Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.08.2007

OVG NRW: verfahrensmangel, einzelrichter, pass, hinweispflicht, besitz, befragung, lebensgemeinschaft, auflage, rüge, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 A 978/07
Datum:
24.08.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 A 978/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 K 1493/06
Schlagworte:
Einzelrichter Verfahrensmangel Zulassungsberufung
Normen:
VwGO § 6; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
Leitsätze:
Ein Mangel bei der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter
kann nicht auf einen Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5
VwGO führen.
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 5.000,-- EUR
festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug ist
abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehend dargelegten
Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg; Zulassungsgründe im Sinne
des § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht dargelegt oder nicht gegeben.
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Die von der Klägerin in den Vordergrund gestellte Rüge des Vorliegens von
Verfahrensmängeln im Sinne des nur in Betracht kommenden § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO
greift nicht durch.
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Soweit die Klägerin einen solchen Mangel in der Übertragung des Rechtsstreits auf den
Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter sehen will, kann es offen bleiben, ob
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insoweit ein Verfahrensmangel vorliegt. Jedenfalls würde es sich nicht um einen
Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO handeln, der der Beurteilung
durch das Rechtsmittelgericht unterliegt. Dies ergibt sich daraus, dass der
Übertragungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. Januar 2007 gemäß § 6 Abs. 4
Satz 1 VwGO unanfechtbar ist.
Vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 4. April 2001 18 B 730/99 -, OVG
Saarlouis, Beschluss vom 27. Oktober 1997 1 Q 12/97 , NVwZ 1998, 645,
jeweils mit weiteren Nachweisen; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, § 6
Rn. 28.
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Durch die die Zulassungsrelevanz von Verfahrensmängeln einschränkende
Formulierung in § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO sollte gerade sicher gestellt werden, dass "die
Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter... die Zulassung... nicht rechtfertigen
kann".
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Vgl. BT-Drucks. 13/1433 S. 14; ferner erneut Senatsbeschluss vom 4. April
2001 – 18 B 730/99 – und OVG Saarlouis, Beschluss vom 27. Oktober 1997
a.a.O.
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Die ferner geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs folgt entgegen der
Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung
maßgeblich darauf gestützt hat, dass jene zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung
keinen gültigen Pass besessen habe, was sich als Überraschungsentscheidung
darstelle. Eine solche liegt aber nur vor, wenn das Gericht einen bis zu seiner
Entscheidung nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur
Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt,
mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht
zu rechnen brauchten.
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Vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2000 8 B 238/00 ,
NJW 2001, 1151, und vom 20. Februar 2007 – 1 B 15.07; Senatsbeschluss
vom 13. Oktober 2003 – 18 A 3783/02 -.
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Ein derartiger Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Die Klägerin musste davon ausgehen,
dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung auf den fehlenden Pass
abstellen würde. Denn ausweislich der Sitzungsniederschrift ist die Passfrage
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Hinsichtlich des außerdem geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen
Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr.
1 VwGO) bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten
Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des
Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in
substanziierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht
gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung
ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon allein auf Grund des Antragsvorbringens in
die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils bestehen.
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Vgl. hierzu nur Senatsbeschluss vom 31. Januar 2005 – 18 A 1279/02 -,
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InfAuslR 2005, 182 = AuAS 2005, 111.
Daran fehlt es hier. Die Klägerin wendet sich ausschließlich dagegen, dass das Gericht
ihre Klage wegen des Fehlens der Regelerteilungsvoraussetzung eines Passbesitzes
(§ 5 Abs. 1 AufenthG) als unbegründet abgewiesen hat und ist der Meinung, der
Beklagte habe sie auf den Gültigkeitsablauf ihres Passes, den er im Besitz gehabt habe,
hinweisen müssen. Damit werden, ungeachtet der Frage, ob darin eine Verletzung der
sich aus § 82 Abs. 3 AufenthG für die Ausländerbehörde ergebenden Hinweispflicht
liegt – wofür einiges sprechen könnte -,
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- vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 11. Dezember 2006 – 24 B 06.2158 -
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keine ernstlichen Zweifel am Entscheidungsergebnis dargelegt. Zwar mag es unter den
hier gegebenen Umständen nicht bedenkenfrei sein, die Klage tragend allein mit dem
fehlenden Passbesitz der Klägerin zu begründen; denn die Klägerin hat sich einerseits
unwidersprochen dahin eingelassen, vom Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres auf
Verlangen des Beklagten bei diesem hinterlegten Passes keine Kenntnis gehabt zu
haben, und sie hat andererseits bereits kurze Zeit später einen gültigen Pass vorlegen
können. Allein damit lassen sich jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründen. Insoweit wäre jedenfalls angesichts
des Streits zwischen den Beteiligten darüber, ob die Anspruchsvoraussetzungen des §
28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, deren Vorliegen aufzuzeigen gewesen. Dies gilt
hier insbesondere auch deshalb, weil das Verwaltungsgerichts nach informatorischer
Befragung der Klägerin und zweier Zeugen die Anspruchsvoraussetzungen in einem
obiter dictum verneinte, sie also keineswegs als offensichtlich gegeben anzusehen sind.
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Damit ist es dem Senat aus prozessualen Gründen verwehrt, die tatbestandsmäßigen
Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu prüfen, namentlich der Frage
nachzugehen, ob zischen der Klägerin und ihrem Ehemann eine ausländerrechtlich
schützenswerte eheliche Lebensgemeinschaft besteht.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 72 Nr. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig.
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