Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 03.02.1999

OVG NRW (der rat, bebauungsplan, planung, anlage, antrag, gemeinde, ziel, satzung, genehmigung, grundstück)

Oberverwaltungsgericht NRW, 10A B 2353/98.NE
Datum:
03.02.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10a Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10A B 2353/98.NE
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 50.000,- DM festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Im S. 20 in L. . Das Grundstück
liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans G 152 "S. " der Antragsgegnerin. Der im
Mai 1982 in Kraft gesetzte Bebauungsplan setzt mehrere Gewerbegebiete und mehrere
Industriegebiete fest, seit seiner 2. Änderung ferner ein Sondergebiet für großflächige
Handelsbetriebe. Für die Gewerbegebiete und die Industriegebiete gelten jeweils
Festsetzungen, nach denen bestimmte Anlagen nicht zulässig sind. Die nicht
zugelassenen Anlagen sind durch Bezugnahme auf die Abstandsliste zum Runderlaß
des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 25. Juli 1974 bestimmt.
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Das Grundstück der Antragstellerin liegt in einem Industriegebiet, für das der
Bebauungsplan Anlagen nach den Nrn. 1 bis 87 der Abstandsliste ausschließt.
Aufgrund einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 5. Mai 1988 errichtete
die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin auf dem Grundstück eine Anlage, in der durch
Verbrennen in Gießereien verbrauchte Altsande und Mineralstoffe von Bindemitteln und
Zusätzen gereinigt und wieder verwendbar gemacht werden. Die ursprüngliche
Genehmigung erlaubte den Einsatz von Altsanden und Kernbruch aus Gießereien.
Durch Bescheid vom 4. April 1996 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin
auch der Einsatz von Strahlmittelrückständen und durch Bescheid vom 1. Juli 1996 der
Einsatz von Feinsanden und Stäuben erlaubt. Die Rechtsvorgängerin der
Antragstellerin beantragte im Mai 1998 eine weitere immissionsschutzrechtliche
Genehmigung. Gegenstand des Antrags ist neben der Errichtung einer neuen
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Lagerhalle und einer Abgasreinigungsanlage der Einsatz weiterer Stoffe, insbesondere
von Sandfangrückständen, Öl- und Benzinabscheiderinhalten, Schlämmen aus
industrieller Abwasserreinigung, verbrauchten Filter- und Aufsaugmassen mit
schädlichen Verunreinigungen und anderen. Derzeit ruht der Betrieb der Anlage.
Die Antragsgegnerin erhob im immissionsschutzrechtlichen Verfahren Einwendungen
gegen das Vorhaben der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin.
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Der Rat der Antragsgegnerin beschloß in seiner Sitzung vom 1. Oktober 1998 die
Aufstellung einer dritten Änderung des Bebauungsplans G 152 "S. ". In der
Beschlußvorlage heißt es zur Begründung: Auslöser der vorgeschlagenen Änderung
des Bebauungsplans sei das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren. Ziel
der Änderung sei es, im Zusammenspiel mit einer zu erlassenden Veränderungssperre
ein planerisches Gesamtkonzept zu entwickeln, das eine sachgerechte Einbindung der
beabsichtigten Nutzungen in die Umgebung gewährleiste. In Zukunft sollten Anlagen
ausgeschlossen bleiben, die nicht dem Nutzungskonzept des Entwicklungsgebietes
entsprächen. Insbesondere solle der Bebauungsplan auf den neuen Abstanderlaß 1998
umgestellt werden.
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Ebenfalls in seiner Sitzung vom 1. Oktober 1998 beschloß der Rat der Antragsgegnerin
eine Veränderungssperre für das Gebiet der 3. Änderung des Bebauungsplans G 152
"S. ".
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Der Aufstellungsbeschluß und die Satzung über die Anordnung einer
Veränderungssperre wurden im Amtsblatt des Kreises L. vom 12. Oktober 1998
öffentlich bekannt gemacht.
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Die Antragstellerin beantragte im Genehmigungsverfahren nach dem
Bundesimmissionsschutzgesetz bei der Bezirksregierung D. für ihr Vorhaben eine
Ausnahme von der Veränderungssperre. Die Antragsgegnerin versagte ihr
gemeindliches Einvernehmen mit dieser Ausnahme.
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Die Antragstellerin reichte gegen die Veränderungssperre einen Normenkontrollantrag
ein (Verfahren 10a D 161/98.NE). Sie machte geltend: Die Veränderungssperre sei
nichtig. Die Antragsgegnerin verfüge nicht über ein hinreichend gesichertes
Planungskonzept, das durch die Veränderungssperre gesichert werden könnte. Es gehe
ihr nicht um die Sicherung ihrer Planung, sondern allein darum, ihr - der Antragstellerin -
Vorhaben zu verhindern.
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Die Antragstellerin hat ferner um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie macht
geltend: Mittelfristig stehe der Fortbestand der Anlage auf dem Spiel. Für ihren
wirtschaftlichen Weiterbetrieb sei es zwingend erforderlich, die Palette zulässiger
Einsatzstoffe zu erweitern. Sie und ihre Rechtsvorgängerin hätten bereits im Vorfeld
erhebliche Summen, allein an externen Kosten mehr als 1,1 Mio DM ausgegeben.
Diese Aufwendungen könnten durch die Veränderungssperre entwertet werden. Werde
die Änderung der Anlage um drei oder gar vier Jahre verzögert, wären wegen des
technischen Fortschritts möglicherweise weitere teure Änderungen erforderlich, ohne
daß diese durch den Betrieb der Anlage zumindest teilweise finanziert werden könnten.
Über ihren immissionsschutzrechtlichen Antrag müsse innerhalb sechs Monaten
entschieden werden. Die Frist könne um drei Monate verlängert werden. Werde die
Veränderungssperre bis dahin nicht suspendiert oder aufgehoben, werde die
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Bezirksregierung den Antrag zurückweisen. Auf die Möglichkeit einer Ausnahme von
der Veränderungssperre könne sie nicht verwiesen werden. Eine Ausnahme scheitere
schon an dem fehlenden gemeindlichen Einvernehmen der Antragsgegnerin. Eine
Klage auf Erteilung der Genehmigung werde erfahrungsgemäß eine derart lange Zeit in
Anspruch nehmen, daß ihre Aufwendungen im Zusammenhang mit dem
Genehmigungsverfahren infolge der Zeitverzögerung wegen der zu erwartenden
technischen Entwicklungen mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig entwertet wären.
Die Antragstellerin beantragt,
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die Satzung der Antragsgegnerin vom 2. Oktober 1998 über die Anordnung einer
Veränderungssperre für den Bereich der 3. Änderung des Bebauungsplans G 152 "S. "
der Stadt L. , Ortsteil H. , amtlich bekannt gemacht am 12. Oktober 1998, durch Erlaß
einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über ihren Normenkontrollantrag
außer Vollzug zu setzen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie macht geltend: Die Veränderungssperre sei wirksam. Der Planungsbedarf sei durch
den immissionsschutzrechtlichen Antrag der Antragstellerin aktuell geworden. Ziel der
Planänderung sei es, unter Wahrung des Bestandsschutzes und des bisherigen
Gebietscharakters den Bebauungsplan auf aktuelle planerische Erkenntnisse
umzustellen, wie sie sich auch aus dem Abstandserlaß 1998 und der neuen
Baunutzungsverordnung ergäben. Auch die Verhinderung einer städtebaulich nicht
gewünschten Entwicklung könne ein zulässiges planerisches Ziel sein. Die
Vorstellungen der Antragsgegnerin seien hinreichend konkret.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Verfahrensakte, der Verfahrensakte 10a D 161/98.NE und der
Aufstellungsvorgänge der Antragsgegnerin zur Änderung des Bebauungsplans G 152
und zur Veränderungssperre (1 Heft).
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II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Der Antrag ist allerdings zulässig.
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Die Antragstellerin kann geltend machen, durch die streitige Veränderungssperre in
ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO). Sie ist Eigentümerin eines Grundstücks im Geltungsbereich der
streitigen Veränderungssperre, die Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB entgegensteht.
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Die Antragstellerin hat das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Hierfür kommt es nicht
darauf an, ob die beabsichtigte Änderung der Anlage auf dem Grundstück der
Antragstellerin auch bauplanungsrechtlich die Genehmigungsfrage erneut aufwirft, weil
mit der Änderung der Anlage die Bandbreite der bestandskräftig genehmigten Nutzung
durch den Einsatz weiterer Stoffe verlassen wird und es sich deshalb auch
bauplanungsrechtlich um eine Nutzungsänderung, und damit um ein Vorhaben im
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Sinne des § 29 BauGB, handelt. Die Antragsgegnerin hat die Veränderungssperre
gerade mit Blick auf die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Änderung der Anlage
erlassen. Sie beruft sich auch jetzt noch darauf, die Veränderungssperre stehe
bauplanungsrechtlich der beabsichtigten Änderung der Anlage entgegen und sei in dem
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beachten. Sie hat ihr
gemeindliches Einvernehmen mit einer Ausnahme von der Veränderungssperre versagt
(§ 14 Abs. 2 Satz 2, § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Das Rechtsschutzinteresse fehlt der
Antragstellerin nicht deshalb, weil sie gegen eine evtl. Versagung der
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Rechtsmittel einlegen könnte. Dadurch wird
die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, im Normenkontrollverfahren den dort
vorgesehenen vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Es ist weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch
aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten (§ 47 Abs. 6 VwGO), die Satzung
über die Veränderungssperre für den Bereich der 3. Änderung des Bebauungsplans G
152 "S. " der Antragsgegnerin außer Vollzug zu setzen.
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Eine einstweilige Anordnung im Normenkontrollverfahren nimmt jedenfalls zeitweise die
begehrte Entscheidung in der Hauptsache vorweg. Die streitige Rechtsnorm darf ganz
oder teilweise zu Lasten der Allgemeinheit oder der von ihr konkret Begünstigten nicht
mehr angewendet werden. Dies ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen
gerechtfertigt. Sie müssen den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gleichsam
unabweisbar machen. Dafür werden im Regelfall die Gründe, die für die Nichtigkeit oder
Unwirksamkeit der Norm vorgebracht werden, nur dann untersucht, wenn sich der
Antrag in der Hauptsache bereits als offensichtlich erfolgreich erweist.
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Die Satzung über die streitige Veränderungssperre ist nicht offensichtlich nichtig. Im
Gegenteil spricht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats alles für die
Wirksamkeit dieser Satzung.
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Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde zur Sicherung ihrer Planung für
den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen, wenn ein Beschluß
über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefaßt ist. Dasselbe gilt in den Fällen, in
denen die Gemeinde den Beschluß gefaßt hat, einen Bebauungsplan zu ändern (§ 2
Abs. 4 BauGB).
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Ein solcher Aufstellungsbeschluß liegt hier vor. Der Rat der Antragsgegnerin hat die
Aufstellung einer 3. Änderung des Bebauungsplans G 152 beschlossen. Der
Aufstellungsbeschluß ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB ortsüblich bekannt gemacht.
Für die Veränderungssperre reicht aus, daß Aufstellungsbeschluß und
Satzungsbeschluß für die Veränderungssperre gleichzeitig gefaßt und gleichzeitig
öffentlich bekannt gemacht werden, wie das hier der Fall war,
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vgl. OVG NW, Urteil vom 30. November 1998 - 7a D 138/97.NE -.
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Die streitige Veränderungssperre dient zur Sicherung der Planung für den künftigen
Planbereich. Zwar verlangt § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB noch nicht, daß der
Aufstellungsbeschluß bereits Aussagen über den Inhalt der beabsichtigten Planung trifft.
Die Veränderungssperre als Mittel zur Sicherung künftiger Planung setzt aber nicht nur
voraus, daß der Bereich der Planung räumlich fixiert ist. Die Planung muß vielmehr
auch inhaltlich einen Stand erreicht haben, der ein Mindestmaß dessen erkennen läßt,
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was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll,
ständige Rechtsprechung seit Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. September
1976 - IV C 39.74 - BRS 30 Nr. 76; vgl. beispielsweise auch Bundesverwaltungsgericht,
Beschluß vom 27. Juli 1990 - 4 B 156.89 - BRS 50 Nr. 101.
30
Ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept kann aber nicht gefordert werden.
Der Sinn der Veränderungssperre ist es gerade, vorhandene planerische Ziele zu
sichern und deren weitere Entwicklung zu ermöglichen,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 21. Dezember 1993 - 4 NB 40.93 - BRS
55 Nr. 95.
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Die Planungsabsichten müssen bereits im Zeitpunkt des Erlasses der
Veränderungssperre über den bloßen Aufstellungsbeschluß hinaus hinreichend
konkretisiert und fixiert sein. Die Planabsichten können sich etwa aus den Vorlagen für
die Beschlußgremien oder einen Begründungsentwurf für die Satzung ergeben. Eine
nachträgliche Konkretisierung der Planung reicht jedoch nicht aus,
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vgl. OVG NW, Urteil vom 30. November 1998 - 7a D 138/97.NE -; OVG Berlin, Urteil vom
2. Dezember 1988 - 2 A 3.87 - BRS 49 Nr. 111.
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Die Antragsgegnerin verfolgte im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses hinreichend
konkretisierte Planungsziele für den Bereich der Veränderungssperre. Sie waren in der
Vorlage für die Sitzung des Rates niedergelegt. Danach geht es bei der beabsichtigten
Änderung des Bebauungsplans darum, künftige Nutzungen sachgerecht in die
Umgebung einzubinden und Anlagen auszuschließen, die nicht dem Nutzungskonzept
des Plangebiets entsprechen. Dafür soll der Bebauungsplan insbesondere auf den
neuen Abstandserlaß 1998 umgestellt werden.
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Unter den hier obwaltenden Umständen ist damit der künftige Planinhalt in dem
Mindestmaß konkretisiert, das für den Erlaß einer Veränderungssperre erforderlich ist.
Die streitige Veränderungssperre sichert die Änderung eines Bebauungsplans. Wie sich
aus dem Aufstellungsvorgang insgesamt ergibt, stand für die Antragsgegnerin von
vornherein fest, daß die Art der baulichen Nutzung nicht geändert werden sollte. Es
sollte bei den festgesetzten Gewerbegebieten und den festgesetzten Industriegebieten
bleiben. Die Gewerbegebiete und die Industriegebiete waren im Bebauungsplan bereits
gegliedert, und zwar nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen
Bedürfnissen und Eigenschaften (§ 1 Abs. 4 BauNVO). Die Antragsgegnerin hatte diese
Gliederung durch Ausschluß bestimmter Anlagen in den einzelnen Baugebieten
bewirkt. Hierfür hatte sie auf den seinerzeit geltenden Abstanderlaß zurückgegriffen.
Auch hieran soll sich im Grundsatz nichts ändern. Mit der Änderung des
Bebauungsplans will sich die Antragsgegnerin auf der Grundlage des bestehenden
Bebauungsplans und dessen Konzept die Erkenntnisse zu nutze machen, die in den
neu gefaßten Abstandserlaß eingegangen sind. Ihre Planungsabsichten sind damit
hinreichend konkret. Das gilt zumal, wenn der Anlaß mit in den Blick genommen wird,
der den Aufstellungsbeschluß ausgelöst hat. Ausgelöst wurde der Aufstellungsbeschluß
durch das immissionsschutzrechtliche Vorhaben der Antragstellerin. Für die
Antragsgegnerin war zweifelhaft, ob die geänderte Anlage planungsrechtlich zulässig
ist. Der Bebauungsplan schließt zum einen Anlagen aus, die durch Bezugnahme auf
bestimmte Abschnitte des Abstanderlasses ausdrücklich bezeichnet waren. Er schließt
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aber daneben auch solche Anlagen aus, die den ausdrücklich benannten Anlagen nur
vergleichbar oder ähnlich sind. Die Überarbeitung des Bebauungsplans dient vor
diesem Hintergrund gerade auch dazu, mit Hilfe des neu gefaßten Abstandserlasses die
planerische Gliederung besser und genauer zum Ausdruck zu bringen, die bereits mit
dem ursprünglichen Plan gewollt war. Die Antragsgegnerin will ersichtlich verhindern,
daß ihr ursprüngliches Plankonzept durch die Zulassung von Anlagen neuen Typs
unterlaufen wird, die sich dem Abstandserlaß alter Fassung schwer zuordnen lassen.
Vor diesem Hintergrund läßt sich der Antragsgegnerin nicht vorwerfen, sie habe die
Veränderungssperre allein mit dem Ziel beschlossen, ein bestimmtes Vorhaben zu
verhindern, nämlich die beabsichtigte Änderung der Anlage auf dem Grundstück der
Antragstellerin.
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Allerdings genügt für die Veränderungssperre nicht allein das Ziel, ein bestimmtes
Vorhaben zu verhindern. Die Gemeinde muß vielmehr bereits positive planerische
Vorstellungen entwickelt haben,
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Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 5. Februar 1990 - 4 B 191.89 - BRS 50 Nr.
103.
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Verfolgt die Gemeinde ein derartiges planerisches Konzept, das durch die
Verwirklichung einzelner Bauwünsche unterlaufen zu werden droht, kann sie
andererseits gerade derartige Bauwünsche zum Anlaß nehmen, eine
Veränderungssperre zu erlassen, die diese Bauwünsche (für die Dauer der
Veränderungssperre) verhindert und so das Ergebnis der Planung offenhält. Sofern
positive planerische Vorstellungen der Gemeinde bestehen, kann nicht beanstandet
werden, daß die Gemeinde die Veränderungssperre gezielt einsetzt, um mit diesem
Konzept möglicherweise nicht vereinbare Bauvorhaben vorerst zu verhindern.
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Die Antragsgegnerin verfolgt mit der Änderung des Bebauungsplans derartige positive
planerische Vorstellungen. Sie ergeben sich letztlich bereits aus dem ursprünglichen
Bebauungsplan. Die dort vorgesehene Gliederung der Gewerbegebiete und
Industriegebiete soll durch die Änderung des Bebauungsplans einerseits verdeutlicht,
andererseits den inzwischen gewandelten Erkenntnissen über die Auswirkungen
bestimmter Anlagen auf ihre Nachbarschaft angepaßt werden.
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Die Wirksamkeit einer Veränderungssperre hängt nicht darüber hinaus davon ab, ob der
noch nicht beschlossene Bebauungsplan oder dessen Änderung in seinen einzelnen
Festsetzungen von einer ordnungsgemäßen und gerechten Abwägung aller betroffenen
Belange (§ 1 Abs. 6 BauGB) getragen sein wird. Es kommt nur darauf an, ob die
beabsichtigte Planung überhaupt auf ein Ziel gerichtet ist, das im konkreten Fall mit den
Mitteln der Bauleitplanung zulässigerweise erreicht werden kann. Die Wirksamkeit der
Veränderungssperre kann nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die
für den Bebauungsplan erst in einem späteren Stadium des Planaufstellungsverfahrens
vorliegen müssen,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 21. Dezember 1993 - 4 NB 40.93 - BRS
55 Nr. 95.
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Die Planung der Antragsgegnerin ist nicht von vornherein in diesem Sinne unzulässig.
Zwar ist der Bebauungsplan, den die Antragsgegnerin ändern möchte, weitgehend
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durch Gewerbe- und Industriebetriebe ausgenutzt. Für allfällige Nutzungsänderungen
kann aber eine Konkretisierung und Verdeutlichung der Anlagen, die nach § 1 Abs. 4
BauNVO ausgeschlossen sein sollen, von Bedeutung sein. Die Antragsgegnerin muß
zwar auch den Bestandsschutz der vorhandenen Betriebe berücksichtigen, der
gegebenenfalls Erweiterungsmöglichkeiten umfaßt. Es ist aber gerade Sinn des
Planungsverfahrens, durch Sammlung und Bewertung der betroffenen Belange
einander widersprechende Belange zu einem Ausgleich zu bringen. Eine
Umstrukturierung des Gebiets ist offensichtlich nicht beabsichtigt. Daß der Ausgleich
von vornherein scheitern muß, ist deshalb nicht ersichtlich.
Ist die Veränderungssperre danach nicht offensichtlich nichtig, drängt sich als Ergebnis
der Abwägung auf, die Veränderungssperre nicht außer Vollzug zu setzen. Dieses
Ergebnis entspricht den Wertungen des Gesetzgebers, wie sie in den Vorschriften über
die Veränderungssperre zum Ausdruck gelangt sind. Er hat damit das Ergebnis der
Abwägung für eine Fallgestaltung wie hier vorweggenommen. Würde die
Veränderungssperre außer Vollzug gesetzt, könnten im Plangebiet auch Anlagen
errichtet oder geändert werden, die den zulässigerweise verfolgten planerischen
Vorstellungen der Antragsgegnerin zuwiderlaufen. Diese Entwicklung wäre nicht
rückgängig zu machen, wenn im Hauptsacheverfahren die Gültigkeit der
Veränderungssperre festgestellt würde. Verzögerungen bei der Verwirklichung ihres
Vorhabens mutet der Gesetzgeber der Antragstellerin zu, wenn die Gemeinde - wie hier
- eine zulässige Planung verfolgt und diese dagegen gesichert werden muß, daß sie vor
ihrem Abschluß unterlaufen wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts
aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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