Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.02.2003

OVG NRW: erlass, verminderung, behinderung, kostenbeteiligung, schreibfehler, verschulden, verfügung, hochschule, beschränkung, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 8/03
Datum:
18.02.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 8/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 4 Nc 197/02
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahrens auf 3.000,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde des Antragsgegners, über die der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6
VwGO im Rahmen der dargelegten Gründe befindet, hat Erfolg.
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Dass in der Beschwerde ein ausdrücklicher Antrag nicht formuliert worden ist, macht
diese nicht unzulässig, weil aus der Beschwerdebegründung im Übrigen das
Rechtsschutzziel des Antragsgegners, den Beschluss des Verwaltungsgerichts
aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung mit dem Ziel des Erhalts eines vorläufigen Studienplatzes abzulehnen,
erkennbar ist.
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Vgl. Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl., § 146 Rdn.28.
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Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens hat das Verwaltungsgericht dem
Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, ihr vorläufig einen Studienplatz im Studiengang Lehramt Sonderpädagogik
im Wintersemester 2002/03 zuzuweisen, zu Unrecht stattgegeben. Die Antragstellerin
hat einen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen
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Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Maßgebend für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war die rechnerische
Ermittlung eines gegenüber der Kapazitätsberechnung des Antragsgegners (367
Studienplätze) weiteren Studienplatzes. Entscheidend war insoweit die Annahme, dass
für den wissenschaftlichen Angestellten C. wegen dessen Schwerbehinderung nicht
eine Verminderung der Lehrverpflichtung um 1,5 Deputatstunden (DS), sondern (nur)
um 1 DS hätte erfolgen dürfen.
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Diese Annahme ist nach dem Beschwerdevorbringen nicht (mehr) gerechtfertigt. Der
Antragsgegner hat durch Vorlage eines Herrn C. betreffenden Bescheides des
Versorgungsamtes E. vom 4. September 2000 und eines Schwerbehindertenausweises
nachgewiesen, dass der Grad der Behinderung bei diesem 70 % und nicht, wie vom
Verwaltungsgericht angenommen, 50 % beträgt. Nach § 9 Buchst. b) der
Lehrverpflichtungsverordnung - LVV - kann die Lehrverpflichtung Schwerbehinderter auf
Antrag bis zu 18 v.H. ermäßigt werden, was bei einer Lehrverpflichtung von 8 Stunden
eine Verminderung um (gerundet) 1,5 Stunden bedeutet. Da diese Bestimmung für die
Ermäßigung der Lehrverpflichtung einen Ermessensrahmen gibt, begegnet auch die
Ausschöpfung der danach höchstmöglichen Lehrverpflichtungsermäßigung und die
Reduzierung der Lehrverpflichtung des Herrn C. um 1,5 DS keinen Bedenken. Das vom
Verwaltungsgericht mit 394 Deputatstunden ermittelte Bruttolehrangebot verringert sich
somit auf 393,5 DS.
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Hinsichtlich des mit 17,64 DS angesetzten Dienstleistungsexports der Lehreinheit
Sonderpädagogik für andere Studiengänge gibt das Vorbringen der Antragstellerin im
Beschwerdeverfahren angesichts der Beschränkung auf eine summarische Prüfung im
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keinen Anlass zu einer anderen
Wertannahme. Insbesondere hat der Senat schon mehrfach entschieden,
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vgl. Beschlüsse vom 14. Juni 2000 - 13 C 9/00 - und vom 5. Juni 1997 - 13 C 46/96 -
unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 1980 - 1 BvR 967/78 u.a,
BVerfGE 54,173 ff und vom 22. Oktober 1991 - 1 BvR 393/85 -, DVBl. 1992, 145,
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dass das Gebot erschöpfender Kapazitätsauslastung nicht in allen Bereichen und
Details des Zulassungsrechts, insbesondere auch bezüglich der von einer Lehreinheit
für nicht zugeordnete Studiengänge zu erbringenden Dienstleistungen, normative
Regelungen erfordert. Im Rahmen dieses Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes
kann davon ausgegangen werden, dass hinreichend objektivierte und nachprüfbare
Kriterien für die zum Studiengang Sonderpädagogik zuzulassenden Studierenden
bestehen und dass der Dienstleistungsexport der Lehreinheit für nicht zugeordnete
Studiengänge auf entsprechenden in der Hochschule praktizierten Studien- und
Prüfungsregularien beruht, wobei der relativ hohe Dienstleistungsexport für jene auch
durch eine erhöhte Inanspruchnahme von Lehrpersonal für im Verhältnis zu grossen
Vorlesungen kleine Studierendengruppen in den anderen Studiengängen bedingt sein
mag. Im Übrigen reicht es im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes
auf Erhalt eines Studienplatzes nicht aus, undifferenziert Kritik an einem Teil der
Lehrangebotsberechnung zu äußern, ohne zugleich konkret aufzuzeigen, wie und an
welcher Stelle des Berechnungsvorganges anders sowie mit welchen Zahlen und
Werten zu rechnen ist.
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Unter Berücksichtigung der weiteren vom Verwaltungsgericht angesetzten Werte für
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Lehrauftragsstunden und zusätzliches Lehrangebot, deren Richtigkeit von der
Antragstellerin nicht in Abrede gestellt werden, ist somit von einem bereinigten
Lehrangebot von 482,86 DS auszugehen, was in der weiteren Berechnung (S. 9 des
Beschlusses des Verwaltungsgerichts) zu einer jährlichen Aufnahmekapazität von
482,86 x 2/2,63 = 367,20 = (gerundet) 367 Studienplätzen
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für die Lehreinheit Sonderpädagogik führt.
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Ein über die festgesetzte Kapazität hinausgehender Studienplatz steht daher nicht zur
Verfügung. Ein für eine einstweilige Anordnung erforderlicher Anordnungsanspruch der
Antragstellerin ist demnach nicht gegeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Kostenbeteiligung des
Antragsgegners, in dessen Spähre der für die erstinstanzliche Entscheidung
maßgebende Schreibfehler lag, oder eine Kostenniederschlagung wegen unrichtiger
Sachbehandlung durch das Verwaltungsgericht, weil dieses die Unstimmigkeit der in
den Berechnungsunterlagen angesetzten Zahlen für eine
Lehrverpflichtungsermäßigung des wissenschaftlichen Angestellten C. und für dessen
Grad der Behinderung hätte erkennen und durch eine Nachfrage beim Antragsgegner
hätte klären können, kommt nicht in Betracht, weil es insoweit an einem Verschulden
i.S.d. § 155 Abs. 5 VwGO bzw. an einer unrichtigen Sachbehandlung i.S.d. § 8 GKG
fehlt und die Durchführung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens das Risiko einer
von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichenden Sach- und/oder
Kostenentscheidung in sich trägt.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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