Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.06.2007
OVG NRW: allgemeininteresse, stadt, öffentliches interesse, anteil, gemeinde, durchgangsverkehr, satzung, ermessen, pauschal, grundstück
Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 956/03
Datum:
01.06.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 A 956/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 16 K 3188/01
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Gemarkung W. , Flur 103, Flurstücke 277
und 279. Das Flurstück 279 ist mit einem Wohnhaus bebaut. Es hat eine unmittelbare
Zufahrt zur Hauptfahrbahn der I. Straße. Das Flurstück 277 ist unbebaut und liegt hinter
dem Flurstück 279 auf dessen straßenabgewandter Seite. Die I. Straße ist in diesem
Bereich im Straßenverzeichnis gemäß § 2 Abs. 1 der Straßenreinigungs- und
Gebührensatzung der Stadt W. vom 4. Juli 1980 i.d.F. der 23. Änderungssatzung vom
15. Dezember 2000 - SRGS - dem Straßentyp "B" zugeordnet. Bei Straßen dieses Typs
(im folgenden: B-Straßen) obliegt der Stadt die wöchentliche Reinigung der Fahrbahnen
einschließlich Winterwartung. Die Reinigung einschließlich Winterwartung der
Gehwege ist den Eigentümern der an die Gehwege angrenzenden und durch sie
erschlossenen Grundstücke auferlegt. Bei den A-Straßen (Anliegerstraßen ohne
Bedeutung für das Gesamtverkehrsnetz) ist die einmal wöchentliche Reinigung aller
Straßenteile einschließlich der Winterwartung den Eigentümern (§§ 2 und 3 SRGS)
auferlegt.
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Durch Bescheid vom 26. Januar 2001 zog die Funktionsvorgängerin des Beklagten (im
Folgenden einheitlich: Beklagter) die Klägerin u.a. zu Straßenreinigungsgebühren in
Höhe von insgesamt 95,76 DM heran. Bei der Berechnung brachte der Beklagte für das
Flurstück 279 14 m als Anliegerfront und für das Flurstück 277 10 m als Hinterliegerfront
in Ansatz. Den gegen die Heranziehung eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der
Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2001 zurück.
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Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht: Ihre Flurstücke
lägen nicht an der I. Straße, sondern an einem parallel zur I. Straße verlaufenden Weg.
Dort finde eine Straßenreinigung nicht statt.
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Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
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den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 26. Januar 2001, soweit darin
Straßenreinigungsgebühren festgesetzt worden sind, in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2001 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat darauf verwiesen, das Grundstück liege unmittelbar an der I. Straße, da auch die
Nebenfahrbahn Bestandteil der I. Straße sei.
9
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, stattgegeben. Es hat sich zur
Begründung darauf gestützt, dass die Satzungsbestimmung über den Gebührensatz
nichtig sei. Der in der Gebührenkalkulation zur Abgeltung des Allgemeininteresses
angesetzte pauschalierte Eigenanteil von 15 % der Gesamtkosten der Straßenreinigung
sei zu niedrig bemessen.
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Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend:
Der Abzug von nur 15 % der Kosten für das Allgemeininteresse sei nicht zu
beanstanden. Sinn und Zweck der Änderung des § 3 StrReinG NRW sei es gewesen,
die Bemessung des Allgemeininteresses in das Ermessen der Gemeinde zu stellen,
ohne diese weiterhin an einen Kostenanteil von 25 % für das Allgemeininteresse zu
binden. Jeder Gemeinde habe ermöglicht werden sollen, individuell die Höhe des
Anteils für das Allgemeininteresse nach eigenem Ermessen zu ermitteln. Bei der
Ermittlung des Anteils habe der Satzungsgeber die örtlichen Verhältnisse berücksichtigt.
Die Stadt W. sei weder ein Kurort noch handele es sich bei ihr um einen touristisch
geprägten Ort. In W. herrsche kein erheblicher Durchgangsverkehr. Auch seien sonstige
Umstände, die ein besonderes Reinigungsbedürfnis im Interesse der Allgemeinheit
begründeten, nicht zu erkennen. Die Verschmutzung der Straßen durch Nichtanlieger
falle im Verhältnis zu dem Verkehr der Grundstückseigentümer und deren Interesse an
der Straßenreinigung nicht ins Gewicht. Die Tatsache, dass die Winterwartung für die
sogenannten A-Straßen den Grundstückseigentümern auferlegt worden sei, fordere
keine Erhöhung des Gemeindeanteils. Die Kosten für die Winterwartung der A- Straßen
sei gleichzeitig entfallen. Für den hier gewählten Anteil sprächen auch andere
gesetzlichen Regelungen, die pauschal einen Gemeindeanteil forderten; dort werde
regelmäßig ein Gemeindeanteil von 10 % angenommen (z.B. § 129 Abs. 1 BauGB).
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Der Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils des
Verwaltungsgerichts und ergänzt, dass nicht der vor ihrem Grundstück verlaufende
Parallelweg, sondern die I. Straße, die besonders durch Lastkraftwagenverkehr stark
belastet werde, gereinigt werde. Sie genieße daher wegen der Straßenreinigung keine
Vorteile.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge dieses
Verfahrens und des Verfahrens - 9 A 853/03 - Bezug genommen, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu
Recht stattgegeben.
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Der angefochtene Bescheid des Beklagten, soweit darin Straßenreinigungsgebühren
festgesetzt worden sind, in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig
und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
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Die Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren ist allerdings nicht deshalb
rechtswidrig, weil es - wie die Klägerin meint - an einer Erschließung ihrer Flurstücke
279 und 277 fehlt. Die vom Beklagten veranlagten Flurstücke werden durch die der
Straßenreinigung unterliegende I. Straße i.S.d. § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die
Reinigung öffentlicher Straßen vom 18. Dezember 1975, GV.NRW. S. 706, in der hier
anzuwendenden Fassung vom 25. November 1997, GV.NRW. S. 430, 438,
(Straßenreinigungsgesetz NRW - StrReinG NRW) erschlossen. Ausweislich der
vorliegenden Photographien (Beiakte 3, Bl. 52 bis 54) und des vom Beklagten mit den
Verwaltungsvorgängen vorgelegten Lageplanes ist eindeutig zu erkennen, dass das
Flurstück 279 nicht an einem Parallelweg zum Hauptzug der I. Straße liegt, sondern
mittels einer Zufahrt direkt an die I. Straße angrenzt und von ihr ohne Weiteres - wie
auch das Flurstück 277 - zugänglich ist.
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Es fehlt für den hier interessierenden Zeitraum aber an einer wirksamen
Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu Straßenreinigungsgebühren. Die
maßgebliche Satzung über die Straßenreinigung und die
Straßenreinigungsgebührensatzung der Stadt W. ist bezogen auf die Gebührenregelung
unwirksam. Der in § 6 Abs. 3 Satz 1 SRGS geregelte Gebührensatz von 3,99 DM je
Meter Grundstücksseite bei einmaliger wöchentlicher Reinigung ist nichtig. Er verstößt
gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Oktober 1969,
GV.NRW. S. 712, in der Fassung vom 15. Juni 1999, GV.NRW. S. 386, (KAG NRW).
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Nach § 3 Abs. 1 StrReinG NRW in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW soll das
veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung oder
Anlage nicht übersteigen. Diesen Voraussetzungen wird der Gebührensatz in § 6 Abs. 3
Satz 1 SRGS nicht gerecht.
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Wird die Straßenreinigung in einer Gemeinde insbesondere bei Straßen mit
innerörtlichem oder überörtlichem Durchgangsverkehr nicht nur im Interesse der
Anlieger, sondern auch im Interesse der übrigen Straßenbenutzer und damit im
Allgemeininteresse durchgeführt, verstößt es gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG),
wenn Kosten, die die Befriedigung dieses Allgemeininteresses an sauberen Straßen
betreffen, den Anliegern aufgebürdet werden.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. April 1989 - 8 C 90.87 -, BVerwGE 81, 371, und vom 25.
Mai 1984 - 8 C 55 und 58.82 -, BVerwGE 69, 242, 245 f.
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Die Festlegung der Höhe des auf das Allgemeininteresse entfallenden Kostenanteils
liegt im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Insoweit steht ihm eine weitgehende
Einschätzungsfreiheit zu. Er hat sich bei seiner Entscheidung an den örtlichen
Verhältnissen zu orientieren und insbesondere das Verhältnis zwischen den Straßen
mit ihren je unterschiedlichen Anlieger- bzw. Allgemeininteressen zu berücksichtigen.
Dabei hat er, ohne den Gleichheitssatz zu verletzen, die Wahl: Er kann den von der
gemeindlichen Straßenreinigungseinrichtung im Allgemeininteresse aufgewendeten
Kostenanteil bei der Ermittlung der durch Gebühren zu deckenden Kosten entweder
insgesamt (vorweg) absetzen oder in der Satzung unterschiedliche, je nach
Verkehrsbedeutung (z.B. Anliegerstraßen, innerörtliche Straßen, überörtliche Straßen)
abgestufte Gebührensätze vorsehen.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Mai 1984 - 8 C 55 und 58.82 -, a.a.O., S. 246, und vom 7.
April 1989 - 8 C 90.87 -, a.a.O.
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Hier hat sich der Satzungsgeber der Stadt W. zulässigerweise für die erste Möglichkeit
entschieden. Allerdings hält die Ermittlung des Anteils des Allgemeininteresses mit 15
% der Gesamtkosten der Straßenreinigung einer rechtlichen Kontrolle nicht Stand.
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Nach der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 2
StrReinG NRW legte das Gesetz den zu berücksichtigenden Anteil des allgemeinen
öffentlichen Interesses zur Sicherung einer gleichmäßigen Untergrenze generell auf
mindestens 25 % der Gesamtkosten fest. Die Gemeinden durften höchstens 75 % ihrer
Reinigungskosten über Gebühren decken und auf die jeweiligen An- und Hinterlieger
umlegen konnten. Dabei war nach der Ansicht des Gesetzgebers das allgemeine
öffentliche Interesse an der Reinigung einer Durchgangs- oder Hauptverkehrsstraße
erheblich höher zu bewerten sein, als das bezüglich einer reinen Anliegerstraße.
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Vgl. Gesetzesbegründung zu § 3 StrReinG NRW vom 18. Dezember 1975, LTDrs. 8/33,
S. 8; so auch schon OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 1968 - II A 1550/66 -, KStZ
1969, 97, zu § 4a Abs. 3 WegeRG.
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§ 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NRW ist durch das Gesetz zur Stärkung der
Leistungsfähigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gestrichen
worden. Hierdurch sollte den Gemeinden die Möglichkeit gegeben werden, von der
Begrenzung des Gebührenaufkommens auf höchstens 75 % der Gesamtkosten der
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Straßenreinigung im Gemeindegebiet abzuweichen. Dabei sei allerdings - so
ausdrücklich die Gesetzesbegründung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts - zu berücksichtigen, dass es auch weiterhin zwingend
erforderlich sei, den auf die Interessen der Allgemeinheit entfallenden Kostenanteil zu
ermitteln und von den Gesamtkosten der Straßenreinigung abzusetzen. Andernfalls
würde die Gemeinde gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
Vgl. Gesetzesbegründung zu Art. 1 (Gesetz für ein Kommunalisierungsmodell) LT-Drs.
12/2340, S. 1, 3f.
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Bei der Ermittlung des Kostenanteils für das Allgemeininteresse kann sich der
Satzungsgeber an den in § 3 Abs. 2 StrReinG NRW genannten drei Straßentypen, den
Straßen für den Anliegerverkehr sowie den für den innerörtlichen und überörtlichen
Verkehr, orientieren. Er kann aber auch im Rahmen seines weiten
Organisationsermessens entsprechend den örtlichen Verhältnissen und etwaigen
satzungsrechtlichen Besonderheiten weiter differenzieren. So kann er zusätzliche
Untergruppen oder z.B. für Geschäftsstraßen oder Fußgängerzonen eigenständige
Straßengruppen bilden, die den örtlichen Besonderheiten Rechnung tragen. Die Höhe
des auf die einzelnen Straßengruppen entfallenden öffentlichen Interesses ist unter
Berücksichtigung der jeweiligen Spannbreite innerhalb der einzelnen Gruppen und der
Nutzungsintensität durch Nichtanlieger zu ermitteln. Grundsätzlich ist dabei zu
beachten, dass das Allgemeininteresse um so höher zu bewerten sein wird, je intensiver
die Straße durch Nichtanlieger in Anspruch genommen wird. Dabei dürfte das
Allgemeininteresse bei den Anliegerstraßen, die nach gemeindlicher Praxis in der
Regel - wie auch hier - im Wesentlichen die Straßen aller Wohngebiete der Gemeinde
erfassen, als eher gering anzusehen sein. Bei den Straßen mit innerörtlichem Verkehr
liegt die Nutzung durch Nichtanlieger im Schnitt bereits deutlich höher; demgemäß ist
das darauf entfallende Interesse als beträchtlich einzustufen. Bei Straßen für den
überörtlichen Verkehr ist das Allgemeininteresse demgegenüber erheblich, weil diese
am intensivsten durch Nichtanlieger in Anspruch genommen werden. Ist das
Allgemeininteresse für jede Straßengruppe festgelegt, sind die Straßengruppen
hinsichtlich des Umfangs der jeweiligen Reinigungsflächen ins Verhältnis zu setzen;
danach ist der prozentuale Kostenanteil des Allgemeininteresses an den Gesamtkosten
der Straßenreinigung zu berechnen.
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Gemessen an den vorstehenden Ausführungen hat der Beklagte nicht plausibel
gemacht, dass der Satzungsgeber der Stadt W. ermessensfehlerfrei den Anteil des
Allgemeininteresses in der Stadt W. mit 15 % der Gesamtkosten angemessen angesetzt
hat. Es ist nicht nachvollziehbar, dass dieser Prozentsatz durch die örtlichen
Verhältnisse und die satzungsrechtlichen Besonderheiten in der Stadt W. gerechtfertigt
ist.
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Die insoweit vom Beklagten angeführte Begründung, W. sei kein Kurort und auch nicht
touristisch geprägt, führt nicht weiter. Beide Merkmale stehen unabhängig neben den
sich aus den einzelnen Straßentypen ergebenden Anhaltspunkten für ein öffentliches
Interesse. Sie können dieses allenfalls erhöhen, ihr Fehlen jedoch das öffentliche
Interesse nicht verringern.
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Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag der Hinweis des Beklagten, in W. herrsche kein
erheblicher Durchgangsverkehr. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die
Stadt nach § 1 Abs. 1 SRGS die Reinigung der öffentlichen Straßen innerhalb der
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geschlossenen Ortslagen als öffentliche Einrichtung nur betreibt, soweit die Reinigung
nicht nach § 2 den Grundstückseigentümern übertragen ist. Letzteres trifft zu auf die
Reinigung einschließlich der Winterwartung aller Straßenteile sämtlicher A-Straßen
sowie auf die Reinigung einschließlich der Winterwartung der Gehwege der B-Straßen
(§ 2 Abs. 1 SRGS i.V.m. dem Straßenverzeichnis, das als Anlage Bestandteil der
Satzung ist). Von der Stadt werden somit nur die Fußgänger- bzw. fußgängerfreundlich
ausgebauten Straßen (B1- bis B4- Straßen) insgesamt und die Fahrbahnen der B-
Straßen gereinigt. Bei den im Straßenverzeichnis aufgeführten B-Straßen handelt es
sich nach Angaben des Beklagten im Wesentlichen um Hauptverkehrs- und
Haupterschließungsstraßen, also Straßen, die in mehr oder weniger erheblichem
Umfang auch von Nichtanliegern genutzt werden. Anliegerstraßen gehören zu den B-
Straßen nur, wenn sie für das Gesamtverkehrsnetz Bedeutung haben und damit
ebenfalls der Kategorie der Straßen mit jedenfalls innerörtlichem Durchgangsverkehr
zuzurechnen sind. Zu berücksichtigen ist ferner, dass zu den B-Straßen -
möglicherweise zwar nicht viele, aber - auch Straßen mit erheblichem überörtlichen
Durchgangsverkehr gehören, wie z. B. nach den unbestritten gebliebenen Angaben der
Klägerin gerade die I. Straße. Im Gegensatz zu den A-Straßen als normalen
Anliegerstraßen besteht deshalb bei den B- Straßen und damit bei allen von der
Straßenreinigung betroffenen Straßen bereits auf Grund ihrer Funktion und Bedeutung
für den öffentlichen Straßenverkehr ein Allgemeininteresse an einer ordnungsgemäßen
Straßenreinigung, das von beträchtlich bis erheblich reicht. Auf welcher Grundlage unter
diesen Umständen das Allgemeininteresse mit 15 % der Gesamtkosten abgedeckt sein
soll, lässt sich dem Vortrag des Beklagten nicht entnehmen. Ein Anteil von 15 % für das
öffentliche Interesse kann auch nicht als offensichtlich angemessen angesehen werden.
Denn er bedeutet, dass trotz der beträchtlichen bzw. erheblichen Nutzung aller
gereinigten Straßen durch Nichtanlieger der Anteil des Allgemeininteresses nur gut 1/7
der Gesamtkosten beträgt, während die Anlieger etwa 6/7 der Gesamtkosten zu tragen
haben.
Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf andere gesetzliche Regelungen
berufen, die pauschal einen Gemeindeanteil von 10 % fordern (z.B. § 129 Abs. 1
BauGB). Denn die Bewertung des Allgemeininteresses an einer ordnungsgemäßen
Straßenreinigung ist mit anderen rechtlichen Regelungen, die genaue Abzugsgrößen
benennen, nicht zu vergleichen. Vielmehr ist mit der Novellierung des § 3 Abs. 1
StrReinG NRW, mit der ein Mindestabzug von 25 % der Gesamtkosten gerade
gestrichen worden ist, dem Satzungsgeber mit Hinweis auf den Gleichheitssatz des Art.
3 Abs. 1 GG ausdrücklich auferlegt worden, eigenständige an den örtlichen
Verhältnissen ausgerichtete Ermittlungen wegen des Abzugsanteils zu treffen.
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Im Übrigen ist der Senat gehindert, den Kostenanteil für das Allgemeininteresse zu
bestimmen. Vielmehr bleibt es dem Satzungsgeber vorbehalten, im Rahmen seines
Ermessens den genauen Kostenanteil festzulegen.
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Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Gebührensatz unabhängig von dem
vorzunehmenden Ansatz für das öffentliche Interesse wirksam sein könnte.
Anhaltspunkte dafür, dass ein etwaig zu geringer Ansatz für das öffentliche Interesse
durch andere fehlende oder zu niedrig bemessene Kostenpositionen ausgeglichen
werden könnte, sind nicht ansatzweise erkennbar.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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