Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 02.07.2004
OVG NRW: schutz der familie, therapie, wiederholungsgefahr, emrk, ausnahme, spezialprävention, egmr, trennung, ausweisungsgrund, straftat
Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 1598/03
Datum:
02.07.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 1598/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 8 L 955/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,-- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, die
vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur zu prüfen sind, rechtfertigen keine
Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, mit der das
Verwaltungsgericht den Aussetzungsantrag des Antragstellers abgelehnt hat.
2
Der Antragsteller macht zur Begründung seiner Beschwerde geltend, die vom
Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr im Hinblick auf seine den
Ausweisungsgrund bildende Straftat sei nicht gegeben, weil er zum Tatzeitpunkt
alkoholabhängig gewesen, inzwischen jedoch um eine Therapie bemüht und künftig
nach erfolgreicher Therapie eine Rückfallgefahr nicht mehr gegeben sei und weil ihm zu
Unrecht eine Beteiligung beim Aufbau mafioser Strukturen in Haftanstalten unterstellt
worden sei. Zudem sei der Schutz der Familie vorrangig, da seine Trennung von seinen
Kindern bei diesen zu seelischen Störungen führen würde.
3
Soweit der Antragsteller dazu mehrere Beweisanträge stellt und Beweisangebote
unterbreitet, ist ihm entgegenzuhalten, dass in dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO -
wie hier - nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage geboten ist, bei
deren Durchführung die Abklärung entscheidungserheblicher Tatsachenfragen - etwa
durch eine Beweisaufnahme oder Anhörung - nicht erforderlich ist, sondern dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben kann.
4
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1992 - 4 A 4/92 -, NVwZ 1993, 565 (566);
Senatsbeschlüsse vom 30. November 1999 - 18 B 405/99 -, vom 23. Mai 2000 - 18 B
2133/99 -, vom 10. November 2000 - 18 B 1504/00 - und vom 22. Juli 2002 - 18 B
5
784/00 -.
Zudem kann die Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen, die der Antragsteller
beweisen will, unterstellt werden.
6
Der Antragsteller trägt selbst vor, er sei alkoholkrank und erst nach einer erfolgreichen
Therapie bestehe die begründete Aussicht, dass er in strafrechtlicher Hinsicht nicht
rückfällig werde und sein Aggressionsverhalten besser steuern könne. Die von ihm bis
zu dem für die Entscheidung über die Beschwerde maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs
der Begründungsfrist geltend gemachten bloßen erfolglosen Bemühungen um eine
Therapie sind für die zu der Frage einer Wiederholungsgefahr vorzunehmende
Prognose unerheblich. Eine noch nicht abgeschlossene - hier nicht einmal begonnene -
Therapiemaßnahme, deren endgültiger Erfolg naturgemäß aussteht, ist bereits
prinzipiell ungeeignet, den Ausweisungszweck der Spezialprävention entfallen zu
lassen.
7
Vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Januar 2002 - 18 A 5235/00 - m.w.N., vom 6. Februar
2003 - 18 B 1525/02 -, vom 28. April 2003 - 18 B 815/03 -, vom 9. Juli 2003 - 18 B
1339/02 -, vom 13. Januar 2004 - 18 B 954/03 - und vom 1. März 2004 - 18 B 444/04 -.
8
Die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Bemerkung betreffend das Vorliegen
von Hinweisen auf eine Beteiligung des Antragstellers am Aufbau mafioser Strukturen in
den Haftanstalten war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungstragend. Sie folgt
auf dem - entscheidungstragenden und vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogenen -
Satz, dass es für gefährlichkeitsmindernde Wirkungen des Strafvollzugs bisher beim
Antragsteller keine ausreichenden Anhaltspunkte gebe, und wird insoweit mit den
einleitenden Worten "im Gegenteil" als letztlich nicht entscheidungstragend, sondern als
lediglich bekräftigend kenntlich gemacht.
9
Auch die vom Antragsteller geltend gemachten negativen Auswirkungen seiner
Ausweisung auf seine Ehefrau und seine Kinder können unterstellt werden. Das
Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss die Beziehung des
Antragstellers zu seiner deutschen Ehefrau und den beiden Kindern unter dem
Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gewürdigt und insoweit eine
Ausnahme vom Regelfall des § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG nicht festzustellen vermocht.
Hiergegen ist entgegen der Ansicht des Antragstellers nichts zu erinnern. In der
höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt,
ist anerkannt, dass bei schwer wiegender Straffälligkeit, die hier fraglos gegeben ist, der
Schutz der Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK der Ausweisung
grundsätzlich nicht entgegen steht.
10
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 2004 - 2 BvR 1570/03 -, Juris Nr. KVRE
320850401 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK;
BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 1997 - 1 B 123.97 -, Buchholz 402.240 § 47 AuslG
1990 Nr. 15 und Urteil vom 29. September 1998 - 1 C 8.96 -, Buchholz 402.240 § 45
AuslG 1990 Nr. 16 = NVwZ 1999, 303 = InfAuslR 1999, 54; Senatsbeschlüsse vom 17.
Februar 2000 - 18 B 101/00 -, InfAuslR 2000, 383 = NVwZ-RR 2000, 721 = AuAS 2000,
134, und zuletzt vom 1. März 2004 - 18 B 444/04 - und vom 11. Mai 2004 - 18 B 694/04
und 18 B 843/04 -, jeweils m.w.N..
11
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
12
Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3, 14 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in
der bei Einlegung des Rechtsmittels gültigen Fassung - GKG -.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
13