Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.06.2010

OVG NRW (rechtliches gehör, kenntnis, erwägung, beschwerde, verwaltungsgericht, prüfung, jugendschutz, ausdrücklich, auseinandersetzung, ergebnis)

Oberverwaltungsgericht NRW, 4 B 1277/08
Datum:
22.06.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
4.Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 B 1277/08
Tenor:
Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Senats vom 30. Juli 2008
– 4 B 2056/07 – wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
1
Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 152a Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Mit dem Beschluss vom 30. Juli 2008 hat der Senat den
Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher
Weise verletzt.
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Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet nur, dass das Gericht das
Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in
Erwägung zieht. Das Gericht muss jedoch dem zur Kenntnis genommenen und in
Erwägung gezogenen Vorbringen nicht auch in der Sache folgen, sondern kann aus
Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts zu einem anderen Ergebnis
gelangen, als die Beteiligten es für richtig halten. Insbesondere lässt die
Nichterwähnung einzelner Argumente des Beteiligtenvortrags für sich nicht auf eine
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör schließen, da grundsätzlich davon
auszugehen ist, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der
Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist nicht
verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung
ausdrücklich auseinanderzusetzen. Dies ist vor allem dann nicht erforderlich, wenn das
Vorbringen nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder aber offensichtlich
unsubstanziiert war. Im Übrigen ist es nicht Sinn des Rechtsbehelfs nach § 152a VwGO,
das Gericht zu einer Ergänzung oder Erläuterung der angegriffenen Entscheidung zu
veranlassen.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2010
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– 5 B 4.10 –, Juris, Rn. 4 m.w.N.
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Hiervon ausgehend rechtfertigen die Darlegungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom
18. August 2008 nicht die Annahme eines Gehörsverstoßes.
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Der Senat hat sich mit der Frage der Zulässigkeit der Beschwerde ausdrücklich befasst
und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bezugnahme des Antragsgegners auf
den Beschluss des Senats vom 30. November 2007 – 4 B 1244/07 – dem
Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, weil sich aus dem
genannten Beschluss ohne weiteres die Unrichtigkeit der vom Verwaltungsgericht
angestellten Erwägungen ergibt. Bei dieser Würdigung hat der Senat auch das
gegenteilige Vorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 5. März 2008 im Blick
gehabt, ist dem aber aus den genannten Gründen nicht gefolgt. Insoweit sei lediglich
angemerkt, dass der Senatsbeschluss vom 30. November 2007 – der in einer Reihe
gleichlautender und vom Senat im angefochtenen Beschluss als bekannt
vorausgesetzter Senatsbeschlüsse steht - ebenfalls eine Beschwerde der
Antragsgegnerin gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden betraf und
die in jenem Beschluss vom Senat getroffene allgemeine Aussage zur (temporären)
Durchbrechung des Anwendungsvorrangs sich selbstverständlich (auch) auf die vom
Verwaltungsgericht Minden als gegeben erachteten Verstöße gegen das
Gemeinschaftsrecht bezogen.
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Die Kritik der Antragstellerin an der Auffassung des Senats, die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 5. November 2007 sei – nach summarischer Prüfung - auch unter
Zugrundelegung der bis zum 1. Januar 2008 geltenden Rechtslage rechtmäßig, geht
schon deshalb fehl, weil der damit angesprochene "Hinweis" auf Seite 3 des
angefochtenen Beschlusses nicht entscheidungstragend war.
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Der Vorwurf, der Senat habe das Vorbringen der Antragstellerin zur gebotenen
Regelungsdichte betreffend Art und Zuschnitt der Sportwetten nicht berücksichtigt, trifft
ebenfalls nicht zu. Vielmehr ergibt sich aus den Ausführungen auf Seite 5 (vorletzter
Absatz) des angefochtenen Beschlusses, dass der Senat die getroffenen und von der
Antragstellerin als unzulänglich erachteten gesetzlichen Regelungen für ausreichend
hält. Bei dieser Bewertung hat der Senat das gegenteilige Vorbringen der
Antragstellerin im Blick gehabt.
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Dasselbe gilt für das Vorbringen der Antragstellerin betreffend die Ausgestaltung des
Vertriebsnetzes. Hierzu hat der Senat ausgeführt, dass die gesetzlichen Regelungen
über den Vertrieb von Sportwetten bei summarischer Prüfung nicht hinter den
Anforderungen zurückbleiben, die das Bundesverfassungsgericht formuliert hat. Dabei
hat der Senat sowohl die vorgesehene Begrenzung der Zahl der Annahmestellen (§ 10
Abs. 3 GlüStV, § 5 Abs. 5 GlüStVAG) als auch die – im zitierten Beschluss des 13.
Senats angesprochenen – weiteren Vorkehrungen zum Spieler- und Jugendschutz im
Blick gehabt. Daraus und insbesondere aus dem zusätzlichen Verweis auf den
Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juni 20008 (10 CS
08.1102, Juris, dort Rn. 22) kann die Antragstellerin ohne weiteres ersehen, aus
welchen Gründen der Senat ihrem Vorbringen zur Ausgestaltung des Vertriebsnetzes
nicht gefolgt ist.
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Damit war und ist zugleich gesagt, dass der Senat – jedenfalls bei der im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren angezeigten Prüfungsdichte – keine durchgreifenden Zweifel an
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der grundsätzlichen Eignung der gesetzlichen Regelungen hat, den angestrebten
Spieler- und Jugendschutz zu gewährleisten. Es bestand daher keine Veranlassung, im
angefochtenen Beschluss gesondert auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage
der Wirkungsweise der im Staatsvertrag vorgesehenen Regelungen einzugehen,
vielmehr konnte der Senat es bei der Aussage belassen, dass noch bestehende
Vollzugsdefizite nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen führen.
Ebenfalls ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, der Senat habe ihren Vortrag
"zu den Inkohärenzen der Glückspielpolitik insgesamt" verfehlt. Die von der
Antragstellerin vermisste Auseinandersetzung mit ihrer sinngemäßen Behauptung, der
Gesetzgeber handele widersprüchlich, weil er für nicht alle suchtrelevanten
Glückspielbereiche ein Staatsmonopol vorsehe, findet sich auf Seite 9 des
angefochtenen Beschlusses, namentlich in den Ausführungen zur Zulässigkeit einer
differenzierenden, an den Besonderheiten der jeweiligen Glückspielart ausgerichteten
Normsetzung.
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Schließlich geht auch der Vorwurf fehl, der Senat habe die spezifisch auf die Kohärenz
im Bereich der Sportwetten bezogenen Beanstandungen der Antragstellerin
unberücksichtigt gelassen. Die vom Senat im Rahmen einer Gesamtschau auf alle
Glückspielsektoren getroffene Feststellung, dass die Kohärenzanforderungen gewahrt
sind, schließt denknotwendig ein, dass die Teilbereiche (für sich gesehen) ebenfalls
kohärent geregelt sind. Der expliziten Aussage, dass der Bereich der Sportwetten
kohärent geregelt ist, bedurfte es daher in dem angefochtenen Beschluss nicht. Soweit
die Antragstellerin in diesem Zusammenhang die Auffassung des Senats rügt, dass die
divergierenden Regelungen im Bereich der Pferdesportwetten einerseits und im Bereich
der übrigen Sportwetten andererseits unter Kohärenzgesichtspunkten nicht zu
bemängeln seien, und eine Auseinandersetzung mit den von ihr genannten
Umsatzzahlen und Marktanteilen vermisst, vernachlässigt sie die Prämisse des Senats.
Danach ist es zulässig, neu hinzukommende Glückspielangebote, die zu einer
wesentlichen Erweiterung der Glückspielmöglichkeiten und erheblichen zusätzlichen
Gefahren führen, stärkeren Begrenzungen zu unterwerfen als das bereits vorhandene
Glückspielangebot. Von diesen Voraussetzungen geht der Senat auch in Bezug auf
Pferdewetten einerseits und die übrigen Sportwetten andererseits aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung ist nach § 152 a Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar.
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