Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.06.2007

OVG NRW: vergnügungssteuer, satzung, unternehmer, wirtschaftlichkeit, hauptsache, zahl, vertrauensschutz, mehrwert, stadt, berufsfreiheit

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 A 477/05
Datum:
05.06.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 A 477/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 K 5516/03
Tenor:
Soweit das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist, wird es eingestellt.
Insoweit ist das angefochtene Urteil unwirksam.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Klägerin zu 4/5
und der Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin betreibt in W. zwei Spielhallen.
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Mit Vergnügungssteuerbescheid zunächst vom 10. und sodann vom 18. Februar 2003
zog der Beklagte die Klägerin zu Vergnügungssteuern für die Aufstellung von acht
Geldspielgeräten für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 in Höhe
von insgesamt 27.000,-- EUR heran. Durch weiteren Steuerbescheid vom 25. März
2003, der sich auf 16 Geldspielgeräte bezieht und einen Teil des Jahres 2003 erfasst,
wurde die Steuer für das Jahr 2003 auf 38.400,-- EUR festgesetzt. Diesen
Steuerbescheid haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum
Klagegegenstand gemacht.
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Die Steuererhebung erfolgte aufgrund der Vergnügungssteuersatzung vom 28.
November 2002, die für Apparate mit Gewinnmöglichkeit bei einer Aufstellung in
Spielhallen einen Steuersatz von 240,-- EUR monatlich und für Apparate ohne
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Gewinnmöglichkeit von 30,-- EUR monatlich festlegte. Die Vergnügungssteuersatzung
wurde durch Satzungen vom 31. Januar 2006 und 8. Februar 2007 geändert. Nach der
jetzt maßgebenden Satzung vom 8. Februar 2007 beträgt die Steuer für das Halten von
Spielapparaten mit Gewinnmöglichkeit pro Apparat und Monat 13 v. H. des
Einspielergebnisses, höchstens 240,-- EUR. Nach § 8 Abs. 2 ist das Einspielergebnis
der Betrag der elektronisch gezählten Bruttokasse. Dieser errechnet sich aus der
elektronisch gezählten Kasse zuzüglich Röhrenentnahme (sog. Fehlbetrag), abzüglich
Röhrenauffüllung, Falschgeld, Prüftestgeld und Fehlgeld. Diese Satzung trat
rückwirkend zum 1. Januar 2003 in Kraft und galt bis zum 31. Dezember 2005.
Gegen den Vergnügungssteuerbescheid vom 10. Februar 2003 legte die Klägerin
Widerspruch ein, den der Beklagte mit Bescheid vom 25. Juli 2003 zurückwies.
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Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen
geltend gemacht, der Steuer komme angesichts ihrer Höhe erdrosselnde Wirkung zu,
sodass sie mit Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar sei. Ein
verfassungswidriger Eingriff in die Berufsfreiheit liege vor, wenn ein durchschnittlicher
Unternehmer keine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals und keinen
angemessenen Unternehmerlohn mehr erzielen könne. Ein Teil der im Gebiet der Stadt
W. tätigen Unternehmer hätte den Prozessbevollmächtigten Unternehmensdaten zur
Verfügung gestellt. In den Jahren 2000 bis 2003 hätte ein Durchschnittsunternehmen
danach Erlöse in Höhe von insgesamt 156.352,-- EUR erzielt. Die Kosten vor Steuern
machten 150.681,-- EUR aus. Dies belege, dass die erhöhte Vergnügungssteuer für die
gewerbliche Tätigkeit existenzbedrohend sei. Zu einer vermehrten Schließung von
Spielhallen im Gemeindegebiet sei es nur deshalb nicht gekommen, weil die
Unternehmer oft durch langfristige Mietverträge gebunden seien. In der vorliegenden
Höhe habe die Vergnügungssteuer ihren Charakter als örtliche Aufwandsteuer verloren.
Sie sei eine Automatensteuer, für die den Städten und Gemeinden die
finanzverfassungsrechtliche Kompetenz fehle. Eine kalkulatorische Abwälzung der
Steuer sei nicht mehr möglich. Die Pauschalbesteuerung nach dem Maßstab der
Stückzahl verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Vergnügungssteuerbescheid des Beklagten vom 10. Februar 2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat die angefochtene Heranziehung für rechtmäßig gehalten und auf Anfrage des
Gerichts in einem anderen Verfahren Angaben zu der Zahl der Spielhallen und
Spielgeräte gemacht.
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Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Berufung wegen zuvor
ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der pauschalen
Besteuerung zugelassen.
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Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin eine Steuererklärung für das Jahr
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2003 abgegeben. Daraufhin hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat den Vergnügungssteuerbescheid vom 25. März 2003 in Bezug auf die
Geldspielgeräte dahin geändert, dass für dieses Jahr die Steuer auf 31.421,03 EUR
festgesetzt wird. In Höhe der Steuerermäßigung haben die Beteiligten das Verfahren in
der Hauptsache für erledigt erklärt.
Im Übrigen macht die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung insbesondere geltend,
das Verwaltungsgericht habe die Erdrosselungswirkung der Steuer zu Unrecht verneint.
Es könne nicht richtig sein, dass - wie das Verwaltungsgericht offenbar meine - die
Mehrzahl der Unternehmer erst in die Insolvenz getrieben sein müsse, bevor die Grenze
zur Verfassungswidrigkeit überschritten werde. Soweit das Gericht die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom 1. April 1971 anführe, werde verkannt, dass der
damals zu entscheidende Sachverhalt mit dem Sachverhalt hier nicht vergleichbar sei.
Seinerzeit sei es beispielsweise um eine Automatenaufstellung in der Gastronomie
gegangen, bei der Kostenfaktoren wie Miete und Löhne nahezu keine Rolle gespielt
hätten. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 20. April 2004
eingehend dargelegt, dass die tatsächliche Überwälzung auf den Endverbraucher
zwingendes Merkmal einer Verbrauchssteuer sei. Hier könne eine Abwälzung über die
Preisgestaltung nicht erfolgen, da dies den Vorgaben der Spielverordnung
widerspreche.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu
erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Soweit die Parteien im Hinblick auf die erfolgte Reduzierung der Steuer das Verfahren
für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war es einzustellen und im Umfang der
Ermäßigung die Unwirksamkeit des erstinstanzlichen Urteils auszusprechen.
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Die Berufung im Übrigen hat keinen Erfolg.
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Der Vergnügungssteuerbescheid des Beklagten vom 10. und 18. Februar 2003 in der
Änderungsfassung vom 25. März 2003 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 25. Juli 2003 ist nach der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgten
Reduzierung rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Bescheid hat seine Rechtsgrundlage in der Vergnügungssteuersatzung vom 28.
November 2002 in der Fassung der Änderungssatzungen vom 31. Januar 2006 und 8.
Februar 2007. Nach § 8 der Satzung in der Änderungsfassung vom 8. Februar 2007
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beträgt die Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte bei einer Aufstellung in Spielhallen
13 v.H. des Einspielergebnisses, höchstens 240,-- EUR. Für Apparate ohne
Gewinnmöglichkeit ist bei einer derartigen Aufstellung eine Steuer von 30,-- EUR
monatlich zu entrichten.
Diese Regelungen der Vergnügungssteuersatzung verstoßen nicht gegen
höherrangiges Recht. Sie sind mit Artikel 105 Abs. 2a GG vereinbar. Danach haben die
Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauchs- und
Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern
gleichartig sind. Diese Befugnis hat das Land Nordrhein-Westfalen gemäß § 3 KAG auf
die Kommunen übertragen. Das in Artikel 105 Abs. 2a GG enthaltene Verbot von
gleichartigen Steuern wird seit jeher dahin ausgelegt, dass es sich nicht auf die
herkömmlichen Verbrauchs- und Aufwandsteuern erstreckt, zu denen die
Vergnügungssteuer zählt.
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Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1985 - 2 BvL 14/84 -,BVerfGE 69, 174,
183; Beschluss vom 3. Mai 2001 - 1 BvR 624/00 -, NVwZ 2001, 1264.
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Der Umstand, dass die Vergnügungssteuer auf Geldspielgeräte nicht mehr nach dem
Stückzahlmaßstab erhoben wird, bedeutet nicht, dass sie nun keine der traditionellen
Steuern in dem oben genannten Sinne wäre mit der Folge, dass ein Verstoß gegen das
Gleichartigkeitsverbot in Betracht zu ziehen ist. Die Vergnügungssteuer für
Spielautomaten wurde früher (zulässigerweise) nur deshalb nach dem
Stückzahlmaßstab erhoben, weil eine praktikable Möglichkeit zu einer
wirklichkeitsnahen Besteuerung nicht gegeben war.
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Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 10. Mai 1962
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- 1 BvL 31/58 -, BVerfGE 14, 76, 102.
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In dieser Entscheidung wurde bereits zum Ausdruck gebracht, dass im Grunde die
wirklichen Einnahmen besteuert werden müssten. Die nun erfolgte Änderung des
Steuermaßstabes ändert damit nichts an dem Befund, dass die Vergnügungssteuer
auch für die hier in Rede stehenden Geldspielgeräte eine herkömmliche
Gemeindesteuer bleibt, die nicht gleichartig mit bundesgesetzlich geregelten Steuern
ist.
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Die Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte nach dem Einspielergebnis verstößt auch
nicht gegen Artikel 33 der 6. Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer. Nach Artikel 33 der 6.
Richtlinie hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran,
Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchssteuern,
Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die
nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen. Das
Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 7. Januar 1998 - 8 B 228/97 -,
NVwZ-RR 1998, 672 unter Zitierung weiterer Rechtsprechung ausgeführt, dass ein
solcher Verstoß bereits mehrfach sowohl durch das Bundesverwaltungsgericht als auch
durch das Bundesverfassungsgericht verneint worden ist. Dieser Auffassung schließt
sich der Senat auch für die Erhebung der Steuer für Geldspielgeräte nach dem Maßstab
des Einspielergebnisses an. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes belässt Artikel 33 der 6. Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis zur
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Beibehaltung oder Einführung bestimmter indirekter Abgaben, sofern es sich dabei nicht
um Abgaben handelt, die den Charakter von Umsatzsteuern haben. Es soll verhindert
werden, dass das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch
steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und
Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belasten.
Als solche Maßnahmen sind Steuern, Abgaben und Gebühren anzusehen, die die
wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, selbst wenn sie ihr nicht in allen
Einzelheiten gleichen. Diese Merkmale sind folgende: Die Mehrwertsteuer gilt ganz
allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte;
sie ist proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen; sie wird auf
jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben; und sie bezieht sich schließlich
auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen.
Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 9. März 2000 - C-437/97 -, Slg. 2000, I - 1189 (I - 1200) und
Urteil vom 26. Juni 1997 - C-370/95 u.a. -, Slg. 1997, I 3721 (I 3742 f).
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Es ist nicht erkennbar, dass die in Rede stehende Vergnügungssteuer die Funktion des
gemeinsamen Mehrwertsteuersystems belasten könnte. Bei Betrachtung der einzelnen
Merkmale der Mehrwertsteuer fehlt das Kriterium, dass die Steuer allgemein sich auf
alle auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte bezieht. Die Steuer
wird nur für Spielgeräte, örtlich unterschiedlich und nicht flächendeckend im gesamten
Bundesgebiet erhoben. Die Vergnügungssteuer wird ferner nicht auf jeder Stufe der
Erzeugung und des Vertriebes erhoben. Besteuert wird vielmehr nur die Benutzung
durch den jeweiligen Spieler. Zudem bezieht sich die Vergnügungssteuer nicht auf den
Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen. Die Steuer wird nicht nur zufällig,
sondern von ihrem Konzept her nur einmal erhoben. Ein Vorsteuerabzug findet nicht
statt.
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Gegen den in § 8 Abs. 2 der Vergnügungssteuersatzung gewählten Steuermaßstab
bestehen keine Bedenken. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 13.
April 2005 - 10 C 5/04 -, NVwZ 2005, 1316, 1319 zum Ausdruck gebracht, dass ein an
den Einspielergebnissen der Geldspielgeräte anknüpfender Steuermaßstab den zu
besteuernden Vergnügungsaufwand der Spieler ungleich wirklichkeitsnäher als der
pauschale Stückzahlmaßstab erfasst. Bedenken hiergegen werden auch nicht geltend
gemacht. Soweit nach dem hier verwendeten Maßstab die Umsatzsteuer nicht
abgezogen wird, steht dies mit höherrangigem Recht in Einklang. Es gibt keinen
Grundsatz, dass von Bruttoeinnahmen nicht zwei Steuern nebeneinander erhoben
werden dürfen. So wurde auch nach dem Vergnügungssteuergesetz für das Land
Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage des Bruttoprinzips die Vergnügungssteuer nach
den Roheinnahmen bemessen.
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Vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 31. Januar 2007 - 14 A 2042/05 -.
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Die Höhe der Steuer für Geldspielgeräte von 13 v.H. des Einspielergebnisses verstößt
auch nicht gegen Artikel 12 Abs. 1 GG. Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine
Steuer dann einen Eingriff in die Berufsfreiheit dar, wenn sie dazu führt, dass die
betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen
wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf ganz oder teilweise
zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen. Soweit der Bundesfinanzhof in seinem
Urteil vom 6. Dezember 2000 - II R 36/98 - andere Kriterien für die Annahme einer
Erdrosselungswirkung angenommen hat, hat er hieran in seinem Urteil vom 29. März
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2006 - II R 59/04 -, BFH/NV 2006, 1354, ausdrücklich nicht festgehalten. Der Senat hat
keinen Anhalt, dass die hier erhobene Vergnügungssteuer für die Spielhallenbetreiber
zu einer erdrosselnden Wirkung in dem oben beschriebenen Sinne führt. Gegen eine
solche Annahme spricht, dass sich in den letzten Jahren die Zahl der Spielhallen und
der darin aufgestellten Geldspielgeräte in W. nicht wesentlich verändert hat.
Angesichts der oben beschriebenen Entwicklung der Spielhallen in W. ist auch nicht
anzunehmen, dass die Vergnügungssteuer nicht als Aufwandsteuer auf den Spieler
abgewälzt werden kann. Insoweit genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen
Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in
die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung
der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann. Die
rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen
erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss
dem Steuerschuldner nicht geboten werden. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine
Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist,
auch wenn eine Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt.
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Vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00 - , DVBl. 2004,
705, 708.
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Bei der Kalkulation seiner Selbstkosten sind einem Spielhallenbetreiber zwar durch die
Vorgaben in der Spielverordnung Grenzen gesetzt. Dies bedeutet aber nicht, dass ihm
keine anderen Maßnahmen bleiben, um die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens
aufrecht zu erhalten. Für eine kalkulatorische Überwälzung ist dabei nicht die absolute
Höhe der Steuer ausschlaggebend sondern die Möglichkeit, die Steuer in die Kosten
einzubeziehen. Es handelt sich hierbei um einen wirtschaftlichen Vorgang, wobei das
Gesetz es dem Steuerschuldner überlässt, die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens
auch unter Berücksichtigung des Steuerbetrages zu wahren.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2001 - 1 BvR 624/00 -, a.a.O.
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Die Steuersatzung durfte auch rückwirkend zum 1. Januar 2003 geändert werden. Hier
ist eine Steuersatzung, an deren Gültigkeit bezüglich des Stückzahlmaßstabes für
Geldspielgeräte zumindest ganz erhebliche Zweifel bestanden, durch eine neue
Satzungsregelung ersetzt worden. Ein Vertrauen der Klägerin, dass die ungültige Norm
beibehalten würde, ist nicht schutzwürdig. Ihr war aufgrund der Satzung vom 28.
November 2002 bekannt, dass die Stadt W. auch nach Aufhebung des
Vergnügungssteuergesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen Vergnügungssteuern
erheben wollte, und sie musste sich auf diesen Steuertatbestand einrichten. Der
Umstand, dass die Klägerin den genauen Inhalt der neuen Steuerregelungen nicht
kennen konnte, ist im Hinblick auf den ihr zuzubilligenden Vertrauensschutz ohne
Bedeutung. Vertrauensschutz steht ihr insoweit zu, als sie durch die rückwirkend in Kraft
gesetzte Neuregelung nicht stärker belastet werden darf als nach der früheren wohl
unwirksamen Satzung. Diesem Gebot genügt die Neuregelung. Im konkreten Fall führt
die neue Satzung zu einer geringeren Steuerbelastung für die Klägerin. Es ist nicht
erkennbar und wird von ihr auch nicht substanziiert geltend gemacht, dass sie etwa im
Hinblick auf den Steuermaßstab Dispositionen getroffen hätte, die zu schützen sind.
Keine Bedeutung kommt auch der Natur des Fehlers zu, der zur Ungültigkeit der
rückwirkend ersetzten Norm führte. Maßgeblich ist allein, ob das Vertrauen auf die
Unzulässigkeit einer rückwirkenden Rechtsänderung schutzwürdig ist.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 1996, - 8 B 221.96 -.
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Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts anderes.
Auch das Bundesverfassungsgericht misst das Rückwirkungsverbot in erster Linie am
Vertrauensschutzgebot.
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Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 -, BVerfGE 13, 261, 271.
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Die bloße Erwartung der Klägerin, der Stückzahlmaßstab werde sich wohl als
rechtswidrig erweisen und dann brauche sie auf längere Zeit keine Vergnügungssteuer
zu entrichten, ist nicht schutzwürdig. Denn die Vergnügungssteuer aufgrund der
rechtlichen Situation, auf die die Neuregelung zurückwirkt, war als Steuer auf den vom
Spieler betriebenen Aufwand von der Klägerin als Spielhallenbetreiberin bereits
kalkulatorisch abgewälzt. Sie musste damit rechnen, dass es bei dieser Überwälzung
bleibt; denn eine realistische Möglichkeit, dies rückgängig zu machen, besteht nicht. Ein
schutzwürdiges Vertrauen darin, dass Beträge in Höhe der abgewälzten Steuer dem
Spielhallenbetreiber verbleiben oder ihm wieder zufließen, hatte die Klägerin nicht.
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Bezüglich der Steuererhebung für Geräte ohne Gewinnmöglichkeit in Höhe von
pauschal 30,00 EUR je Monat und Gerät werden keine substanziierten Bedenken
geltend gemacht. Solche sind auch nicht ersichtlich. Für diesen Typ von Spielautomaten
ist eine Erhebung der Vergnügungssteuer nach dem Stückzahlmaßstab weiterhin
zulässig, so lange nicht feststeht, dass in dem betreffenden Gemeindegebiet nur
Apparate mit manipulationssicherem Zählwerk aufgestellt sind.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - 10 CN 1.05 -, KStZ 2006, 72.
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Es ist nicht angegeben worden, dass diese Sachlage für den hier strittigen
Erhebungszeitraum gegeben sein könnte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit die
Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, waren dem Beklagten die Kosten
des Verfahrens beider Rechtszüge aufzuerlegen, weil die frühere höhere
Steuererhebung auf der Grundlage allein der Satzung vom 28. November 2002
voraussichtlich rechtswidrig war. Der Stückzahlmaßstab dürfte nicht den Anforderungen
entsprochen haben, die das Bundesverwaltungsgericht für seine Beibehaltung
aufgestellt hat. Daraus ergibt sich überschlägig die im Tenor ausgesprochene
Kostenverteilung.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt gemäß § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708, Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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