Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.09.1999

OVG NRW: fortsetzung des pachtverhältnisses, verordnung, rückgabe, eugh, hof, kommission, vollstreckung, betriebsstätte, beendigung, ausstellung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 1745/97
29.09.1999
Oberverwaltungsgericht NRW
9. Senat
Urteil
9 A 1745/97
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 15 K 4076/95
Der angefochtene Gerichtsbescheid wird teilweise geändert.
Die Bescheinigung des Beklagten vom 7. Januar 1995 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. März 1995 und der Erklärung des
Beklagten vom 19. Januar 1999 wird in bezug auf die Person des Klägers
insoweit aufgehoben, als darin zugunsten der Beigeladenen der
Übergang einer Referenzmenge vom Kläger auf die Beigeladene von
mehr als 144.833 kg bescheinigt worden ist.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Kläger trägt von den gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich
der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen 48/100. Der Beklagte
und die Beigeladene tragen jeweils 26/100 der Gerichtskosten sowie der
außergerichtlichen Kosten des Klägers und jeweils 52/100 ihrer eigenen
außergerichtlichen Kosten.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der
jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe durch Rückgabe einer gepachteten
Hofstelle Milchreferenzmengen vom Kläger (Pächter) auf die Beigeladene (Verpächterin)
übergegangen sind. Ursprünglich bewirtschaftete der Kläger einen Hof in E. -E. . Mit
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Vertrag vom 6. März 1981 pachtete der Kläger zusätzlich von der Beigeladenen einen in
der Gemeinde K. , Gemarkung E. E. , gelegenen Hof mit einer landwirtschaftlichen
Nutzfläche von 22,74 ha für die Zeit vom 1. März 1981 bis zum 31. Oktober 1993. Diesen
Hof, der steuerlich unter seinem Namen lief, ließ er durch seinen Sohn verwalten. Einen
Antrag des Klägers auf Fortsetzung des Pachtverhältnisses wies das Amtsgericht -
Landwirtschaftsgericht - K. mit Beschluß vom 5. Mai 1993 (Az.: 6 Lw 8/93), bestätigt durch
Beschluß des Oberlandesgerichts K. vom 26. Oktober 1993 (Az.: 23 Wlw 11/93), zurück.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts K. vom 5. April 1994 (Az.: 6 Lw 6/94) wurde der
Kläger zur Räumung und Herausgabe des gepachteten Hofes an die Beigeladene
verurteilt; die Vollstreckung dieses Urteils erfolgte am 25. November 1994. Seitdem
bewirtschaftet der Kläger nur noch den Hof in E. -E. .
Bereits am 13. Januar 1994 hatte die Beigeladene bei dem Beklagten die Ausstellung einer
Bescheinigung über den Übergang einer Referenzmenge aufgrund von Rückgewähr eines
ganzen Betriebes von 22,74 ha von dem Kläger und seinem Sohn N. auf sie beantragt.
Mit Bescheid vom 7. Januar 1995 bescheinigte der Beklagte der Beigeladenen, daß mit
Wirkung zum 31. Oktober 1993 durch Rückgewähr eines ganzen Betriebes von 22,74 ha
eine Referenzmenge von 239.275 kg von dem Kläger und dessen Sohn N. auf die
Beigeladene übergegangen sei. Hierbei nahm er nur die um den in K. gelegenen Pachthof
gruppierten Ländereien in den Blick, ging von einer Gesamtmilcherzeugungsfläche von
32,54 ha aus und berücksichtigte nur die dem Sohn N. B. auf Grund einer
Ausbaumaßnahme unter dem 17. Juli 1985 bescheinigte Zielmenge von 405.270 kg Milch
(= gegenwärtige Referenzmenge von 324.392 kg). Die Betriebsflächen der 2. Betriebsstelle
des Klägers in E. -E. und die dem Kläger zustehende Referenzmenge von 503.221 kg
nahm er nicht in den Blick.
Den nicht näher begründeten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte durch
Widerspruchsbescheid vom 22. März 1995 zurück und ordnete zugleich auf Antrag der
Beigeladenen die sofortige Vollziehung der Bescheinigung vom 7. Januar 1995 an.
Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Versagung von
Pächterschutz bei der Rückgewähr eines ganzen Betriebes verstoße angesichts des
Strukturwandels in der Milchwirtschaft nicht nur gegen die Grundsätze der
Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit, sondern auch gegen die Berufsfreiheit und
gegen die Eigentumsrechte des Pächters. Darüber hinaus stehe diese Regelung auch mit
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und dem Gemeinschaftsrecht
nicht in Einklang. In seinem "Wachauf"- Urteil vom 13. Juli 1989 habe der EuGH nämlich
festgestellt, daß es mit den europäischen Grundrechten unvereinbar sei, wenn der Pächter
am Ende der Pachtzeit entschädigungslos um die "Früchte seiner Arbeit" gebracht werde.
Der sich schon aus dieser Entscheidung und Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EWG) des
Rates Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 590/85 sowie aus Art. 5 1.
Unterabsatz Nr. 4 der Verordnung (EWG) der Kommission Nr. 1371/84 in der Fassung der
Verordnung (EWG) Nr. 1043/85 abzuleitende Pächterschutz bei der Rückgewähr eines
ganzen Betriebes ergebe sich jedenfalls aber aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr.
3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992. Das dort aufgeführte Tatbestandsmerkmal
"unter besonderer Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten" könne nur
dahingehend verstanden werden, daß den Pächtern in angemessener Weise
Pächterschutz eingeräumt werden müsse. Die hiernach vorzunehmende analoge
Anwendung des § 7 Abs. 4 Milch- Garantiemengen-Verordnung (MGV) führe dazu, daß auf
die Beigeladene lediglich eine Referenzmenge von 56.850 kg (2.500 kg/ha x 22,74 ha)
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übergehen könne.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
die Bescheinigung des Beklagten vom 7. Januar 1995 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. März 1995 insoweit aufzuheben, als darin zugunsten der
Beigeladenen der Übergang einer Referenzmenge von mehr als 56.850 kg bescheinigt
worden ist.
Der Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben geltend gemacht, dem Pächter stehe bei der Rückgewähr eines ganzen
Betriebes Pächterschutz nicht zur Seite. Dies habe das Bundesverwaltungsgericht
mehrfach ausgesprochen.
Durch den angefochtenen Gerichtsbescheid, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug
genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seine Rechtsauffassung,
daß zu den im Falle der Beendigung eines Pachtverhältnisses nach Art. 7 Abs. 2 der
Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 von den Mitgliedstaaten bei der Verteilung der verfügbaren
Referenzmengen zu berücksichtigenden berechtigten Interessen der Beteiligten auch das
Eigentumsrecht des Verpächters an der von ihm erwirtschafteten Referenzmenge gehöre.
Die völlige Nichtberücksichtigung der berechtigten Interessen des Pächters durch den
deutschen Verordnungsgeber in Fällen der Betriebspacht durch Nichtgewährung von
Pächterschutz stelle einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92
dar.
Die landwirtschaftliche Nutzfläche beider von ihm bewirtschafteten Höfe habe im Erntejahr
1993 zusammen 77,1613 ha betragen. Zuzurechnen seien die Flächen der beiden
Hofstellen (B. = 0,9 ha; Hübers = 0,9579 ha). Seine Anlieferungs-Referenzmenge für beide
Betriebe zum Stichtag 31. Oktober 1993 belaufe sich auf 856.557 kg.
Nachdem der Beklagte durch zu Protokoll abgegebene Erklärung vom 19. Januar 1999 die
Bescheinigung vom 7. Januar 1995 dahin abgeändert hat, daß die Wirkungen des
Referenmengenübergangs erst am 25. November 1994 eintreten,
beantragt der Kläger,
den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und die Bescheinigung des Beklagten
vom 7. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1995 und
der Erklärung des Beklagten vom 19. Januar 1999 aufzuheben, soweit darin zu Gunsten
der Beigeladenen der Übergang einer Referenzmenge von mehr als 56.850 kg bescheinigt
worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, bei Ausstellung der Bescheinigung sei er davon ausgegangen, daß der Sohn
N. B. den Pachtbetrieb selbständig geführt habe. Dazu habe beigetragen, daß dem Sohn
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N. B. 1985 für den Pachtbetrieb eine Zielmenge von 405.270 kg bescheinigt worden sei
und beide Betriebe unter verschiedenen Liefernummern an verschiedene Molkereien Milch
geliefert hätten. Inzwischen habe er festgestellt, daß der Pachtbetrieb in K. bei der Molkerei
seit 1989 nicht mehr unter dem Namen "N. B. ", sondern "F. B. " geführt werde. Seit der
Fusion beider Molkereien würden beide Referenzmengen seit 1992 nur noch für den
Kläger geführt. In der Gesamtreferenzmenge sei auch eine Zusatz-Referenzmenge auf
Grund des Feuchtwiesen-Programms in Höhe von 30.300 kg enthalten.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt den Rechtsausführungen des Klägers zum Pächterschutz entgegen und macht
geltend, der Betriebspächter müsse - bevor er Investitionen in den Pachtbetrieb tätige -
abschätzen, ob diese sich in der vereinbarten Pachtzeit amortisieren ließen. Im übrigen
gelte bezüglich der Berücksichtigung der wertverbessernden Verwendungen auf die
Pachtsache § 591 BGB. Ihr Vertragspartner und Betriebspächter sei ausschließlich der
Kläger gewesen, nicht dessen Sohn. Dieser habe nur für den Vater den Betrieb verwaltet,
sei jedoch nicht Betriebsinhaber geworden. Dementsprechend sei der Kläger als alleiniger
Besitzer zur Herausgabe des Hofes verurteilt worden. Rechne man demgemäß die Flächen
und die Referenzmengen beider Höfe zusammen, ergebe sich, daß auf sie mit der
Rückgabe des Pachtbetriebes eine größere Referenzmenge übergegangen sei als bisher
bescheinigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im einzelnen wird
auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Die angefochtene Bescheinigung vom 7. Januar 1995 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. März 1995 und der Erklärung des Beklagten vom 19.
Januar 1999 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 VwGO), als darin zu Lasten des Klägers der Übergang einer Referenzmenge von
mehr als 144.833 kg Milch angegeben ist. Die Bescheinigung im übrigen - soweit sie sich
auf den Kläger bezieht - ist rechtmäßig. Soweit sie sich auf den Sohn N. des Klägers
bezieht, ist der Kläger durch ihren Inhalt nicht in seinen Rechten verletzt.
Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, welche Referenzmenge bei der Rückgewähr von
Pachtflächen vom Pächter (hier: dem Kläger) auf den Verpächter (hier: die Beigeladene)
übergeht, ist das im Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe geltende objektive Recht (hier:
25. November 1994).
Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. September 1994 - 3 C 1.92 -, AgrarR 1994, 401.
Damals galten auf EG-Ebene Art. 7 VO (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember
1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor sowie Art. 9 der VO (EWG) Nr.
536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur
Zusatzabgabe im Milchsektor mit Verweis auf die aufgehobene VO (EWG) Nr. 1546/88 der
Kommission und auf nationaler Ebene die MGV in der Neufassung vom 21. März 1994,
BGBl. I S. 586, mit Änderung durch die 32. Verordnung zur Änderung der MGV vom 26.
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September 1994, BGBl. I S. 2575.
Nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 wird die Referenzmenge eines
Betriebs bei Verkauf, Verpachtung oder Vererbung nach Bedingungen, die von den
Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der für die Milcherzeugung verwendeten Flächen
oder nach anderen objektiven Kriterien und ggf. einer Vereinbarungen zwischen den
Parteien festgelegt werden, mit dem Betrieb auf die Erzeuger übertragen, die den Betrieb
übernehmen. Nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 gelten die gleichen
Bestimmungen für sonstige Fälle von Übertragungen mit vergleichbaren rechtlichen Folgen
für die Erzeuger. Zu diesen Fällen von Übertragungen mit vergleichbaren rechtlichen
Folgen für die Erzeuger zählen auch die Fälle der Rückgabe von Pachtsachen. Für diese
Fälle gilt darüber hinaus die Sonderbestimmung des Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92.
Danach werden, wenn bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge eine
Verlängerung zu gleichartigen Bedingungen nicht möglich ist oder ein rechtlich
gleichgelagerter Fall vorliegt und zwischen den Beteiligten keine Vereinbarung getroffen
wurde, die verfügbaren Referenzmengen der betreffenden Betriebe nach den von den
Mitgliedstaaten festgelegten oder festzulegenden Bestimmungen unter Berücksichtigung
der berechtigten Interessen der Beteiligten ganz oder teilweise auf die Erzeuger
übertragen, die sie übernehmen.
In Ausfüllung dieser Ermächtigungen hat der nationale Verordnungsgeber in § 7 MGV in
der Fassung der 32. Änderungsverordnung ein komplexes Geflecht von Bestimmungen
erlassen, die den Übergang von Referenzmengen im Falle des Verkaufs, der Verpachtung
und der Vererbung regeln. § 7 Abs. 2 a MGV sieht den Übergang von Referenzmengen
aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten vor. § 7 Abs. 1 MGV regelt den
Übergang für den Fall, daß ein gesamter Betrieb aufgrund eines Kauf- oder Pachtvertrages
übergeben, überlassen oder zurückgewährt wird. Die Abs. 2, 4 und 5 befassen sich mit
dem Übergang von Referenzmengen für den Fall, daß Teile eines Betriebes aufgrund
eines Kaufvertrages oder Pachtvertrages übergeben oder überlassen werden oder daß
Teile eines Betriebes aufgrund eines auslaufenden Pachtvertrages zurückgewährt werden
(Abs. 4 und 5). Nach § 7 Abs. 5 MGV geht bei Neupachtverträgen, die sich auf Teile eines
Betriebes beziehen, im Falle der Rückgewähr in der Regel die Referenzmenge über, deren
Übergang bei der Überlassung der Pachtsache bescheinigt worden ist. Bei
Altpachtverträgen, die sich auf Teile eines Betriebes beziehen, wird nach Maßgabe des § 7
Abs. 4 MGV unter bestimmten Voraussetzungen Pächterschutz gewährt. Bei
Pachtverträgen, die sich auf einen gesamten Betrieb beziehen, wird - unabhängig davon,
ob es sich um Neu- oder Altpachtverträge handelt - nach § 7 Abs. 1 MGV im Fall der
Rückgewähr kein Pächterschutz gewährt, es geht jeweils die dem Betrieb entsprechende
Referenzmenge auf den Verpächter über.
Diese unterschiedliche Regelung der Rückgewährfälle ist mit höherrangigem Recht,
namentlich mit Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 vereinbar. Insbesondere hat der
deutsche Verordnungsgeber durch diese Regelung die berechtigten Interessen der
Beteiligten bei generalisierender Betrachtungsweise hinreichend berücksichtigt.
Der Regelung der Rückgewähr bei Neupachtverträgen liegt erkennbar die sachgerechte
Erwägung zugrunde, daß jeder, der unter Geltung der Milchquotenregelung einen
Pachtvertrag geschlossen hat, dasjenige zurückerhalten soll, was bei Abschluß des
Pachtvertrages auf den Vertragspartner übergegangen ist, sofern die Parteien nichts
Abweichendes vereinbart haben oder nachträglich vereinbaren.
Die unterschiedliche Regelung bei Altpachtverträgen, einerseits Pächterschutz bei
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Pachtverträgen bezüglich Teilen von Betrieben, andererseits kein Pächterschutz bei
Altpachtverträgen, die sich auf ganze Betriebe beziehen, ist ebenfalls durch sachgerechte
Erwägungen gedeckt. Sie ergeben sich aus relevanten Unterschieden in der Sache selbst.
Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits zu den bis 31. März 1993 geltenden
Pachtschutzbestimmungen in Rückgewährfällen ausgeführt hat, liegt der Beschränkung
des Pächterschutzes auf die Stücklandpacht das strukturpolitische Anliegen zugrunde, dem
Hof als einer selbständigen Produktionseinheit die Eignung als wirtschaftliche
Lebensgrundlage eines Landwirts zu erhalten. Dabei handelt es sich um eine
nachvollziehbare Regelung, die nicht allein das Interesse der Verpächter verfolgt, sondern
auch das Interesse künftiger Pächter im Auge hat, bewirtschaftungsfähige
Betriebseinheiten vorzufinden und anpachten zu können.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1992 - 3 C 29.90 -, AgrarR 1993, 183; Urteil vom
16. September 1993 - 3 C 37.92 -, AgrarR 1994, 136; Urteil vom 15. November 1990 - 3 C
42.88 -, BVerwGE 87, 94; Urteil vom 24. März 1994 - 3 C 5.93 -, RdL 1995, 137; Beschluß
vom 12. Dezember 1994 - 3 B 46.94 -; Beschluß vom 17. Mai 1995 - 3 B 34.95 -, AgrarR
1995, 350.
Soweit der Kläger meint, durch diese Regelung würden eigentumsrechtlich relevante
Positionen des Pächters verletzt, und sich insoweit auf das "Wachauf"-Urteil des EuGH
vom 13. Juli 1989 - Rs 5/88 -, Agrarrecht 1990, 118, beruft, verkennt er, daß der EuGH
zwischen eigentumsrechtlich relevanten Investitionen in den Pachtbetrieb und dem
Innehaben von Vorteilen, die sich aus der Quotenregelung und dem Besitz der daraus
erwachsenden Quote ergeben, unterscheidet. Der EuGH sieht Vorteile wie die
Referenzmenge, die im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation zugeteilt werden,
nicht als ein Recht an, das aus dem Eigentum oder der Berufstätigkeit fließt.
Vgl. EuGH, Urteil vom 22. Oktober 1991, - Rs C 44/89 -, AgrarR 1991, 306; Urteil vom 24.
März 1994 - Rs C-2/92 -, RdL 1995, 186; Urteil vom 9. November 1995 - Rs C-38/94 -,
Sammlung 1995 I- 3875.
Soweit es um den möglichen Investitionsschutz für Investitionen in den Pachtbetrieb geht,
wird dieser durch das deutsche Landpachtrecht gewährleistet (vgl. § 591 BGB). Im übrigen
ist es Sache des jeweiligen Pächters, bei Abschluß des Pachtvertrages darauf zu achten,
daß die Laufzeit des Pachtvertrages lang genug ist, damit die von ihm beabsichtigten
Investitionen sich rentieren und amortisieren. Im vorliegenden Fall stand dem Kläger der
Pachtbetrieb die volle Vertragszeit zur Verfügung.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind hier gemäß § 7 Abs. 1 MGV im Zeitpunkt der
tatsächlichen Rückgabe des 22,74 ha großen Pachthofes am 25. November 1994, dessen
Gesamtfläche seitens des Klägers für die Milcherzeugung genutzt worden ist, 144.833 kg
Referenzmenge vom Kläger auf die Beigeladene übergegangen.
Der Pachthof ist ein ganzer Betrieb im Sinne von § 7 Abs. 1 MGV. Denn er ist eine
funktional selbständige Produktionseinheit, bestehend aus landwirtschaftlichen
Betriebsgebäuden und landwirtschaftlichen Betriebsflächen, die ein selbständiges
Bewirtschaften von der Betriebsstätte aus zulassen.
Vgl. zum Betriebsbegriff der MGV: BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1992 - 3 C 29.90 -,
a.a.O.; Urteil vom 16. September 1993 - 3 C 37.92 -, a.a.O.
An diesem Betriebsverständnis hat sich durch die Änderung des § 7 MGV durch die 27.
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Änderungsverordnung vom 24. März 1993, BGBl. I S. 374, durch die der nationale
Verordnungsgeber die Vorgaben der VO (EWG) Nr. 3950/92 umgesetzt hat, nichts
geändert.
Dieser vom Kläger an die Beigeladene zum 25. November 1994 zurückgegebene
Pachtbetrieb stand in der ausschließlichen Nutzung des Klägers, nicht in der Nutzung des
Sohnes N. B. oder einer Gesellschaft, bestehend aus Vater und Sohn. Der Sohn N. B. war
lediglich Verwalter des Hofes ohne eigenes Besitzrecht. Dies ergibt sich eindeutig aus den
Erklärungen des Klägers im vorliegenden Verfahren und in den verschiedenen
Pachtrechtsstreitigkeiten sowie aus den Angaben des Sohnes des Klägers in dem
Räumungsrechtsstreit mit der Beigeladenen (AG K. 6 Lw 55/94, Urteil vom 19. Oktober
1994) und anläßlich der Beantragung einer Zielmenge, wonach der seitens des Klägers
gepachtete Hof Hübers steuerlich weiter für den Vater (= Kläger) geführt werde.
Die diesem Betrieb entsprechende Referenzmenge richtet sich gemäß Art. 7 Abs. 1
Unterabs. 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 i.V.m. Art. 9 Unterabs. 2 VO (EWG) Nr. 536/93 der
Kommission i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Nr. 2 VO (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission nach dem
Verhältnis, in dem die diesem Pachthof zuzurechnenden, zur Milcherzeugung verwendeten
Flächen zur gesamten zur Milcherzeugung verwendeten Fläche des Gesamtbetriebs des
Klägers im EG-rechtlichen Sinne, d.h. im Sinne von Art. 9 Buchstabe d VO (EWG) Nr.
3950/92, stehen. Der Gesamtbetrieb des Klägers im Sinne von Art. 9 Buchstabe d VO
(EWG) Nr. 3950/92 umfaßte den Pachtbetrieb H. und die sonstigen Eigentums- und
Pachtflächen des Klägers im Zeitpunkt kurz vor Rückgabe der Pachtsache (25. November
1994).
Die Gesamtmilcherzeugungsfläche des Gesamtbetriebs des Klägers betrug zum Zeitpunkt
kurz vor Rückgabe der Pachtsache (25. November 1994) 79,0098 ha. Wie sich aus dem
vom Kläger überreichten Flächenverzeichnis ergibt, bewirtschaftete der Kläger damals zur
Milcherzeugung genutzte landwirtschaftliche Nutzflächen in Größe von 77,1613 ha.
Hinzuzurechnen ist die Fläche der Betriebsstätte B. , deren Größe der Kläger mit 0,9 ha
angegeben hat und die ebenfalls der betrieblichen Milcherzeugung gedient hat. Von der
katastermäßig 0,9579 ha großen Fläche der Betriebsstätte H. haben jedoch nur 0,9579 ha -
0,0094 ha = 0,9485 ha der Milcherzeugung gedient, weil der Kläger nicht die gesamte
Hofstelle, sondern insgesamt nur 22,74 ha gepachtet hatte.
Entgegen der Annahme aller Beteiligten stand dem Kläger für seinen Gesamtbetrieb zum
Zeitpunkt 25. November 1994 nur eine ihm erteilte und bescheinigte Referenzmenge von
503.221 kg zu. Die dem Sohn N. B. aufgrund der Zuteilung einer Zielmenge von 405.270
kg zuletzt zustehende Referenzmenge ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Ein
Übertragungstatbestand, durch den vor dem 25. November 1994 vom Sohn N. B. eine
Referenzmenge auf den Kläger übergegangen sein könnte, ist von keiner Seite
vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Auch ist eine Übertragungsbescheinigung
im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 MGV, die gemäß § 9 Abs. 3 und Abs. 5 MGV notwendige
Voraussetzung für die Zurechnung einer zusätzlichen Referenzmenge (infolge Übergangs
vom Sohn) beim Kläger wäre, bisher seitens des Beklagten unstreitig nicht ausgestellt. Aus
welchen Gründen die Molkerei ab 27. November 1992 die rechtlich jeweils einer anderen
Person zugeordneten Referenzmengen zusammengerechnet und dem Kläger die
Milchanlieferung auf die Gesamtmenge gestattet hat, ist für den Senat unerfindlich. Diese
tatsächliche Handhabung der Molkerei vermag einen rechtlichen Übergang auf den Kläger
nicht zu bewirken. Die dem Kläger auf Grund dieser unzulässigen Zusammenrechnung
später ausgestellten Mitteilungen der Molkerei, die zugunsten des Klägers eine höhere
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Referenzmenge ausweisen, als dem Kläger tatsächlich zusteht, sind für den allgemeinen
Rechtsverkehr ohne Bindungswirkung. Sie betreffen allenfalls das Abrechnungsverhältnis
zur Molkerei.
Danach errechnet sich die vom Kläger auf die Beigeladene zum 25. November 1994
übergegangene Referenzmenge wie folgt: 503.221 kg x 22,74 ha : 79,0098 ha = 144.833
kg.
Soweit die Übertragungsbescheinigung zu Lasten des Klägers eine höhere übergangene
Referenzmenge ausweist, ist die Bescheinigung rechtswidrig und aufzuheben.
Soweit der Beklagte in der Bescheinigung zugleich verlautbart hat, daß auch vom Sohn N.
des Klägers eine Referenzmenge von 239.275 kg auf die Beigeladene übergegangen ist,
obwohl der Sohn des Klägers nicht Pächter des Hofes der Beigeladenen war und keine
Pachtflächen an die Beigeladenen zurückgegeben hat, dürfte dieser Restteil der
Bescheinigung gegenstandslos sein. Jedenfalls ist der Kläger durch diesen Teil der
Bescheinigung nicht in seinen Rechten verletzt. Ihm steht weder rechtlich noch verbindlich
verlautbart durch eine feststellende Bescheinigung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 MGV die
seinem Sohn zuzurechnende Referenzmenge zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO und berücksichtigt das
Maß des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens. Da die Beigeladene Anträge
gestellt und sich einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, erscheint es billig, die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen, soweit dieser
unterlegen ist. Hinsichtlich der übrigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
erscheint es nicht billig, sie dem Beklagten oder der Staatskasse aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht
gegeben sind.