Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2006
OVG NRW: wiedereinsetzung in den vorigen stand, gesetzliche frist, fristversäumnis, zustellung, offenkundig, fürsorgepflicht, kausalität, glaubhaftmachung, verschulden, datum
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 1109/06
Datum:
21.04.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 1109/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 24 K 9340/95
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird als unzulässig verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000,00 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln
vom 11. Januar 2006 - 24 K 9340/95 - ist unzulässig, weil er nicht fristgerecht bei dem
zuständigen Verwaltungsgericht gestellt worden ist.
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Nach § 124a Abs. 4 Sätze 1 und 2 VwGO ist die Zulassung der Berufung innerhalb
eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen und der Antrag
bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Ein in diesem Sinne fristwahrender
Zulassungsantrag ist nicht gegeben.
3
Die Antragsfrist ist mit der Zustellung des mit einer ordnungsgemäßen
Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 58 VwGO) versehenen Urteils am 30. Januar 2006 an die
Prozessbevollmächtigten der Kläger in Lauf gesetzt worden und am 28. Februar 2006,
einem Dienstag, abgelaufen (§ 57 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 188 Abs. 2 und 3
BGB). Bis zu diesem Zeitpunkt ist ein Zulassungsantrag bei dem VG Köln nicht gestellt
worden. Der am 28. Februar 2006 gefertigte, an das beschließende Gericht adressierte
und dort per Telefax am selben Tage eingegangene Zulassungsantrag ist unzulässig
und vermag die Antragsfrist nicht zu wahren.
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Vgl. dazu, dass ein unmittelbar bei dem OVG gestellter Zulassungsantrag unzulässig ist
5
und die Antragsfrist nicht wahrt, Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124a
Rn 159 m. w. N.; ferner Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3.
Aufl. 2005, § 124a Rn 70, m. w. N.
Zwar hat das beschließende Gericht den Zulassungsantrag an das Verwaltungsgericht
Köln weitergeleitet; er ist dort aber erst am 1. März 2006 und damit nicht mehr
fristwahrend eingegangen.
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Den Klägern ist hinsichtlich der versäumten Antragsfrist auch nicht Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist demjenigen, der ohne
Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei
Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1
VwGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im
Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die nicht
schon offenkundigen oder dem Gericht bekannten Gründe bzw. Tatsachen, die eine
Wiedereinsetzung wegen unverschuldeter Fristversäumung rechtfertigen sollen,
müssen dabei mit dem Antrag oder jedenfalls innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist
geltend gemacht werden, während die Glaubhaftmachung dieser Tatsachen im
Verfahren über den Antrag nachgeholt werden kann.
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Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 9. Juli 1975 VI C 18/75 -,
NJW 1976, 74, vom 21. Oktober 1975 - VI C 170/73 -, BVerwGE 49, 252, und vom 22.
August 1984 - 9 B 10609/83 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 142; OVG NRW, Beschluss
vom 5. August 1993 - 22 A 1339/93 -, NJW 1994, 402; vgl. ferner Kopp/Schenke, VwGO,
14. Aufl. 2005, § 60 Rn. 27 und 29; Czybulka, in: Sodan/Zie- kow, a. a. O., § 60 Rn. 118;
Kummer, Wiederein-setzung in den vorigen Stand, 2003, Rn. 679, jeweils m. w. N.
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Die Kläger, die mit Verfügung vom 16. März 2006 am 20. März 2006 auf die
Fristversäumnis hingewiesen worden sind, haben bis zum 3. April 2006 und auch
danach keine Wiedereinsetzungsgründe (Tatsachen) vorgetragen. Solche Gründe sind
auch weder offenkundig noch dem Gericht sonst bekannt. Namentlich wird die
Kausalität des aufgrund der fehlerhaften Wahl des Einlegungsortes anzunehmenden
klägerseitigen Verschuldens für die Fristversäumnis nicht dadurch in Frage gestellt,
dass das beschließende Gericht den am letzten Tag der Antragsfrist und erst nach dem
allgemeinen Dienstschluss, nämlich um 16.31 Uhr eingegangenen Zulassungsantrag
(erst) am darauffolgenden Tag an das Verwaltungsgericht weitergeleitet hat. Denn die
prozessuale Fürsorgepflicht des Oberverwaltungsgerichts gebietet es jedenfalls nicht,
Vorkehrungen zu treffen, dass ein am letzten Tag der Antragsfrist nach dem allgemeinen
Dienstschluss übermitteltes Telefax noch am gleichen Tag und nicht erst im
ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Verwaltungsgericht weitergeleitet wird.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. November 1997 - 2 A 5025/97 -; vgl. ferner Seibert,
in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124a Rn 165.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO bzw. stützt sich auf § 162 Abs. 3
VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und - hinsichtlich der
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Streitwertfestsetzung - gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG
unanfechtbar.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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