T2. , T3. ), Privatdozenten (C. , N. , T4. , T5. , W. ), Honorarprofessoren,
außerplanmäßigen Professoren, einem emeritierten Professor (Dr. L. ) und die in Form
unbesoldeten Lehrauftrags von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter (N1. ) im
Studienjahr 2005/06 erbrachte bzw. zu erbringende Lehre sei aus Gründen der
Bilanzierungs-symmetrie entweder die Angebotsseite erhöhend oder die Nachfrageseite
(Curriculareigenanteil) vermindernd zu berücksichtigen, ist nicht zu entsprechen.
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Abgesehen davon, dass für die Kapazitätsberechnung im
Verordnungsgebungsverfahren nur die bis zum letztmöglichen Überprüfungszeitpunkt
vor dem Berechnungszeitraum hinreichend sicher feststehende Beteiligung von
Lehrkräften an der im Curriculareigenanteil abgebildeten Pflichtlehre relevant sein kann
und eine insoweit abweichende Entwicklung der Hochschulwirklichkeit im
Berechnungszeitraum regelmäßig außer Betracht zu bleiben hat, hat der Senat bereits
mit - der Antragstellerseite bekannten - Beschlüssen vom 5. Juli 2004 - 13 C 1302/04 u.
a. - betr. UDE Med., WS 03/04, 1. FS, und vom 28. Mai 2004 - 13 C 20/04 u. a. - betr.
RWTH Aachen, Med., WS 03/04, 1. FS, entschieden, dass die Lehre von
Drittmittelbediensteten und die Titellehre von Professoren weder auf der
Lehrangebotsseite noch auf der Nachfrageseite zu berücksichtigen ist, weil es sich
insoweit um im weitesten Sinne freiwillige und nicht aus einer Lehrpersonalstelle oder
einem Lehrauftrag - in Verbindung mit haushalts- und stellenplanmäßigen Ressourcen -
verbindliche Leistung handelt, deshalb der künftige Lehrbeitrag im
Normgebungsverfahren nicht mit der notwendigen Zuverlässigkeit hinsichtlich des Ob
und des Umfangs rechnerisch einstellbar ist. Hieran hält der Senat fest. Ob und
inwieweit darin eine Abweichung des Senats von seiner früheren Rechtsprechung aus
der Anfangszeit des nc liegt, nach der unter bestimmten Voraussetzungen auch Lehre
von Drittmittelbediensteten als Lehrauftragsstunden nach § 10 KapVO berücksichtigt
werden können, mag offen bleiben.
Soweit die Antragsteller/innen in dem Zusammenhang auf die Systematik der
Kapazitätsverordnung zurückgreifen, wird auf Folgendes hingewiesen: Das in
verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auf Praktikabilität und unkomplizierte
Erhebung der Berechnungsdaten angelegte Modell der Kapazitätsverordnung geht vom
sog. Stellenprinzip (§ 8 KapVO) und von Lehreinheiten (§ 7 KapVO) aus und lässt die
erst im Berechnungszeitraum greifbare Hochschulwirklichkeit außer Betracht. Das
Lehrangebot einer Lehreinheit folgt in erster Linie aus den vorhandenen, zu Gruppen
geordneten Lehrpersonalstellen - dies regelmäßig unabhängig von ihrer konkreten
Besetzung - in Verbindung mit den Regellehrdeputaten. Als nicht aus
Lehrpersonalstellen folgende Lehre sind nach dem Kapazitätsberechnungsmodell
lediglich die gemittelten Lehrveranstaltungsstunden aus den beiden vergangenen
Semestern vor dem Berechnungsstichtag - nicht des künftigen Berechnungszeitraums -
hinzuzurechnen (§ 10 KapVO). Die Berücksichtigung weiterer das Lehrangebot
erhöhender Lehre sieht das Modell der Kapazitätsverordnung nicht vor. Dies ist
Ausdruck seiner Praktikabilität und Unkompliziertheit. Die von den
Antragstellern/Antragstellerinnen angeführten im Berechnungszeitraum in der Lehre
tätigen nicht planmäßigen Personen unterfallen nicht der Regelung des § 10 KapVO;
solches haben die Antragsteller/innen auch nicht im Rahmen ihres nach § 146 Abs. 4
Satz 6 VwgO allein berücksichtigungsfähigen Beschwerdevorbringens dargelegt -
insoweit ist der nachgereichte Beschluss des BayVGH vom 11. Juli 2006 - 7 CE
06.10152 u. a. -, der sich u. a. mit Titellehre des Sommersemesters 2004, nicht aber mit
Titellehre im Berechnungszeitraum befasst, nicht einschlägig -. Sollten diese Personen
auf einer - ggf. einer halben - Planstelle geführt sein, würde ihr Lehrbeitrag ohnehin über
das Stellendeputat erfasst. Dass im Berechnungsjahr 2005/06 mit dem
Curriculareigenanteil abgebildete Pflichtlehre von Honorarprofessoren oder
außerplanmäßigen Professoren erbracht worden sei, haben die Antragsteller/innen
ohnehin weder behauptet noch dargelegt.
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Das Modell der Kapazitätsverordnung geht auf der anderen Seite davon aus, dass die
Studierenden ihre Nachfrage möglichst bei einer Lehreinheit halten (§ 7 Abs. 2 Satz 2
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KapVO). Das heißt, dass ihre im Curricularnormwert abgebildete Nachfrage
überwiegend von der dem Studiengang zugeordneten Lehreinheit
(Curriculareigenanteil), im übrigen von anderen Lehreinheiten (Curricularfremdanteil)
bedient wird. Der Normgeber muss daher regelmäßig davon ausgehen, dass die
zugeordnete Lehreinheit all die Nachfrage aus eigener Kraft bewältigt, die nicht von
anderen Lehreinheiten in der Form von Dienstleistungsimport befriedigt wird, und kann
deshalb den Curriculareigenanteil der zugeordneten Lehreinheit für den
Berechnungszeitraum regelmäßig unabhängig von deren tatsächlicher
Personalausstattung generell in Höhe des Curricularnormwerts vermindert um den
Fremdanteil ansetzen. In letzterem können aber evtl. Beiträge der antragstellerseits
angeführten nicht planmäßigen Lehrpersonen nicht untergebracht werden, weil sie nicht
einer fremden Lehreinheit angehören.
Gelingt es der zugeordneten Lehreinheit, an der Bereitstellung des auf sie entfallenden
Curriculareigenanteils im Berechnungszeitraum nicht auf Lehrpersonalstellen geführte
oder auf Grund Lehrauftrags verpflichtete Lehrkräfte zu beteiligen, führt das nicht
zwangsläufig zur Verminderung des Curriculareigenanteils oder Erhöhung des
Curricularfremdanteils. Eine hierzu erforderliche Quantifizierung der künftigen Beiträge
dieser Lehrkräfte wäre der Kapazitätsfestsetzungsbehörde im
Verordnungsgebungsverfahren regelmäßig nicht möglich, weil das Lehrpotenzial eines
Drittmittelbediensteten im Pflichtbereich - wenn ihm Lehrtätigkeit vertraglich erlaubt ist -
oder eines zum Erhalt der venia legendi tätigen Dozenten/Professors hinsichtlich des
Ob, Umfangs und Inhalts sowie der Dauerhaftigkeit trotz Kontrollmechanismen vor
Beginn des Lehrbetriebs regelmäßig nicht mit der für ihre Berücksichtigung
notwendigen Zuverlässigkeit greifbar ist. Nicht auszuschließen ist zwar, dass durch die
Beteiligung solcher dritter Lehrpersonen die zugeordnete Lehreinheit im
Berechnungszeitraum und Pflichtbereich möglicherweise entlastet wird - der Beitrag
kann allerdings auch nur eine vertiefende oder abrundende Zugabe zu dem bereits von
planmäßigen Lehrkräften der Lehreinheit incl. Lehrbeauftragten ausreichend
bereitgestellten (Pflicht-)Curricularanteil des jeweiligen Fachs darstellen. Eine solche
evtl. Entlastung belässt das Modell der Kapazitätsverordnung der zugeordneten
Lehreinheit jedoch und verlangt keine im Normsetzungsverfahren für das jeweilige
Berechnungsjahr allenfalls schätzungsweise Bemessung des Beitrags jener dritten
Lehrkräfte an der Pflichtlehre im künftigen Berechnungszeitraum und keine daran
anknüpfende Lehrangebotserhöhung oder Curriculareigenanteilreduzierung. Auch dies
ist Ausdruck des auf Praktikabilität und unkompliziertes Erheben kapazitätsrelevanter
Daten angelegten Modells der Kapazitätsverordnung und kann quasi als Ausgleich
dafür gesehen werden, dass die Hochschule nach demselben Modell die sie
belastenden Umstände wie unbesetzte Stellen - immerhin sind im Berechnungsjahr 4,5
Stellen der zugeordneten Lehreinheit mit insgesamt 30 Deputatsstunden (DS) unbesetzt
- oder Kurswiederholer nicht kapazitätssenkend geltend machen kann. Insoweit ist die
von den Antragstellern/Antragstellerinnen angeführte Bilanzierungssymmetrie eine
relative und keine absolute. Wollte man letzteres fordern, müssten konsequenterweise
sämtliche lehrrelevanten, d. h. Lehrpotenzial erweiternden wie verkürzenden Umstände
Berücksichtigung finden. Das aber sieht die Kapazitätsverordnung bewusst nicht vor
und ist auch in dem zu einem vertretbaren Ausgleich zu führenden Spannungsverhältnis
der grundrechtlich geschützten Rechte der Hochschule, der eingeschriebenen
Studierenden und der Studienbewerber nicht geboten.
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Vor dem Hintergrund handelt es sich bei Beteiligung Drittmittelbediensteter oder
Titellehre Betreibender an Pflichtlehre im Berechnungszeitraum auch nicht um eine
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"wesentliche Änderung der Daten" im Sinne des § 5 Abs. 3 KapVO, wenn vor Beginn
des Berechnungszeitraums die Beteiligung solcher dritter Lehrkräfte an der Pflichtlehre
mit der hinreichenden Zuverlässigkeit feststeht.
Im Übrigen kann die Beteiligung der von den Antragstellern/Antragstellerinnen
angeführten Personen als - nicht dauerhaft "zur Verfügung stehender" - Ersatz für das
aufgrund vakanter Lehrpersonalstellen fehlende Lehrpotential gewertet und auch
deshalb nicht kapazitätserhöhend eingebracht werden. Selbst wenn der Beitrag dieser
Personen an der jeweiligen Veranstaltung mit dem Bruchteil der Veranstaltungsdauer
entsprechend der Zahl der Mitwirkenden und dem Anrechnungsfaktor berechnet würde,
was im Normgebungsverfahren angemessen wäre, betrügen die Beiträge der Dozenten
C. (0,11), N. (0,24), T4. (0,87), T5. (0,3), W. (0,84) und N1. (0,43) sowie X. (0,76) und U.
(0,06) in der Physiologie insgesamt 3,61 DS, während dort 8 DS vakanzbedingt
ausfallen. In der Physiologischen Chemie ergeben die Beiträge des em. Prof. Dr. L. (1,0)
und der Dozenten T. , T1. und T2. (je 0,15) insgesamt 1,45 DS; es fehlen hingegen 8
DS. Auf die Drittmittelbediensteten E. (0,2), N2. und L1. (je 0,1) in der Medizinischen
Psychologie entfallen insgesamt 0,4 DS, denen noch weitere Vakanzen von 14 DS
gegenüber stehen. Der Dozent T3. ist bereits nicht an vom Curriculareigenanteil
abgebildeter Pflichtlehre beteiligt.
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Auf die von den Antragstellern/Antragstellerinnen begehrte Ermittlung des Umfangs der
Beiträge der besagten dritten Lehrkräfte an der Pflichtlehre kommt es mithin aus
Rechtsgründen nicht an.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3,
47 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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