Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.03.2007

OVG NRW: ordentliche kündigung, empfehlung, entscheidungskompetenz, anhörung, anpassung, verantwortlichkeit, rechtsschutzinteresse, legitimation, disposition, volk

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 4523/05.PVL
Datum:
12.03.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 A 4523/05.PVL
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
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I.
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Der Antragsteller und der Beteiligte streiten um den zulässigen Inhalt eines Antrags des
Beteiligten, mit dem dieser in Fällen wie dem anlassgebenden die Einigungsstelle zur
Entscheidung anruft.
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Ausgelöst wurde der Streit durch den Fall des Angestellten E. , dem Manipulationen
von Akten nachgewiesen worden waren. Ihm wurde deshalb - nach Anhörung des
Antragstellers - zunächst eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Der Absicht
des Beteiligten, dem Angestellten hilfsweise ordentlich zu kündigen, versagte der
Antragsteller seine Zustimmung. Daraufhin rief der Beteiligte die Einigungsstelle an und
beantragte:
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"Die Einigungsstelle empfiehlt dem Oberbürgermeister - als
verfassungsmäßig zuständigen obersten Organ der Stadtverwaltung
Düsseldorf - das Arbeitsverhältnis zwischen der Stadt Düsseldorf und Herrn
Stefan E. hilfsweise durch ordentliche Kündigung unter Einhaltung der
tariflichen Kündigungsfrist von 5 Monaten zum Schluss eines
Kalendervierteljahres zum 31.03.2004 zu kündigen."
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Die Einigungsstelle lehnte diesen Antrag ab. Gleichwohl kündigte der Beteiligte Herrn
E. hilfsweise ordentlich zum 31. März 2004. Im Kündigungsschutzverfahren stellte das
Arbeitsgericht E1. rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die
fristlose noch durch die ordentliche Kündigung beendet worden sei; denn beide
Kündigungen seien mangels vorheriger Abmahnung unverhältnismäßig (Urteile vom
5. September 2003 - 1 Ca 4677/03 - sowie vom 6. Februar 2004 - 12 Ca 9637/03). Herr
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E. wurde daraufhin weiterbeschäftigt.
Der Antragsteller hat am 28. Oktober 2004 das personalvertretungsrechtliche
Beschlussverfahren eingeleitet und die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle hätte
in der Sache entscheiden müssen und sich nicht darauf beschränken dürfen, über eine
Empfehlung an das verfassungsmäßig zuständige oberste Organ der Stadtverwaltung
E1. zu beschließen.
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Der Antragsteller hat beantragt,
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1. festzustellen, dass der Beteiligte in Fällen ordentlicher Kündigung von
Angestellten verpflichtet ist, bei verweigerter Zustimmung des Antragstellers die
Einigungsstelle gemäß §§ 72a Abs. 1, Abs. 5, 66 Abs. 7, 67 LPVG NRW mit dem
Ziel einer endgültigen und bindenden Entscheidung und nicht lediglich mit dem
Ziel einer Empfehlung anzurufen,
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2. festzustellen, dass der Beteiligte verpflichtet ist, die Kosten des Verfahrens zu
übernehmen.
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Der Beteiligte hat beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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Die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen hat den Antrag zu 1. abgelehnt
und auf den Antrag zu 2. festgestellt, dass der Beteiligte verpflichtet ist, den Antragsteller
gemäß § 40 LPVG NRW von den Kosten des Verfahrens freizustellen. Zur Begründung
hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag zu 2. sei zulässig und begründet, weil
der Antrag zu 1. weder mutwillig noch offensichtlich aussichtslos sei. Die damit zur
Entscheidung gestellte Rechtsfrage sei in der Rechtsprechung noch nicht geklärt.
Allerdings sei der Antrag zu 1. unbegründet. Der Beteiligte habe sich zu Recht darauf
beschränkt, eine Empfehlung der Einigungsstelle zu beantragen. In einer
Personalangelegenheit wäre eine endgültige Entscheidung der Einigungsstelle wegen
Verstoßes gegen das Demokratieprinzip verfassungswidrig, wie sich dem Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1995 (2 BvF 1/92) entnehmen lasse.
Deshalb sei der maßgebliche § 72a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 66 Abs. 7 Satz 1 LPVG NRW
verfassungskonform dahin auszulegen, dass das in § 66 Abs. 7 Satz 4 LPVG NRW
geregelte Prinzip der eingeschränkten Mitbestimmung auf die personellen
Angelegenheiten der Angestellten zu erstrecken sei. Es gelte dasselbe, was das
Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 18. Juni 2002 - 6 P 12.01) für die Fälle des
§ 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW entschieden habe. Von dieser Entscheidung
abzuweichen sehe die Fachkammer Veranlassung weder angesichts der in der Literatur
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an ihr geäußerten Kritik noch im Hinblick auf den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2002 (2 BvL 5/98 und 6/98).
Gegen diesen Beschluss, der den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am
7. November 2005 zugestellt wurde, hat der Antragsteller hinsichtlich der Ablehnung
des Antrags zu 1. am 21. November 2005 Beschwerde eingelegt und diese am
9. Januar 2006 begründet.
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Zur Begründung führt der Antragsteller aus: Die von der Fachkammer angeführte
höchstrichterliche Rechtsprechung sei auf nordrhein-westfälisches Recht nicht
übertragbar. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber habe in Kenntnis dieser
Rechtsprechung und entgegen der Aufforderung von Städten und Gemeinden den
Wortlaut des § 66 Abs. 7 LPVG NRW bis heute unverändert gelassen, obwohl zu einer
Anpassung an die Rechtsprechung mehrfach Gelegenheit bestanden habe. Eine
geltungserhaltende Auslegung widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, weil der
Rechtsbefehl durch sie in sein Gegenteil verkehrt werde. Der Landesgesetzgeber habe
eine bindende Entscheidung der Einigungsstelle gewollt. Die Fachkammer akzeptiere
hingegen die letztverbindliche Entscheidung der Dienststelle ohne echte
Mitbestimmung der Personalvertretung. Das Stufenverfahren werde damit in eine
überdehnte Anhörung umgewandelt, § 66 Abs. 7 LPVG NRW faktisch für nichtig erklärt
und das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts umgangen. In diesem
Sinne äußere sich auch das einschlägige Schrifttum sowie die arbeitsgerichtliche
Rechtsprechung. Hierzu weise er auf das Urteil des LAG L. vom 13. März 2006 (14
[10] Sa 17/06) hin, wonach die Regelung in § 72a LPVG NRW verfassungsgemäß sei
und eine empfehlende Beschlussfassung nur vom Gesetzgeber vorgesehen werden
könne. Damit komme der vorliegenden Sache auch grundsätzliche Bedeutung zu.
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Der Antragsteller hat seinen erstinstanzlichen Antrag zu 1. dahingehend neu gefasst,
dass er beantragt,
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festzustellen, dass der Beteiligte in Fällen ordentlicher Kündigung von
Angestellten verpflichtet ist, bei verweigerter Zustimmung des Antragstellers
gegebenenfalls die Einigungsstelle gemäß §§ 72a Abs. 1, Abs. 5, 66 Abs. 7,
67 LPVG NRW mit dem Ziel einer endgültigen und bindenden
Entscheidung und nicht lediglich mit dem Ziel einer Empfehlung anzurufen.
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Der Antragsteller beantragt,
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den angefochtenen Beschluss zu ändern und seinem neugefassten
erstinstanzlichen Antrag zu 1. zu entsprechen.
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Der Beteiligte beantragt,
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die Beschwerde mit dem neugefassten Antrag zu 1. zurückzuweisen.
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Zur Begründung verteidigt er die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss und
führt ergänzend an: Die Beschwerde sei bereits unzulässig, da sie nicht die gesetzlich
geforderte Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung enthalte,
insbesondere sich nicht mit der von der Fachkammer entschiedenen Frage der
Mitbestimmung nach § 72a LPVG NRW befasse. Die Ausführungen zu § 66 Abs. 7
LPVG NRW seien verfehlt, weil diese Vorschrift sich gerade nicht auf § 72a LPVG NRW
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beziehe. Außerdem formuliere sie eine abstrakte Rechtsfrage, für deren Klärung kein
Rechtsschutzinteresse mehr bestehe, da sie im Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2002 bereits höchstrichterlich entschieden
worden sei. Davon abgesehen sei die Beschwerde nach den von der Fachkammer
angeführten Entscheidungen aber auch unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht
habe im Rahmen allgemeingültiger Ausführungen erklärt, dass die parlamentarische
Verantwortlichkeit der Regierung bei Maßnahmen, die den Rechtsstatus von
Beschäftigten des öffentlichen Dienstes beträfen, keine Einschränkung erfahren dürfe.
Bei ordentlichen Kündigungen dürfe die Mitbestimmung daher allenfalls den Charakter
einer Empfehlung an die Dienststelle besitzen. Das Bundesverwaltungsgericht habe
diese Maßstäbe seiner Rechtsprechung zu § 66 Abs. 7 Satz 4 LPVG NRW zugrunde
gelegt. Auf dieser Grundlage komme die Fachkammer zutreffend auch im Rahmen von
§ 72a LPVG NRW zu einer eingeschränkten Mitbestimmung in Fällen der ordentlichen
Kündigung von Arbeitnehmern. Denn durch die gesetzliche Verweisungstechnik
entstehe eine planwidrige Lücke. Diese hätte der Landesgesetzgeber bei Kenntnis der
verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung durch eine Verweisung auf § 66 Abs. 7 Satz
4 LPVG NRW geschlossen. Eine unterschiedliche Behandlung von Einstellungen und
ordentlichen Kündigungen sei nicht sachgerecht und nicht gewollt. Dass der
Landesgesetzgeber bislang keine Anpassung vorgenommen habe, liege daran, dass
sie Teil einer beabsichtigten großangelegten Novellierung des
Personalvertretungsrechts darstelle. Es könne aber nicht angenommen werden, dass
der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Vorgaben bewusst missachte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der vom Beteiligten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (Beiakten Hefte
1 bis 3) Bezug genommen.
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II.
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Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der neugefasste Antrag zu 1., den der Antragsteller mit der Beschwerde weiterverfolgt,
ist unzulässig.
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Die Neufassung des Antrags im Beschwerdeverfahren ist freilich sachgerecht. Die
Einfügung des Adverbs "gegebenenfalls" bringt deutlicher zum Ausdruck, dass der
Antragsteller die gerichtliche Feststellung lediglich mit Blick auf jene Fälle erstrebt, in
denen der Beteiligte sich nach definitiver Verweigerung der Zustimmung des
Antragstellers zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung von Angestellten dazu
entschließt, das Mitbestimmungsverfahren fortzuführen und die Einigungsstelle
anzurufen. Das unzweifelhafte Recht der Dienststelle, von einer Einschaltung der
Einigungsstelle Abstand zu nehmen, wird und wurde vom Antragsteller nicht bestritten.
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Das so zu verstehende Begehren hat einen (noch) hinreichenden Bezug zu den
Zuständigkeiten der Personalvertretung im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 3 LPVG NRW und
kann damit im Rahmen eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens vor
den Verwaltungsgerichten in statthafter Weise verfolgt werden. Allerdings wird
vorliegend nicht, jedenfalls nicht unmittelbar um Mitbestimmungsrechte des
Antragstellers gestritten, sondern um Rechte bzw. Pflichten des Beteiligten. Denn das
Begehren betrifft die Art und Weise, in welcher der Beteiligte ein eingeleitetes
Mitbestimmungsverfahren nach Zustimmungsverweigerung des Antragstellers fortführen
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darf. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Antragsteller die
Möglichkeiten des Beteiligten geklärt wissen will, mittels seiner Antragsformulierung auf
die Entscheidung der Einigungsstelle Einfluss zu nehmen. Der Streit hierüber kann für
die Kompetenzen des Antragstellers Bedeutung haben; sollte die Auffassung des
Antragstellers zutreffen - was im Rahmen der Begründetheit zu prüfen wäre -, so stünde
dem Beteiligten eine zumindest faktische Möglichkeit zu Gebote, die Rechtsposition des
Antragstellers zu schmälern, weil die Einigungsstelle dem Beteiligten das Recht zu
endgültiger Entscheidung belassen würde.
Dem Antragsteller fehlt jedoch das Feststellungs- bzw. Rechtsschutzinteresse für die
begehrte gerichtliche Entscheidung. Es ist nämlich nicht hinreichend erkennbar, dass
eine gerichtliche Klärung dem Antragsteller nützlich sein, seine Rechtsposition im
Verhältnis zum Beteiligten also in irgendeiner Weise verbessern könnte.
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Der Antragsteller geht im Ansatz unzutreffend davon aus, dass die Dienststelle durch
ihren Antrag festlegen kann, ob die Einigungsstelle verbindlich entscheiden darf (§ 67
Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW) oder eine Empfehlung zu beschließen hat (§ 66
Abs. 7 Satz 4 LPVG NRW). Richtig ist zwar, dass dem Antrag an die Einigungsstelle
verfahrensrechtliche Bedeutung in doppelter Hinsicht zukommt: Der Antrag löst eine
Verpflichtung der Einigungsstelle aus, über ihn zu entscheiden, und er legt den
Gegenstand des Einigungsstellenverfahrens fest. Dadurch ist es der Einigungsstelle
verwehrt, über den Antrag hinauszugehen oder etwas anderes zu beschließen; sie
bleibt lediglich befugt, Anträgen nur teilweise zu entsprechen (vgl. § 67 Abs. 5 Satz 1
Halbs. 1 und 2 LPVG NRW). Diese Regelung verdeutlicht jedoch zugleich, dass sich
die Einigungsstelle in den gegenstandsbezogenen Grenzen halten muss, wie sie vom
Antragsbegehren sachlich abgesteckt werden.
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Weitergehend oder in anderer Hinsicht vermag die Dienststelle durch den Inhalt ihres
Antrags die Entscheidung der Einigungsstelle jedoch nicht vorzuprägen. Dies gilt nicht
nur hinsichtlich des Inhalts des Beschlusses, sondern auch - worauf es hier ankommt -
hinsichtlich der Wirkungen bzw. des Verbindlichkeitsgrades des Ausspruchs. Letztere
sind - ebenso wie die Förmlichkeiten der Beschlussfassung - Teil der gesetzlich
begründeten Entscheidungskompetenz der Einigungsstelle. Diese ist nach derzeitiger
Rechtslage zwingend ausgestaltet, unterliegt also nicht der Disposition der
Einigungsstelle. Denn deren Beschluss muss sich im Rahmen der geltenden
Rechtsvorschriften halten (§ 67 Abs. 5 Satz 2 LPVG NRW), was Umfang und Grenzen
der ihr gesetzlich eingeräumten Kompetenz einschließt. Daraus folgt, dass der
Verbindlichkeitsgrad eines Einigungsstellenbeschlusses durch die Formulierung des
Antrags der Dienststelle oder der Personalvertretung nicht vorgegeben werden kann;
dieser folgt aus dem Gesetz. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgenden Erwägungen:
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Das nordrhein-westfälische Landespersonalvertretungsgesetz hat die Einigungsstelle
als Schlichtungsstelle mit zum Teil (letzt)verbindlicher Entscheidungskompetenz in
mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten ausgestattet. In diesem Rahmen
entscheidet sie im Anrufungsfalle über die Zustimmung zu den von der Dienststelle
beabsichtigten oder über von der Personalvertretung beantragte Maßnahmen
abschließend (§ 66 Abs. 7 Satz 1 LPVG NRW). Soweit im
Landespersonalvertretungsgesetz hiervon abweichend vorgesehen ist, dass die
Einigungsstelle eine bloß unverbindliche Empfehlung zu beschließen hat (§ 66 Abs. 7
Satz 4 LPVG NRW), ist dies keine frei wählbare alternative Entscheidungsform, sondern
zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgaben geschuldet, die ihrerseits nicht einmal für
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den Gesetzgeber disponibel sind. Der Landesgesetzgeber trägt mit dem empfehlenden
Charakter des Einigungsstellenbeschlusses nämlich der Vorgabe Rechnung - soweit
sie bei Schaffung der Norm bereits erkennbar war -, dass der Beteiligung der
Personalvertretung aus Gründen demokratischer Legitimation dort Grenzen gesetzt sind,
wo es um Entscheidungen mit nicht nur unerheblicher Bedeutung für die Erledigung des
Amtsauftrages der Dienststelle geht. Bei solchen Entscheidungen muss die Möglichkeit
zur verbindlichen Letztentscheidung stets einem demokratisch legitimierten und
gegenüber Volk und Parlament verantwortlichen Amtsträger vorbehalten bleiben.
Solche Entscheidungen dürfen also nicht einer Stelle übertragen werden, welcher - wie
die Einigungsstelle nach nordrhein-westfälischem Landesrecht - parlamentarischer
Verantwortlichkeit und Kontrolle entzogen ist. Sollen und dürfen in diesen Fällen
Personalvertretung und Einigungsstelle überhaupt in die Willensbildung und
Entscheidungsfindung einbezogen werden, so kann dies - jedenfalls auf der letzten
Stufe - allenfalls in der Form der so genannten eingeschränkten Mitbestimmung
geschehen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 -, BVerfGE 93, 37,
72 f.
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Diese ist in § 66 Abs. 7 Satz 4 LPVG NRW für die dort genannten
Mitbestimmungstatbestände vorgesehen: Die Entscheidung der Einigungsstelle darf in
den genannten Fällen nur den Charakter einer Empfehlung an die zuständige
Dienstbehörde haben, die endgültig entscheidet (§ 67 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2, § 68
LPVG NRW). Aus diesem verfassungsrechtlich vorgezeichneten Mechanismus folgt,
dass die Empfehlung eine Ausnahme vom gesetzlich gewollten
Letztentscheidungsrecht der Einigungsstelle darstellt; sie ist demgemäß auf die Fälle zu
begrenzen, in denen ein Letztentscheidungsrecht der Dienststelle aus
verfassungsrechtlichen Gründen zwingend geboten ist.
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Nichts anderes kann aus systematischen Gründen in solchen Fällen gelten, in denen
ein Letztentscheidungsrecht der Einigungsstelle - rechtlich unbedenklich - vorgesehen
ist. Eine bloße Empfehlung wäre dort im (gegenwärtigen) System des
Mitbestimmungsrechts funktionslos: Gemäß § 66 Abs. 1 LPVG NRW kann eine
Maßnahme, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, nur mit seiner
Zustimmung getroffen werden. Kommt eine Einigung nicht zustande, so wird diese von
der Entscheidung der Einigungsstelle ersetzt, die insofern verbindlichen Charakter hat,
§ 67 Abs. 6 Satz 2 LPVG NRW. Von einer bloßen Empfehlung, die der Dienststelle
absichtsvoll das Letztentscheidungsrecht beließe, geht hingegen keine vergleichbare
rechtliche Wirkung aus: Weder würde sie die Einigung ersetzen noch könnte sie der
Dienststelle das - ihr nach dem Gesetz nicht zustehende - Letztentscheidungsrecht
verschaffen. Von daher kann auch die Dienststelle selbst kein Interesse daran besitzen,
dass die Einigungsstelle - womöglich initiiert durch einen dahingehenden Antrag -
rechtswidrig eine Empfehlung beschließt. Der anschließend getroffenen
Personalmaßnahme fehlte die erforderliche Zustimmung des Personalrats. Die hier in
Rede stehende Kündigung wäre augenfällig - wie im Anlassfall des Angestellten E. -
mit einem zu ihrer Unwirksamkeit führenden Rechtsmangel behaftet, ein
anschließendes Kündigungsschutzverfahren des jeweiligen Beschäftigten allein
deswegen (objektiv) begründet.
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Ergibt sich somit aus dem Gesetz (gegebenenfalls unter Heranziehung der
verfassungsrechtlichen Maßgaben), in welchen Angelegenheiten der Einigungsstelle
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ein die Beteiligten bindendes Letztentscheidungsrecht eingeräumt ist und in welchen
Fällen sie nur eine Empfehlung beschließen darf, so ist sie unabhängig von der
Antragsformulierung zur Prüfung ihrer Entscheidungskompetenz und zu einem
entsprechenden Ausspruch verpflichtet. Nach der gesetzlichen Konstruktion besteht
mithin für die Einigungsstelle keine Wahlmöglichkeit, mit welchem Verbindlichkeitsgrad
sie einen Beschluss versieht. Sie ist insofern an die gesetzlichen, gegebenenfalls
verfassungsrechtlichen Vorgaben strikt gebunden und muss ihnen unabhängig von der
Antragsformulierung folgen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zu folgen ist, wonach angeblich im Wege gesetzlicher
Lückenfüllung - ungeachtet des klaren gegenteiligen Wortsinns der Bestimmungen - zur
Wahrung der Verfassungsmäßigkeit der Mitbestimmungstatbestände auch dann eine
bloße Empfehlungskompetenz der Einigungsstelle anzunehmen ist, wenn ein
Landespersonalvertretungsgesetz - wie in Nordrhein-Westfalen - in einzelnen
Mitbestimmungsfällen eine Letztentscheidungskompetenz vorsieht, diese aus
verfassungsrechtlichen Gründen aber der Dienststelle zu belassen ist.
In diesem Sinne etwa BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2002 - 6 P 12.01 -,
PersR 2002, 467 = PersV 2003, 24; a.A. nunmehr etwa LAG L. , Urteil vom
13. März 2006 - 14 (10) Sa 17/06 -, Juris und PersV 2006, 478 (Leitsatz); die
Revision ist anhängig unter dem Aktenzeichen BAG 2 AZR 451/06.
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Denn auch und gerade nach diesen Maßgaben wäre die Einigungsstelle auf die
Prüfung ihrer Kompetenz verwiesen. Sie müsste namentlich von sich aus eine
Kompetenz zur Letztentscheidung verneinen, wenn die Dienststelle ihr eine solche
ansinnen oder zugestehen und den Antrag entsprechend stellen würde, die
Einigungsstelle aber mehrheitlich in Ansehung der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zugrunde legen würde, lediglich eine Empfehlung
aussprechen zu dürfen.
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Unter diesem Blickwinkel müsste die begehrte gerichtliche Entscheidung auf ein
Rechtsgutachten zu der Frage hinauslaufen, ob die Einigungsstelle in Fällen des § 72a
Abs. 1 LPVG NRW verbindlich zu entscheiden hat oder im Hinblick auf die
angesprochene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesverwaltungsgerichts nur eine Empfehlung aussprechen dürfte. Diese Frage kann
der Antragsteller wie auch die Dienststelle im konkreten Einzelfall - gegebenenfalls im
Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - klären lassen, wie sich aus § 79 Abs. 1 Nr. 6
LPVG NRW ergibt, wonach die Verwaltungsgerichte über "Streitigkeiten aus § 67"
entscheiden.
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Daher bedarf keiner Beurteilung, ob ein dahingehender Antrag aus sonstigen Gründen
von vornherein keinen Erfolg haben könnte. Denn es handelte sich um einen sog.
Globalantrag, mit dem unabhängig von einem konkreten Streitfall das
Mitbestimmungsrecht für eine bestimmte Gruppe in allgemeingültiger Weise geklärt
werden soll. Begründet ist ein solcher Antrag nur dann, wenn alle von ihm erfassten
Fallgestaltungen im Sinne des Antrags zu entscheiden sind.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2001 - 6 P 12.00 -, ZfPR 2002,
67, 70.
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Der Senat hält es insofern für nicht unzweifelhaft - ohne dass hier darüber zu befinden
wäre -, ob sämtliche Fallgestaltungen ordentlicher Kündigungen im Sinne des § 72a
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Abs. 1 LPVG NRW zu der vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24. Mai
1995
- 2 BvF 1/92 -, BVerfGE 93, 37,
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gebildeten Gruppe c) gehören, also zu jenen innerdienstlichen Personalmaßnahmen,
die schwerpunktmäßig die Erledigung von Amtsaufgaben betreffen. Hiergegen könnte
der Hinweis im Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 2001
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- 2 BvL 8/00 -, PersV 2001, 557 = PersR 2002, 198,
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sprechen, wonach zu prüfen ist, ob eine personelle Maßnahme - wie bei der dort in
Rede stehenden Änderungskündigung - als organisatorische Angelegenheit
Auswirkungen auf das Gemeinwesen hat (vgl. dazu § 104 Satz 3 BPersVG) oder eine
einzelne, allein individuelle Wirkungen entfaltende Personalentscheidung vorliegt.
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Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen
Beschlussverfahren.
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht
vorliegen.
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